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Dienstag, 14 Januar 2014 04:02

Wojtaszek deklassiert Verfolger

Doppelschlag: Polnischer Großmeister gewinnt nach Zürich auch in Basel / Schachfestival entwickelt sich prächtig

Radoslaw Wojtaszek hat das „Double“ geschafft: Nach seinem Sieg beim Weihnachtsopen in Zürich triumphierte der Pole auch beim 16. Basler Schachfestival. Im Hotel Hilton setzte sich der Weltranglisten-37. diesmal noch glanzvoller mit 6,5:0,5 Punkten durch. Doch ganz zufrieden war der topgesetzte Großmeister nicht: „Ich stand auch gegen Alexandr Fier auf Gewinn“, grummelte der Sieger ob des verpassten Optimums ein bisschen.

Seinen Ehrgeiz bewies Wojtaszek selbst in der Schlussrunde, als ein weiteres Remis gegen Maxim Rodschtein gereicht hätte. Der 26-Jährige zeigte sich gegen den Israeli alles andere als friedlich gestimmt und schlug den bis dahin Zweitplatzierten. Der Sekundant des vor wenigen Wochen entthronten indischen Weltmeisters Viswanathan Anand lag damit nach den sieben Runden einen vollen Zähler vor den Verfolgern – das sind Welten im Schach! Lohn für Wojtaszek: Zu den 5000 Franken in Zürich gesellten sich als weiteres verspätetes Weihnachtsgeld in Basel 2500 Franken hinzu. „Ich freue mich über die beiden Siege. Insgesamt lief es gut. Nur in Zürich befand ich mich einmal in Verlustgefahr“, analysierte der Jugend-Weltmeister von 2004. Turnier-Mitorganisator Peter Erismann, der den Erfolg des Polen erwartet hatte, befand: „Die 6,5 Punkte von Wojtaszek sind unglaublich. Er ist derzeit in exzellenter Form und steigt in der Weltrangliste weiter.“ Mit einem Rating-Plus von rund 23 Elo verbessert sich der Sieger des Basler Schachfestivals um 16 Plätze auf Weltranglisten-Position 21.

Wojtaszek-KashlinskayaDer Russe Boris Gratschew konnte seinen Vorjahreserfolg nicht ganz wiederholen. Immerhin landete der Moskauer mit 5,5:1,5 Punkten auf dem geteilten zweiten bis siebten Platz. Iwan Popow (Russland) hatte mit der sogenannten Summen-Wertung das beste „Torverhältnis“ und sicherte sich 2000 Franken vor dem Niederländer Robin van Kampen und dem erneut in Basel überzeugenden Brasilianer Alexandr Fier. Der Israeli Gil Popolski blieb knapp vor Gratschew und dem Inder Sethuraman S.P., der wie Ex-Weltmeister Anand aus Chennai (ehemals Madras) stammt.

Die letzte Runde verlief für die eidgenössischen Topleute fatal. Alle Schweizer mit Aussichten auf einen der zehn Ränge im Preisgeld verloren. Yannick Pelletier unterlief dasselbe Missgeschick wie bereits in Zürich. Der 37-Jährige kassierte trotz des „Aufschlag-Vorteils“ mit Weiß gegen Sethuraman eine Niederlage. Der Nationalspieler von Meister SG Zürich flog dadurch mit 4,5 Zählern aus den Preisrängen. Der frühere italienische Meister Bela Toth (SG Riehen) unterlag dem Argentinier Sandro Mareco und verharrte so bei vier Zählern. Dasselbe Schicksal ereilte Vjekoslav Vulevic gegen einen anderen Großmeister, den Brasilianer Felipe de Cresce El Debs. Bester Schweizer wurde so Roland Lötscher (Luzern), der Großmeister Igor Kowalenko (Lettland) im Schlussdurchgang ein Remis abtrotzte. Der für Reichenstein spielende Dreiländerecker Andreas Heimann (beide 5:2) kam auf Rang zwölf.

Besser lief es im Amateurturnier für die Einheimischen: Zwar blieb der zehnjährige Daniel Kopylov trotz seiner ersten Niederlage in der siebten Partie vorne und sicherte sich 1000 Franken „Taschengeld“. Der Spanier Konrad Schönherr kam ebenso wie Kopylov-Bezwinger Arthur Toenz (Frankreich), der für Therwil ans Brett geht, auf 6:1 Punkte. Bruno Lachausse (Cercle d'Echecs du Jura), Marc Schaub (Illfurth), Carl-Amado Blanco (Binningen) und der Sissacher Hans Grob folgen mit jeweils 5,5:1,5 Punkten im 114 Spieler zählenden Amateur-Wettbewerb. Beim Jugendschachkönig Nordwestschweiz durfte Therwil zwei weitere Erfolge feiern: In der Kategorie bis zwölf Jahre setzte Sajithan Sankar durch, in der Kategorie bis 16 Jahre Max Lo Presti.

Bewunderswerten Einsatz zeigte Altmeister Vlastimil Hort. „Während alle anderen an den Abenden schon gegangen waren, kämpfte er immer noch. So viele Züge wie Hort machte keiner in den sieben Runden“, lobte Erismann den früheren WM-Kandidaten, der am 12. Januar 70 Jahre alt wird. Der für Deutschland gemeldete Tscheche brachte sich so mit fünf Zählern und Platz 18 beim Senioren-Preis in Erinnerung. Eine weitere Legende, Ulf Andersson, verzeichnete vier Siege und eine Niederlage. Zweimal nahm der alte Schwede ein „Bye“. Auf Grund seiner Parkinson-Krankheit ist der 62-Jährige nicht mehr in der Lage, zwei Partien über insgesamt acht bis zehn Stunden durchzuhalten. „Seine Auszeiten hatte Andersson schon im Vorfeld angekündigt“, zeigte Erismann Verständnis, „er spielt aber immer noch sehr gerne Schach.“

sseu600Der Organisator zog an seinem Geburtstag auch ein positives Fazit für den Verein Schachfestival Basel, in dem der SK Birseck, die SG Riehen und die Basler Schachgesellschaft ihre Kräfte für das Turnier bündeln. „Wir verzeichneten mit 228 Teilnehmern, die die Turniere durchstanden, wieder quantitativ wie qualitativ Fortschritte. Daher sind wir sehr zufrieden“, erklärte Erismann. Ein besonderes positives Echo habe die Live-Kommentierung vor Ort gefunden. Der frühere Nationalspieler Heinz Wirthensohn erläuterte den Zuschauern die Partien an den Spitzenbrettern. Zudem verzeichnete man bei der beliebten Live-Übertragung im Internet „besonders viele Zugriffe aus Polen“. Mitorganisator Bruno Zanetti sieht das beliebte Turnier inzwischen „fast an der Kapazitätsgrenze“. Dennoch steckt sich Erismann weiter ehrgeizige Ziele: „Wir streben einen kontinuierlichen Ausbau an. Wir festigen unseren Rufs als eines der drei regelmäßig durchgeführten Spitzenturniere in der Schweiz neben Biel im Sommer und Zürich.“ Sollte sich ein Großsponsor für den Denksport begeistern, hält der frühere Schweizer Nationalmannschafts-Kapitän sogar ein reines Großmeister-Rundenturnier in Basel für realisierbar.

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Ausblick von Schloss Albrechtsberg
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Donnerstag, 28 Juli 2011 09:58

Ringschachbahn

In Berlin kann man an dank der Ringbahn an der gleichen S-Bahn Haltestelle ein- und aussteigen, ohne den Zug zu wechseln. „Vollring“ stand da früher auf den Zügen. Zum schachlichen Vollring kommen immer wieder mal Stationen hinzu und andere fallen weg. In diesem Jahr hält die Schachbahn zum zwanzigsten Mal in Dresden.

Ausblick vom Spielort

Schachfestival_Teilnehmer1

Das ZMDI-Open (früher ZMD-Open wegen des Hauptsponsors, der seinen Namen aufgrund der sprachlichen Nähe zu AMD wechseln musste), war von jeher das Zugpferd des Schachfestivals, das sein zweites Jahrzehnt in wenigen Tagen beginnt und neun Turniertage später beendet. Ausgestattet mit üppigen Preisgeldern in allen Ratinggruppen, zieht das Open aus den grenznahen Regionen zu Polen und Tschechien, aber auch aus ganz Ostdeutschland und dank der Touristenattraktion Dresden bundesweit jede Menge Besucher an. 


Schachfestival_Teilnehmer2Zwanzig Jahre sind eine Menge Holz. Und es gibt genügend Beispiele, bei denen es zu weitaus weniger gelangt hat. Warum funktioniert eine Veranstaltung, die abgesehen davon, dass die Dresdner aufgrund der Stadt als touristisches Ausflugsziel einen dicken Bonus haben, auch nichts anderes tut, als Schachspieler einzuladen? Die wenigen Änderungen im Turniermodus oder das Begleitprogramm alleine (in diesem Jahr Ländervergleich der Frauen zwischen der Ukraine und Deutschland) werden es nicht machen. Wenn aber alle es gleich machen und trotzdem einige nicht überleben, sollte das begründbar sein.

Schachfestival_Teilnehmer3Um es vorweg zu nehmen - beide Belege sind unsichtbar für die Teilnehmer, bestenfalls wahrnehmbar. Aber auch das nur mit einer Aufmerksamkeit, die mit dem Turniergeschehen nichts zu tun hat. Den begleitenden Festakt auf Schloss Albrechtsberg wird der gemeine Schachspieler nämlich nie sehen. Das Startgeld beinhaltet zwar die Teilnahme am Open und die begleitende Betreuung, aber nichts weiter. Auch für die Unterkünfte muss der Schachspieler hier genau so sorgen, wie anderswo. Das Ramada-Hotel als Veranstaltungsort bietet geringere Preise als im normalen Hotelbetrieb, das bewegt sich aber auch in einem Rahmen, den man bei früher Buchung ohne Turnier errieicht. Der Festakt über den Dächern Dresdens, am Hügel über der gerade durch die Waldschlösschenbrücke zerstörten Elbwiesen, bleibt eine geschlossene Veranstaltung für geladene Gäste.


Schachfestival_Spielsaal

Das Progarmm des Festabends dient weniger dem Turniergeschehen selbst, als vielmehr der gekonnten Vernetzung eines exzellenten Selbstbildnis, der Politik und den Sponsoren des Festivals. Begleitet von allerlei kulinarischen Köstlichkeiten, bieten die Dresdner ihrer lokalen Politprominenz eine willkommene Möglichkeit, sich als Befürworter einer strategischen Kunst in die Zeitungen schreiben zu lassen. Gleichzeitig bietet der durch Schachspiel-Highlights aufgehübschte Abend den Sponsoren die entspannte Möglichkeit, zwischen kreativem Fingerfood und Elbhangriesling mit städtischen Verantwortlichen eine Basis für künftige Vertrauensarbeit aufzubauen. Das immer noch ein weiteres Jahr Schachfestival geplant werden kann, wird zu einem wesentlichen Teil hier entschieden - und nicht bei den Anmeldezahlen.

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Schachfestival_GrafDer zweite und mindestens ebenso wichtige Grund für das immer wiederkehrende Open ist die eigentliche Sensation des Turniers. Die Mannschaft, der ich selbst seit sechs Jahren aushelfe, hat bei einer Stärke von über zwanzig Personen zwar in einzelnen Funktionen Veränderungen erfahren, sich aber als Team nicht wesentlich verändert. Was ist das für eine Kunst, eine funktionierende und ehrenamtlich agierende Mannschaft über so viele Jahre zusammenzuhalten? Was motiviert rund zwei Dutzend Helfer Jahr für Jahr, Porzellancup, Schachfrühling und Schachfestival neu auszurichten und sich als Turnierleiter, Schiedsrichter, Aufbauhelfer, Übertragungstechniker, etc... jedes Mal neu zu engagieren? Das Geld kann es jedenfalls nicht sein, denn die Arbeit bleibt bis auf die eigenen Aufwendungen unbezahlt. Es gibt dieses wunderbare Bild von den Chesstigers in Mainz auf der Bühne, als alle zusammen sitzen zum Teamfoto - und ich liebe dieses Bild vor allem, weil man in jedem einzelnen Gesicht ablesen kann, wieviel Freude und Stolz darin steht, so viel Lob zu kassieren. Dazu gehört immer auch die Gabe, sich selbst zu motivieren und mit dem Team arbeiten zu wollen. Ohne diese wahrhaft hohe Kunst wäre jedes noch so schöne Turnier verloren. Wetten, dass die Ringbahn auch im 21. Jahr dort hält?

Schachfestival_Springer

www.schachfestival.de