Jack Dempsey beim Ausüben eines Randsports
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Sonntag, 03 Juli 2011 18:23

Der Herr der Schachbox-Ringe

Der norddeutsche Sommer zeigt sich von seiner besten Seite – Nieselregen, grauer Himmel, kühler Wind,. Man könnte fast meinen, die neue Saison würde morgen schon wieder beginnen! Doch dem ist nicht so, und noch sind es einige Monate hin, bevor wir wieder um Punkte ringen müssen beim nächsten Mannschaftskampf.

Dennoch – Schach ist die kleine Schwester des Fußballs, und so werden auch bei uns schon die Kader für die nächste Bundesliga-Saison zusammengestellt.
Als besonders findig erwiesen sich dabei die erst vor kurzem mit knapper Not geretteten Schachfreunde Berlin – wie der Deutsche Schachbund meldet, wird im nächsten Jahr der Super-Großmeister Levon Aronjan das zweite Brett der Mannschaft besetzen. Kein Scherz! Aber wieso nicht das erste Brett? Das weiß Rainer Polzin von den Schachfreunden – es lohnt ein Blick auf die Homepage des Vereins.

Und was ist sonst so los? Regenwetter, wie gesagt, gutes Wetter eigentlich, um Schach zu üben. Aber im Moment lieber noch nicht, es ist ja noch früh. Bevor das Training beginnt, erst noch ein Blick ins Internet: ChessVibes berichten von stark besetzten Holländischen Meisterschaften in Boxtel (laut Wikipedia ausgesprochen „BoxtL“, mit dem "L" gleich nach dem "xt"), einem kleinen Städtchen im Herzen der Niederlande. Nomen est Omen, es geht hart zur Sache, und nach nun sieben Runden hat sich Anish Giri an die Spitze des Feldes gekämpft.

Jusu2anzeigeÀ propos Boxtel: Schach ist ja der große Bruder des Boxens, und an diesem Wochenende gewann einer der Klitschko-Brüder einen der Box-Weltmeisterschaftstitel (Herzlichen Glückwunsch - nun sind alle Titel zusammen!). Da trifft es sich gut, dass unser aller FIDE-Präsident Kirsan Ilyumzhinov schon vor einiger Zeit eine Brücke vom Publikumssport Schach hin zur Nischensportart Boxen geschlagen hat. Beim Wühlen in den Untiefen der FIDE-Homepage findet man ihn bei einem nicht ganz ernst gemeinten Schachbox-Wettkampf in Elista 2008. In diesem Video-Kleinod macht Ilyumzhinov eine gute Figur und tänzelt behende durch den Ring, ehe er sich mit seinem etwas bulligeren Gegner ans Brett setzt für eine Blitzpartie. Wie es genau ausgegangen ist, lässt sich dem Video leider nicht entnehmen – aber so richtig harte Schläge scheinen nicht platziert worden zu sein. Auf alle Fälle wird die Teilnahme des FIDE-Präsidenten den Boxsport einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht haben.

Der illustre, millionenschwere und extravagante Ilyumzhinov hatte 1995 den höchsten Posten im Weltschachverband in direkter Nachfolge von dem als korrupt angesehenen Florencio Campomanes übernommen. Bis zum Oktober 2010 war er auch gleichzeitig autokratischer Präsident der russischen Teilrepublik Kalmückien.

Nachdem ihn der ebenfalls autokratische Kreml dann aber kühl aus seinem Amt komplimentiert hatte, konzentrierte er sich darauf, Schach in der ganzen Welt noch populärer zu machen als es ohnehin schon ist. Er besuchte als Reiseweltmeister bis zum Juni 2011 nacheinander fast 40 Länder, darunter (wie wir wissen) auch Ghaddafis Libyen. Eine Liste der Länder (und auch eine Stellungnahme zur Libyenreise) hat Chessbase hier bereitgestellt.

Seit dem 1.Juli findet der interessierte Leser bei chessbase.de zudem eine sehr wohlwollende Zusammenfassung der Reisen des schillernden Präsidenten nach Vietnam, in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Ungarn und in andere Länder.
Schön ist es zu sehen, wohin man überall reisen kann, um Politik zu machen – davon zeugen die vielen Fotos in diesem Bericht und die vielen Handschläge des Präsidenten mit den Großen der Welt. Der fast etwas zahme und unerwartet positive Reisebericht hätte wohl ebenso auch auf der offiziellen FIDE-Homepage erscheinen können – doch findet man ihn auf der sonst eher kritischen Homepage von Chessbase. Ungewöhnlich!

Doch na gut, immerhin will der umtriebige Ilyumzhinov für das Schachspiel werben – und das ist prima. Eine andere Art der Werbung stellt sich ein, wenn Levon Aronjan bald für Berlin in der Bundesliga spielen wird. Denn ebenso wie Ilyumzhinov ist auch Aronjan eine schillernde Persönlichkeit – allerdings schillert er auf eine ganz andere Weise als der FIDE-Präsident.

Für mich bleibt darum nur eine Frage: wann reist Ilyumzhinov eigentlich mal nach Norddeutschland und wirbt für thunderstorm_over_the_brunswick_riverdas Schach? Auch wir Norddeutschen würden ihm, dem Schachboxer und Präsidenten, gerne mal die Hand schütteln!

Aber na gut, bei dem Wetter würde ich auch nicht kommen. Kurzer Blick nach draußen - immer noch Nieselregen!