Was ist noch alles Cheating?

GM Macieja GM Macieja http://www.chessprofessionals.org/content/acp-board

Cheating im Schach ist ein immergrünes oder schwarzes Thema - auf diesem Blog u.a. daran zu sehen, dass Krennwurzns Beitrag zum "Fall Ivanov" zwei Monate danach noch reichlich kommentiert wurde. Mich interessiert zu diesem Thema auch die "Grauzone": neuer Trend ist, dass Spieler sehr schnell verdächtigt werden und auch ohne klare Beweise bereits mit Konsequenzen rechnen müssen, d.h. die rechtsaatliche Unschuldsvermutung ist quasi aufgehoben. Anders ausgedrückt: Hysterie, wilde Cheating-Vorwürfe und Vorverurteilungen sind, finde ich jedenfalls, genauso ein Problem wie Cheating an sich.

Was gab es die letzten Monate Neues zum Thema? Neue Entwicklungen im "Fall Ivanov" will ich hier und heute NICHT thematisieren und kommentieren. Es gibt inzwischen ein gemeinsames Anti-Cheating Kommittee von ACP und FIDE - für mich momentan eine Nachricht ohne allzu viel Inhalt, erst einmal abwarten wann ihre Arbeit welche Früchte trägt, und die Namen (einige aber nicht alle sind mir ein Begriff) will ich auch nicht kommentieren. Und dann kam Bartlomiej "Bartek" Macieja, Grossmeister und ACP-Generalsekretär, mit einer langen Liste von Problemen welche das Kommittee seiner Meinung nach offenbar alle untersuchen soll. Das erschien auf Chessvibes zunächst als Blogbeitrag und tags darauf am 11.Juli auch als "top story". Problem Nummer 1 ist "The use of electronic databases and engines during a game" - soweit so gut oder schlecht, das ist ja in aller Munde. Ich werde auf (seine) Probleme 5 und 6 eingehen: da ist für mich unklar ob das a) ernste und häufige Probleme sind bzw. b) ob die Medizin schlimmer wird als der Schnupfen - das Risiko ist, dass Spieler (und nicht nur Spieler) eventuell zu Unrecht verurteilt und bestraft werden, in Ken Regans Terminologie "false positives". Bei aller Kritik an Macieja (s.u.) möchte ich mich bei ihm bedanken, dass er auf emails zweimal schnell und ausführlich (und zitierfähig) reagiert hat. In ähnlichen Fällen habe ich eine "Erfolgsquote" von ca. 70% wobei die Antworten oft kurz nach Mitternacht eintrafen, sind Schachspieler etwa Nachtmenschen?

Problem 5) sind "Prearranged results" die [Macieja] Turnierergebnisse womöglich noch mehr beeinflussen können als elektronisches Cheating. Die Frage die er selbst stellt ("5.4 When can a game be declared prearranged?") lässt sich meines Erachtens fast nicht beantworten. Er schreibt selbst, dass Schiedsrichter dabei helfen müssen und Richtlinien brauchen wann sie (nicht) eingreifen sollten. Ausserdem schlägt er vor, dass Schiedsrichter zukünftig mit Sanktionen oder disziplinarischen Massnahmen rechnen müssen - sowohl wenn sie zu Unrecht nicht eingreifen als auch wenn sie zu Unrecht eingreifen. Erstens ist das doch immer subjektive Ermessensangelegenheit, zweitens können auch Schiedsrichter Fehler machen, drittens: wer entscheidet darüber und ist damit Schiedsrichter des Schiedsrichters?
Natürlich sind es zwei Probleme, und zwar "prearranged draws" und "prearranged resultative games". Im ersten Fall ist es (auch für Macieja) kein ausreichender Beweis, wenn Spieler eine bekannte Theorievariante runterblitzen und nach fünf Minuten ein Dauerschach auf dem Brett erscheint - das kann "spontan" passieren, auch ohne dass die Spieler es vor oder während der Partie vereinbarten. Oft gibt es ja (Turnier-)Situationen in denen allen - Spielern und Zuschauern - klar ist, dass remis ein erwünschtes Ergebnis ist; dann kann eine Partie auch ohne vorherige Vereinbarung (schnell) remis enden. Generell schrieb Macieja "personally I belong to a group of people who consider punishing players based on a feeling that something could have happened unacceptable". Als zweifelsfreies Beispiel nennt er einen Mannschaftskampf wo an allen sechs Brettern nach 5 Minuten und jeweils über 40 Zügen remis vereinbart wurde - da könnten auch meiner Meinung nach zukünftig beide Teams bestraft werden, und sei es nur weil sie sich keinerlei Mühe machten, ihre Absichten zu verbergen! Aber das ist doch sicher ein einzelner Sonderfall? Und wo läge die Grenze? Ein Blitzremis ist offenbar OK und unverdächtig, wären zwei oder drei auch noch akzeptabel? Danach argumentiert er juristisch: auch in Strafprozessen braucht man nicht immer einen absoluten Beweis, mitunter reicht "beyond reasonable doubt" oder indirekte Beweise (Indizien?). Laut Macieja würden im gegebenen Fall niedrigere Standards ausreichen ("lower, but not low!").

sseu600

Was "prearranged resultative games" betrifft, das ist natürlich unethisch aber ebenso schwer zu beweisen. Spieler (jeglichen Niveaus) haben doch das "Recht" Fehler zu machen, auch der übelsten Sorte, ohne dass unbedingt bzw. nachweislich Absicht im Spiel war? Um nur zwei Beispiele aus dem Peking Grand Prix zu nennen (Namen nenne ich nicht, eine der zwei Partien war mit-turnierentscheidend, die andere nicht): Ein Spieler überschritt in Remisstellung die Zeit weil er schlicht und ergreifend die Uhr vergessen hatte. Ein anderer Spieler folgte seiner häuslichen Eröffnungsvorbereitung und stellte dann im 15. Zug einzügig die Partie ein. Müssen derlei Fälle zukünftig untersucht werden, und wie liesse sich (was ich keinesfalls vermute) beweisen, dass doch Absicht im Spiel war? Einen Grenzfall gab es im letzten Turnier der ersten GP-Serie: Mamedyarov verlor gegen Radjabov auf Zeit, damit war letzterer am Ende fürs Kandidatenturnier qualifiziert und ersterer bekam eine Wildcard. Da vermuteten einige Grossmeister Schieberei (in der Zeitschrift "SCHACH", diese Nummer und damit deren Namen habe ich nicht mehr greifbar). Aber auch hier gilt: wie kann man das zweifelsfrei beweisen??
Später schrieb Macieja, dass ein Schiedsrichter - auch nach aktuellen Regeln - eingreifen MUSS wenn er den schweren Verdacht hat, dass zwei Spieler geschummelt haben. "Auch in anderen Sportarten treffen Schiedsrichter Entscheidungen (und bestrafen Spieler) nach bestem Ermessen und ohne definitiven Beweis. Das gilt auch für Schach-Schiedsrichter." Dann müsste man einem Schiedsrichter _nachweisen_ dass er einen schweren Verdacht hatte und doch nicht eingegriffen hat, um des lieben Turnierfriedens willen? Im Originalbeitrag hatte er geschrieben - wohl zu Recht - dass Schiedsrichter Problemen aus dem Weg gehen, und dass auch Veranstalter und Sponsoren Skandale nicht mögen. Per email erwähnte er noch ausdrücklich, dass Spieler das Recht behalten sollen, Entscheidungen anzufechten ("possibility to appeal").

Problem 6) ist "The role and conduct of captains", da wird Macieja persönlich ohne einen Namen zu nennen. In Mannschaftskämpfen, z.B. aber nicht nur bei der Olympiade, dürfen Spieler den Kapitän konsultieren bevor sie remis anbieten, akzeptieren oder ablehnen. Laut FIDE-Turnierreglement darf der Kapitän diese Frage nur mit ja, nein oder "mach was Du willst" beantworten - ausserdem darf er einem Spieler erlauben, ihn ermutigen oder ihm verbieten(?) eine Partie aufzugeben. Aufgabe des Kapitäns ist, den gesamten Kampf im Auge zu behalten (und auf dieser Basis Remisangebote zu beurteilen) während die Spieler sich vor allem auf ihre eigene Partie konzentrieren - er ist doch Schachexperte und nicht nur ein Kellner der Spieler mit Getränken versorgt? Er muss sich dabei auf sein eigenes Urteil verlassen und darf keine anderen Personen oder Engines zu Rate ziehen. Ebenso darf er die Frage "soll ich remis anbieten?" nicht beantworten mit z.B. "nein, 36.Sg5 gewinnt" ... .
Nun der von Macieja erwähnte Fall: Im Olympia-Match Aserbaidschan-Polen fragte sein Gegner (nicht namentlich genannt, es war Guseinov) vor dem 26. Zug den Kapitän ob er remis anbieten darf - bei der Olympiade ist das vor dem 30. Zug verboten. Was los war: er konnte mit einem Turmopfer remis forcieren was er dann auch tat - die Alternative war [Macieja] eine "unklare ausgeglichene Stellung" weiter zu spielen. Macieja nannte das "an obvious attempt of cheating". Das war die Stellung (nach zuvor offensichtlich 26.Te1-e2 Db6xLb5):

Guseinov-Macieja

In der Partie folgte 27.Txe6 fxe6 28.Dxg6+ Kh8 29.Dh6+ Kg8 30.Dg6+ Kh8 31.Dh6+ Kg8 32. Dg6+ 1/2.

Ich kann mich natürlich irren, aber nach meinem Ermessen war remis ohnehin wahrscheinlich, auch wenn die Partie anders noch 20, 50 oder 100 Züge gedauert hätte. Aber das ist eher sekundär: Wenn ein Spieler das Recht hat, den Kapitän zu fragen bevor er remis anbietet, annimmt oder ablehnt, darf er dann nicht fragen ob er remis erzwingen soll oder darf? Und in dem Fall greift die 30 Züge Regel eben nicht. Weiterhin: wenn ein Spieler "einfach so" remis macht bekommt er womöglich - je nachdem was in seinem Team Regel oder Usus ist - Ärger mit seinen Kollegen? Vielleicht ja auch mit Journalisten, siehe dieses Beispiel aus unserem Blog ("Hatte Teamchef Uwe Bönsch sein Remisgebot gutgehei?en?"). Vielleicht besteht Klärungsbedarf in den Turnierregeln, aber zumindest "obvious attempt of cheating" (Hilfe von Dritten während der laufenden Partie) erscheint mir zu starker Tobak. Macieja schrieb mir dazu abschliessend: "Zu Guseinovs Verhalten bleiben wir geteilter Meinung. Er wurde übrigens vom Hauptschiedsrichter offiziell verwarnt."

Der Artikel ist lang genug, auch ohne eigentlich noch geplante "Anekdoten" aus eigener Praxis. Eine aus (m)einem Amateur-Mannschaftskampf will ich doch noch nennen: Einmal flüsterte mir der Teamchef während der Partie ins Ohr, dass ich gewinnen muss - unklar ob mein Gegner das a) hören sollte b) mitbekommen hat. Ich war da gerade dabei, einen Bauern zu gewinnen und später die Partie - die Variante hatte ich bereits gesehen und prüfte sie nochmals. In höheren Spielklassen geht sowas natürlich nicht, und auch in der siebten Liga konnte man es als unerlaubte Hilfe interpretieren, aber später wurde klar, dass dem nicht so war. Der Käpten schrieb auf unserer Vereins-Homepage ("Artikelen, 3-11-2012"): "Ich flüsterte Thomas, der am zweiten Brett gegen Guido Florijn noch nicht viel erreicht hatte, ins Ohr dass er gewinnen muss. ... Wie Thomas es geschafft hat habe ich durch die Emotionen an meinem Brett nicht gesehen [sein Gegner hatte in Gewinnstellung einen Turm eingestellt], aber plötzlich hörte ich dass er Florijn auf die Knie gezwungen hat." Die schmeichelhaften nächsten Sätze übersetze/zitiere ich mal nicht.
Bezug zum Hauptbeitrag: Meistens sieht ein Spieler mehr in der Partie als der Kapitän der nur gelegentlich am Brett vorbeischaut, und das gilt wohl auf allen Niveaus.

Kommentare   

+1 #1 TAR 2013-07-27 04:11
Ich bin der Meinung, dass der Ausschluss eines Spielers von Turnieren ohne Beweis von Betrug (wie es offenbar der Bulgarische Schachbund tat) nicht gerechtfertigt ist.

Ich bin ein Nachtmensch :zzz .

"Prearranged results" sind nicht zu vermeiden. Man kann zwar Regeln einführen (wie z.B. die Sofia-Regel), aber sie müssen präzise sein, damit der Schiedsrichter die Einhaltung kontrolllieren kann. Daher wird nach der Einführung der Regel einfach ein anderer Weg eingeschlagen, um das abgemachte Resultat zu erreichen. Also sind solche Regeln unnütz. Die Sofia-Regel hilft insoweit, dass Zuschauer etwas zu sehen bekommen.

Im Fall Guseinov sehe ich überhaupt kein Problem. Es ist ja gerade die Aufgabe des Mannschaftsleiters, eine Empfehlung für oder gegen remis abzugeben. Dies sollte auch die Spielweise des Spielers beeinflussen. Der Mannschaftsleiter hat vermutlich nicht gesagt, ob 27. Txe6 gut oder schlecht ist, sondern den Einfluss des Remis auf das Mannschaftsresultat eingeschätzt.

In einem Mannschaftswettkampf habe ich meinen Mannschaftsleiter gefragt, ob ich remis annehmen soll. Er hat die Stellung angeschaut, worauf meine Gegnerin heftig protestierte, er dürfe das nicht. Erstens war der Mannschaftsleiter ein Teil des Schiedsgerichts und hatte somit die Pflicht, die Partie zu beobachten, und zweitens sollte meiner Meinung nach der Mannschaftsleiter die Stellungen aller Bretter beurteilen, um eine Empfehlung für oder gegen remis abgeben zu können.
#2 rhorhorho 2013-07-29 21:12
Mit ein bisschen Glück kann man auch für ganze Turniere nachweisen, dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie stattgefunden haben:
http://rjlipton.wordpress.com/2013/07/27/thirteen-sigma
#3 Schachorganisator 2013-07-30 12:51
Ich denke, 2 sehr interessante Probleme wurden angesprochen.

1. Wie weit darf ein Mannschaftsführer oder -leiter oder -kapitän gehen, um seinem Mitspieler zu einem Remisangebot zu- oder abzuraten. An sich ist die FIDE-Regel ja eindeutig.

2. Muss ein Schiedsrichter in bestimmten Situationen eingreifen bzw. was passiert, wenn er es nicht tut?
Bspw. wurde bei den DEM das Turniergericht, welches früher vorgeschrieben war, wieder abgeschafft. Damit kommt dem SR eine erhöhte Verantwortung zu. Dies kann allerdings auch dazu führen, dass sie missbraucht werden könnte.
#4 Darth Frank 2013-07-31 10:58
Ein abgesprochenes Remis ist für mich kein Cheating. Es ist vielleicht nicht die feine englische Art. Wenn das Remis beiden nützt funktioniert das auch ohne direkte Absprache. Einfach eine fade Eröffnung spielen und ein paar „Tust du mir nichts, tu ich dir nichts“-Züge, Hand rüberreichen, fertig. Das ist legitim.

Ein abgesprochener Verlust ist da schon etwas anderes…
#5 Krennwurzn 2013-07-31 19:28
zitiere Darth Frank:
Ein abgesprochenes Remis ist für mich kein Cheating...
Ein abgesprochener Verlust ist da schon etwas anderes…

Ist das wirklich so - oder könnte man nicht fast ähnlich argumentieren?

Es ist vielleicht nicht die feine englische Art. Wenn der Gewinn nur einem der beiden nützt funktioniert das auch ohne direkte Absprache. Einfach ein wenig lustlos spielen, ein wenig nicht aufpassen, Hand rüberreichen, fertig. Das ist legitim.

PS: Natürlich ist ein abgesprochenes Remis noch schwerer als ein Verlust zu beweisen und es kostet nicht so viel Elo und Überwindung, aber eigentlich ist ABGESPROCHEN doch gleich abgesprochen und damit genaugenommen zumindest UNSPORTLICH :eek:
#6 Scissors 2013-07-31 20:37
Es steht und fällt alles mit der Frage der Nachweisbarkeit. Ob man nun wirklich versehentlich seine Dame hat stehen lassen, oder ob man vielleicht dem Vereinskameraden durch dieses Missgeschick zu einem Sprung in die Preisgeldregionen verhelfen wollte.. mit oder OHNE dessen Wissen... man wird es nicht zweifelsfrei nachweisen können. Das ist im Schach nicht anders, als in anderen Sportarten. Ich erinnere mal an die Affäre um John Higgins im Snooker, die nur deshalb aufgeflogen ist, weil das Absprachegespräch mit versteckter Kamera gefilmt wurde. Oder auch im Fußball, z.B. (@Krennwurzn, Dein Einsatz! :)) Cordoba.

Die Frage der (Un-)Sportlichkeit:
Ein Vereinbartes Remis eine Minute vor Beginn der Partie ist unsportlicher, als ein Remisangebot nach vier Zügen? Ab wie viel Zügen beginnt die Sportlichkeit?

Es ist halt schwierig...
#7 Schachorganisator 2013-07-31 21:33
Zur Frage der (Un-)Sportlichkeit:
Die Frage wird in den FIDE-Regeln beantwortet.
Hier steht unter 5.2 c):
Zitat:
Die Partie ist remis durch eine von den beiden Spielern während der Partie getroffene Übereinkunft. Damit ist die Partie sofort beendet (siehe Artikel 9.1).
Eine Remisvereinbarung vor Beginn der Partie ist unzulässig und wird mit Partieverlust bestraft.
Die Partie beginnt mit dem 1.Zug von weiß. Also 1.d4, remis anbieten, Uhr drücken und ist der Gegner einverstanden, ist die Partie remis.
Wenn es keine Einschränkungen lt. Ausschreibung gibt, ist es also egal, ob zum 1., 4. oder 40.Zug remis angeboten wird.
#8 TAR 2013-07-31 21:39
So einfach ist es nun auch wieder nicht, siehe FIDE Rating Regulations effective from 1 July 2013:

Zitat:
5. Unplayed Games
5.1 Whether these occur because of forfeiture or any other reason, they are not counted. Any game where both players have made at least one move will be rated.
Das Resultat Ihrer Beispielpartie ist zwar remis, aber die Partie wird nicht gewertet.
#9 Thomas Richter 2013-07-31 23:27
Mir ging es gar nicht darum, ob ein abgesprochenes Remis oder eine abgesprochene Niederlage zu verurteilen ist - sondern nur dass der Nachweis schwierig bis unmöglich ist. Selbst bei (vielleicht) abgesprochenen Niederlagen gibt es Grauzonen:

- Zwei Spieler treffen in der Schlussrunde aufeinander, nur der Sieger gewinnt Preisgeld, remis nützt keinem. Wenn sie dann absprechen "was auch immer passiert, wir spielen nicht remis" (ohne vor der Partie zu entscheiden wer gewinnt) kann es zu einem tollen Kampf auf Biegen und Brechen kommen, zur Freude von Zuschauern und Sponsoren. Aber was wenn remis dann doch eigentlich unvermeidlich ist? Zum Beispiel wenn ein Spieler Dauerschach nur vermeiden kann, indem er sich Matt setzen lässt - muss man dann beweisen dass er das Matt gesehen hat? Was, wenn einer ein Endspiel Turm gegen Turm und Läufer verliert - wann wenn überhaupt kann man Absicht nicht nur unterstellen sondern auch beweisen?

- [Krennwurzn] "Einfach ein wenig lustlos spielen": Ein Spieler hat vor der letzten Runde eines Blitzturniers 50% oder weniger, sein Gegner ist im Preisgeldbereich, Kann man es dem Ersten verübeln wenn er nicht mehr voll motiviert ist, sich vor der Partie vielleicht noch ein (zweites, drittes oder fünftes) Bier holt und dann chancenlos untergeht? Oder ist das menschlich?
#10 Krennwurzn 2013-07-31 23:59
zitiere Thomas Richter:
[Krennwurzn] "Einfach ein wenig lustlos spielen": Ein Spieler hat vor der letzten Runde eines Blitzturniers 50% oder weniger, sein Gegner ist im Preisgeldbereich, Kann man es dem Ersten verübeln wenn er nicht mehr voll motiviert ist, sich vor der Partie vielleicht noch ein (zweites, drittes oder fünftes) Bier holt und dann chancenlos untergeht? Oder ist das menschlich?

Eben mein Einwurf: mit Schwarz-Weiß-Denken kommt man da nicht weiter und Grautöne gibt es unendlich viele...

Zudem könnte der Profiteur ein Schachfreund und/oder ein Biersponsor sein :oops:
#11 Thomas Richter 2013-08-01 08:58
@Krennwurzn: Ja genau, bis zu einem gewissen Grad ist "Schwarz-Weiss-Denken" Teil meiner Kritik an Macieja. Wenn man in obiger Situation gegen einen Schachfreund oder Vereinskameraden spielt, fehlt vielleicht - bewusst oder unterbewusst - die letzte Motivation. Wenn man einem Kumpel mit einem Sieg oder auch nur Remis gegen dessen Konkurrenten helfen kann ist man - auch wenn es für das eigene Endergebnis ziemlich egal ist - eher motiviert?

Fällt das unter "Gens una sumus"? Eher nicht, denn Sinn der Sache ist wohl, alle Gegner gleich zu behandeln.

Die im Beitrag geplanten "Anekdoten" bezogen sich auf vergleichbare Situationen in den 90er Jahren in Schleswig-Holstein. Keine Ahnung was dort inzwischen üblich ist und wie das damals anderswo gesehen wurde. In SH waren "passende" Ergebnisse in der letzten Runde durchaus üblich, und darüber wurde offen geredet oder gewitzelt. Zweimal war ich unter verschiedenen Vorzeichen selbst beteiligt, vielleicht reiche ich das noch nach.
Das war Amateurbereich mit Preisgeld im maximal niedrig dreistelligen DM-Bereich. Wenn es da 'toleriert' wird, ab welchem Niveau ist es verboten und wird bestraft?
#12 Schachorganisator 2013-08-02 07:46
zitiere TAR:
So einfach ist es nun auch wieder nicht, siehe FIDE Rating Regulations effective from 1 July 2013:

Zitat:
5. Unplayed Games
5.1 Whether these occur because of forfeiture or any other reason, they are not counted. Any game where both players have made at least one move will be rated.


Das Resultat Ihrer Beispielpartie ist zwar remis, aber die Partie wird nicht gewertet.
Naja, 5.1 betrifft "nicht gespielte Partien".
Wenn der SR im genannten Beispiel remis einträgt, ist die Partie remis und wird auch gewertet.
Ist er der Meinung -wie auch immer- es handelt sich um ein abgesprochenes Ergebnis, wird er eine Strafe aussprechen und die Partie ggf. für beide Spieler "nullen".
Damit wird diese Partie im Sinne von 5.1 zu einer nicht gespielten Partie.

Es geht somit auch um sportliches oder unsportliches Verhalten.
#13 Roggenossi 2013-08-03 14:33
Offenbar sind abgesprochene Resultate das weitaus größere Problem als - tatsächliches oder vermeintliches - Computercheating.
#14 Schachorganisator 2013-08-03 15:02
"Abgesprochene Resultate" wird es in dieser oder jener Form wohl immer geben.
Es gibt aber "solche" und "solche".
Da wurde schon mal ein gesamter Mannschaftskampf mit den Einzelergebnissen tel. "abgesprochen". Als es aufflog, gab es ein 0 : 0 und Einzelstrafen.
Dann gibt es "Absprachen", da wird nicht gesprochen, sondern "nur" gehandelt. Ein Beispiel dafür liefert das derzeit stattfindende Chess-Meeting in Dortmund. Zwischen Meier und Andrejkin gab es eine zugwiederholung, der beide Spieler hätten ausweichen können, aber sie waren wohl mit remis zufrieden.
In den meisten Fällen gehen diese "Absprachen" auch nicht zu Lasten Dritter und die beiden Spieler wollen es so.
Ganz anders aber beim echten Computercheating. Da will sich ein Spieler vorteile zu Lasten anderer verschaffen.

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