Diese Seite drucken

Meine Spieler des Jahres 2012

Ein Schachjahr ist zu Ende, und der Tradition folgend veröffentliche ich hier meine Spieler des Jahres. Die ersten drei fielen mir leicht, die weitere Reihenfolge schon schwerer. 

1. Magnus Carlsen bekommt von mir wie im Vorjahr die Bestnote. Er leistete sich kein einziges schwaches Resultat, aber einige sehr gute und brach mit seiner ab 1. Jänner gültigen Elozahl 2861 Kasparows Rekord. Sein Sieg gegen Anand in Bilbao war für mich die Partie des Jahres.

2. Lewon Aronjan gewann in Wijk aan Zee mit einem Riesenresultat (sieben Siege!) und führte Armenien schon zum dritten Mal zu Olympiagold. Auch seine Rückkehr in die Schachbundesliga für die sympathischen Schachfreunde Berlin gefiel mir. Dass Lewon das Jahr schwach abschloss und auf Weltranglistenplatz drei zurückfiel, Schwamm drüber.

3. Fabiano Caruana spielte sich 2012 mit zweiten Plätzen in Wijk aan Zee und Moskau sowie geteilten ersten Plätzen in Dortmund und Sao Paolo/Bilbao in die Weltspitze und aus dem Schatten des in den vorigen Jahren stärker beachteten Anish Giri. Ich muss zugeben, dass ich das dem 20jährigen nicht zugetraut hatte.

4. Garri Kasparow steht hier nicht als Spieler (er steht ja nur noch für wenige Schaukämpfe und Simultane zur Verfügung) sondern als Motor der erfolgreichen Kampagne um die Unterstützung des Europäischen Parlaments für Schulschach und dank seiner Ansage, 2014 alles für die Ablöse Iljumschinows an der Spitze der FIDE zu tun bis hin zu einer eigenen Kandidatur. Ich setze ihn als Nummer vier als kleine Zäsur zwischen den ersten drei und den folgenden Spielern.

5. Wladimir Kramnik fiel mir durch einige Gewinnpartien (gegen Aronjan bei der Olympiade oder gegen Meier in Dortmund) auf. Dass er die aktuelle Nummer zwei der Weltrangliste ist, zeigt seine Stärke, auch wenn er 2012 nicht zu einem eigentlich verdienten Turniersieg kam: In Dortmund zermürbte er sich gegen Leko, in London war Carlsen vom Glück verfolgt.  

6. Boris Gelfand rettete die WM mit dem interessanteren Schach. Er hätte den Sieg gegen Anand verdient gehabt. Als Cosieger des ersten Grandprixturniers in London zeigte der immerhin schon 44jährige, dass das Kandidatenturnier 2011 nicht sein letzter Erfolg bleibt.

7. Sergei Karjakin wurde Schnellschachweltmeister, Cosieger in Dortmund und Taschkent, gewann das starke Blitzturnier in Peking. In Erinnerung blieb auch sein Abschneiden in Wijk aan Zee: Fünf Siege, aber auch fünf Niederlagen. Schade, dass er die Qualifikation fürs Kandidatenturnier als Weltcupvierter denkbar knapp verpasst hat.  

8. Daniel Fridman wurde Deutscher Meister, bester Deutscher bei der EM und war der wichtigste deutsche Leistungsträger bei der Schacholympiade. In Istanbul hätte er eine Medaille und einen schönen Geldpreis sicher gehabt, hätte er sich in der letzten Runde gegen die um Gold kämpfenden Russen nicht ans Brett gesetzt. Doch vorbildlich kämpfte er. Das alles rechtfertigt meines Ermessens einen Platz auch in einer internationalen Liste und ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die sich an der vom Deutschen Schachbund ausgelobten Wahl des Deutschen Spielers des Jahres beteiligen.    

9. Dmitri Jakowenko wurde verdient Europameister. An ihm lag es am wenigsten, dass Russland wieder nicht die Olympiade gewann. Pech, dass er weder zum Grandprix noch sonstigen Eliteturnieren eingeladen wurde.

10. Wang Hao gewann in Biel, wurde Cosieger in Taschkent und spielte eine starke Schacholympiade bis zur wichtigen letzten Runde, als er gegen Iwantschuk verlor und China auf den undankbaren vierten Platz abrutschte.

 Noch kurz zu denen, die nicht vorkommen: Dass Mister 50 Prozent Anand trotz geglückter Titelverteidigung nicht auf meiner Liste steht, braucht keine weitere Erläuterung. Radschabow hat für meinen Geschmack zu wenig gespielt. Nakamura gewann zwar in Hoogeveen aber kein größeres Turnier.   

Kommentare   

#1 Losso 2012-12-31 22:57
Arno Zude ist Vizeweltmeister bei den Problemlösern geworden. Leider kann man auf der Seite des Schachbunds nicht für ihn stimmen.
#2 Thomas Richter 2013-01-01 13:10
Kommentare sind das Salz in der Blogsuppe, ich lege mal los: Insgesamt kann ich Löfflers Liste nachvollziehen, allerdings einige Nuancen - fangen wir oben an:

Carlsen - klar, das ist unvermeidlich

Aronian - auch zu Recht weit oben. Wäre er auch so weit oben wenn Russland bei der Olympiade (die Tiebreak-Lotterie und damit) Gold gewonnen hätte?

Caruana - auch einverstanden. Auch ich hätte - mit weniger S(ch)achverstand als Stefan Löffler - nicht unbedingt erwartet dass er so schnell den nächsten (vor)letzten Schritt in die Weltspitze schaffen würde, die Jugend ist eben unberechenbar. "Im Schatten von Giri" kann sich aber doch nur auf die subjektive Wahrnehmung beziehen? Ich glaube Caruana war nach Elo immer besser als Giri (klar, er ist auch zwei Jahre älter). Ob Giri der im Moment etwas stagniert oder kriselt wieder die Kurve kriegt bleibt abzuwarten.

Kasparov - das ist für mich überraschend und nicht nachvollziehbar, zumindest nicht so hoch und als "Puffer" zwischen den top3 und mindestens Kramnik, Gelfand und Karjakin.

Kramnik, Gelfand, Karjakin - OK wobei bei den Jungstars die Lücke zwischen Caruana und Karjakin meines Erachtens kleiner ist als es hier scheint. Beim Weltcup wurde Karjakin übrigens nicht Vierter sondern schied frühzeitig aus gegen Judit Polgar. Hat Stefan Löffler ihn mit seinem Ex-Landsmann Ponomariov verwechselt?? Oder bezieht es sich darauf dass Karjakin den vierten Elo-Startplatz bekommen hätte? Es gab aber nur drei: Carlsen und Aronian waren gesetzt, Kramnik drehte im zweiten Halbjahr 2011 auf und "besiegte" damit Karjakin.

Fridman - OK, etwas Patriotismus ist erlaubt (nicht-deutsche Journalisten haben ihn sicher nicht in ihrer top10).

Jakowenko - OK bis hmm. Was genau heisst "wurde verdient Europameister"? Verdient war es, aber auch etwas Glückssache: erster mit 8.5/11 vor gleich dreizehn Spielern mit 8/11. Und bei der Olympiade hatte er an Brett 4 die relativ leichteste Aufgabe.

Wang Hao - auch OK.

Wer für mich fehlt ist Andreikin der sich 2012 heimlich still und leise deutlich verbesserte - was Stefan Löffler vielleicht nicht auffiel obwohl er ihn schon 2010 und 2011 hier im Blog erwähnte. Er überzeugte wann immer er sich qualifizierte (Russische Meisterschaft, Blitz-WM), eingeladen wurde er aber gar nicht. Für mich gehört er - statt Kasparov oder statt Jakowenko - in die top10. Bei der EM war Andreikin einer von 13 mit 8/11 (TPR 2786), auch nicht schlecht.

Was Einladungen betrifft (siehe auch "Radjabov hat ... zu wenig gespielt") die bekommt man eben oder auch nicht. Jakowenko und Andreikin haben da das Problem dass mindestens vier Russen (Kramnik, Karjakin, Grischuk, Morozevich) doch noch besser sind und noch diverse Landsleute (Svidler, Vitiugov, Tomashevsky, Nepomniachtchi, eventuell Malakhov) etwa gleichwertig, ein paar Elopünktchen hin oder her.
+1 #3 Tiger-Oli 2013-01-01 13:28
Sebastian Siebrecht - für unerschrockenes Recherchieren!, und weil es irgendwie leider immer ihn erwischt, wenn jemand (vielleicht) schummelt.
#4 Jürg Loretan 2013-01-01 22:58
Euer Blogchef Hickl hat bei der Schweizerischen Meisterschaft doch so gut gespielt, elo 2800 oder so. Ist er damit nicht auch ein Kandidat?
#5 Gerhard 2013-01-02 10:36
Liste soweit ok.
Allerdings ist für mich Carlsen-Anand nicht die Partie des Jahres. Da hat Anand m.E. einiges übersehen ähnlich wie gegen Michael Adams in London.
Ich hoffe, daß Anand zu alter Stärke zurückkommt - das würde das Rennen insgesamt spannender machen.
Kramnik sehe ich auch weiter vorn. Er bewies erneut, daß man sich immer wieder neu erfinden kann.
Auf Caruana kann man wirklich hoffen - schauen wir, ob er 2013 das fortsetzen kann.

Die Teilnahme an unserer Kommentarfunktion ist nur registrierten Mitgliedern möglich.
Login und Registrierung finden Sie in der rechten Spalte.