Der Weltcup ist zwar erst halb vorbei. Aber fast 95 Prozent der Teilnehmer sind ausgeschieden, mehr als neunzig Prozent der Partien sind gespielt. Zeit für einige Beobachtungen. Der Wettbewerb findet zwar erstmals nicht in Russland statt, aber die Russen dominieren. Für Schachnationen wie Ungarn oder Armenien lief es enttäuschend. Vom chinesischen Kontingent erspielte sich nur der 14jährige Wei Yi Beachtung. Deutschland war gar nicht vertreten. Die Präsenz des Turniers in deutschen Medien geht gegen null.
Man würde meinen, dass die Überlebenden, also die acht Viertelfinalisten die sportlichen Gewinner sind. Aber elomäßig zulegen von ihnen bisher nur Vachier-Lagrave und Tomaschewski. Die anderen sind im Rahmen ihrer Erwartung oder verlieren Punkte (wie Andreikin). Von den Top Acht der Setzliste sind nur noch Kramnik und Caruana dabei. Aber ein so großes Favoritenschlachten wie etwa die nach gleichem Modus ausgetragene WM 1999 in Las Vegas ist es auch nicht. Nur ein Spieler unter 2700, Granda Zuniga, schaffte es unter die letzten 16.
Für Nakamura und Gelfand, die bis dahin überzeugend spielten, bedeutete ein schwacher Moment im Achtelfinale das Aus. Die Partie des Turniers ist für mich bisher Kamsky - Mamedscharow. Entdeckung des Turniers ist neben Wei Yi Korobow, der vom ukrainischen Verband bisher links liegen gelassen wurde. Tomaschewski hatte sich immerhin schon 2009 als Europameister profiliert.
Zwei Spieler qualifizieren sich fürs nächste Kandidatenturnier. Ich tippe auf Swidler und Caruana.
Kramnik ist zwar (ebenso wie der ausgeschiedene Aronjan - die übrigens beide in Tromsö mitspielten, weil die Qualifikation über Rating die Teilnahme an Weltcup oder Grandprix voraussetzt !) dank seiner Elo vorberechtigt, aber wenn er ins Finale kommt, qualifiziert er sich über den Weltcup (anders als ich hier zunächst geschrieben habe) und der zweite Ratingplatz geht an den nächsten - das wäre Karjakin. Kramnik spielt also quasi für seinen Teamkameraden.
Kommentare
Ein paar Ergänzungen:
Offiziell ist Kamsky, der auch noch dabei ist, an acht gesetzt. Grundlage hierfür ist die Eloliste Juli 2013 - Du hast wohl die aktuellste August-Liste berücksichtigt (zwischenzeitlich hat Kamsky beim Peking Grand Prix 22 Elopunkte verloren).
Beim Weltcup spielt Elo-Gewinn oder Verlust wohl eher eine untergeordnete Rolle. Es geht eben darum, möglichst viele KO-Matches zu überleben (eventuell auch mit Tiebreaks), damit möglichst viel Preisgeld zu gewinnen und eventuell sogar Finale und damit Kandidatenturnier zu erreichen. Nakamura hat durch sein sicheres Auftreten in den ersten drei Runden - allerdings gegen relativ schwache Gegner - trotz der Niederlage gegen Korobov drei (2.8) Elopunkte gewonnen. Vermutlich hätte er lieber etwas Elo verloren, aber mehr Preisgeld und nach wie vor Chancen im nächsten WM-Zyklus [nun ist eine Sinquefield-Wildcard seine einzige Chance?].
Ein Match um Platz drei wird es wohl nicht geben - das wäre nur nötig gewesen falls Anand und/oder Carlsen den Weltcup gespielt hätten und einer von ihnen das Finale erreicht. Fürs Kandidatenturnier kann man sich, mit abnehmender Priorität, so qualifizieren:
1) Verlierer des WM-Matches Anand-Carlsen
2) zwei Spieler aus dem Weltcup, d.h. die beiden Finalisten
3) zwei Spieler aus der GP-Serie. Eventuell reicht der dritte oder sogar vierte Platz falls die Sieger bereits über den Weltcup qualifiziert sind - derzeit nur noch relevant falls Caruana das Weltcup-Finale erreicht und dann das letzte GP-Turnier alleine gewinnt. Dann ist Mamedyarov als Dritter der GP-Serie fürs Kandidatenturnier qualifiziert.
4) zwei Spieler nach Elo die sich nicht auf andere Weise qualifiziert haben. Wenn Kramnik das Weltcup-Finale erreicht, wird Karjakin Elo-Nachrücker. Bei einem (nun hypothetischen) Weltcup-Finale Kramnik-Aronian oder Kramnik-Karjakin wäre Radjabov(!) nach Elo im Kandidatenturnier.
5) Wenn das alles nicht geholfen hat, braucht man (mindestens Elo 2725 in der 7/2013 Liste und) einen reichen Freund der für eine Wildcard bezahlt.
Wenn dem so wäre, würde im Falle einer Doppelqualifikation der Weltcup-Dritte und nicht GP-Dritte nachrücken. Da es aber andersrum ist, ist der GP höher zu gewichten.
Geiler Typ! Selten einen so tiefenentspannten und witzigen GM erlebt. Sein Interview nach dem Naka-sieg ist jetzt schon legendär.
- Den Dritten der GP-Serie kennt man demnächst sowieso, den Weltcup-Dritten nur wenn es auch ein Match um Platz drei gibt.
- Der Weltcup ist demnächst entschieden, die GP-Serie erst etwa einen Monat danach.
Das heisst, man müsste beim Weltcup ein kleines Finale ausrichten - das man nur braucht, falls Caruana das grosse Finale erreicht und sich anschliessend auch über den Grand Prix qualifizieren sollte. Offenbar (meines Wissens bzw. nach meiner Interpretation) verzichtet man darauf.
Vor zwei Jahren gab es beim Weltcup ein kleines Finale, aber das war eine andere Situation: damals gab es keine GP-Serie, stattdessen jeweils einen extra Qualifikationsplatz im Weltcup und nach Elo (3+3).
Zur Vereinfachung daher ein Vorschlag zur Güte, wer für das nächste Kandidaten-Turnier qualifiziert sein möge:
1) der Verlierer des nächsten WM-Kampfes
2) der Gewinner des nächsten WM-Kampfes (falls er Lust hat)
3) der Bremer Pokalsieger 2013
4) die stärkste Frau der Welt
5) Jörg Hickl
6) Vladimir Kramnik
7) Houdini (jedoch nur außerhalb der Wertung)
8 ) ein(e) Vertreter(in) durch Wildcard - das höchste Dollar- Gebot kommt rein
Wäre das nicht transparent? Außerdem würden sich alle Spieler den Stress des aktuellen Weltcups ersparen - was das schon wieder für Nerven gekostet hat!
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