Yet another Carlsen Anand WM Kampf
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Donnerstag, 06 November 2014 00:00

Yet another Carlsen Anand WM Kampf

„Yet another“ oder „net schon wieder“ wie es im Original gelangweilt durch den Kopf der Krennwurzn schallt: Sotchi, Anand, Carlsen, Schachweltmeisterschaft! In Sotchi wunderschön am Schwarzen Meer gelegen fand heuer die Olympiade statt, dann der Formel 1 Grand Prix und nun die Schachweltmeisterschaft! Wer beim Grand Prix nicht eingeschlafen ist, der bekommt nun eine zweite Chance und da eine Schachpartie vor allem mit Carlsen länger dauert als ein Grand Prix, dürfte der Erholungswert noch besser ausfallen.

2014WM1

Schaut man sich die Wettqouten an ist klar, Carlsen wird mit 1:1,20 seinen Titel locker verteidigen und wer seine Kröten auf Vishy setzt dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Überhaupt urfad immer dieses Sotchi, dieser Anand schon ewig in WM Finalen und Carlsen mit seinem Gequetsche in faden Endspielen - igitt, urfad – wo ist da die Spannung, die Action?

ABER HALLO!!!
Ich hasse zwar diesen Ausdruck mehr als jede Fadesse, aber wie sollte ich mich und die Schachwelt sonst aus diesem negativen Gefühl der Wiederholung herausreißen?
ABER HALLO!!!

Es geht um die Krone im Schach und ja wir hatten jetzt jährlich eine WM und das bei einem Zweijahreszyklus und Anand ist wirklich schon lange in der Weltspitze und aus dem Wunderkind Magnus ist ein junger Mann Carlsen geworden! Aber – ohne Hallo – wird es wirklich so fad wie wir uns das gerne glauben machen wollen, weil wir uns andere WM Paarungen erhofften?

Klar neben dem Altersunterschied von 21 Jahren ist auch der Elounterschied enorm: um die 70 Punkte liegt Magnus da vor Vishy und noch dazu hat dieser im letzten WM Kampf keine einzige Partie gewonnen – die Vorzeichen sind klar: Carlsen wird diese WM gewinnen! „Ja das stimmt!“ sagt auch die Krennwurzn, „aber Hallo“ muss das wirklich fad werden? NEIN ist meine klare Antwort! Carlsen hatte im Vorjahr den Druck endlich Weltmeister zu werden und Anand wollte das „Unvermeidliche“ nur verhindern und aus dieser Kombination ist dann ein etwas fader einseitiger WM Kampf entstanden. Warum soll das gerade heuer in Sotchi anders werden? Carlsen darf den Titel nicht verlieren, weil er dadurch seinen Überfliegerstatus verlieren würde und Anand ist mit seinem Sieg gegen die junge Garde beim Kandidatenturnier in Chanty-Mansijsk endgültig in den Olymp der Schachgötter aufgestiegen. Anand kann nichts mehr verlieren und das wird seinem Spiel gut tun und Carlsen wird darauf reagieren und daher glaube ich, dass wir vor einer spannenden WM stehen und es - ABER HALLO!!! - nur nicht wahr haben wollen!


Links und Spielplan

Offizelle WM Seite der FIDE

Neu die WM-Teilnehmer bei Twitter
Anand bei Twitter
Carlsen bei Twitter

2014WM2

Habemus Carlsen
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Freitag, 22 November 2013 14:34

Habemus Carlsen

Der König ist tot, es lebe der König! Mit dieser Heroldsformel wurde in Frankreich der Tod des alten Königs bekannt gegeben und gleichzeitig der neue ausgerufen, um Kontinuität zu signalisieren – um den Erbanspruch darzustellen und auch um die Angst vor dem Neuen zu nehmen. Nach einigen Unklarheiten wer den rechtmäßiger Weltmeister sei in Anfängen der Nullerjahre des Jahrtausends brachte der Sieg von Anand 2007 mit seinen folgenden Titelverteidigungen Ruhe und Seriosität in die Titelfrage.

Der Titelgewinn von Carlsen war eigentlich eine logische Folge nachdem er 2010 die Führung in der FIDE-Weltrangliste übernahm und dann auch noch den Rekord von Kaparov überbot. Schon im Vorfeld wurde viel diskutiert, ob Anand nach nicht so tollen Turnierleistungen in der Lage wäre Carlsen Paroli bieten zu können. Andererseits zeigte auch Carlsen Nerven als er beim Kandidatenturnier in der letzten Runde gegen Peter Swidler verlor, und nur deshalb Herausforderer wurde, da der punktgleiche Wladimir Kramnik ebenfalls seine letzte Partie verlor und Carlsen wegen der mehr gewonnenen Partien das Turnier doch gewonnen hat.

Die Schachwelt war sich einig, dass die Eröffnungsvorbereitung nicht gerade zu den Stärken von Carlsen gehört und sahen da die größten Chancen für Anand im Wettkampf. Auch dass die Weltmeisterschaft in Indien gespielt wurde, sahen viele als Vorteil für Anand. Ich bin hier vollkommen anderer Meinung – ich denke der beste Ort für eine Titelverteidigung von Anand wäre Norwegen gewesen, nur so hätte man den Druck auf Carlsen maximieren können. Irgendwie hatte die Krennwurzn den Eindruck, dass Anand selbst im tiefsten Inneren nicht wirklich an eine erfolgreiche Titelverteidigung glaubte, aber sehen wir uns die Partien kurz an.

Die ersten beiden Partien endeten schnell durch Zugwiederholungen Remis, was einige als Vorteil Anand ansahen, da Carlsen solche bei der WM Anand - Gelfand heftig kritisiert hatte. Als er dann in der dritten Partie mit Weiß nichts aus der Eröffnung holen konnte und wie er in der Pressekonferenz sagte die Notbremse ziehen musste. Er musste seine Dame nach h1 überführen und kam in Zeitnot, konnte aber mit einem Bauernopfer seine Figuren wieder aktivieren und als Anand dann im 41. Zug Remis anbot, lehnte er dies ab und spielte dann die Partie aus. In der vierten Partie entstand aus der Berliner Verteidigung eine interessante Partie und Carlsen konnte den Bauer auf a2 gewinnen. Anand hatte Kompensation und nach der Abwehr von ein paar Mattdrohungen am Ende der Partie kam es wieder zum Remis. Aber psychologisch hatte sich das Match meiner Meinung nach gedreht – jetzt war Carlsen im Match angekommen und am Drücker.

Die fünfte Partie war dann ein offener Schlagabtausch und als die Kommentatoren und die Schachengines alle im dann entstandenen Turmendspiel das Remis schon kommen sahen und spekulierten wie lange die Anfangsremisserie noch anhalten würde, verschärfte Anand mit 39. ... a4 in Zeitnot von Carlsen die Stellung, statt mit 39. ... g4 den Remishafen anzusteuern.

2013HabemusCarlsen1 

In der Folge traf er dann mehrmals nicht die optimalen Züge und nach 51. ... Ke6 war dann die Partie endgültig verloren.

In der sechsten Partie fand Anand wieder in einem Turmendspiel, dass Carlsen aggressiv mit Bauernopfer anlegte, wieder nicht die rettende Fortsetzung und verlor die Partie und damit wohl schon das Match.

2013HabemusCarlsen2

Hier hätte 60. b4 noch Remis gehalten, Anand spielte jedoch 60. Ta4 und nun stehen ihm seine eigenen Bauern im Wege.Die Wettqoute bei BWIN auf Matchsieg Carlsen wurde auf 1:1,01 gesenkt und dann sogar komplett aus dem Programm genommen.

Die siebte und achte Partie endeten schnell remis, wobei das Spannendste die Dopingkontrolle nach der achten Partie war. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass die Weltmeisterschaft von Anand ohne Kampf und nur durch Eigenfehler verloren wurde und dafür wurde er teilweise heftig kritisiert.

Nach einem Ruhetag kam in der neunten Partie ein scharfer Nimzoinder aufs Brett und beide spielten scharfe und prinzipielle Züge. Carlsen sagte, dass er sich damit abfinden musste, dass er möglicherweise matt gesetzt wird und organisierte dann doch eine coole Verteidigungsstrategie.

2013HabemusCarlsen3

Nach 22. ... b3 von Carlsen sank Anand in tiefes Nachdenken und musste viele Angriffsoptionen durchrechnen. In dieser Phase sah man im Video, dass Anand mehr und mehr resignativ aussah, denn was die Zuseher mit Computerhilfe schon wussten, wurde ihm nun auch immer klarer: es gibt kein Matt – Schwarz kann den Kopf immer wieder aus der Schlinge ziehen. Wahrscheinlich führte diese Hoffnungslosigkeit zu dem finalen Bock 28. Sf1?? anstatt mit 28. Lf1 in eine ausgeglichene Stellung zu kommen. Im Endeffekt war es egal und dieser Partieverlust stellt meiner Meinung nach keine Niederlage dar, auch wenn es die Weltmeisterschaft wohl endgültig gekostet hat, denn nun müsste Anand alle drei ausstehenden Partien gewinnen, um noch die Tiebreaks zu erreichen. Aber alle Schachwelt zollte dem „Tiger von Madras“ Respekt für seinen Kampfgeist und trauerte ein wenig nach, warum er dieses Spiel nicht von Anfang an aufgezogen hat. Vielleicht liegt die Antwort gerade in diesem traurigen Ende der Partie – den ungeheuren aggressiven Verteidigungsfähigkeiten des norwegischen Wunderkinds, den viele jetzt schon als „Mozart des Schachs“ bezeichnen.

In der zehnten Partie kam ein Sizilianer aufs Brett und Carlsen wich einer Stellungswiederholung, die im den Titel wohl gesichert hätte, falls Anand die Schaukel akzeptiert hätte, selbst mit 22. a4 aus dem Weg. Nun entwickelte sich spannendes Spiel und Anand spielte mit 28. ... Dg5 die erste Ungenauigkeit, doch Carlsen vergab mit 30. exd6 statt 30. Sc3 die Chance auf Vorteil und so entstand nach Generalabtausch ein remisliches Springerendspiel. Aber dieses wurde noch ultraspannend und vor allem wurde es total ausgekämpft!

Magnus Carlsen ist der 16. Weltmeister der Schachgeschichte!!

Nun wie ist dieser Wettkampf abschließend zu bewerten? Nun eine grundlegende Erkenntnis könnte sein, dass man mehr Augenmerk auf menschliches Schach legen muss, denn die Ära der menschlichen Überlegenheit den Maschinen gegenüber ist einer totalen Unterlegenheit gewichen. Menschen machen Fehler und wer weniger Fehler macht, der gewinnt langfristig!

Jedenfalls verursachte diese Weltmeisterschaft ein weltweites Medieninteresse und erzielte einige Rekorde, so kam der Twitter hashtag #AnandCarlsen in Indien als Nummer 1 in die Trendliste. Auch sonst wurde viel über diesen Wettkampf berichtet – in Deutschland hatte Spiegel Online beispielsweise einen eigenen Onlineticker im Programm und auf den klassischen Schachseiten wie beim Marktführer ChessBase wurden am Schachserver neue Zuseherrekorde erreicht. Zudem boten die Hamburger den Premiumuser Kommentierung in mehreren Sprachen an. Hervorheben möchte ich die schon als klassisch zu bezeichnende Kommentierung des aktuellen Deutschen Meisters GM Klaus Bischoff, der den Spagat souverän schafft und für alle Leistungsstärken interessante Erklärungen findet – vor allem zeigt er auf, welche Gefahren (Traumvarianten) in den Stellungen lauern, die im Endeffekt die Schönheit und die Faszination unseres schönen Spiels ausmachen.

Bleibt noch eine kleine nicht ganz ernstgemeinte Botschaft an den Nachwuchs übrig: werft die Eröffnungsbücher und die Computer aus dem Fenster – lernt Mittel- und Endspiele und versucht diese am Brett zu gewinnen! Und wie hieß es am Anfang des Artikels? Und da sind wir wieder am Anfang gelandet:

Danke Vishy !! – Gratulation Magnus !!

Aktion Titelverlust
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Donnerstag, 07 November 2013 23:29

Aktion Titelverlust

Nein – nicht schon wieder ein Promi, der sich seinen akademischenTitel erstgCt hat - also durch copy&paste erworben hat und auch kein CM, FM, IM oder GM der seinen Titel nicht durch eigenes Leistungsvermögen erreicht hat. NEIN es geht um wirklich Wichtiges! Olympiasieger ist man ewig, Welt- und Europameistertitel gehen verloren, wenn ein anderer den Titel gewinnt und dieses harte Schicksal müssen – schenkt man den Datenfuzzys Glauben – in den nächsten Tagen und Wochen Anand und Schach-Deutschland ertragen.

Deutschland Europameister 2011

AktionTitel1

und was Google dazu findet.

Am 8. November startet die EM in Warschau und unser Schachweltkollege Olaf Steffens berichtet diesmal sozusagen auswärts auf der DSB-Homepage aus Warschau – eine Ehre, die der Krennwurzn niemals widerfahren wird, denn er gilt in seinem Heimatland ja als Persona non grata und da sich daran nichts ändern wird ... aber lassen wir das und freuen wir uns, dass nicht alle Schachweltler dieses harte Schicksal eines „Parias“ ertragen müssen und auch auswärts geschätzte Schreiber sind – Gut Tastatur Olaf!!

Nun Deutschland ist als Nummer 10 gesetzt und muss den Titel abgeben - da freut sich der Ösi in der Krennwurzn unheimlich und feixt: die EM wird doch nur aus dem Grund gespielt, weil statistisch nicht vollkommen klar ist, wer der Nachfolger von Deutschland werden wird. Die restvernünftige Seite, deren Limes gegen Null konvergieren oder stürmt, wirft ein, dass das erstens ungerecht – das berührt die Krennwurzn aber schon gar nicht - und zweitens auch statistisch möglicherweise auch ein wenig unkorrekt sein könnte, was der Krennwurzn schon ein wenig mehr zu denken gibt, denn sie selbst musste 2002 und 2013 binnen weniger Jahre schon zwei Jahrhunderthochwässer an der Donau miterleben.

Waren die Deutschen 2011 nicht schon krasse Außenseiter und haben sie damals als möglicherweise zerstrittener Haufen nicht doch eine tolle Leistung gebracht und sich nicht nur gegen die favorisierten Gegner sondern auch gegen die übermächtigen Zahlen, die gegen sie sprachen durchgesetzt?

Vom zweiten Titelverlust im sonnigen Indien berichtet der Chef der Schachwelt höchstpersönlich ab Samstag 9. November auf der Seminarseite und wenn man Insidern und den Wettanbietern Glauben schenken darf, dann ist dieser Titelverlust noch klarer als ... ach lassen wir das Piefke-Bashing einfach mal weg jetzt!

AktionTitel2

95 Elopunkte Unterschied – da zittert zwar nicht einmal der staatlich geprüfte Angsthase Krennwurzn am Brett - zwischen Carlsen und Anand, der noch dazu älter ist und in seiner Heimatstadt unter unheimlichen Druck stehen muss und dessen letzter Sieg in einer Turnierpartie gegen Carlsen noch dazu aus dem fernen Jahre 2010 datiert. Dann noch eine Punkterwartung laut Elo von 0,65 zu 0,35 für Carlsen – ja warum wird dieser Wettkampf überhaupt noch gespielt?? Es ist doch alles sonnenklar: Carlsen ist doch bereits jetzt der neue Weltmeister! Es bleibt nur mehr die Fragen zu klären wie hoch und wie bald er den Wettkampf gewinnt und sind wir doch ehrlich: manche hoffen sogar auf eine überfischerische 7-0 Hinrichtung!

Aber ... klar Carlsen ist der Favorit ... aber ist das alles wirklich so sonnenklar? Wer hat den Druck? Anand eher nicht, denn er hat schon alles erreicht: FIDE-Weltmeister, Weltmeister und den Titel mehrmals verteidigt – nicht zu vergessen auch der verlorene Wettkampf gegen Kasparov in dem er zuerst in Führung gegangen ist und dann schrecklich unter die Räder kam. Anand hat Erfahrung im guten und im schlechten Sinn und er ist in einem reifen Alter und hat damit wohl die erforderliche Gelassenheit sich der kommenden Aufgabe zu stellen. Aber die Statistik höre ich die Krennwurzn schreien – die lügt doch nicht und die heiligen Elo schon gar nicht! Gut sage ich, wenn Carlsen so klar und sicher gewinnt, dann können wir in den Keller gehen, die alte sechs schussige Pistole vom Opa mit zwei Patronen laden und russisches Roulett spielen, denn die Überlebenschance ist dann mit 0,66 zu 0,33 sogar ein Spürchen höher als die Gewinnchance von Anand nach Elo. Bitte nicht so brachial wirft nun die Krennwurzn ein – wir sind doch zivilisiert – nehmen wir doch einen normalen Würfel und wenn 1 oder 2 kommt, dann bleibt Anand Weltmeister ansonsten heißt der neue Weltmeister Carlsen.

Gesagt getan: Würfel aus der Spielesammlung herausgenommen – ist auch schneller greifbar als die nichtexistente Pistole vom Opa – und gewürfelt:

AktionTitel3

ZWEI – Anand bleibt Weltmeister und die Krennwurzn und auch der vernünftige Teil atmet tief durch: Würfeln ist unblutiger als russisches Roulett und vor allem: wer hätte dann noch den Artikel online gestellt??

PS österreichische Merksätze:

Statistiken traut man nur, wenn man sie selbst gefälscht hat
und
Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen!

Carlsens Endspielvorbereitung
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Dienstag, 05 November 2013 21:33

Carlsens Endspielvorbereitung

Es ist zwar schwer nachvollziehbar, aber es gibt immer noch ein paar Träumer, die Anand im WM-Match realistische Chancen zubilligen. Ein seriöses Fachmagazin wie der "Spiegel" lässt sich da natürlich nicht täuschen. Die aktuelle Ausgabe verweist (vermutlich basierend auf diesem Artikel) auf eine Simulation über 40 000 Partien, die zu dem Ergebnis kommt, dass Anands Siegchance nur zwischen 6,1 und 10,3 % liegt. Na also, da haben wir's doch, zweifelsfrei mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen! Wie kann es da noch Diskussionen geben?

Eigentlich fragt sich also nur noch, wie hoch und mit welchen Mitteln Carlsen gewinnt. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber ich bewundere an Carlsen vor allem dessen Endspielführung. Durchaus möglich, dass seine Technik auch bei der WM letztlich den Ausschlag gibt. In diesem Zusammenhang ist es interesssant zu sehen, dass das Endspieltraining auch in der Vorbereitung offenbar nicht zu kurz kommt. In einem sehenswerten Dokumentarfilm sieht man Carlsen beim Lösen von Endspielstudien. Auf dem Brett ist ein sehr schönes Exemplar zu erkennen, also schauen wir es uns doch einfach näher an (Diagramm oben, Weiß zieht und gewinnt):

Selbst der WM-Herausforderer hatte hier seine Probleme, denn man muss nach dem auf der Hand liegenden 1.g6 erst einmal eine raffinierte Verteidigungsidee für Schwarz finden. Carlsen dachte nur an 1...e5, was leicht zu widerlegen ist: 2.g7 Lb3 3.h6 usw. Soweit ich es verstehe, dürfte 1...Kf6! 2.g7 Lh7!! die Hauptvariante sein. Die Idee ist 3.Kxh7? Sf3 4.g8D Sg5+ und Weiß muss entweder Dauerschach mittels Sg5-f7-g5 zulassen oder ins Bauernendspiel gehen, in dem beide Freibauern im selben Zug umgewandelt werden. Die Pointe ist nun der auf den ersten Blick sinnlose Zug 3.e4!! Wenn nun zum Beispiel 3...Sf3, dann 4.e5+! und entweder der König oder der Springer wird entscheidend abgelenkt. Nun gut, 4.e5+ ist also eine Drohung, aber was hat Weiß gewonnen, wenn der Bauer einfach mit 3...e5 blockiert wird? Es gibt einen entscheidenden Unterschied: 4.Kxh7 Sf3 5.g8D Sg5+ 6.Dxg5 Kxg5 7.h6 c4 8.Kg7 c3 9.h7 c2 10.h8D c1D und nun gewinnt 11.Dh6+ die Dame, da der Bauer e3 nicht mehr im Weg steht. Wer dies selber gelöst hat, ist anscheinend noch besser als Carlsen und darf sich Hoffnungen auf den WM-Titel machen!

 

Spielstärke ist eine Sache
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Montag, 01 Juli 2013 08:50

Spielstärke ist eine Sache

Gut spielen ist eine Sache und kann sicher nicht schaden - wichtiger und turnierentscheidend ist aber, besser (oder eventuell nur weniger schlecht) zu spielen als der jeweilige Gegner. Und wenn der Gegner auch gut spielt, landet man im Tabellenkeller ohne selber allzu viel falsch gemacht zu haben? Das wird ein etwas anderer Rückblick auf Tal Memorial - Basis sind Daten von IM Ken Regan die er hier veröffentlichte, dann meine eigene simple statistische Analyse, dann einige Gedanken dazu. Das Ergebnis des Turniers setze ich als bekannt voraus, man findet es aber auch in Ken Regans Liste die ich erst mal kopiere:


Report from MoscowTalMem2013cat22AllR3d13L, excluding repeats and |prev-eval| > 3

IPR error bars are +- 200-250 typically (two-sigma)
First-line matches to Rybka 3 1-cpu at depth 13:

Player Name Matches/Turns = Pct., AE, IPR Opponents' figures Diff, Score

--------------------------------------------------------------------------------------------
Anand, Viswanat: 173/274 = 63.10%, 0.0499, 2837 178/275 = 64.70%, 0.0444, 2926 -89, -2
Andreikin, Dmit: 140/228 = 61.40%, 0.0326, 2960 134/226 = 59.30%, 0.0448, 2878 +82, +1
Carlsen, Magnus: 162/296 = 54.70%, 0.0361, 2932 167/296 = 56.40%, 0.0398, 2834 +98, +2
Caruana, Fabian: 218/379 = 57.50%, 0.0375, 2855 203/383 = 53.00%, 0.0476, 2731 +124, +1
Gelfand, Boris : 140/223 = 62.80%, 0.0390, 2988 118/219 = 53.90%, 0.0596, 2611 +377, +3
Karjakin, Serge: 220/413 = 53.30%, 0.0413, 2724 220/413 = 53.30%, 0.0371, 2837 -113, -1
Kramnik, Vladim: 142/242 = 58.70%, 0.0493, 2841 155/243 = 63.80%, 0.0337, 2926 -85, -3
Mamedyarov, Sha: 149/252 = 59.10%, 0.0384, 2946 147/252 = 58.30%, 0.0457, 2810 +136, +1
Morozevich, Ale: 189/357 = 52.90%, 0.0573, 2641 221/359 = 61.60%, 0.0426, 2898 -257, -2
Nakamura, Hikar: 164/283 = 58.00%, 0.0674, 2568 154/281 = 54.80%, 0.0613, 2691 -123, =

Totals for all players in MoscowTalMem2013cat22AllR3d13L: 1697 / 2947 = 57.58%

Aggregate difference in MoscowTalMem2013cat22AllR3d13L: 132.8752 / 2947 = 0.0451
Overall tourney IPR: 2819 +- 50, avg. rating 2777 (Cat. 22), diff +42.

ipr

Tabelle nochmal als Bild


IPR ist "intrinsic performance rating", AE ist "average scaled error per move". Um Missverständnissen vorzubeugen: "Gut" und "schlecht" ist im weiteren Text relativ, bezogen auf dieses Teilnehmerfeld. Eine ähnliche Analyse wäre denkbar für ein Amateurturnier, wobei man dann bei allen IPRs die erste 2 durch eine 1 ersetzen müsste. Unter "Anwendungen" (2 Applications) nennt Regan in seinem Research Prospectus jede Menge. "Cheating testing" ist wohl (leider) am bekanntesten, spielt aber hier keine Rolle - ich gehe davon aus, dass beim Tal Memorial alles mit rechten Dingen zuging. Zuerst erwähnt er "Skill assessment" - sowohl allgemein als auch in bestimmten Stellungen z.B. Endspiele, taktische und positionelle Stellungen, Angriff und Verteidigung. Dann "Player training" - wenn man Schwachpunkte erkannt hat, kann man gezielter daran arbeiten? Irgendwann auch noch der Einfluss verschiedener Bedenkzeiten auf die Qualität der Partien, darauf werde ich später kurz eingehen.

Gelfand-trophy
 

Turniersieger Boris Gelfand (Quelle: Turnierseite)

Eine Zahl bzw. einen Spieler hat Regan fett hervorgehoben. Dazu kann ich mich kurz fassen: Gelfand hat demnach am besten gespielt, und seine Gegner gegen ihn am schlechtesten. Letzteres bedeutet wohl vor allem, dass sie in manchen Stellungen nicht zurecht kamen, dann sind Fehler quasi unvermeidlich. Also hat Gelfand völlig verdient gewonnen, und das mit (fast) 45 Jahren: seinen Geburtstag feierte er tags danach, das schönste Geschenk machte er sich selbst. Interessanter sind drei andere Spieler, dazu drei Excel-Grafiken:

Wie wichtig ist es, selbst gut zu spielen?

IPR vs points

Es schadet natürlich nicht, beeinflusst das Ergebnis jedoch (statistisch gesehen) nur zu 31%. Was auffällt: Kramnik und Anand haben "eigentlich" viel besser gespielt als ihr Ergebnis vermuten lässt, und Nakamura deutlich schlechter. Die anderen sieben Spieler definieren eine saubere Regression mit r2=0,87.

Welchen Einfluss hat das gegnerische Niveau?

Opponent IPR vs points

Das sieht schon etwas besser aus und kann immerhin 53% des Endstands erklären. Das heisst, Partien werden eher durch gegnerische Fehler entschieden als durch brilliante eigene Züge? Im vorderen Mittelfeld liegen die Datenpunkte aber irgendwo, und Nakamura hält sich am wenigsten an die statistischen Regeln. Klar, wer selbst auch schlecht spielt profitiert nur bedingt vom schlechten gegnerischen Spiel. Wenn man "Own IPR" und "Opponent IPR" zusammen betrachtet, spielten alle anderen ein Superturnier - Nakamura UND seine jeweiligen Gegner dagegen quasi Wijk aan Zee B.

Kann beides zusammen alles erklären?

Delta IPR vs points

Sagen wir, fast alles, immerhin 73%. Aber auch hier haben vier Spieler (Kramnik, Anand, Karjakin und schon wieder Nakamura) vergleichbar schlechter gespielt als ihre Gegner und bekamen dafür drei bis viereinhalb Punkte. Und womit kann man die übrigen 27% erklären?

Nun, ich habe Regans Daten bisher wortwörtlich genommen - was er selber nicht tut, da ist ja der recht grosse Fehlerbalken von +200/-250. Allerdings fällt Nakamura in der ersten Grafik selbst dann unter die Regressionsgerade, wenn man seine IPR auf 2768 anhebt. Ausserdem sind es immer Durchschnittswerte, einzelne Partien oder Partiephasen können davon ziemlich abweichen. Und das war wohl vor allem bei ihm der Fall:

Nakamura schlechte Laune

Nakamura mit am Ende +4=1-4 (Quelle: Turnierseite) - das Foto stammt aus dem Bericht zur neunten und letzten Runde. Auch die Form seines Rasierapparats schwankte während dem Turnier.

Wenn er alle Partien auf Niveau IPR 2568 gespielt hätte, wäre er sicher souverän Letzter geworden. Einige Male war er aber wohl deutlich besser (IPR 2900?), und andere Male noch schlechter (IPR 2250?). Bei vergleichbarem Durchschnittswert und noch extremerer Verteilung - sieben Glanzpartien mit IPR 3000 und zwei Anfängerpartien mit IPR 1200 - kann man das Turnier sogar gewinnen, das sollte reichen für +4 oder +5.

Und was war los bei Anand und Kramnik? Laut Ken Regan haben ihre Gegner nahezu perfekt gespielt - da half es auch nicht, dass ihre eigene IPR knapp über dem Mittelwert aller Spieler lag (der allerdings von Nakamura und Morozevich kräftig gedrückt wurde). Waren sie gegen die (Ex-)Weltmeister besonders motiviert, zumal früh deutlich wurde, dass diese in diesem Turnier verwundbar waren? Kramniks IPR-Schnitt wurde aber vielleicht durch seine Partie gleich in der ersten Runde gegen Carlsen angehoben - die war relativ lang, und lange spielte (auch) er fehlerfrei bevor er am Ende doch - für seine Verhältnisse kräftig - daneben griff. Und Anand spielte eine völlig perfekte Remispartie gegen Karjakin, in der er wohl nur seine Vorbereitung reproduzieren musste. Da folgten beide übrigens - vielleicht ohne es zu wissen - bis zum Schluss zwei Fernpartien zwischen Spielern mit Elo ca. 2400.

Kleiner Exkurs: Je länger die Bedenkzeit, desto höher das Niveau? Im Blitz spielt wohl jeder schlechter als mit klassischer Bedenkzeit. Wenn zwei Spieler bei klassischer Bedenkzeit ebenbürtig sind und einer von beiden im Blitz deutlich besser ist, bedeutet es, dass Spieler X 90% seiner Spielstärke behält und Spieler Y nur 75%? Bei klassischer Bedenkzeit kann es blinde Flecke geben: man verwirft zwei oder drei Züge und spielt dann - da die Uhr tickt und man sich irgendwann entscheiden muss - einen vierten noch schlechteren, ohne ihn genauer zu überprüfen. Sonderfall ist: man will gewinnen, zwei drei Züge führen (vermeintlich) zum Remis, der gespielte vierte dann zum Verlust. Spontan fallen mir drei Beispiele ein, jeweils zu einem frühen Zeitpunkt in der Partie: Gelfand-Kramnik im Kandidatenturnier (18.-Se8?? blieb für Vlad ohne Folgen), Carlsen-Caruana beim Tal Memorial 2013 (da musste Carlsen sich nach 17.Sc5? noch anstrengen, um die Partie tatsächlich zu verlieren - wobei Caruana die Tablebase-Phase perfekt spielte), und Richter-Laan einige Etagen tiefer (da war nach 17.Td3?? sofort Schluss). Im Fernschach gibt es ähnliches sicher nicht (oder es war ein Schreibfehler).

Auch ohne Ken Regans Daten ist die Korrelation zwischen Elo und Ergebnis übrigens mit Carlsen Null, und ohne Carlsen eher negativ. Carlsen sprengt ja die Eloskala und spielte in diesem Turnier sicher nicht schlecht, aber auch keinesfalls überragend. Vom Rest spielten Kramnik und Anand unter ihren Elo-Verhältnissen, und neben Gelfand auch Andreikin recht deutlich darüber - wobei Andreikin demnächst in Dortmund auch mal auf Gewinn spielen "muss" statt immer (sogar gegen Nakamura) immer solide auf Remis. Nur Kramnik unterbrach Andreikins Remisserie ... .

schachseminareanzeigeIn meiner "Turniervorschau" (geschrieben nach der dritten Runde, da war manches bereits von der Wirklichkeit überholt) hatte ich Gelfand als Favoriten für den letzten Platz genannt - nicht weil ich ihm das gönnte oder wünschte, aber einer muss eben in diesem starken Feld Letzter werden, und Andreikins Ergebnis war/ist für mich keine Überraschung. Damit lag ich voll daneben, ebenso mit Kramnik als Kandidat für den Turniersieg (hatte sich schon nach zwei Runden erledigt) - jetzt hat er knapp einen Monat Pause bis Dortmund, vielleicht genug um sich von den Strapazen des Kandidatenturniers zu erholen. Nakamura und Morozevich hatte ich, bei entsprechend schlechter Form, auch als Kandidaten für den letzten Platz betrachtet, und IPR gibt mir da Recht. 

Zum Schluss: Mindestens einem Leser ist aufgefallen, dass ich inzwischen auch für den Schach-Ticker schreibe. Das heisst sicher nicht, dass ich "gewechselt" bin - auch hier werde ich weiterhin schreiben: einige Ideen habe ich noch, nun noch Zeit um diese umzusetzen ... . In der Praxis ist es wohl abwechselnd, da ich demnächst "dort" auch für den FIDE Grand Prix in Berlin Beijing zuständig bin.

Chennais Vertreter und Iljumschinow (Mitte) beim FIDE-Vorstandstreffen in Baku am Sonntag
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Kissingers vielzitierter Anruf bei Bobby Fischer: "Der schlechteste Schachspieler der Welt ruft den besten Schachspieler der Welt..." Das sich über Wochen ziehende Drama, ob Fischer antritt, hat den WM-Kampf 1972 zum meistbeachteten der Geschichte gemacht. Ob FIDE-Präsident Iljumschinow hofft, dass sich so etwas wiederholen könnte? Hat der unberechenbare Kalmücke darum das nächste WM-Match Anand - Carlsen ohne Ausschreibung nach Chennai vergeben, obwohl Carlsen seit Wochen klar macht, dass er auf eine Ausschreibung pocht und lieber nicht in den Tropen spielen möchte? Oder schielt er mit der Vergabe in eine Entwicklungsland vor allem auf die zahlreichen Stimmen der Entwicklungsländer, um 2014 sein Regime um vier weitere Jahre verlängern zu können?

Diesen Sonntag mittag haben Iljumschinows Vorstandskollegen bei ihrer Sitzung in Baku jedenfalls den Vorschlag ihres Präsidenten abgenickt. Dabei hat am Freitag der Französische Schachverband ein deutlich besseres Angebot (2,65 Millionen Euro Preisgeld statt 1,94 Millionen in Chennai) vorgelegt, und der Norwegische Verband hat gegen eine Vergabe ohne Ausschreibung offiziell protestiert. Bevor Carlsen öffentlich mit Nichtantreten droht, dürfte er die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, denn eine WM-Vergabe ohne Ausschreibung könnte gegen die Statuten der FIDE verstoßen.

Nachtrag 6. Mai: Carlsen hat die Sache überschlafen und dann mitgeteilt, dass er die Entscheidung für Chennai trotz ihrer Regelwídrigkeit akzeptiert.

"After qualifying for the World Championship match by winning the London Candidates I have been highly motivated for, and looking forward to the World Championship match against reigning champion V. Anand.

I’m deeply disappointed and surprised by the FIDE decision to sign a contract for the 2013 match without going through the bidding process outlined in the WC regulations, and for not choosing neutral ground. The bid from Paris clearly showed that it would be possible to have more options to choose from.
The lack of transparency, predictability and fairness is unfortunate for chess as a sport and for chess players.

My team and I will now start preparing for the match. The main thing now will be to come to an agreement with the Indian Chess Federation and FIDE regarding terms and conditions before and during the match. I really hope this process will run quick and smoothly.

Lastly, I will not let the news from Baku diminish the joy and excitement derived from playing the top level Norway Chess tournament starting tomorrow."

Am Dienstag abend beginnt in der Uni Stavanger mit einem Blitzturnier das erste Weltklasseturnier auf norwegischem Boden. Dass Carlsen den Kopf jetzt nicht frei hat, kann man sich denken. Auch Anand ist dabei. Das höhere Preisgeld in Paris (wo beide kürzlich spielten) und die Erinnerung an 1994, als er in seinem Heimatland, wo sich alle Journalisten auf ihn stürzten, ein 4:2 stehendes Kandidatenmatch gegen Kamsky noch 4:6 verlor, dürften eigentlich auch ihn eher gegen Chennai stimmen, so lange er sich nicht öffentlich gegen seine Heimatstadt erklären muss. Wenn Anand und Carlsen in Stavanger auf eine gemeinsamen Linie verständigen, lässt sich der Skandal, den Iljumschinow offenbar will, vielleicht noch verhindern. Die WM könnte in Paris oder einer anderen Stadt in einem neutralen Land steigen und Carlsen bald zu seiner ersten Indien-Reise aufbrechen, einer Goodwill-Simultantour nach Chennai. 

Kasparow am Freitag in Oslo
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Samstag, 13 April 2013 15:10

Happy birthday, Garri!

Vor acht Jahren hat Garri Kasparow dem Turnierschach adieu gesagt. Dieser Tage meldeten russische Medien, dass er Russland verlässt. Schluss mit Schach, Schluss mit Politik, Rückzug auf der ganzen Linie? Von wegen. Der Eindruck trügt. Kasparow, der an diesem Samstag fünfzig wird, arbeitet unermüdlich an seinen großen Zielen, Russland zu demokratisieren, Iljumschinow abzulösen und Schach in die Schulen zu bringen. Das alles unter einen Hut zu bringen, verlangt einen brillianten Netzwerker, als der er von dem Journalisten Igor Jakowenko in einer lesenswerten Hommage beschrieben wird.

 Kasparow in Oslo
Kasparow am Freitag in Oslo, civita.no

Seinen Geburtstag feiern wird er erst mit einigen Tagen Verspätung am 19. April in New York, wo seine Frau und siebenjährige Tochter leben. Denn im Moment ist er wie meist unterwegs und zwar, sehen wir es symbolisch, im aktuellen Schachboomland Norwegen. Der Thinktank Civita hat ihn zu einer Rede über Putins Russland eingeladen. Nebenbei erklärte Kasparow die von Chennai reklamierte Vergabe des WM-Kampfes Anand-Carlsen ohne Ausschreibung zum Skandal. Und ein Treffen mit Magnus Carlsen und seinem Manager Espen Agdestein steht an, um über die Wiederaufnahme ihrer Zusammenarbeit zu verhandeln. Liebend gerne würde Kasparow Carlsen als Trainer dabei unterstützen, Anand zu schlagen. 

Schon vor der Reise nach Norwegen war es wieder eine ereignisreiche Woche für Kasparow. Er zog sich aus dem Vorstand der russischen Oppositionsbewegung Solidarnost zurück. Danach musste er aufkommende Emigrationsgerüchte dementieren. Und er erhielt einen renommierten Menschenrechtspreis zugesprochen. 

Vermisst Kasparow das Turnierschach und bereut seinen Rücktritt, wie Hartmut Metz Anand zitierend schreibt? Ich glaube nicht. Er hat seine Spielerkarriere gegen ein reicheres Leben eingetauscht. Bei allen seinen Zielen wünsche ich ihm viel Erfolg. Und natürlich: S dnjom raschdenja, Garri Kimowitsch!

Anand - Meier (GRENKE Chess Classic )
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Donnerstag, 21 Februar 2013 09:54

Mensch Meier – Zauberer Houdini

Freitagnachmittag die Krennwurzn macht schön langsam Wochenschluss und schaut so nebenbei auf den Bildschirm, weil gerade das GRENKE Chess Classic Baden-Baden läuft und bleibt ein wenig bei der Partie Anand gegen Meier hängen. Der Weltmeister hat nicht wirklich viel aus der Eröffnung herausgeholt, aber die Fangemeinde im Chat hofft doch noch auf einen Sieg des Weltmeisters und die etwas kleinere deutsche Fangemeinde hofft auf ein Remis und als neutraler Beobachter läuft Houdini mit und gibt gerecht einmal dem einen und dann dem anderen ein kleines nichts aussagendes Plus.

mh1

Meier dachte länger nach und plötzlich zeigt Houdini Txg4 mit -+ 3,xx also Gewinn für Schwarz, aber mit der angezeigten Variante kann irgendwas nicht stimmen, denn es taucht der Zug Tc8 statt des besseren Td7 mit Verstellen der Diagonale auf mit dem der Weltmeister später in der Partie das Remis sicher stellen kann. Außerdem kehrt die Maschine dann wieder zu einer remislichen Bewertung zurück und Meier spielte Lxg4 und die Partie endete dann Remis – eine weitere gute Leistung in diesem Turnier war vollbracht: Remis mit Schwarz gegen den Weltmeister.

mh2

Wäre mehr möglich gewesen und warum taucht der Zug Tc8 in den Rechnervarianten auf? Sieht der Zauberer das weltmeisterliche Rettungsmotiv nicht oder ist es doch widerlegbar? Und warum zeigen auch andere Engines Td7 mit Ausgleich – allerdings bei wesentlich geringeren Suchtiefen? Fragen über Fragen und damit war klar, ein Teil des Wochenendes muss für die Analyse der Stellung verwendet werden – und auch der Prozessor wird sich für Endspiele erwärmen müssen, denn ohne Zeit und Strom sind auch Zauberer wehrlos. Und tatsächlich nach längerem Nachdenken stabilisierte sich die Bewertung: die Stellung ist doch für Schwarz gewonnen – sagt der Zauberer!

In Kirchen und Fangemeinden wird ja gerne geglaubt, aber der aufgeklärte Mensch prüft doch lieber selber nach und stellt dann seine – naja wollen doch wir ehrlich bleiben: jene der Maschine – also ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit zur strengen Überprüfung!

m1

47. ... Txg4!! gewinnt also – schauen wir weiter die Bauern laufen
48.a6 h3
49.a7 Le4

m2

In dieser Stellung wollte der Rechner in der Vorausberechnung lange Zeit 50. Tc8 ziehen, um den Bauern direkt beim Einzug zu unterstützen, aber der Plan mit der Verstellung der Läuferdiagonale ist – wie uns der Weltmeister zeigte – schlicht stärker

50.Td7

m3

Aber anders als in der Partie kann Schwarz hier kontern:

50. ... Th4!! (nach h2 könnte Weiß wieder die Diagonale verstellen und ins Remis entkommen.)

m4

Aber was kann Weiß nun machen? 51.Td5? Lxd5 52.cxd5 Th8 und wer hält den h-Bauern auf? Möglicherweise hätte hier der Weltmeister schon die Waffen gestreckt, denn

51. f3

um den Läufer gegen den Bauern opfern zu können ist für einen Computer sicherlich eine Option – einem Menschen gefallen solche Züge nur, wenn sie nicht nur verlustverzögernd wirken.

51 . ... Lxf3 what else?
52. Lf2 Th8 (sogar 52. ... h2 Lxh4 h1D sieht der Computer nun als gewonnen an)

m5

53.Lg1 h2    (Weiß hätte auch sofort 52. Lg1 spielen können 52. ....h2  53. Txh2+ 54. Kc3 Th7 - aber Computer lieben es die Niederlage um einen Zug zu verzögern)
54.Lxh2 Txh2+
55.Kc3 Th7
56.Td3 La8
57.b4 Txa7

Und es ist vorbei und die Sensation wäre perfekt gewesen: der amtierende Weltmeister und spätere Turniersieger wäre geschlagen gewesen.

Hier noch die Partie mit Analysen zum online Nachspielen oder als PGN-Download

Schloss Schwetzingen: Einer von vielen Schauplätzen eines reichen Schachjahrs
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Sonntag, 06 Januar 2013 15:45

Ein tolles Jahr für (deutsche) Schachfans

2013 bringt keine Schacholympiade, wahrscheinlich keinen WM-Kampf, und doch verspricht das neue Jahr ein gutes Schachjahr zu werden. Das gilt insbesondere für die deutschen Schachfans: Gleich drei Weltklasseturniere sollen in den nächsten Monaten in Deutschland stattfinden: Am 6.-17. Februar in Baden-Baden mit Anand, Adams, Caruana, Fridman, Meier, Naiditsch und einem ganzen Schachfestival. Am 3.-17. Juli ein FIDE-Grandprixturnier in Berlin und ab 22. Juli das Dortmunder Sparkassen-Chess-Meeting.

Wer im Süden wohnt, hat es nicht weit nach Zürich, wo am 23.Februar bis 1. März Anand, Caruana, Kramnik und Gelfand antreten. Die im Nordwesten können sich einen Abstecher zum ersten Knaller des Jahres in Wijk aan Zee von 12. bis 27. Januar überlegen. Ein Leckerbissen für heimische Fans ist auch das zum zweiten Mal zentral ausgetragene Bundesligafinale am 5. bis 7. April im Schwetzinger Schloss.

Den sportlichen Höhepunkt des Jahres erwarte ich vom doppelrundig mit acht Teilnehmern (Carlsen, Kramnik, Aronjan, Radschabow, Grischtschuk, Swidler, Iwantschuk und Gelfand) ausgetragene Kandidatenturnier am 14. März bis 1. April in London, das eher nicht mit einem Aprilscherz sondern der Kürung von Anands designiertem Nachfolger endet. Dass der 43jährige Inder bei seinem Kraftakt in Wijk aan Zee, Baden-Baden und Zürich mit 29 Partien binnen sieben Wochen wieder seit Jahren vermisste Siegerqualitäten zeigt und sich wieder – seinem Titel gemäß – über die 2800 schwingt, erwarte ich nicht, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Offenbar ist Anand klar, dass seine beste Chance, zu alter Größe zu finden, jetzt ist, bevor sein Herausforderer feststeht und die nächste WM beginnt, sich im Kopf breit zu machen.

Nach dem starken ersten Quartal wird das Schachjahr etwas ruhiger. Abgesehen von den schon erwähnten Ereignissen erwarten uns das Festival in Biel,  FIDE-Grandprixturniere in Lissabon, Madrid und Paris, im August der Weltcup in Tromsö als Generalprobe für die ziemlich genau ein Jahr später dort stattfindende Schacholympiade, und im Herbst dann wieder Bilbao, London und das Moskauer Tal-Memorial, falls es nicht beim voriges Jahr provisorischen Juni-Termin bleiben soll. Der WM-Kampf könnte zwar laut einer früheren Ankündigung der FIDE schon Ende des Jahres in Anands Heimatstadt Chennai über die Bühne gehen. Wahrscheinlicher ist aber 2014 und nach einer Ausschreibung, sobald der Herausforderer in London ermittelt ist.

Gespannt bin ich auch, ob es Andrew Paulson, dem von der FIDE beauftragten Impressario des Grandprix, Kandidatenturniers und der nächsten WM gelingt, die Präsentation des Spitzenschachs zu verbessern. Dass Veranstaltungen wie Linares oder die Amber-Turniere in Monte Carlo und Nizza verschwunden sind, merkt man dem gut gefüllten Kalender jedenfalls nicht an. Für Fans hochklassigen Schachs hat ein gutes Jahr begonnen.

Montag, 31 Dezember 2012 15:57

Meine Spieler des Jahres 2012

Ein Schachjahr ist zu Ende, und der Tradition folgend veröffentliche ich hier meine Spieler des Jahres. Die ersten drei fielen mir leicht, die weitere Reihenfolge schon schwerer. 

1. Magnus Carlsen bekommt von mir wie im Vorjahr die Bestnote. Er leistete sich kein einziges schwaches Resultat, aber einige sehr gute und brach mit seiner ab 1. Jänner gültigen Elozahl 2861 Kasparows Rekord. Sein Sieg gegen Anand in Bilbao war für mich die Partie des Jahres.

2. Lewon Aronjan gewann in Wijk aan Zee mit einem Riesenresultat (sieben Siege!) und führte Armenien schon zum dritten Mal zu Olympiagold. Auch seine Rückkehr in die Schachbundesliga für die sympathischen Schachfreunde Berlin gefiel mir. Dass Lewon das Jahr schwach abschloss und auf Weltranglistenplatz drei zurückfiel, Schwamm drüber.

3. Fabiano Caruana spielte sich 2012 mit zweiten Plätzen in Wijk aan Zee und Moskau sowie geteilten ersten Plätzen in Dortmund und Sao Paolo/Bilbao in die Weltspitze und aus dem Schatten des in den vorigen Jahren stärker beachteten Anish Giri. Ich muss zugeben, dass ich das dem 20jährigen nicht zugetraut hatte.

4. Garri Kasparow steht hier nicht als Spieler (er steht ja nur noch für wenige Schaukämpfe und Simultane zur Verfügung) sondern als Motor der erfolgreichen Kampagne um die Unterstützung des Europäischen Parlaments für Schulschach und dank seiner Ansage, 2014 alles für die Ablöse Iljumschinows an der Spitze der FIDE zu tun bis hin zu einer eigenen Kandidatur. Ich setze ihn als Nummer vier als kleine Zäsur zwischen den ersten drei und den folgenden Spielern.

5. Wladimir Kramnik fiel mir durch einige Gewinnpartien (gegen Aronjan bei der Olympiade oder gegen Meier in Dortmund) auf. Dass er die aktuelle Nummer zwei der Weltrangliste ist, zeigt seine Stärke, auch wenn er 2012 nicht zu einem eigentlich verdienten Turniersieg kam: In Dortmund zermürbte er sich gegen Leko, in London war Carlsen vom Glück verfolgt.  

6. Boris Gelfand rettete die WM mit dem interessanteren Schach. Er hätte den Sieg gegen Anand verdient gehabt. Als Cosieger des ersten Grandprixturniers in London zeigte der immerhin schon 44jährige, dass das Kandidatenturnier 2011 nicht sein letzter Erfolg bleibt.

7. Sergei Karjakin wurde Schnellschachweltmeister, Cosieger in Dortmund und Taschkent, gewann das starke Blitzturnier in Peking. In Erinnerung blieb auch sein Abschneiden in Wijk aan Zee: Fünf Siege, aber auch fünf Niederlagen. Schade, dass er die Qualifikation fürs Kandidatenturnier als Weltcupvierter denkbar knapp verpasst hat.  

8. Daniel Fridman wurde Deutscher Meister, bester Deutscher bei der EM und war der wichtigste deutsche Leistungsträger bei der Schacholympiade. In Istanbul hätte er eine Medaille und einen schönen Geldpreis sicher gehabt, hätte er sich in der letzten Runde gegen die um Gold kämpfenden Russen nicht ans Brett gesetzt. Doch vorbildlich kämpfte er. Das alles rechtfertigt meines Ermessens einen Platz auch in einer internationalen Liste und ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die sich an der vom Deutschen Schachbund ausgelobten Wahl des Deutschen Spielers des Jahres beteiligen.    

9. Dmitri Jakowenko wurde verdient Europameister. An ihm lag es am wenigsten, dass Russland wieder nicht die Olympiade gewann. Pech, dass er weder zum Grandprix noch sonstigen Eliteturnieren eingeladen wurde.

10. Wang Hao gewann in Biel, wurde Cosieger in Taschkent und spielte eine starke Schacholympiade bis zur wichtigen letzten Runde, als er gegen Iwantschuk verlor und China auf den undankbaren vierten Platz abrutschte.

 Noch kurz zu denen, die nicht vorkommen: Dass Mister 50 Prozent Anand trotz geglückter Titelverteidigung nicht auf meiner Liste steht, braucht keine weitere Erläuterung. Radschabow hat für meinen Geschmack zu wenig gespielt. Nakamura gewann zwar in Hoogeveen aber kein größeres Turnier.   

Dehnübung fürs Spitzenschach
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Sonntag, 14 Oktober 2012 09:40

Dehnübung fürs Spitzenschach

Wer sagt, dass man nur mit ausgefeilten Varianten auf höchstem Niveau bestehen kann. Mit geradezu antitheoretischer Spielanlage improvisierte sich Magnus Carlsen in Bilbao zum Turniersieg und bis auf drei Elopunkte an Kasparows zwanzig Jahre alten Elorekord heran. Dieser Schnappschuss eines Fotoreporters der baskischen TV-Station Proyeccion (Danke für den Tipp an David Llada) aus der Eröffnungsphase von Carlsens verblüffenden Gewinnpartie gegen Anand (es war die einzige entschiedene Partie des Weltmeisters auf Abruf) sagt mehr als Tausend Worte und könnte das Schachfoto des Jahres sein.

Auf Wiedersehen in Bilbao auch ohne Grand Slam Circuit
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Montag, 18 Juni 2012 13:10

Small Slam

Dass Spitzenturniere Spaß machen können, beweist das an diesem Montag zu Ende gegangene Michail-Tal-Gedenkturnier. Von Moskau sollte es für Carlsen und Radschabow gleich weitergehen ins rumänische Bazna. Auch Karjakin, Iwantschuk und Nisipeanu, ja selbst Anand, sind beim "Turnier der Könige" als Teilnehmer aufgeführt. Doch der Wettbewerb, der Ende der Woche losgehen sollte, ist abgesagt. Nur verschoben, hoffen die Veranstalter. Aber im Herbst ist praktisch zu viel los, um noch ein Spitzenturnier in den Kalender zu quetschen. Also ist Bazna wohl zumindest für dieses Jahr ausgefallen.

 

Nachdem es schon Linares erwischt hat, bleibt von der Grand Slam-Serie heuer wenig übrig. Schliesslich sind London, Moskau, Biel und Dortmund nicht Teil der Serie. Das ist offiziell nur Wijk aan Zee und eben das Finale. Aber deren Ausrichter in Sao Paolo und Bilbao ficht das nicht an. Ihr Turnier zwischen 24. September und 13. Oktober ist gesichert. Kramnik als Sieger von London haben sie schon eingeladen (mal sehen, ob er den Wechsel von Kontinent zu Kontinent dieses Mal mitmachen wird). Carlsen ist nicht nur als Vorjahressieger sondern auch Erster von Moskau eingeladen. Der Sieger von Dortmund soll auch gefragt werden. Und Anand als Weltmeister.

(aktualisiert am 21. Juni) 

 

Bulgarische Impressionen oder eine WM Nachbetrachtung
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Nach der Weltmeisterschaft in Moskau brauchte die Krennwurzn dringend Urlaub, aber das Wetter im geplanten Urlaubsgebiet wollte sich nicht den Wünschen anpassen und so wurde kurz entschlossen am Samstag eine Woche Sonnenstrand in Bulgarien mit Abflug Sonntag gebucht. Der Sonnenstrand liegt nördlich von Burgas am Schwarzen Meer und ist ein „Ballermann“ in einer wunderbaren Bucht in der Nachbarschaft des UNESCO Weltkulturerbes Nessebar. Für Schach-, Bade- und Technomusikinteressierte findet dort Anfang September im Rahmen der Czechtour das Sunny Beach Open 2012 statt.

Aber was soll das Geschwafel über Urlaubsreisen und Schachturniere werden Sie sich nicht zu Unrecht denken und da will ich Sie gar nicht länger auf die Folter spannen. Wie die Krennwurzn so durch die diversen Verkaufsbuden schlendert, fällt ihr Blick auf ein Schachbrett, das umgeben von Schlagringen zum Verkauf angeboten wird. Sofort sind die Gedanken wieder bei der als langweilig kritisierten Weltmeisterschaft – ja es muss wieder mehr Brutalität in den Schachsport kommen. Die Fans wollen Schlachten sehen, erschaudern vor Angst ob der geliebte Schachspieler alle Gefahren des Variantendschungel gut überstehen wird und sich mit letzter Kraft als Sieger vom Brett schleppen wird. Und natürlich möchten wir den gehassten Gegenspieler sehen wie er trotz aller schmutzigen Tricks dennoch aus dem bitteren Krug der Niederlage trinken muss. Ja – das Gute muss im heroischen Kampf siegen!

Nach so viel Aufregung musste ich wegen 30 Grad Außentemperatur dringend ins Meer zur Abkühlung und da der Strand hier schön sandig und sehr flach ist, lädt er dazu idealerweise ein. Das um die 20 Grad warme Wasser kühlte dennoch das in Wallung geratene Blut schnell wieder ab und so machte sich die Krennwurzn ein paar weitere Gedanken, warum eigentlich der vergangene WM-Kampf von vielen so hart kritisiert wurde und mildestens als etwas langweilig bezeichnet wurde.

Eigentlich war es doch ein Wettkampf ohne grobe Fehler – möglicherweise könnte man Df6 von Gelfand zwar als solchen bezeichnen, aber so weit gingen nicht einmal die Experten von denen einige selbst die Widerlegung live selbst nicht gesehen hatten. Und ansonsten wurde uns vorgeführt wie schnell und dynamisch man die Luft aus der Stellung nehmen kann ohne dass man lang ausanalysierte und hinlänglich bekannte Hauptvarianten, die unweigerlich ins Remis führen, bemühen muss. Das „alte“ Schach bietet genügend Raum, man benötigt weder 30,40 oder sonstige Remisverbotsregeln und auch kein 960 Fischerschach gegen lange vorbereitete Varianten und Fallen – nein, das geht alles ratz­fatz „on the board“ in ungefähr 25 Zügen haben uns die Finalisten eindrucksvoll bewiesen! Endlich ist er da, der schon von Capablanca im vorigen Jahrtausend beschworene Remistod. Aber halt! Vermuten wir nicht schon lange, dass Schach Remis sein könnte und dennoch sogar die stärksten Engines sind immer noch in der Lage gegeneinander zu gewinnen, obwohl die Remisquote in solchen fehlerarmen Wettkämpfen schon hoch ist und weiter steigen wird. Remis aufgrund von fehlenden Fehlern bzw. aus nicht als solche erkannte kann nicht der Grund unserer Unzufriedenheit gewesen sein.

Wahrscheinlich war es der fehlende Hass der Spieler aufeinander, der korrekte sportsmännische und professionelle Umgang miteinander, der in der Schachwelt das Fadheitsgefühl erzeugte. Das Schach auf diesem Niveau verstehen die wenigsten von uns – ehrlich gesagt geht es uns wie dem berühmten Schafhirten beim Verständnis der Formel 1 Technik. Uns fehlte die Show rundherum! Kein Topalov der ankündigt jedes Remisangebot schroff abzulehen, keine Unterstellungen bezüglich unerlaubter Computerunterstützung während der Partie, keine politischen und weltanschaulichen Diskussionen – ja nicht einmal Kritik an der Farbe der Socken. Nichts, gar nichts! Nur fairer und ehrlicher Sport – das ist ja urlangweilig!

Und dann geht die Fairness noch so weit, dass der Weltmeister keine Privilegien mehr genießt und zur Titelverteidigung auch noch den Wettkampf gewinnen muss! Möglicherweise ist das aus Zuseherinteresse wirklich etwas übers Ziel hinausgeschossen, denn erstens lieben wir Weltmeister, die lange ihren Titel verteidigen und das Schach dominieren – die meisten von uns erinnern sich eben nur an die Zeiten ab Fischer 1972 und da gab es dann lange Karpov gefolgt von Kasparov. Die unruhigen Zeiten in den Nullerjahren des neuen Jahrtausend mit Parallel, KO und sonstigen Weltmeister waren nicht nach unserem Geschmack und sehr unübersichtlich noch dazu! Daher wäre wohl die Ungerechtigkeit, dass der Herausforderer den Weltmeister schlagen muss der Spannung und der Dramatik eines WM-Matches nicht unabträglich – aber wäre das dann noch zeitgemäß?

Bannerschachreisen240pxDie Kritik ging noch weiter und besagte, dass doch die aktuell stärksten Spieler um die WM Krone spielen sollten und nicht ein zufriedener überalterter Weltmeister mit Rücktrittsgedanken gegen einen noch älteren und in der Weltrangliste schon abgerutschten Herausforderer. Nun die beiden sind um die fünf Jahre jünger als die Krennwurzn und auch diese fühlt sich noch nicht so alt, ebenso wie viele WM-Kritiker und Schachfreunde, die wohl auch schon in der zweiten Lebenshälfte angekommen sind. Zudem gibt es nicht alte und junge sondern nur gute oder schlechte Schachspieler und beide haben sich ihren Finalplatz redlich und den Regularien entsprechend erspielt – nein, Leute dieser Kritikpunkt zählt nun nicht wirklich!

Bleibt nur mehr die Kreativität und die Schaffenskraft oder wie wir Schachspieler lieber sagen die Genialität! Fischer war so genial, das man ihm alle anderen menschlichen Unzulänglichkeiten einfach vergeben musste, Karpov war der ideale Technokrat, Kasparov einfach unsterblich und Carlsen der Mozart des Schachs! Da ist es schwer für die anderen einen würdevollen Platz in unseren Herzen zu finden. Aber weil wir gerade bei Mozart sind, auch nach seiner leichten und genialen Musik fanden andere den Mut ebenfalls hörenswerte Musik zu komponieren – wie beispielsweise der gestrenge Anton Bruckner aus der unmittelbaren Heimat der Krennwurzn.

Weinen wir nicht genialen Mozartklängen nach, sondern vergleichen wir den WM Kampf Anand gegen Gelfand lieber mit einer schwermütigen Brucknersymphonie und erfreuen uns daran! 

Und während die Krennwurzn schon etwas zu sehr abgekühlt aus dem Meer entflieht, schleicht sich der Gedanke, ob sich vielleicht nicht doch ein geschäftstüchtiger Promoter finden wird, der WM-Kämpfe mit Schachbrett und Schlagringen austragen lässt, in die bibbernde Krennwurzn.

Russlands Präsident trifft die Botschafter Israels und Indiens
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Montag, 04 Juni 2012 07:07

Der Diplomat

Als ich dieses Foto sah, dachte ich kurz daran, hier einen kleinen Bildunterschriften-Wettbewerb auszurufen (Putin: Haben die Großmeister einen Tipp, wie man Kasparow schlagen kann? - Ha, ha...). Aber eigentlich sah ich darin etwas, was ich mir schon länger denke: Anands Zukunft nach dem Schach. Am Rande der Moskauer WM hörte ich wiederholt Spekulationen, dass Anand sich vom Schach verabschiedet, falls er verliert. Er hat nicht verloren und bleibt uns erhalten. Aber bei seinem nächsten Titelkampf hören wir wahrscheinlich das gleiche wieder.

 

Anand war viele Jahre ein großartiger Botschafter des Schachs, mit Abstrichen ist er das immer noch. Sein Spiel ist nicht mehr das Spritzigste, aber er hat dem Schach mehr Anhänger, vor allem in Asien, gebracht als jeder andere Weltmeister zuvor. Er ist ein Sportsmann und Gentleman, und er kann reden, wie es der Situation angemessen ist, ob im ZEIT-Interview nach dem Match, beim Treffen mit Putin oder bei der WM-Siegerehrung. Anand ist als erster Weltsportler des Subkontinents auch ein großartiger Botschafter Indiens. Meine Prognose: Er wird nach seiner aktiven Karriere tatsächlich Botschafter Indiens. Nicht als Versorgungsposten wie im Falle Capablancas sondern als richtiger Diplomat in einer wichtigen Hauptstadt. Die nötigen kommunikativen und analytischen Fähigkeiten, das Allgemeinwissen und die Sprachkenntnisse bringt Anand mit. Den diplomatischen Feinschliff und das Managementwissen kann er schneller kriegen als andere. Und die letzten zwei Jahrzehnte haben gezeigt, dass er gerne außerhalb seines Heimatlands lebt. Es muss freilich für seine Familie passen.  

Welch ein Pokal! Aber welch eine WM...
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Donnerstag, 31 Mai 2012 06:12

Anand reicht es - mir auch

Hat doch genau gepasst. Zwei Selbstmorde Gelfands, einmal durch Rechenfehler, einmal durch Zeiteinteilung, haben Anand gereicht. Nur einmal hat er seinen Herausforderer überspielt, aber dann nicht den Sack zugemacht (3.Partie). Mit Mehrbauer und großem Zeitvorteil in Partie zwölf weiterkämpfen? Als Schnellschachspezialist dann doch lieber ins Stechen. Und am Ende, als in der vierten Stichpartie mit Weiß ein Remis reicht, eine Staubsaugervariante (3.Lb5+-Sizilianer). Dass Anand bei Turnieren zwischen seinen Titelkämpfen wenig leistet, waren wir ja schon gewohnt.

Ich will nicht ungerecht sein. Gelfand hat stark gespielt. Ohne 14...Df6? (8.Partie) hätte er Anand vielleicht niedergekämpft. Gelfand muss Anand so beeindruckt haben, dass der kein unkalkulierbares Risiko gegen ihn eingehen wollte.

Was beschwere ich mich überhaupt? Ich habe in Moskau ein großartig organisiertes Match und drei Partien gesehen, zwei davon wurden entschieden, während der Remispartie gab Kasparow eine unterhaltsame Pressekonferenz und ein ungewöhnliches Kindersimultan, und ich fand im Pressezentrum, anders als es am Anfang und am Ende des Matches gelaufen wäre, sogar ein Plätzchen zum Arbeiten. Trotzdem fand ich es eine WM zum Vergessen.

bannerostsee300Vergessen habe ich leider bisher das Verlinken der unübertrefflichen WM-Berichterstattung von ZEIT-Reporter Ulrich Stock mit als Höhepunkt dem Liveblog vom Stechen und des großartigen, bilderreichen WM-Blogs von Eric van Reem aus dem Anand-Team sowie Sergei Schipows brilliante Analysen. Wer noch nicht genug WM hatte, kriegt dort alles.

 

Montag, 28 Mai 2012 17:16

Es kann auch keinen geben

Mal ehrlich, war das weltmeisterlich oder auch nur das Prädikat WM wert, was Anand und Gelfand in den zwölf WM-Partien geboten haben? Ich finde nein. Remisquote über 80 Prozent. Nur 29 Züge im Durchschnitt. 75 Prozent mit frühem Damentausch, im Durchschnitt vor dem 20.Zug.

 

Der letzte WM-Kampf, der mich ähnlich enttäuschte, war Kramnik-Leko 2004, hatte mehr unausgespielte Stellungen, aber immerhin doppelt so viele entschiedene Partien und war am Ende richtig dramatisch. Hatten wir einfach Glück mit den letzten drei WM-Kämpfen? Zweimal war Topalow dabei. Mit einem Topalow, Carlsen oder Aronjan, behaupte ich, gibt es keine uninteressanten Zweikämpfe. Mit einem Anand kann das schon passieren, zumindest mit der Version von 2012. Der Inder klammert nur noch an seinem Titel, statt ihm auch zwischen Titelkämpfen Ehre zu machen. Ja, er schafft es nicht einmal, einen nicht zu den Top Ten zählenden Gelfand zu schlagen, wenn der sich nicht gerade, wie in der achten Partie, selbst ausknockt.

 

Brauchen wir einen Weltmeister, der so ein lasches Match im Schnellschach oder vielleicht sogar erst im Blitzschach gewinnt? Es wäre ja noch vertretbar, wenn dieser Weltmeister in seinen Turnieren etwas reißt. Das kann man aber weder von Gelfand noch Anand behaupten. Weltmeister als Auslaufmodell. Unter jetzigen Umständen würde ich sagen: Es kann auch keinen geben.

 

Hier mein Vorschlag: Wer am Mittwoch das Stechen gewinnt, soll sich ein knappes Jahr lang Weltmeister nennen und von der FIDE so genannt werden (muss ja sonst nicht jeder tun) und kriegt statt einem Gratistitelkampf den Platz im Achterturnier in London. Wer dort im Frühjahr 2013 gewinnt, wird der nächste Weltmeister. Und bis dahin diskutiert und entscheidet die internationale Schachcommunity, ob sie dem Weltmeister noch ein so gewaltiges Vorrecht einräumen will, zwei Jahre lang zuzuschauen, wie sich die anderen profilieren, und ob wir überhaupt noch lange Zweikämpfe um den wichtigsten Titel haben, wenn die Welt nur bei diesen ein wenig hinschaut und das, was dort geleistet (oder auch nicht geleistet) wird, damit verwechseln, was Spitzenschach wirklich zu bieten hat. 

Evgeni Sveshnikov (Turin 2005)
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Freitag, 18 Mai 2012 11:26

Gelfand grüsst den Ehrengast

Der Trend bei der WM setzt sich fort: Anand spielt mit Schwarz was er immer spielt (und macht damit sicher Remis) während Gelfand den Gegner immer überrascht. Zuletzt mit einer Variante die ihr Namensgeber (wenn auch nicht Erfinder, s.u.) nach wie vor mag wie er nach der Partie bestätigen konnte: aufs Brett kam nämlich der Sveshnikov-Sizilianer, und Ehrengast vor Ort war Evgeni Sveshnikov.
Ein bisschen Hintergrund dazu: Gab es das schon mal in einem WM-Match? Klar doch, ist gerade mal hundert Jahre und ein bisschen her, 1910 von Lasker gegen Schlechter (diese Info und das Grischuk-Zitat unten habe ich aus dem Chessvibes-Bericht nebst Video). Wer bekam das am häufigsten mit Weiss vorgesetzt? Laut chessgames.com niemand anders als Vishy Anand mit inzwischen 55 Partien. Mit Schwarz haben sie die meisten Partien nicht etwa von Sveshnikov sondern von Vlad Kramnik - es gab Zeiten dass er e7-e5 nicht gleich im ersten Zug spielte. Genau wie Peter Leko, der sich mit Sveshnikov für sein WM-Match qualifizierte - Schwarzsiege im Halbfinale des Dortmunder Kandidatenturniers gegen Shirov und im Finale gegen Topalov. Das waren noch Zeiten dass Sveshnikov eine Gewinnwaffe war (s.u.). Hat Gelfand das schon mal gespielt? Jaja, ist noch nicht mal zehn Jahre her, zwei Partien mit klassischer Bedenkzeit anno 2003. Zuletzt beim Hunguest Hotels Super Chess Tournament - interessantes Feld mit gleich drei Vizeweltmeistern: Short, Leko und Korchnoi. Kann Gelfand diesen Bann durchbrechen??

Die WM-Partie wurde übrigens remis, laut Gelfand (Antwort auf die provokative Frage eines Journalisten) für ihn die einfachste im ganzen Match. Wie er auf die Sveshnikov-Idee kam wollte er uns nicht verraten: "after the match ...". Zur Eröffnung meinte Grischuk (Gelfands letztes Opfer in Kazan und an dem Tag Kommentator auf Russisch): "Sveshnikov ist völlig zu Unrecht bei der Weltspitze nicht mehr populär. Eröffnungen sind Modesache, vielleicht wird es sich jetzt [wieder] ändern." Chess-Tigers - in ihrer Berichterstattung aus nachvollziehbaren Gründen nicht ganz neutral - beschwerte sich dass Vishy "mit der vielleicht solidesten Sizilianisch-Variante ... recht frühzeitig ausgebremst" wurde. Wie bitte? Eine Variante wo Schwarz das Feld d5 dauerhaft schwächt und den d-Bauern rückständig macht ist solide!? Leider ist da vielleicht was Wahres dran, die Variante ist tief ausanalysiert und Weiss tut sich schwer Vorteil nachzuweisen. Allerdings ging der überraschte Anand auch nicht zu ambitioniert zu Werke.

P.S.: Ich spiele selbst seit Jahrzehnten nicht nur Grünfeld sondern auch Sveshnikov - letzteres schon bevor es bei Super-GMs einige Zeit eine Modevariante war. Boris rocks! Auf meinem Amateurniveau kann man mit beidem nach wie vor sowohl gewinnen als auch verlieren ... .

Glaubte nicht an seine Eröffnung: Ernst Grünfeld (1890-1962)
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Sonntag, 13 Mai 2012 19:28

Grünfeld ist wieder da

Gelfands Schwarzwahl Grünfeldindisch ist das bemerkenswerteste, was diese WM bisher gebracht hat. Viele haben in den letzten Tagen daran erinnert, dass ihr Erfinder, der Wiener Ernst Grünfeld, selbst erwartete, dass seine Idee binnen einiger Jahre widerlegt würde. Diese Eröffnung hat der israelische Großmeister mit Schwarz bisher nie gespielt. Im Gegenteil hat er früher als Weißspieler dafür gesorgt, sie (mit der 8.Tb1-Variante) zeitweise stark unter Druck zu bringen. Er traute sich diese Eröffnung gegen Anand, der sie selber spielt. Und Gelfand tat es trotz der miserablen Bilanz, die Grünfeldindisch zuletzt in WM-Kämpfen hat.

Grünfeldindisch war Kasparows vorbereitete Überraschung für sein WM-Match 1986 gegen Karpow, und die Eröffnung hätte ihn fast den Titel gekostet. Gleich drei Partien verlor er damit. 1987 spielte er es trotzdem wieder, verlor nur einmal und gewann sogar eine, als Karpow einer Zugwiederholung auswich. 1990 spielte Kasparow viermal Grünfeld und verlor wieder eine damit. 2000 in London gegen Kramnik brachte er Grünfeld in seiner ersten Schwarzpartie, verlor und machte den Rückstand nie mehr wett. Danach traute er sich Grünfeld in diesem Match nicht mehr, obwohl er damit die meiste Zeit in seiner Vorbereitung verbracht habe. Sich auf diese Eröffnung eingelassen zu haben, bezeichnete er hinterher als entscheidenden Fehler. Es gäbe einfach zu viele Risiken. Danach war auf WM-Niveau ein Jahrzehnt Ruhe mit Grünfeldindisch, bis es Anand 2010 in der ersten WM-Partie gegen Topalow auspackte. Und gleich voll einfuhr (Topalow landete einen Vorbereitungssieg) und anschließend zum Damengambit wechselte.

Anands bisherige Weißpartien gegen Grünfeld machten nicht unbedingt Angst, zumal der Inder mit dem Db3-System, 5. Ld2 und im Abtauschsystem mit Le3 mit und ohne Sf3 zuletzt fast immer variiert hat. Nun hat Gelfand mit Rodshtein und Huzman zwei Sekundanten, die eingefleischte Grünfeld-Experten sind. Das gilt auch für ihren Landsmann und Freund Boris Avrukh, der angeblich bei der Vorbereitung eingebunden war.

Anands Überraschung (O-Ton: "man erwartet eine Überraschung") hielt sich denn auch in Grenzen. Und er hatte eine Nebenvariante parat, die wohl giftiger ist als ihr Ruf. Sein Baden-Badener Mannschaftskamerad Jan Gustafsson hatte das chancenreiche Qualitätsopfer 8. Lb5 Sc6 9. d5 a6 10. Le2 Lxc3+ 11. Ld2 Lxa1 12. Dxa1 Sd4 13. Sxd4 cxd4 14. Dxd4 in die Praxis eingeführt. Anand hätte hier wahrscheinlich noch eine Reihe Züge runterrattern können, wäre Gelfand nicht (vermutlich schlauerweise) mit 9. ... Da5 ausgewichen. Vermutlich hatte der Inder das nicht so gut analysiert, verpasste im 13. und 15. Zug chancenreichere Fortsetzungen und musste Gelfand sogar etwas Vorteil einräumen. Die Stellungsbilder lagen jedenfalls etwas abseits vom Üblichen, und das sieht man immer gern. 

Auf Slawisch-Neuerungen mit absehbarem Remis (wie in der zweiten Partie) kann ich verzichten. Aber gerne mehr solche Grünfeldinder.  

 

Geburtstagskind HWS und sein Freund, Weltmeister Anand
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Dienstag, 03 April 2012 19:58

Heute ein Sechzger

Vorgefeiert wurde schon am Wochenende. Mit einem Einladungsturnier im Fischerschach aka Chess960, das Hans-Walter Schmitt so sehr liebt und unermüdlich promotet, während die konservative Masse der Schachspieler die Nase rümpft über die einzige Schachvariante, die dem normalen Schach nicht nur das Wasser reichen, sondern ihm eigentlich sogar überlegen ist. Sollen sie halt weiter Theorie büffeln. 

Genau 60 Jahre an diesem Dienstag zählt der Pfälzer Bauernsohn, den es einst aufs Abendgymnasium nach Frankfurt verschlagen hat. Dort hob er 1994 Deutschlands führendes Schachfestival (Liste aller Sieger als PDF) und 1999 einen von Deutschlands aktivsten Schachvereinen, die ChessTigers (hier ihre heutige Hommage an ihren Vorsitzenden), aus der Taufe. Sein Chess Classic-Festival zog 2001 um nach Mainz. Dort konnte es zehnmal stattfinden, bevor es den finanziellen Schwierigkeiten der Stadt zum Opfer fiel. Heute wird Deutschlands bester Anlass, sich zum Schach zu treffen und über Schach zu reden, schmerzlich vermisst. 

Hans-Walter Schmitt ist noch aktiv als Betreiber eines in dieser Form neuartigen Schachtrainingszentrums im Taunusstädtchen Bad Soden. Vielleicht sehen wir uns nächsten Monat in Moskau bei der WM, wo er bestimmt dabei sein will, wenn sein guter Freund Vishy Anand seinen Titel verteidigt. Für heute stoße ich aus der Ferne auf Hans-Walters Wohl an. Er hat Immenses für Schach geleistet.    

Weltmeister Anand
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Mittwoch, 07 Dezember 2011 02:19

Anand zeigt uns die Sterne

In seinem Guardian-Interview verrät Anand kaum Neues. Vermutlich die Aufregung. Nein, nicht wegen seiner Partien, die er routiniert zum Remis herunterspult, wenn er nicht gerade von Hikaru Nakamuras Königsinder schwindlig gespielt wird (die dritte Niederlage des Weltmeisters in drei Monaten), sondern vor seinem ersten Auftritt als Astronomie-Professor. Am heutigen beim London Chess Classic spielfreien Mittwoch will er uns zusammen mit John Nunn die Sterne zeigen, erklären, wie Teleskope funktionieren und sich von seiner Schlappe gegen Naki erholen. Ein Livestream ab 20 Uhr ist geplant.