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Das Batavia-Kandidatenturnier

Das Batavia-Gebäude von hinten Das Batavia-Gebäude von hinten Wikipedia

Freitag war ich ohnehin in Amsterdam und schaute bei einem etwas anderen Schachturnier vorbei. Das Cafe Batavia, in Amsterdam direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, ist was man hierzulande 'bruin cafe' nennt - auf Englisch hiesse es wohl 'Pub'. Wenn man das Cafe betritt, erkennt der Fachmann (der es ohnehin schon wusste) an zwei Dingen, dass da irgendwo Schach gespielt wird: zum einen an der Liveübertragung auf einem Monitor, zum anderen daran, wer sonst noch so da ist. Freitag waren es Peter Doggers (wohnt in Amsterdam), Yochanan Afek (schreibt die Rundenberichte) sowie l'Ami (Erwin), wohl auch weil l'Ami (Alina) mitspielte. Samstag waren laut Rundenbericht auch die GMs Reinderman, van Wely, Ree und Solleveld sowie IMs Bosboom und Ris vor Ort sowie sogar ein Ex-Weltmeister - Ton Sijbrands, Dame ist hierzulande annähernd so populär wie Schach. Da Reinderman offenbar nicht fotografiert wurde und ich nicht da war, weiss ich nicht welche Haarfarbe er momentan hat. Das alles in lauter oder zumindest nicht ganz leiser Cafe-Atmosphäre, Schach gespielt wird in einem Hinterzimmer.

Die Teilnehmer waren Eloklasse 2400-2600, insofern hinkt der Vergleich mit dem Kandidatenturnier, aber (siehe unten). Über derlei Turniere wird generell eher wenig berichtet - aber Chessvibes/chess.com tat es, wohl weil Peter Doggers das Turnier von Anfang an kennt (dieses Jahr war die sechste Auflage). Und Chessbase hat (auf Englisch) gleich zwei Berichte - weil Alina l'Ami nicht nur spielte sondern auch fotografierte. Jeweils wird wohl noch ein Abschlussbericht kommen. Ein etwa vergleichbares Turnier gab es ja letztes Jahr auch in Bremen, da hatte die Schach-Welt einen Bremer Berichterstatter. Dort wie nun in Amsterdam ging es auch um IM- und GM-Normen - manchmal klappt es, manchmal reicht es am Ende doch nicht. Ganz so motiviert wie Kollege Olaf Steffens bin ich nicht, aber für ein paar Momente und Diagramme reicht es. Zuerst noch ein Blick ins Cafe:

Mark van der Werf opening

Foto Bas Beekhuizen (gefunden auf der Turnierseite)

Mark van der Werf, Direktor des niederländischen Schachbundes, hat das Turnier eröffnet - nach eigenen Angaben das erste Mal, dass er dabei hinter einer Bar stand. Deutschen Schachfreunden ist das Turnier vielleicht ein Begriff, weil Achim Illner 2012 überraschend gewann und dabei eine GM-Norm erzielte. Diesmal sorgte ein anderer FM (Illner ist inzwischen IM) für etwas weniger Furore, aber er ist auch noch etwas jünger.

So stand es in Van Foreest - Van Delft nach 24 Zügen:

Van Foreest - Van Delft

Der 14-jährige Knirps hatte die Qual der Wahl zwischen 25.Sd6 und 25.Td7, konnte sich offenbar nicht entscheiden und wählte den Kompromiss 25.Td6??. "Draussen" wurde das so kommentiert: "Jorden gewinnt!" "Nein, Jorden hat gerade eine Figur eingestellt!!" - in der Partie folgte 25.-f5 26.Sf6+ Dxf6! usw. . Damit war die IM-Norm vertagt, er brauchte noch einen halben Punkt aus zwei Partien. Tags darauf spielte er gegen IM Twan Burg, der noch 1.5/2 für seine letzte GM-Norm brauchte. Das wurde überraschend schnell Remis, Ziel erreicht für Van Foreest. Nebenbei: er kommt nicht aus dem Wald (das schreibt man auf Englisch mit einem e, und auf Niederländisch heisst es "bos"), sondern meines Wissens aus Groningen. Und Van Delft kommt nicht etwa aus Delft, sondern aus Apeldoorn und wohnt aus privaten Gründen in Hamburg.

Vor der letzten Runde stand es so: GM Smerdon 6/8, IM Burg 5.5/8, FM Van Foreest und GM Williams 4.5/8, ..... Elo-Favorit GM Ernst 3/8. Burg brauchte, wie schon erwähnt, ohnehin einen Sieg - und zwar mit Schwarz gegen Ernst. Dann wurde es ein Kandidatenturnier, beide führende Spieler verloren ihre Partien! Smerdon verlor kurz und schmerzhaft in 24 Zügen gegen den belgischen IM Geirnaert, Stellung nach 24.Sg8 1-0:

Geirnaert-Smerdon

Smerdon hatte Holländisch gespielt (macht er das immer, oder nur in den Niederlanden?) und das ging schief. Hier gilt "Springer am Rand bringt Kummer und Schand" ... für den Gegner.

Auch bei Ernst - Burg zeige ich die Schlusstellung:

Ernst-Burg

Perfektes Teamwork von den weissen Figuren (König mal abgesehen), und der schwarze Td8 hilft auch mit. Frage an die Leser: Aus welcher Eröffnung entstand diese Stellung? Kleiner Tip: Weiss spielte 1.d4 und 9.Sxg5. Es war hochtheoretisch, zwischendurch stand Schwarz mal klar besser.

Konnten Van Foreest und/oder Williams davon profitieren und geteilt Zweiter werden? Van Foreest spielte noch ein Remis, insgesamt wohl korrekt mit einigen taktischen Motiven. Bei Williams - Alina l'Ami stand es nach 32.-Sf4 so:

Williams-LAmi

Schwarz spielte (bereits mit 31.-Dc2) nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" - was nun aus weisser Sicht, da die Dame(n) eine sehr konkrete Drohung hat/haben, die mit 'normalen' Mitteln nicht zu parieren ist? Und der Le6 hängt auch noch. Es folgte 33.Txg7+ Kxg7 34.Sf5+ gxf5 35.De7+ Kh8 36.Df6+ Kh7 37.Dxf5+ Sg6 38.Df7+ Kh8 39.Kh2!? Dc1! und man einigte sich auf Remis (zum Schluss war 39.-Dc1 [40.Dxg6 Dg5] der einzige Zug für Schwarz).

Frage an die Leser: War dieses Ende der Partie unvermeidlich?

Damit konnten Smerdon und Burg aufatmen (Burg wohl mit gemischten Gefühlen), und im Gegensatz zum Kandidatenturnier musste kein Tiebreak entscheiden.

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