Nichtgegebenes Faschingsdienstagsinterview
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Dienstag, 08 März 2011 09:25

Nichtgegebenes Faschingsdienstagsinterview

Im Rahmen des Villacher Faschings der wohl bekanntesten Fasching Veranstaltung Österreichs traf die nichtanwesende Krennwurzn den ungeborenen designierten Nachfolger Herrn Äwigkneiper des ÖSB (Österreichischer Schachbund)  Präsidenten zu einem nichtgegebenen und unautorisiertem Interview über das österreichische Schach.

Krennwurzn: Äh, Herr Äwigkneiper wie soll ich Dich ansprechen?

Äwigkneiper: Ich denke wir sollten förmliches Siezen ohne akademische Titel wählen, damit einerseits eine gewisse Respektdistanz gewahrt bleibt, sich aber auch keine eventuellen Plagiatsvorwurfsschatten über dieses Gespräch werfen können – wer weiß schon heute, was künftige Doktoren bei Google noch alles ausgraben werden.

Krennwurzn: Gut, kommen wir zur Sache. Herr Äwigkneiper Sie sind ja noch gar nicht geboren und dennoch schon designierter Präsident des ÖSB – warum?

Äwigkneiper: Auch wenn es mir sehr unangenehm ist, so muss ich doch auf einen schweren Nachteil meines Vorgängers hinweisen: er wurde erst im Alter von 42 Präsident des ÖSB und selbst wenn er solange wie Jopi Heesters aktiv bleibt, könnte das eine unter 70jährige Amtszeit bedeuten. Wohin derart rasche Wechsel im Präsidentenamt führen können, sehen wir gerade im Nachbarland Deutschland, das im Streit um Geld und Meisterschaft geradezu in einem Chaos versinkt.

Krennwurzn: Ja, aber kann so eine Diskussion nicht auch befruchtend sein – hier ist am Sonntag die Bundesliga zu Ende gegangen und auf der Webseite des ÖSB wurde erst Montag mittags – nach einem deutschem Medium – darüber berichtet.

Äwigkneiper: Typisch für Sie, Herr Krennwurzn, immer diese Hektik, alles muss jetzt und sofort sein – haben Sie sich schon einmal überlegt was ein Tag in Relation zu meiner überhundertjährigen Amtszeit sein wird. Außerdem missfällt mir dieses ewige Schielen nach Deutschland sowieso. Ich werde daher die Bundesliga wieder in Staatsliga rückumbenennen!

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Krennwurzn: Warum?

Äwigkneiper: Schon alleine das Wort „Bund“ beinhaltet, dass möglicherweise mehrere Personen mitentscheiden möchten. Das Wort „Staat“ drückt eine Autorität aus und an diese glauben viele Österreicher gerne, daher wird „Das Schach bin ICH“ mein Wahlspruch werden.

Krennwurzn: Sie werden also dem österreichischen Schach mehr Aufmerksamkeit widmen und Sie wären wohl persönlich zur Schlussrunde nach St. Veit an der Glan gefahren?

Äwigkneiper: Um Gottes Willen – natürlich nicht! Wo denken Sie hin bzw. da sieht man, dass Sie gar nicht an die Auswirkungen einer solch gefährlichen Reise denken. Kärnten ist ein sehr problematisches Land?

Krennwurzn: Äh – aber wir sind doch gerade hier in Villach in Kärnten und führen dieses Interview!

Äwigkneiper: Also ich bin noch gar nicht geboren, dieses Interview wurde gar nicht geführt und wo Sie sind ist mir eigentlich egal, aber bedenken Sie: in Kärnten gibt es die Ortstafelfrage, libysche Milliarden könnten vergraben sein und die Bayern fahren auch nicht gerne hin, obwohl das ist egal, denn ihr Geld ist schon da.

Krennwurzn: Eine Reise nach Khanty-Mansiysk zum FIDE-Kongress würden Sie dann schon gar nicht machen, wenn Kärnten schon so gefährlich ist?

Äwigkneiper: Khanty-Mansiysk ist doch bequem und sicher mit dem Flugzeug zu erreichen – sie als Österreicher müssten doch wissen, dass die Südautobahn als gefährliche Sparautobahn gilt. Außerdem ist es die Aufgabe eines Österreichers in der großen Weltpolitik entscheidend mitzugestalten!

Krennwurzn: Aber gerade das Wahlverhalten Ihres Vorgängers hat nicht allen gefallen?

Äwigkneiper: Hätte er die wertvolle Stimme Österreichs an einen Kurzzeitpräsidenten vergeuden sollen? Da wäre doch außer Spesen nichts gewesen?

Krennwurzn: Stichwort Kosten – wo gedenken Sie aufgrund drohender Mindereinnahmen Sparmaßnahmen zu setzen?

Äwigkneiper: Bei den Schachspielern!

Krennwurzn: Äh – aber um die geht’s ja bei unserem Sport!

Äwigkneiper: Nein – das wichtigste sind die Funktionäre! Und da nehme ich Sie jetzt beim eigenen Wort - sie haben einmal gesagt: Funktionen kommen von funktionieren und sollten daher auch funktionieren. Natürlich haben Sie das in einem anderen Zusammenhang gesagt und wohl auch die Tragweite und Richtigkeit Ihres Satzes nicht verstanden, aber ohne Funktionäre funktioniert das System nicht und Funktionäre müssen funktionieren, das sage ich Ihnen jetzt als Präsident!

Krennwurzn: Und die Liebe zum Schach?

Äwigkneiper: Jetzt kommen gerade Sie mir auch noch mit dieser Romanik! Sie sagen doch selbst immer: man muss auch aufs Geld und die nachhaltige Finanzierung achten und nicht nur träumen. Meine Antwort darauf: Vollkommen richtig! Die Abschaffung der aktiven Schachspieler senkt die Kosten radikal, das gesamte Geld kann für einen funktionierenden Apparat verwendet werden und es gibt niemanden mehr, dem die Spielbedingungen, die Gagen oder sonst was Lächerliches zu schlecht sind!

Krennwurzn: Schachfunktionäre dürfen aber schon Schachspielen?

Äwigkneiper: Natürlich nicht! Sie müssen funktionieren und nicht spielen! Wir brauchen generell keine Schachspieler, weil sie verursachen nur Kosten und Probleme und beides können und wollen wir uns nicht mehr leisten! Mein Vorgänger hat nach anfänglichen Rückschlägen in den 80er und 90er Jahren das Problem der steigenden Mitgliederzahlen durch kluge Maßnahmen in den Griff bekommen und ich werde diesen Weg konsequent weiterführen, bis es keine Schachspieler und nur mehr Funktionäre gibt!

Krennwurzn: Aber wer bezahlt dann die Mitgliedsbeiträge, wenn Sie keine Schachspieler mehr haben wollen und die Funktionäre doch bezahlt werden sollten?

Äwigkneiper: Jeder der auch nur im Entferntesten an etwas Schachliches denkt, wird beitragspflichtig. Beispielsweise wird dies auch durch das Betrachten der kroatischen Flagge ausgelöst oder so wie in Ihrem Falle gerade jetzt durch das Hinterherstarren bei einer vorbeigehenden Dame! Und zwar auch dann, wenn es sich um eine „Drag Queen“ handeln sollte.

Krennwurzn: Wann werden Sie Ihr Amt antreten?

Äwigkneiper: Das ist noch nicht terminisiert – jedenfalls werde ich kurz nach der Amtsniederlegung meines Vorgängers meine Geburt einleiten und spätestens nach einer Woche mein Amt antreten. Mein Ziel ist es dem österreichischem Schach Kontinuität und eine lange stabile Amtszeit zu geben.

Krennwurzn: LeiLei! Und danke für das nichtgegebene Interview!

Äwigkneiper: LeiLei!

Lei Lei = Faschingsruf Gegend Villach (Kärnten, Österreich – slowenisch: Koroška)

Hauchard und Marzolo werden entlastet
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Sonntag, 30 Januar 2011 21:00

Hauchard und Marzolo werden entlastet

Hier und auf einigen anderen Blogs tauchten anonyme Hinweise auf, dass zwei der vom Französischen Verband unter Betrugsverdacht gestellte Spieler bereits vorigen Sommer in Biel auffällig geworden und bei dem Turnier nicht mehr willkommen seien. Das wird von der Festivalleitung in einem gerade erschienenen Statement zurückgewiesen. Es habe keine Hinweise während des Turniers auf ein Fehlverhalten seitens Arnaud Hauchards oder Cyril Marzolos gegeben sondern erst mehr als einen Monat später und auch nur anonym. Während des Turniers sei auch nichts aufgefallen. Und wenn etwas aufgefallen wäre, wäre es in jedem Fall untersucht worden. Dass die anonymen Hinweisgeber in den Blogs behaupteten, die Franzosen seien in Biel nicht mehr willkommen, diskreditiert ihre Aussagen und entlastet Hauchard und Marzolo. Hier das ausführliche Statement der Bieler Festivalleitung:

Medienmitteilung des Internationalen Schachfestival Biel

Drei französische Schachspieler, welche am Meisteropen des Internationalen Schachfestivals im Juli 2010 in Biel teilgenommen haben, werden vom Französischen Schachverband verdächtigt, während der Schacholympiade im Herbst 2010 in Russland betrogen zu haben. Im September 2010 waren dem Organisationskomitee des Bieler Schachfestivals bereits anonyme Augenzeugenberichte übermittelt worden, welche den drei gleichen Spielern vorwerfen, schon in Biel dasselbe begangen zu haben. Von Seiten des Schachfestivals konnte die Sache nicht weiter verfolgt werden, da die Anschuldigungen anonym blieben, viel Zeit vergangen war und keine Beweise vorlagen. In jedem Fall werden die Kontrollen während des nächsten Schachfestivals (16. – 29. Juli 2011) verschärft.

Das Organisationskomitee des Internationalen Schachfestival Biel hat die Mitteilung des Französischen Schachverbands (FFE) vom 21. Januar 2011 Kenntnis genommen. Darin wird erklärt, dass der FFE am 22. Dezember 2010 gegen die Grossmeister Sébastien Feller und Arnaud Hauchard sowie gegen den Internationalen Meister Cyril Marzolo ein Verfahren eingeleitet habe, um den Verdacht «des Betrugs, welcher jegliche sportliche Ethik vermissen lässt und ein schlechtes Licht über die Nationalmannschaft wirft, welche vom 21. September bis 3. Oktober an der Schacholympiade in Khanty Mansiysk teilgenommen hat», zu klären. (Im Wortlaut: «triche organisée, manquement grave à l’éthique sportive, atteinte portée à l’image de l’équipe nationale olympique dans le cadre des Olympiades de Khanty Mansiysk du 21 septembre au 3 octobre 2010.»)

In verschiedenen Artikeln und Interviews, welche auf etlichen Websites erschienen sind, wurde angetönt, dass die drei genannten Spieler einen solchen Betrug bereits am Meisteropen des Schachfestivals 2010 in Biel bereits einmal versucht hätten.

Das Schachfestival Biel nimmt nach entsprechenden direkten und indirekten Anfragen in dieser Sache wie folgt Stellung:

1. Gemäss Mitteilung des FFE wurde die Untersuchung wegen der Vorgänge an der Schacholympiade in Khanty-Mansyik eingeleitet. Bis heute haben wir keine Anfrage des FFE erhalten.

2. Am Meisteropen in Biel im Jahr 2010 haben die beiden GM Arnaud Hauchard und Sébastien Feller tatsächlich teilgenommen. IM Cyril Marzolo hielt sich während einigen Tagen im Kongresshaus auf, ohne jedoch selber am Meisteropen teilzunehmen.

3. Während des Turniers gab es gegenüber den Schiedsrichtern keine direkte und offizielle Klage gegen einen der genannten Spieler. Im Büro des Schachfestivals hat sich zwar jemand gemeldet, der eine „Verdächtigung wegen Absprachen“ geäussert hat. Da solche Verdachtsmomente relativ häufig im Büro vorgebracht werden, aber oft nicht fundiert sind, wurde diese Person angewiesen, mit einem Schiedsrichter Kontakt aufzunehmen. Weder der Hauptschiedsrichter noch ein Mitglieds des Organisationskomitees haben Kenntnis davon, dass jemand einen Schiedsrichter wegen konkreter Verdachtsmomente angesprochen hätte.

4. Es ist selbstverständlich, dass eine konkrete Verdächtigung von einem Schiedsrichter abgeklärt worden wäre.

5. Erst im September, also gut einen Monat nach dem Meisteropen in Biel, wurde uns durch eine Drittperson ein E-Mail mit den detaillierten Aussagen dreier anonymer Augenzeugen übermittelt, welche gegen die drei Spieler den Verdacht des „Betrugs“ äussert. In diesen anonymen Aussagen wird insbesondere von einer bestimmten Partie gesprochen. Der GM, welcher gemäss diesen Aussagen benachteiligt gewesen sei, kann sich jedoch nicht daran erinnern, dass etwas abnormal verlaufen sei.

6. Bis heute sind uns die Namen der drei Zeugen nicht bekannt, zudem wurde der Verdacht erst Wochen nach Abschluss des Turniers erstmals klar geäussert, so dass das Schachfestival im Moment nicht in der Lage ist, zu diesen Verdächtigungen Stellung zu nehmen.

7. Nach Bekanntwerden von Verdächtigungen wurde beschlossen, das Kontrolldispositiv am nächsten Schachfestival vom 16. – 29. Juli 2011 zu erhöhen.

Internationales Schachfestival Biel, Organisationskomitee, 30.01.2011

Verblichener Charme im Ruheraum
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Samstag, 29 Januar 2011 11:00

Aus der Provinz (II):

 

Während in Wijk aan Zee unter den Augen der Weltöffentlichkeit Schach auf spielerisch wie organisatorisch hohem Niveau gepflegt wird fand ein ähnliches Schachfestival auch im tschechischen Marienbad statt: drei Rundenturniere für Titelträger und solche die es werden wollen, dazu noch ein Open fürs gemeine Schachvolk zur Abrundung. Im Westböhmischen blieb die Öffentlichkeit abgeschnitten vom Geschehen, und das war auch gut so, denn vorzeigbar war die Veranstaltung beileibe nicht.

Schon seit Jahren wollte ich mal in solch einem Rundenturnier mitspielen, bei dem man jeden Tag einen gleichstarken oder stärkeren Gegner bekommt. Üblicherweise spiele ich nur in den Open in meiner näheren Umgebung. Da treffe ich in neun Spielen meist auf sechs oder mehr Gegner, die ich durch meinen Elovorteil eigentlich zu schlagen habe. Zudem wollte ich mal wissen, ob ich mit über 40 noch in der Lage bin, auf Großmeister-Norm zu spielen. Dummerweise schlug ich vor ein paar Jahren die Einladung zu einem Rundenturnier in Wien aus, um stattdessen ein anderes Turnier zu spielen –dies wurde dann das allerschlechteste meiner „Karriere“! Hoffentlich werde ich irgendwann noch einmal nach Wien eingeladen?!

http://schach.wienerzeitung.at/Tnr2582.aspx?art=4

So nahm ich die Chance wahr, zu Jahresbeginn in Marienbad, tschechisch Marianske Lazne, zu spielen. Zunächst muss man sich „einkaufen“, sprich Startgeld in nicht unbeträchtlicher Höhe entrichten. Das verstehe ich durchaus, nur hätte ich dann auch was fürs Geld geboten, nicht „nur“ die nackte Voraussetzung, gegen drei Großmeister spielen zu dürfen.

Vor Ort erwartete mich ein Kulturschock. Zwar ist Marienbad insgesamt ganz reizend, viele alte Villen sind renoviert und auf Hochglanz poliert worden. Barocke Pracht blitzt durch die Baumreihen hervor, üppige vier Sterne-Plus-Hotels gibt es zuhauf. Solcherlei Zuckergussansichten kennt man aus der Internetberichterstattung, ich denke da an das Duell Snowdrobs versus Oldhands (Mädels gegen Altmeister), ein Format, das seit ein paar Jahren in Marienbad unter ausgezeichneten Bedingungen stattfindet. Doch zunächst bot sich mir dieses Bild dar: kalter Winter, Nebensaison, das in die Länge gezogene Städtchen (besteht im Prinzip nur aus einer langen Strasse) eher verwaist, die kulturellen Angebote ausgedünnt, Museen geschlossen. Aber vor allem: das Hotel Kossuth, das Spiellokal, ist von der Aufbruchsstimmung der tschechischen 90er nicht berührt worden. Es befindet sich in einem erbarmungswürdigen Zustand, wenngleich man erahnen kann, dass es vor hundert oder mehr Jahren reichlich Glanz versprühte, denn es bietet, an einem erhöhten Ort liegend, einen prächtigen Blick über den Marienbader Kessel. Der Bau an sich, aus drei aneinander gereihten Häusern bestehend, ist riesig, wuchtig und würde die ideale Grundmasse für eine Nobelhotelkette bieten.

Leider hat sich in Zeiten des Sozialismus und auch danach niemand seiner erbarmt und so führt das Haus heute eine Notexistenz und treibt gelassen seinem Untergang entgegen. Als es mal stark regnete wurden im Flur große Eimern verteilt, um den Regen, der durch das marode Dach triefte, aufzufangen. Behelfszustand und Resignation eben.

Für eine Provinzveranstaltung des Schachsports bietet so ein kostengünstiges Ambiente den willkommenen Rahmen. Es ist ja nicht zuletzt eine Geschäftsidee, die die Organisatoren von Czechtour umtreibt, und so gilt es mit möglichst wenig Kosten und Aufwand die Struktur zur Verfügung zu stellen. Ansprüche, so lernte ich, muss man freilich zurückstellen und alles dem Ziel, Norm, unterordnen. Ich bemühte mich und es funktionierte auch. Anfänglich fiel es mir noch schwer, mich mit dem Spielmaterial anzufreunden. Als Bretter dienten vergilbte braun-gelbe Kartons, aus zwei Teilen bestehend und in der Mitte mit einem dunklen Klebeband zusammengehalten. Einmal war das Klebeband auf meinem Brett so breit wie eine Reihe, so dass es wirkte, als hätte das Brett neun Reihen – ich tauschte es schnell aus. Zwischendurch fand ich es auch ganz amüsant in diesem vor sich hinwelkenden Hotelrelikt in seinem muffigen Plüsch, und wenn sich mal eine Sprungfeder meines Stuhles knarzend durch den Stoff Bahn brach oder der Untersatz bei jeder Bewegung zu zerbersten drohte, nahm ich das belustigt hin, schnappte mir einen freien Stuhl, der noch robust wirkte, und spielte unverdrossen weiter.

Drei Großmeister, allesamt ihrer besten Zeit schon entwachsen, stellten sich der Veranstaltung zur Verfügung, von denen einer, Malanjuk, vor ein, zwei Jahrzehnten noch zur erweiterten Weltspitze zählte. Sein Genie blitzt auch hie und da auf, vor allem in der Post-Mortem-Analyse, die ich mit ihm führen konnte. Ansonsten betätigten sich die Großmeister überwiegend als Remisschieber. Kamen im Trainingsanzug und mit Schlappen zum Brett, wurden im Hotel Kossuth abgespeist, zogen ein paar Mal, boten Remis und gingen wieder auf ihr Zimmer. Von den fünf Partien des Großmeisterturniers waren zwei oder gar drei stets nach wenigen Zügen beendet, die gleichzeitig stattfindenden IM-Turniere boten deutlich mehr Abwechslung und Kampfgeist.  Gern traf man die Großmeister auch beim Rauchen auf dem Flur an. In Tschechien gehört der blaue Dunst noch zum Alltag, in Gaststätten gibt es stets ein Raucher- und ein Nichtraucherzimmer. Aber wehe, wenn die Großmeister provoziert werden! Ich erdreistete mich als einer der wenigen, Remisofferten auszuschlagen beziehungsweise opferte als Schwarzer frühzeitig einen Bauern, um die Titelhalter gleichsam zum Spielen zu zwingen. So kommentierte Malanjuk meine Eröffnungswahl 1.d4 Sf6 2.Sf3 c5 3.d5 e6 4.Sc3 b5!? nach 5.dxe6 fxe6 6.Sxb5:

Malaniuk

„I was one pawn up – I couldn`t offer draw!”

Die verdiente Strafe folgte auf dem Fuße: ich musste zweimal gegen die Altmeister hinter mich greifen. In der Tabelle warf es mich auch zurück, doch darauf kam es nicht mehr an, die Norm (6,5 aus 9) war eigentlich nach 5 Runden (2,5) kaum mehr zu erreichen.

http://czechtour.net/marienbad-open/results-and-games/

Dass es alternde Schachprofis nicht leicht haben weiß man eigentlich schon, und doch ist es irgendwie deprimierend, aus nächster Nähe zu sehen, wie sich etliche Profis ihr Gnadenbrot in zugigen Kaschemmen verdingen müssen, ihre Zahl ruinierend und immer bereit, mal ein Spiel für etwas Taschengeld verkaufen zu können. Wozu will ich eigentlich Großmeister werden, wenn solche Aussichten locken?!

Ich bin jetzt auch erst mal „geheilt“ und verspüre zunächst mal keine Lust mehr auf eine „Ochsentour im Osten“. Es gibt sicher eine glamouröse Seite im Schach. Da partizipieren die oberen 2700er und noch die Spitze im Damenschach. Schön ist es auch, nachdem man mal eine andere Perspektive eingenommen hat, wieder zu erkennen, auf welch hohem Niveau hierzulande viele Schachveranstaltungen, offene Turniere ausgetragen werden. Was freue ich mich nun wieder auf Deizisau, dem Mekka des Deutschen Schachs über Ostern! Aber es gibt etwas, das weder attraktiv noch erstrebenswert ist. Schach am Rande des Existenzminimums. Schach am Rande der Gesellschaft. Schach verzagt eben. Und diese Seite unseres einst edlen Spiels ist leider gar nicht so selten anzutreffen…

 

Betrugserkennung
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Freitag, 28 Januar 2011 11:34

Betrugserkennung

Gibt es so was im Schach und wie sollte das funktionieren, diese Frage stellen sich viele Schachfreunde. Natürlich ist dies machbar und Matthias Wüllenweber von ChessBase macht auch kein Geheimnis daraus, dass so eine Software entwickelt wurde und eingesetzt wird – schon 2003 wurde darauf in einem Artikel von Harald Fietz hingewiesen.

Ein weiterer guter Artikel zum Thema „Wie man beim Onlineschach bescheißt“ wurde von Lars Bremer veröffentlicht. Also die Möglichkeit mit statistischen Methoden Betrugsmuster zu erkennen gibt es, die theoretischen Grundlagen dazu liefert die „fraud detection“ - allgemeiner spricht man von Data mining Techniken.

Wo liegen dabei die Probleme? Ich probiere das nun populärwissenschaftlich zu erklären, die Fachleute mögen mir die dadurch entstehende Unschärfe bitte nachsehen. Es handelt sich dabei um komplexe statistische Methoden und diese liefern schon per Definition keine exakten Ergebnisse wie 1+1=2, sondern nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis wahr oder falsch ist.

Im Schach ist beispielsweise eine Aussage über eine Stellung in einem 6-Steiner Endspiel exakt. Eine Aussage über eine Eröffnungsstellung aber mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit versehen, obwohl auch für diese Stellung wie für die Endspielstellung gilt, dass sie nur gewonnen, verloren oder remis sein kann. Wenn die Krennwurzn sagt, dass diese Eröffnungsstellung für Weiß gewonnen ist, dann werden natürlich viele daran zweifeln – sagt dies aber Anand werden viele diese Einschätzung glauben und sind viele führende GMs ebenfalls dieser Meinung, dann wird es sehr wahrscheinlich, dass die Stellung gewonnen ist, und dennoch wissen wir es definitiv exakt nicht!

Eine Betrugserkennungssoftware kann nur die Wahrscheinlichkeit angeben, dass ein Betrug vorliegen könnte, das bedeutet aber auch, dass jemand eines Betruges bezichtigt werden könnte, der nicht betrogen hat (false positive) und ebenso dass Betrugsfälle nicht erkannt werden (false negative). Eine zweifelsfreie Erkennung gibt es schlicht und ergreifend nicht!

 

Man könnte sich das so vorstellen: es leuchten Alarmlamperl auf und auch wenn schon sehr viele leuchten und diese schon Flutlichtstärke erreichen, sollte man immer noch im Hinterkopf haben, dass ein „false positive“ möglich ist.

Aber: „When I see a bird that walks like a duck and swims like a duck and quacks like a duck, I call that bird a duck.“ – JAMES WHITCOMB RILEY

Aus diesem Spannungsfeld kann ich Sie nur mit den abgewandelten Worten eines unbedeutenden österreichischen Bundeskanzlers aber verkanntem Philosophen entlassen: Es ist alles sehr kompliziert!


Artikelserie:

  1. Betrugserkennung
  2. Betrugserkennung Wurznpraxis
  3. Betrugserkennung ökomomischer Blick
  4. Betrugserkennung Mythbusting
  5. Nutzen der Betrugserkennung
Caruana gegen Kortschnoi
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Ohne die große Veranstaltung in Wijk aan Zee würde die Schachwelt wohl ohne Zweifel auf eines der bedeutendsten Open Europas blicken. Alljährlich Ende Januar findet auf Gibraltar das Tradewise Chess Festival statt, und wer nicht nach Holland eingeladen wurde, scheint hier mit zuspielen u. a.  Ivanchuk, Adams, Caruana, Vallejo Pons, Bologan, Georgiev, Nigel Short und auch Viktor Kortschnoi. Und gerade Kortschnoi,  mehrfacher Vize-Weltmeister und Urgestein des Weltschachs, sorgte in der zweiten Runde für eine Überraschung. Am 23. März wird er 80 Jahre alt, doch von Müdigkeit keine Spur. Mit Elo 2544 gehört er zur zweiten Hälfte der Spitzengrupe und wurde gegen den um mehr als 60 Jahre jüngeren italienischen Weltklassegroßmeister Fabiano Caruana (Elo 2721) nach oben gelost. Es wirkte wie eine leichte Aufgabe für ihn:

Nachdem wir von immer jünger werdenden Spitzenspielern berichten, freut es mich, auch den umgekehrten Fall präsentieren zu können.


Zu Kortschnoi:

"Ich bin Schachgroßmeister"

Ein von Frank Zeller aufgenommenes Video zeigt Viktor Kortschnoi bei der Arbeit

„Ich nehme ein Schachbrett mit ins Grab“

FAZ.net:Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 09.01.2005, Nr. 1 / Seite 15

gezeichnet
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Mittwoch, 01 Dezember 2010 00:07

Medienrummel um Marc Lang

Alle Achtung: das hat Marc Lang gut gemacht! Der Blindschachspezialist ist in unzähligen Medien präsent. Etliche regionale und einige überregionale Blätter wurden auf das außergewöhnliche Thema aufmerksam und berichteten vom Reihenspiel ohne Spielsteine.

Das Medium Radio vertrat das „Schwabenradio“ (SWR 4, immerhin!), welches gleich zwei Beiträge sendete, einen davon am Sonntagmorgen direkt nach geschlagener Schlacht. radio

Und sogar das Fernsehen zeigte Schach. Im SWR wurden dem außergewöhnlichen Anlass rund 5 in der Landesschau eingeräumt.

http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5940412http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5940412

Um das Ganze noch mal kurz zusammenzufassen. Lang war bereits Deutscher Rekordhalter in der Blindsimultandisziplin, am Wochenende hat er seine eigene Bestmarke nun auf 35 Bretter hinaufgeschraubt. Eine Wahnsinnstat, doch damit nicht genug. Dies soll nur eine Durchgangsstation sein; im nächsten Jahr will er sich an 46 Gegner herantrauen, was eine Verbesserung des offiziellen, noch von der Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg herrührenden Weltrekords von Miguel Najdorf bedeuten würde. Najdorf wollte damit einst die Aufmerksamkeit der Welt auf sich lenken in der Hoffnung, von seinen in Polen zurückgebliebenen Angehörigen Lebenszeichen zu erhalten. Die Hoffnung, die Lang lenkt, ist eine, die uns alle umtreibt: die, Schach populärer werden zu lassen und von der Öffentlichkeit wahrgenommen und geschätzt zu werden.

Für das Schach hat er beste, nämlich durchweg positive Werbung betrieben und dafür sind wir dankbar.

werbung

Es braucht scheinbar eine verrückte Idee, um die Aufmerksamkeit der Medien zu erreichen. Wenn tausende Schachspieler aus aller Welt irgendwo in Sibirien zur Schacholympiade zusammenkommen, dann ist das der Presse kaum einen Einspalter wert. Auch Kämpfe zwischen Großmeistern, selbst wenn es um die Weltmeisterschaft geht, verlieren schnell an Reiz. Es muss schon aberwitzig und wider der Natur sein, wenn man die Medien zum Atufhorchen bewegen will.

Wir wollen nicht anfangen, über Sinn und Unsinn solcher Jahrmarksszenerien nachzudenken. Wohl muss man nicht verrückt sein, um sich einem solchen kräftezehrenden Ringen auszusetzen, aber vielleicht können durch die enorme Anspannung der geistigen Kräfte die Sicherungen durchbrennen. Schon Tarrasch hat solcherlei gemutmaßt, jedenfalls ist eine gute Physis wie eine starke Psyche vonnöten.

Zudem ist es wichtig, eine Utopie zu haben und das Durchhaltevermögen, diese dann umzusetzen. Bei Lang vereinen sich glücklicherweise ein paar  günstige Eigenschaften. Unabdingbar ist sein Talent für solche Blindsimultanvorstellungen. Aber der Rummel um seine Person wäre nicht so groß, wenn er nicht als dieser „Normalo“ rüberkommen würde: der fürsorgende Familienvater von nebenan, unkapriziös, weder abgehoben noch arrogant. Keiner der üblichen Psychopaten, als die die Schachspieler ansonsten in Wort und Bild immer dargestellt werden, weder der zerstreute Professor noch der egozentrische Machtmensch, der das Ego der Gegner zertrümmern will. Einer von uns mit einer kleinen, wenngleich faszinierenden Begabung. So also kann man die Medien für sich einnehmen, auch wenn man es gar nicht will. Denn wenn er geahnt hätte, wie viele Anrufe er bekommen würde und wie viele Interviews Arbeitsplatformer führen müsste, hätte er sich vielleicht doch lieber diskret im Hintergrund gehalten, so Lang. Bescheiden eben, aber sicher auch mit einer ordentlichen Prise Koketterie durchzogen. Um einen lustigen Spruch ist der gebürtige Ditzinger selten verlegen. Unterhaltsam schreiben kann er übrigens auch, man sehe die Artikel auf seinem Blog:   http://www.schach-sontheim.de/blindsimultan/blog

Nicht zu vergessen ist die gewichtige Rolle, die der Schachklub Sontheim/Brenz bei der Realisierung der Veranstaltung spielte. Der Verein und seine Führung gaben Langs verrückter Idee volle Rückendeckung und setzten sich engagiert für das Gelingen des Ganzen ein. Und der Aufwand, der hierfür betrieben wurde, war sicher kein geringer! Hier noch der Hinweis auf die Homepage dieses umtriebigen Vereins auf der Ostalb, gerade am Rande von Baden-Württemberg: http://www.schach-sontheim.de/

Nichtsdestotrotz war die Provinz (Sontheim hat kaum mehr als 5000 Einwohner) für ein Wochenende der Nabel der deutschen Schachwelt. Herzlichen Glückwunsch und viele Grüße in meine alte Heimat!

Große Resonanz beim China-Schach
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Dienstag, 30 November 2010 11:48

China-Schach bei MTV

Wir schreiben das Jahr 1988. China veranstaltet sein erstes internationales Open. Die deutschen Vertreter, Lau, Lobron und Hickl, werden durch die nette aber für westliche Verhältnisse scheue chinesische Damennationalmannschaft betreut und dem chinesischen Schach nähergebracht.
Eine stets lächelnde junge Dame namens Xie Jun, damals nur bekannt als eine der besten China-Schachspielerinnen, traf das Los, mir diese Schachvariation beizubringen. In unserer dritten Partie wurde ich als blutiger Anfänger wohl nicht ernst genommen, hatte plötzlich das Äquivalent eines Turmes mehr. Für einige Momente verschwand das sonst so gewohnte Lächeln. Als es jedoch wenige Minuten später zurückkehrte wurde mir klar, dass auch diese Partie chancenlos verloren gehen würde, obwohl ich es der Stellung zu diesem Zeitpunkt noch nicht entnehmen konnte. Es läuft dort genauso gnadenlos wie bei unserem Schach - am Ende kriegen wir sie doch! Drei Jahre später wurde Xie Jun überraschend Damenweltmeisterin und trug wesentlich zum Beginn des chinesischen Booms bei.
Inzwischen hat das traditionelle Schach viel Boden zum chinesischen gutgemacht.
Doch mit dem Verlassen des Landes endete mein Kontakt zum Spiel. In einem deutschen Spieleladen ist es fast unmöglich, ein Set zu erhalten und noch scherer fällt es, einen Spielpartner zu finden. Umso mehr überraschte mich eine Meldung über eine Premiere im deutschen Fernsehen:
Die MTV-Sendung GAME ONE, eigentlich nur auf Computerspiele fokussiert, brachte kürzlich in Folge 141 einen Beitrag über nicht-digitales Schach:  . Nicht zum Standardschach, sondern nur zur chinesischen Version Xiangqi, aber immerhin: Schach ist Schach! Wir müssen uns damit wohl zufrieden geben und freuen, dass es hierzulande völlig bedeutungslose Sportarten in die Medien schaffen.
Aufhänger war die 26. Chinaschach-EM 2010 im September in Hamburg. Und das Chinaschach - das üblicherweise mit runden Steinen gespielt wird, die Schriftzeichen tragen – wurde den Zuschauern mit einem Figurenset erklärt. Das Set, ein Unikat, musste von René Gralla (siehe Foto, kniend) gebastelt werden.
Hier der Link zur Aufzeichnung: www.gameone.de/tv/141 (dort auf "play" klicken).
Im Rahmen der Sendung spielte Moderator Budi ein Match gegen Redakteur Eddy und stellte es komplett ins Web. www.gameone.de/blog/2010/9/gameone-141-extended-chinesisches-schach-scharmuetzel (dort beim zweiten Bild auf "play" klicken)
Die Darbietung einer kompletten Schachpartie - auch wenn es "nur" Chinaschach war - hat es in dieser angesagten Sendung noch nie gegeben.
Wenn man Initiative entwickelt, schafft es sogar (China-)Schach bei MTV ins Programm! Interessant sind auch die Kommentare im Web; Überwiegend wird das Thema - Chinaschach bei GAME ONE - positiv gesehen!
NACHTRAG: Soeben stieß ich auf einen Bericht von Frank Hoppe auf der Website des DSB: Schachboom in China?