Spielstärke ist eine Sache
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Montag, 01 Juli 2013 08:50

Spielstärke ist eine Sache

Gut spielen ist eine Sache und kann sicher nicht schaden - wichtiger und turnierentscheidend ist aber, besser (oder eventuell nur weniger schlecht) zu spielen als der jeweilige Gegner. Und wenn der Gegner auch gut spielt, landet man im Tabellenkeller ohne selber allzu viel falsch gemacht zu haben? Das wird ein etwas anderer Rückblick auf Tal Memorial - Basis sind Daten von IM Ken Regan die er hier veröffentlichte, dann meine eigene simple statistische Analyse, dann einige Gedanken dazu. Das Ergebnis des Turniers setze ich als bekannt voraus, man findet es aber auch in Ken Regans Liste die ich erst mal kopiere:


Report from MoscowTalMem2013cat22AllR3d13L, excluding repeats and |prev-eval| > 3

IPR error bars are +- 200-250 typically (two-sigma)
First-line matches to Rybka 3 1-cpu at depth 13:

Player Name Matches/Turns = Pct., AE, IPR Opponents' figures Diff, Score

--------------------------------------------------------------------------------------------
Anand, Viswanat: 173/274 = 63.10%, 0.0499, 2837 178/275 = 64.70%, 0.0444, 2926 -89, -2
Andreikin, Dmit: 140/228 = 61.40%, 0.0326, 2960 134/226 = 59.30%, 0.0448, 2878 +82, +1
Carlsen, Magnus: 162/296 = 54.70%, 0.0361, 2932 167/296 = 56.40%, 0.0398, 2834 +98, +2
Caruana, Fabian: 218/379 = 57.50%, 0.0375, 2855 203/383 = 53.00%, 0.0476, 2731 +124, +1
Gelfand, Boris : 140/223 = 62.80%, 0.0390, 2988 118/219 = 53.90%, 0.0596, 2611 +377, +3
Karjakin, Serge: 220/413 = 53.30%, 0.0413, 2724 220/413 = 53.30%, 0.0371, 2837 -113, -1
Kramnik, Vladim: 142/242 = 58.70%, 0.0493, 2841 155/243 = 63.80%, 0.0337, 2926 -85, -3
Mamedyarov, Sha: 149/252 = 59.10%, 0.0384, 2946 147/252 = 58.30%, 0.0457, 2810 +136, +1
Morozevich, Ale: 189/357 = 52.90%, 0.0573, 2641 221/359 = 61.60%, 0.0426, 2898 -257, -2
Nakamura, Hikar: 164/283 = 58.00%, 0.0674, 2568 154/281 = 54.80%, 0.0613, 2691 -123, =

Totals for all players in MoscowTalMem2013cat22AllR3d13L: 1697 / 2947 = 57.58%

Aggregate difference in MoscowTalMem2013cat22AllR3d13L: 132.8752 / 2947 = 0.0451
Overall tourney IPR: 2819 +- 50, avg. rating 2777 (Cat. 22), diff +42.

ipr

Tabelle nochmal als Bild


IPR ist "intrinsic performance rating", AE ist "average scaled error per move". Um Missverständnissen vorzubeugen: "Gut" und "schlecht" ist im weiteren Text relativ, bezogen auf dieses Teilnehmerfeld. Eine ähnliche Analyse wäre denkbar für ein Amateurturnier, wobei man dann bei allen IPRs die erste 2 durch eine 1 ersetzen müsste. Unter "Anwendungen" (2 Applications) nennt Regan in seinem Research Prospectus jede Menge. "Cheating testing" ist wohl (leider) am bekanntesten, spielt aber hier keine Rolle - ich gehe davon aus, dass beim Tal Memorial alles mit rechten Dingen zuging. Zuerst erwähnt er "Skill assessment" - sowohl allgemein als auch in bestimmten Stellungen z.B. Endspiele, taktische und positionelle Stellungen, Angriff und Verteidigung. Dann "Player training" - wenn man Schwachpunkte erkannt hat, kann man gezielter daran arbeiten? Irgendwann auch noch der Einfluss verschiedener Bedenkzeiten auf die Qualität der Partien, darauf werde ich später kurz eingehen.

Gelfand-trophy
 

Turniersieger Boris Gelfand (Quelle: Turnierseite)

Eine Zahl bzw. einen Spieler hat Regan fett hervorgehoben. Dazu kann ich mich kurz fassen: Gelfand hat demnach am besten gespielt, und seine Gegner gegen ihn am schlechtesten. Letzteres bedeutet wohl vor allem, dass sie in manchen Stellungen nicht zurecht kamen, dann sind Fehler quasi unvermeidlich. Also hat Gelfand völlig verdient gewonnen, und das mit (fast) 45 Jahren: seinen Geburtstag feierte er tags danach, das schönste Geschenk machte er sich selbst. Interessanter sind drei andere Spieler, dazu drei Excel-Grafiken:

Wie wichtig ist es, selbst gut zu spielen?

IPR vs points

Es schadet natürlich nicht, beeinflusst das Ergebnis jedoch (statistisch gesehen) nur zu 31%. Was auffällt: Kramnik und Anand haben "eigentlich" viel besser gespielt als ihr Ergebnis vermuten lässt, und Nakamura deutlich schlechter. Die anderen sieben Spieler definieren eine saubere Regression mit r2=0,87.

Welchen Einfluss hat das gegnerische Niveau?

Opponent IPR vs points

Das sieht schon etwas besser aus und kann immerhin 53% des Endstands erklären. Das heisst, Partien werden eher durch gegnerische Fehler entschieden als durch brilliante eigene Züge? Im vorderen Mittelfeld liegen die Datenpunkte aber irgendwo, und Nakamura hält sich am wenigsten an die statistischen Regeln. Klar, wer selbst auch schlecht spielt profitiert nur bedingt vom schlechten gegnerischen Spiel. Wenn man "Own IPR" und "Opponent IPR" zusammen betrachtet, spielten alle anderen ein Superturnier - Nakamura UND seine jeweiligen Gegner dagegen quasi Wijk aan Zee B.

Kann beides zusammen alles erklären?

Delta IPR vs points

Sagen wir, fast alles, immerhin 73%. Aber auch hier haben vier Spieler (Kramnik, Anand, Karjakin und schon wieder Nakamura) vergleichbar schlechter gespielt als ihre Gegner und bekamen dafür drei bis viereinhalb Punkte. Und womit kann man die übrigen 27% erklären?

Nun, ich habe Regans Daten bisher wortwörtlich genommen - was er selber nicht tut, da ist ja der recht grosse Fehlerbalken von +200/-250. Allerdings fällt Nakamura in der ersten Grafik selbst dann unter die Regressionsgerade, wenn man seine IPR auf 2768 anhebt. Ausserdem sind es immer Durchschnittswerte, einzelne Partien oder Partiephasen können davon ziemlich abweichen. Und das war wohl vor allem bei ihm der Fall:

Nakamura schlechte Laune

Nakamura mit am Ende +4=1-4 (Quelle: Turnierseite) - das Foto stammt aus dem Bericht zur neunten und letzten Runde. Auch die Form seines Rasierapparats schwankte während dem Turnier.

Wenn er alle Partien auf Niveau IPR 2568 gespielt hätte, wäre er sicher souverän Letzter geworden. Einige Male war er aber wohl deutlich besser (IPR 2900?), und andere Male noch schlechter (IPR 2250?). Bei vergleichbarem Durchschnittswert und noch extremerer Verteilung - sieben Glanzpartien mit IPR 3000 und zwei Anfängerpartien mit IPR 1200 - kann man das Turnier sogar gewinnen, das sollte reichen für +4 oder +5.

Und was war los bei Anand und Kramnik? Laut Ken Regan haben ihre Gegner nahezu perfekt gespielt - da half es auch nicht, dass ihre eigene IPR knapp über dem Mittelwert aller Spieler lag (der allerdings von Nakamura und Morozevich kräftig gedrückt wurde). Waren sie gegen die (Ex-)Weltmeister besonders motiviert, zumal früh deutlich wurde, dass diese in diesem Turnier verwundbar waren? Kramniks IPR-Schnitt wurde aber vielleicht durch seine Partie gleich in der ersten Runde gegen Carlsen angehoben - die war relativ lang, und lange spielte (auch) er fehlerfrei bevor er am Ende doch - für seine Verhältnisse kräftig - daneben griff. Und Anand spielte eine völlig perfekte Remispartie gegen Karjakin, in der er wohl nur seine Vorbereitung reproduzieren musste. Da folgten beide übrigens - vielleicht ohne es zu wissen - bis zum Schluss zwei Fernpartien zwischen Spielern mit Elo ca. 2400.

Kleiner Exkurs: Je länger die Bedenkzeit, desto höher das Niveau? Im Blitz spielt wohl jeder schlechter als mit klassischer Bedenkzeit. Wenn zwei Spieler bei klassischer Bedenkzeit ebenbürtig sind und einer von beiden im Blitz deutlich besser ist, bedeutet es, dass Spieler X 90% seiner Spielstärke behält und Spieler Y nur 75%? Bei klassischer Bedenkzeit kann es blinde Flecke geben: man verwirft zwei oder drei Züge und spielt dann - da die Uhr tickt und man sich irgendwann entscheiden muss - einen vierten noch schlechteren, ohne ihn genauer zu überprüfen. Sonderfall ist: man will gewinnen, zwei drei Züge führen (vermeintlich) zum Remis, der gespielte vierte dann zum Verlust. Spontan fallen mir drei Beispiele ein, jeweils zu einem frühen Zeitpunkt in der Partie: Gelfand-Kramnik im Kandidatenturnier (18.-Se8?? blieb für Vlad ohne Folgen), Carlsen-Caruana beim Tal Memorial 2013 (da musste Carlsen sich nach 17.Sc5? noch anstrengen, um die Partie tatsächlich zu verlieren - wobei Caruana die Tablebase-Phase perfekt spielte), und Richter-Laan einige Etagen tiefer (da war nach 17.Td3?? sofort Schluss). Im Fernschach gibt es ähnliches sicher nicht (oder es war ein Schreibfehler).

Auch ohne Ken Regans Daten ist die Korrelation zwischen Elo und Ergebnis übrigens mit Carlsen Null, und ohne Carlsen eher negativ. Carlsen sprengt ja die Eloskala und spielte in diesem Turnier sicher nicht schlecht, aber auch keinesfalls überragend. Vom Rest spielten Kramnik und Anand unter ihren Elo-Verhältnissen, und neben Gelfand auch Andreikin recht deutlich darüber - wobei Andreikin demnächst in Dortmund auch mal auf Gewinn spielen "muss" statt immer (sogar gegen Nakamura) immer solide auf Remis. Nur Kramnik unterbrach Andreikins Remisserie ... .

schachseminareanzeigeIn meiner "Turniervorschau" (geschrieben nach der dritten Runde, da war manches bereits von der Wirklichkeit überholt) hatte ich Gelfand als Favoriten für den letzten Platz genannt - nicht weil ich ihm das gönnte oder wünschte, aber einer muss eben in diesem starken Feld Letzter werden, und Andreikins Ergebnis war/ist für mich keine Überraschung. Damit lag ich voll daneben, ebenso mit Kramnik als Kandidat für den Turniersieg (hatte sich schon nach zwei Runden erledigt) - jetzt hat er knapp einen Monat Pause bis Dortmund, vielleicht genug um sich von den Strapazen des Kandidatenturniers zu erholen. Nakamura und Morozevich hatte ich, bei entsprechend schlechter Form, auch als Kandidaten für den letzten Platz betrachtet, und IPR gibt mir da Recht. 

Zum Schluss: Mindestens einem Leser ist aufgefallen, dass ich inzwischen auch für den Schach-Ticker schreibe. Das heisst sicher nicht, dass ich "gewechselt" bin - auch hier werde ich weiterhin schreiben: einige Ideen habe ich noch, nun noch Zeit um diese umzusetzen ... . In der Praxis ist es wohl abwechselnd, da ich demnächst "dort" auch für den FIDE Grand Prix in Berlin Beijing zuständig bin.

Montag, 31 Dezember 2012 15:57

Meine Spieler des Jahres 2012

Ein Schachjahr ist zu Ende, und der Tradition folgend veröffentliche ich hier meine Spieler des Jahres. Die ersten drei fielen mir leicht, die weitere Reihenfolge schon schwerer. 

1. Magnus Carlsen bekommt von mir wie im Vorjahr die Bestnote. Er leistete sich kein einziges schwaches Resultat, aber einige sehr gute und brach mit seiner ab 1. Jänner gültigen Elozahl 2861 Kasparows Rekord. Sein Sieg gegen Anand in Bilbao war für mich die Partie des Jahres.

2. Lewon Aronjan gewann in Wijk aan Zee mit einem Riesenresultat (sieben Siege!) und führte Armenien schon zum dritten Mal zu Olympiagold. Auch seine Rückkehr in die Schachbundesliga für die sympathischen Schachfreunde Berlin gefiel mir. Dass Lewon das Jahr schwach abschloss und auf Weltranglistenplatz drei zurückfiel, Schwamm drüber.

3. Fabiano Caruana spielte sich 2012 mit zweiten Plätzen in Wijk aan Zee und Moskau sowie geteilten ersten Plätzen in Dortmund und Sao Paolo/Bilbao in die Weltspitze und aus dem Schatten des in den vorigen Jahren stärker beachteten Anish Giri. Ich muss zugeben, dass ich das dem 20jährigen nicht zugetraut hatte.

4. Garri Kasparow steht hier nicht als Spieler (er steht ja nur noch für wenige Schaukämpfe und Simultane zur Verfügung) sondern als Motor der erfolgreichen Kampagne um die Unterstützung des Europäischen Parlaments für Schulschach und dank seiner Ansage, 2014 alles für die Ablöse Iljumschinows an der Spitze der FIDE zu tun bis hin zu einer eigenen Kandidatur. Ich setze ihn als Nummer vier als kleine Zäsur zwischen den ersten drei und den folgenden Spielern.

5. Wladimir Kramnik fiel mir durch einige Gewinnpartien (gegen Aronjan bei der Olympiade oder gegen Meier in Dortmund) auf. Dass er die aktuelle Nummer zwei der Weltrangliste ist, zeigt seine Stärke, auch wenn er 2012 nicht zu einem eigentlich verdienten Turniersieg kam: In Dortmund zermürbte er sich gegen Leko, in London war Carlsen vom Glück verfolgt.  

6. Boris Gelfand rettete die WM mit dem interessanteren Schach. Er hätte den Sieg gegen Anand verdient gehabt. Als Cosieger des ersten Grandprixturniers in London zeigte der immerhin schon 44jährige, dass das Kandidatenturnier 2011 nicht sein letzter Erfolg bleibt.

7. Sergei Karjakin wurde Schnellschachweltmeister, Cosieger in Dortmund und Taschkent, gewann das starke Blitzturnier in Peking. In Erinnerung blieb auch sein Abschneiden in Wijk aan Zee: Fünf Siege, aber auch fünf Niederlagen. Schade, dass er die Qualifikation fürs Kandidatenturnier als Weltcupvierter denkbar knapp verpasst hat.  

8. Daniel Fridman wurde Deutscher Meister, bester Deutscher bei der EM und war der wichtigste deutsche Leistungsträger bei der Schacholympiade. In Istanbul hätte er eine Medaille und einen schönen Geldpreis sicher gehabt, hätte er sich in der letzten Runde gegen die um Gold kämpfenden Russen nicht ans Brett gesetzt. Doch vorbildlich kämpfte er. Das alles rechtfertigt meines Ermessens einen Platz auch in einer internationalen Liste und ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die sich an der vom Deutschen Schachbund ausgelobten Wahl des Deutschen Spielers des Jahres beteiligen.    

9. Dmitri Jakowenko wurde verdient Europameister. An ihm lag es am wenigsten, dass Russland wieder nicht die Olympiade gewann. Pech, dass er weder zum Grandprix noch sonstigen Eliteturnieren eingeladen wurde.

10. Wang Hao gewann in Biel, wurde Cosieger in Taschkent und spielte eine starke Schacholympiade bis zur wichtigen letzten Runde, als er gegen Iwantschuk verlor und China auf den undankbaren vierten Platz abrutschte.

 Noch kurz zu denen, die nicht vorkommen: Dass Mister 50 Prozent Anand trotz geglückter Titelverteidigung nicht auf meiner Liste steht, braucht keine weitere Erläuterung. Radschabow hat für meinen Geschmack zu wenig gespielt. Nakamura gewann zwar in Hoogeveen aber kein größeres Turnier.   

Boris Gelfand 2006
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Freitag, 05 Oktober 2012 11:24

Ende gut, (fast) alles Gelfand

Der London Grand Prix ist auch schon wieder vorbei. Er bot insgesamt interessantes Schach und tolle Live-Videoübertragung nebst Kommentaren der Spieler kurz nach der Partie. Nur die Bedingungen für Zuschauer vor Ort waren offenbar - trotz ansprechendem Ambiente - sub-suboptimal, man kann nicht alles haben .... . Gewonnen haben am Ende mit Topalov, Gelfand und Mamedscharow drei Spieler (zum Glück hatte die Tiebreak-Lotterie keinen Einfluss auf Preisgeld und GP-Punkte!); warum ich einen besonders hervorhebe verrate ich später in diesem Blogbeitrag.
Vor dem Turnier haben diverse "Experten" wohl erwartet dass Gelfand und Nakamura am entgegengesetzten Ende der Abschlusstabelle landen würden - so kam es dann auch aber doch anders als prognostiziert. Auch die erste Runde (Nakamura-Gelfand 0-1) betrachteten "sie" vielleicht als Ausrutscher den beide noch reparieren würden. Ich setze gleich mal ein Diagramm:

Nakamura-Gelfand

Typisch Sveshnikov, wobei diese Bauernstruktur erst nach dem 42. Zug aufs Brett kam. Weiss am Zug kann sich zwar einen Bauern auf h5 schnappen, aber weder dieser Mehrbauer noch die ungleichfarbigen Läufer konnten langfristig verhindern dass die schwarzen e- und f-Bauern unwiderstehlich voran stürmen - Nakamura hat es verhindert indem er im 58. Zug das Handtuch warf. Damit ist schon ein Pluspunkt von Gelfand erwähnt: er profitierte deutlich von seiner Eröffnungsvorbereitung für Anand. Mit Sizilianisch holte er zunächst 2.5/3 - dann wichen die Gegner auf Nebenvarianten aus, Grischuk mit durchschlagendem Erfolg, die Partie erinnerte mich an eine Partie gegen Anand. Wie damals in Moskau ist Gelfand anschliessend nicht eingebrochen; die siegreiche Partie in der Schlussrunde gegen Kasimdzhanov war grosses Kino wobei er einen halben Zug lang schlecht stand - no guts no glory! Generell war er des öfteren kreativ, erwähnen will ich noch das aggressive Bauernopfer gegen Ivanchuk, das eher defensive gegen Mamedscharow und seine Weisspartie gegen Giris Königsinder - auch wenn das alles remis wurde. Dann gab es noch den technischen Sieg gegen Wang Hao - da hatte er am Ende Glück dass der Chinese böse patzte (was er lachend und mit Fassung akzeptierte), aber völlig unverdient war es für mich nicht da er die ganze Partie am Drücker war und ein ähnliches Mattmotiv einige Züge eher ohne Hilfe des Gegners erzwingen hätte können.

Zu einigen anderen Teilnehmern: Topalov war verdient vorne mit dabei, nach Wertung sogar ganz vorne. Allerdings hatte er meiner Meinung nach, mehr als Gelfand, Glück, meinetwegen das Glück des Tüchtigen. Sein Haudrauf-Stil brachte ihm diesmal nur einen Sieg gegen Dominguez, ansonsten remis, remis und noch einige Remisen. Vielleicht haben sich die Gegner inzwischen auf seinen Stil eingestellt, witzig dass Leko Topas Qualleopfer antizipierte weil er es bei Gelegenheit selbst mit Weiss versuchen wollte. +3 holte er weil Ivanchuk und Giri sehr remisliche Endspiele vergeigten. Damit war für Topa auch insgesamt +1=10 drin, das Ergebnis des bösen Peter Leko (s.u.). Um kurz in die hintere Hälfte der Tabelle zu springen: Ivanchuk hatte ein für seine Verhältnisse mässiges aber nicht untypisches Turnier, gewonnen hat er nur gegen Nakamura (zu dem komme ich noch). Giri hatte acht akzeptable Remisen und drei relativ grausame Verluste gegen Mamedscharow, Nakamura und Topalov, jede Partie auf ihre Weise grausam.

Mamedscharow spielte, wie wir ihn kennen, Haudrauf-Schach. Gegen Giri klappte es wunderbar (lag aber auch an Giri), gegen Adams hätte es durchaus nach hinten losgehen können. Nur der Sieg gegen Dominguez war Endspieltechnik mit Läufer- gegen Springerpaar, aber auch in der Partie hatte er früh randaliert (10.g4, 17.Ke2 - Rochade ist für Weicheier?). Verloren hat er nur, auch recht spektakulär, gegen Grischuk.

Damit habe ich Grischuks Siege bereits erwähnt - er konnte zwei von drei Siegern besiegen, aber das wars auch schon. Versucht hat er es durchaus und die eine oder andere Chance vergeben (gegen Wang Hao und Kasimdzhanov, vielleicht auch gegen Dominguez). Dafür liess Leko ihn entwischen (der Sizilianer von Grisch war etwas zu kreativ?). Dann waren da noch korrekte und spannende Remisen gegen Topalov und Ivanchuk, und am Ende hatte er vielleicht Pech dass Nakamura ausgerechnet gegen ihn nicht verlieren wollte. Beschwert hat er sich aber hinterher nur - aus seiner Sicht verständlich - über Giris unglaubliche Niederlage gegen Topalov ("unbelievable").

Damit ging - wie in Kommentaren auf Chessvibes betont - Platz 1-4 an die teilnehmenden Teilnehmer der letzten Kandidatenmatches. Gelfand und Grischuk sind demnächst in London(!) wieder dabei. Mamedscharow nicht, denn diesmal braucht Radjabov eine wildcard. Topalov auch nicht da Bulgarien das Kandidatenturnier nicht organisieren darf - ausser vielleicht wenn Danailov sich vor Gericht durchsetzt?

Dann noch, wie versprochen, Nakamura. Ebenfalls auf Chessvibes wurde viel spekuliert was bei ihm nicht stimmte: ist er krank, verliebt, ... ??? Ich hatte es dort schon erwähnt: er ist eben genau wie Ivanchuk, Shirov und Morozevich - manchmal top, manchmal flop. Diesmal hat er doch nur seine Form aus einigen Superturnieren anno 2011 bestätigt (Dortmund, Tal Memorial).  Wenn man sich z.B. Ivanchuks Ergebnisse der ersten GP-Serie anschaut: einmal hatte er gewonnen, einmal holte er 50%, zweimal weniger (5.5/13). Daneben hat er für Super-GM Verhältnisse gewisse Schwächen in Endspielen, zumindest in strategischen oder theoretischen - siehe die Niederlagen gegen Gelfand und Ivanchuk und der verpasste Sieg gegen Leko. Wenn es taktisch wird ist er da - siehe Kasimdzhanov und Giri. Vielleicht sollte er doch mal ein Schachbuch lesen oder mit einem guten Trainer arbeiten - das Experiment mit Kasparov ist ja recht grandios gescheitert, was wohl an beiden lag.

Auch wie versprochen: warum habe ich mit Gelfand angefangen? Ich sympathisiere generell, ein bisschen auch aus Prinzip mit Spielern denen sonst in Schachforen eher Abneigung bis Hass zuteil wird. Gelfand gehört erst seit kurzem dazu - vor Kazan wurde er eher ignoriert, aber dann war er so frech das Ding zu gewinnen. Dass er sich gegen Anand sehr wacker geschlagen hat nannte man tendenziell Misserfolg bis Schande für Vishy und nicht etwa einen (am Ende nur Achtungs-) Erfolg für Gelfand. Nach dem London Grand Prix äusserte sich Gelfand im Video-Interview mit Daniel King :  "I want to listen some comments from the public who say I cannot play tournaments or things like this, only in second-hand events like world championships he is doing well. Players including the greatest made such comments, maybe again the formula of the tournament was wrong ...". Schon länger gehört Leko dazu. Diesmal spielte er wieder viel remis, aber nicht unbedingt weil er keine Ambitionen oder Ideen hatte - aber warum soll man sich die Partien anschauen wenn das Ergebnis reicht um Vorurteile zu bestätigen? Auch Kramnik nennen manche immer noch Drawnik - die haben wohl entweder die letzten Jahre komplett verschlafen, oder sie können/wollen nicht glauben oder verkraften dass manches (früher mal nicht ganz unberechtigte) Vorurteil von der Realität überholt wurde.
Nakamura und Topalov sind für mich eine andere Kiste. Die haben auch ihre "Feinde", aber sie müssen nicht nur einstecken sondern können auch selbst austeilen, polarisieren und provozieren und polemisieren. Wie man in den Wald ruft so schallt es mitunter zurück?

P.S.: Das Foto von Gelfand stammt aus 2006 - ich konnte kein neueres frei verwendbares finden aber rein äusserlich hat er sich nicht gross verändert. Damals war er in den top10, danach nochmal 2009/2010, schafft er das nochmal?

Hikaru Nakamura
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Dienstag, 26 Juli 2011 19:46

Meier verschießt Elfmeter

Ein verregneter Montagabend, ich stricke gerade am Pulli für meinen frierenden Hund, nebenbei läuft zufällig die Liveübertragung des Sparkassen-Chess-Meetings. Zu vorgerückter Stunde sind einzig die Lokalmatadoren der USA und Deutschlands noch zu Gange - Georg Meier und Hikaru Nakamura kämpfen um die rote Laterne zum Vorrundenabschluss.

Tausende Familienväter ziehen anscheinend den warmen Platz am Monitor Frau und Kind vor, doch lange Zeit passiert wenig. Der Chat plätschert wie üblich vor sich hin, Unbekannte erzählen zumeist Unbedeutendes. Statt sich mit den Problemen des Schachbretts oder zumindest des Alltags auseinanderzusetzen, werden Ergebnisse tiefergelegter Rybkas oder Houdinis ausgetauscht. Dazu gesellen sich auffällig viele Amerikaner, die ihren üblichen Patriotismus auch im Schach zelebrieren. Go Naka, go!, doch gegen wen spielt der eigentlich?

“Crower (Zuschauer):  Where does Meier come from - is he german ?

Poet13 (Zuschauer):  Uruguay

Mikey Maus (Zuschauer):  oh no,

Crower...stop it!

Crower (Zuschauer):  hey - sometime I have real questions Mikey Maus – so please dont blame me every questions I raise …

Crower (Zuschauer):  ok - I got your point - but believe me or not – I was not aware of any GM called Meier before this tournament

John Dukas (Zuschauer):  I didn't know Georg Meier either...”

So geht es wohl auch vielen Deutschen, dabei ist der Trierer eines der ganz großen, an einer Hand abzählbaren Eigengewächse, die das deutsche Schach jemals hervorgebracht hat. Am Marketing muss offensichtlich noch gearbeitet werden. Aber vielleicht nicht wie es gerade geschieht, dass Meier nach Amerika zum Studieren geht und am Ende mehr amerikanische als deutsche Fans hat. Ein anderes großes Talent, Leonid Kritz, ging auf diese Weise bereits verloren.

Urplötzlich wird es lauter. Wie bei einem Börsencrashs schießen die Gebote in die Höhe, +2, +3, ja sogar +5,5 Bauerneinheiten werden geboten – Hikaru Nakamura hat in Zug 37 eingestellt. 5 BE plus - Elfmeter für den Underdog. Doch bereits 3 Züge später sorgt Meier Georg Meierwieder für Fast-Ausgleich. Die Partie tritt in eine Phase des Lavierens, in der nur Weiß gewinnen kann, aber nichts Greifbares hat. 70 Züge lang geht alles einen typischen Gang - im Fachjargon "Totsitzen" genannt. Von stundenlangem Spiel im 30-Sekundenmodus, von denen man wohl aufgrund der Schreibpflicht nur 10 ernsthaft konzentriert nutzen kann, ermüden letztendlich beide Spieler – Nakamura lässt nach und bei Zug 115 erhält Meier seine zweite Chance, wieder +5 BE – doch er macht einen nichtssagenden Abwartezug (115. Ke1 statt 115. h5) um Zeit zu gewinnen und Schwarz konsolidiert. Auch bei diesem Elfmeter geht der Ball leider deutlich am Tor vorbei. Schach in der 30-Sekunden-Phase hat wenig mit dem früheren hohen analytischen Ansatz zu tun und erinnert vereinzelt an Loseziehen. Nach gut 7,5 Stunden und 150 Zügen einigen sich die Spieler auf Remis.

Man gruselt sich noch etwas im Gedränge und ist zufrieden – das Programm war gut!

Die beiden Tabellenletzten konnten um 23 Uhr Ortszeit gemeinsam das Licht ausmachen.

Gut, dass heute Ruhetag war.


Hier die Partie zum Nachspielen:

Wird Meier (links) am Brett Zähne zeigen?
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Donnerstag, 21 Juli 2011 09:20

Hallo Dortmund!

Dass sich Schachfestivals im Sommer terminlich auf die Füße treten, ist kaum zu vermeiden. Die Dortmunder Schachtage, die an diesem Donnerstag im Schauspielhaus losgehen, sind vor einigen Jahren selbst in die theaterfreie zweite Julihälfte und damit genau den angestammten Termin von Biel gegrätscht. Dass auch die FIDE ihre erstmals nicht mehr im Vier-Jahres-Rhythmus ausgetragene Mannschafts-WM auch noch auf diese Zeit legt, ist gemein (zumal es am Austragungsort, dem subtropischen Ningbo, im Juli heiß und regnerisch ist). Die früher belächelte WM ist so gut besetzt wie nie und verspricht nach dem 1:3 der Russen gegen Aserbaidschan am Mittwoch bis zum Abschluss am kommenden Dienstag hochspannend zu verlaufen. Auch Biel kostet Dortmund internationale Aufmerksamkeit, schraubt Carlsen dort doch mit jedem Sieg seine Weltranglistenführung und Elozahl weiter nach oben.  
 
Dabei hätte Dortmund dieses Jahr mal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Das Teilnehmerfeld ist das interessanteste seit langem. Dass der in Dortmund zuletzt nur langweilende Leko fehlt (so einen Knaller wie gestern bei der Mannschafts-WM gegen Iwantschuk hat er in "seiner zweiten Heimat" bei jährlicher Teilnahme zuletzt 2002 abgeliefert) und mit Anish Giri und Hikaru Nakamura zwei aufstrebende und nicht um Worte verlegene Hoffnungsträger eingeladen worden, ist unbedingt zu loben. Außerdem den unvermeidlichen Kramnik und Aeroflot-Sieger Le.
 
Zu mehr als einem deutschen Teilnehmer hat man sich trotz des (nicht nur von mir) überdeutlichen Lobs für das Londoner Modell (viermal Weltklasse, viermal nationale Spitze) nicht durchringen können. Kurioserweise wurde Naiditsch von den eigentlich elogeilen Dortmundern ausgerechnet im Jahr seiner besten Zahl ein (in jeder Beziehung um ein Jahr verspäteter) Denkzettel verpasst. Dafür kann er dankbar sein, denn in diesem Feld wäre er meines Ermessens erster Anwärter auf den letzten Platz und einen fetten Eloverlust. Dafür erhält Meier seine erste Chance auf so hohem Niveau. Seine Generalprobe, ein Schnellturnier bei den Maccabi-Spielen in Wien, wo er an die 100 Elopunkte mehr als der Zweitbeste hatte, gewann der Trierer zwar mit 17,5 aus 22, gab dabei aber mehr Punkte ab als erwartet. Ich glaube nicht, dass Meier wie Gusti bei seiner einzigen Dortmunder Chance 2008 den Turniersieg in Greifweite haben sondern mit jedem erbeuteten halben Punkt zufrieden sein wird. Und hoffentlich eine oder zwei gewinnt.
 
Wer kommentiert im Schauspielhaus? Gusti und Naiditsch? Wäre mal interessant gewesen (und ein Anreiz vorbeizuschauen), aber Klaus Bischoff und Sebi Siebrecht werden sicher auch einen guten Job machen.
Nakis Tweets
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Sonntag, 30 Januar 2011 15:25

Nakis Tweets

Vor Jahren galt Hikaru Nakamura als Rowdy, der sein Talent im Bulletschach verspielte, statt seriöse Eröffnungen zu lernen, und schon mal unflätig wurde, wenn ihm etwas nicht passte. Inzwischen hat er Eröffnungen und Manieren gelernt. Nach Siegen gibt er mittlerweile schon mal zu, wenn das Glück auf seiner Seite ist. Rückschläge nimmt er allerdings noch, sagen wir, emotional. Ganz so heftig wie in Moskau (als er Grischtschuk sinngemäß ankündigte, ihn im Blitzturnier wie ein Baby zu verdreschen) war es jetzt in Wijk aan Zee nicht, als Hikaru Nakamura seinen ersten Sieg in einem Weltklasseturnier tweetend Abend für Abend begleitete. Aber so fair wie auf seinem Blog, den er halt nur zweimal im Monat füttert, eben auch nicht. Nach dem knappen Remis gegen Giri in Runde vier textete er:

"Eine schreckliche Partie. Hoffentlich erinnere ich mich für die verbleibenden neun Runden, wie man richtig Schach spielt."

Nach seiner einzigen (und wie ich finde von seinem Gegner recht hübsch herausgespielten) Niederlage gegen Carlsen blökte Naki:

"Ziemlich sicher hätte ich heute gegen jeden oder jede Eröffnung schrecklich verloren. Zeit wieder zu fokussieren und Energie zu tanken."

Nachdem mit Anands Remis gegen Nepo sein Sieg feststand:

"YESSSSSSS!!!" (es waren wohl noch ein paar S und einige Rufzeichen mehr, aber Sie verstehen´s auch so)

Kurzumfrage: Wer gewinnt Wijk? Wenig überraschend  - Anand!
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Das Ergebnis unserer Kurzumfrage kam nicht überraschend: Vishy Anand geht als klarer Favorit unserer Leser in die letzten Runden. Der amtierende Weltmeister hat in Deutschland viele Anhänger. Zum einen durch seine jährliche Präsenz bei den Chess Classic zum anderen verdientermaßen durch sein gutes Spiel. Nie war er stärker! Mit 41 Jahren hat er wohl das beste Alter für die Kombination aus körperlicher Fitness und Erfahrung und mit 2816 in der aktuellen Live-Eloliste die höchste Elozahl seines Lebens.

Platz 2 geht an meinen Favoriten Aronian mit der Hälfte der Stimmen.

Den jungen Spielern wird noch nicht allzu viel zugetraut - etwas überraschend, denn die Leistung des Mitführenden Nakamura in diesem Turnier ist beeindruckend. Und mit seinem heutigen Schwarzsieg, zwei Runden vor Schluss,sollte er zum klaren Favoriten der Buchmacher werden. Ein steiler Aufstieg. Mich verwundert es wenig - habe ich doch in einer dunklen Nacht vor sieben Jahren  14:0 gegen den Amerikaner verloren (und das als Elofavorit). Doch dazu an anderer Stelle mehr....

Zwischenstand nach der 11. Runde

1. Nakamura         8 Punkte
2. Anand                 7,5
3. Aronian               7
Zum Zeitpunkt der Berichterstellung muss sich Kramnik (6,5) noch in einem schwierigen Endspiel mit Minusbauern gegen Carlsen (5,5) erwehren (gefühlter Sieg für MC, aber schwierg). Somit werden wohl beide nichts mehr mit dem Turniersieg zu tun haben (siehe Aktualisierung)

Zum Thema: Spannendes Finale in Wijk                       Zur Umfrage                Zu Tatasteelchess

Nachtrag:

Soeben ging Carlsen-Kramnik zu Ende. Ein interessantes beispiel für das endspiel guter Springer gegen schlechten Läufer (mit viel Analysebedarf in den nächsten Tagen)

Spannendes Finale in Wijk
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Mittwoch, 26 Januar 2011 10:09

Spannendes Finale in Wijk

Selten war der Ausgang eines Spitzenturniers so unklar wie der des diesjährigen A-Turniers des Tatasteelchess-Events in Wijk aan Zee. Vier Runden vor Schluss kommen noch 6 Spieler für den Sieg infrage. Vier davon liegen gleichauf.

Die Tendenz der letzten Jahre  bestätigt sich: Nach mehr als 100 Jahren in denen der Weltmeister zumeist unbestritten der beste Spieler war, ist die Weltspitze eng zusammengerückt.

Der Überflieger der letzten zwei Jahre, Magnus Carlsen, scheint eine (Zwischen-) Landung eingelegt zu haben. Eine bittere Niederlage warf ihn in Wijk zunächst deutlich zurück. Nach einem glücklichen Sieg gegen l‘Ami hat er jedoch den Anschluss an die Spitzengruppe wieder gefunden. Mit 5,5 aus 9 teilt er sich mit Frankreichs Jungstar Vachier-Lagrave den 5.Platz.
An der Spitze der vier Spieler mit 6 Punkten finden wir den aktuellen Weltmeister, Viswanathan Anand,  der ebenso grundsolides Schach darbietet wie der Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik und Lewon Aronian. Die drei haben bisher keine einzige Partie verloren. Anders der Vierte im Bunde, der sich zwischenzeitlich kurz absetzen konnte, ehe ihn eine heftige Niederlage gegen Carlsen wieder auf den Boden zurückbrachte. Amerikas Schachspieler des Jahres, Hikaru Nakamura ist für extravagantes und taktisches Schach berkannt. Nachdem er aber seine Experimente, wie z. B. 1. e4 e5 2. Dh5 einstellte, ist er ein ernstzunehmender Kandidat, der sich fest unter den TOP Ten etablieren wird.
Mein Favorit ist Aronian. Unauffällig rangiert der Blitzweltmeister seit geraumer Zeit knapp hinter den Führenden in der Weltrangliste und es würde mich nicht überraschen, wenn er es an Position 1 schaffen würde. In Wijk hat er eindeutig das leichteste Restprogramm. Mit zwei Holländern, einem angeschlagenen Schirow und Ponomariov stehen nur noch Spieler des Tabellenendes auf dem Speiseplan.

Vier spannende Runden liegen vor uns. Wagen Sie eine Prognose – unsere Umfrage steht ab sofort links oben zur Verfügung.
Stahl und Schach haben Tradition in Wijk
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Donnerstag, 20 Januar 2011 10:45

Wijk in Bildern

Knapp ein Drittel des Turnieres ist vorbei, es führen Weltmeister Anand und Amerikas erster Topgroßmeister seit Bobby Fischer, Hikaru Nakamura, mit jeweils 3 aus 4. Die Nummer 1 der Weltrangliste, „Fotomodell“ Magnus Carlsen, kommt nicht in die Gänge und liegt nach seiner desaströsen Niederlage gegen Hollands Jungstar Giri auf Platz 11. Joachim Schulzes Fotos zeigen eindrucksvolle Impressionen der Veranstaltung.

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Carlsen bei der Auslosung

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Die neue Dekoration des Spielsaals

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Carlsen-Giri: Eroeffnungsphase am Brett

Carlsen-girieroeffnungsphaseamdemobrett

Carlsen-Giri: Giri analysiert

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Ivan Sokolov kommentiert live

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Jugendsimultan im Zelt: Viele zukuenftige Giris

StrandSpringer

Strand-Springer

GirinachderPpartiegegennakamura

Giri nach der Partie gegen Nakamura

Freitag, 31 Dezember 2010 01:27

2010 im Schnelldurchlauf

Das zu Ende gehende Jahr war ein ereignisreiches Schachjahr, aber war es auch ein gutes? Welche Ereignisse, welche Spieler haben es geprägt? Einige Glanzpunkte setzte sicher die Jugend. Als Erinnerungsstütze ein kurzer, nicht ganz unsubjektiver Überblick.

Los ging es mit der Mannschafts-WM im türkischen Bursa und einem Favoritensieg Russlands. Überraschend holten die USA mit dem überragenden Nakamura und Indien, obwohl ohne Anand, die Medaillen vor den höher eingeschätzten Team aus Aserbaidschan und Armenien. Den besten Start des Jahres erwischte Alexei Schirow in Wijk aan Zee mit fünf Siegen en suite. Am Ende wurde er dann doch noch überholt von dem trotz seiner erst 19 Jahre seit 1.Januar Führenden der Weltrangliste Magnus Carlsen. Die B-Gruppe wurde eine Beute des nächsten Carlsen, des 15jährigen Anish Giri.

Weltmeister Anand riss sich in Wijk aan Zee bei seinem letzten Test vor seinem Titelkampf kein Bein aus und holte seine üblichen plus zwei. Anders einen Monat später Wesselin Topalow: Mit unberechenbarem, hoch riskantem Schach gewann der Herausforderer in Linares, wo allerdings weder Carlsen, Anand noch Kramnik am Start war. Das wahrscheinlich stärkste Open des Jahres gewann der 18jährige Vietname Le Quang Liem. Während die Nationalspieler bei der EM in Rijeka unter ferner liefen mit ansahen, wie der 19jährige Jan Nepomnjaschtschi als Nummer 35 der Setzliste Europameister wurde, holte sich ein anderer Junior, der 18jährige Hamburger Schüler Nicolas Huschenbeth den deutschen Titel.

In der Bundesliga war der Titelgewinn des hohen Favoriten Baden-Baden nach einer Niederlage gegen Werder Bremen dank der ebenfalls vorne mitmischenden Solinger erst im letzten Spiel perfekt. Spannend verlief auch die WM. Anfangs überschattet von der Flugsperre, die Anands Reise nach Sofia erschwerte, und Spekulationen über Provokationen in der Heimat des Herausforderers wurde es ein fairer und hochklassiger Zweikampf, den Anand knapp aber zu Recht gewann. Zur gleichen Zeit und ein halbes Jahr zu spät kam der FIDE-Grandprix in Astrachan doch noch zu einem Abschluss, der aber überschattet wurde von Mutmaßungen über eine Partieabsprache zwischen Mamedscharow und Radschabow, die letzterem zum letzten offenen Platz im Kandidatenturnier verholfen haben könnte.

Korruption ist im Weltschach sonst eher auf Funktionärsebene ein Problem. Hoffnungen auf Veränderung nährte die Kandidatur von Anatoli Karpow um die FIDE-Präsidentschaft mit maßgeblicher Unterstützung von Garri Kasparow und dessen Draht zu Financiers im Westen. Das Turnier im rumänischen Bazna mauserte sich zum Elitewettbewerb. Der Sieger hieß einmal mehr Carlsen. Derweil eskalierte ein seit längerem schwelender Streit zwischen den Nationalspielern und dem Deutschen Schachbund um Honorare und die Bedingungen für Profis in Deutschland. Dazu gehört etwa auch, dass in Dortmund nur Naiditsch willkommen ist (das unzureichend gemanagte Turnier gewann heuer Ponomarjow) und in Mainz, dem Treffpunkt des Schachs in Deutschland, aufgrund der Wirtschaftskrise das Programm auf zweieinhalb Tage eingedampft werden musste.

Bei der Schacholympiade holte dann eine Ersatzauswahl mit Platz 64 das mit Abstand schlechteste deutsche Ergebnis. Im sibirischen Chanti-Mansisk enttäuschte auch Gastgeber Russland und musste Gold den leidenschaftlicheren, von einem entfesselten Wassili Iwantschuk angeführten Ukrainern überlassen. Dafür dominierten die Russinnen den Frauenwettbewerb. Bei der FIDE-Wahl unterlag Karpow mit praktisch der selben Marge wie vier Jahre zuvor Bessel Kok gegen Kirsan Iljumschinow, dessen Hintermänner seit 1995 in die eigenen Taschen wirtschaftend das Chaos verwalten.
Als Finale der unabhängigen Grand-Slam-Turniere hatte Bilbao eine schiefe Optik, hatte doch nahezu alle Qualifikationswettbewerbe Carlsen gewonnen, der gerade eine Formkrise durchmachte, während der einzige andere Qualifizierte Topalow von vornherein absagte. Kramnik gewann. Nur wenige Tage später begann der neue Grand Slam Tausende Kilometer entfernt in Nanking, wo Carlsen wie verwandelt agierte und überlegen gewann.

Kurz danach schockte der Norweger, dessen WM-Sieg für viele nur eine Frage der Zeit ist, mit dem Rücktritt aus dem im Frühjahr anstehenden Kandidatenturnier. Keinen klaren Sieger gab es in Moskau. Aronjan (der anschließend die Blitz-WM gewann), Mamedscharow und Karjakin teilten am Ende Platz eins. Das wäre nach der üblichen Wertung auch in London der Fall gewesen. Weil ein Sieg dort aber drei Punkte wert war, wurde Carlsen vor McShane und Anand zum Sieger erklärt. Zwischendurch setzte Marc Lang, FIDE-Meister aus Günzburg, mit einem Blindsimultan gegen 35 Gegner das deutsche Schachhighlight des Jahres. Die Frauen-WM im türkischen Antakya wurde von den Chinesinnen dominiert. Den Titel holte sich die 16jährige Hou Yifan, so dass sie sich künftig wohl öfter mit Männern messen darf.

Russischer Meister wurde nach einem Stichkampf, in dem es nur Remisen gab, und obwohl er zuvor im regulären Vergleich gegen den gleichaltrigen Karjakin unterlegen war, der mittlerweile 20jährige Nepomnjaschtschi. An die Weltranglistenspitze kehrt aber, nachdem zwischenzeitlich Anand vorne war, Carlsen (ebenfalls 20) zurück.

Form seines Lebens
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Mittwoch, 08 Dezember 2010 22:44

Form seines Lebens

Schwarz gegen Anand, Schwarz gegen Kramnik. So geht das London Chess Classic für Hikaru Nakamura (wer seinen Namen googelt, stößt übrigens auf eine Manga-Zeichnerin (!) gleichen Namens) los. Gegen Anand hat er in der ersten Runde „eine schreckliche Partie“ gerade noch gehalten. „Zum Glück ist die Berliner Mauer ein forciertes Remis“, twitterte er gleich hinterher fröhlich. Und: „nun ist Zeit, mit Stil Geburtstag zu feiern“. Der ist am Donnerstag und wie schon erwähnt: Schwarz gegen Kramnik. 23 wird Nakamura und ist „in der Form meines Lebens“, wie er vor wenigen Tagen twitterte. Sein für ihn und seine Fans enttäuschendes Abschneiden bei der Blitz-WM in Moskau (und dass er seine Twitter-Ansage, er werde Grischtschuk beim Blitzen abschlachten wie ein Baby, nicht ganz einlöste) hat seinem Selbstbewusstsein anscheinend nichts anhaben können. Im Tal-Memorial selbst gab er sich keine Blöße, holte solide 5 aus 9 (überhaupt spielt er in hochrangigen Turnieren viel mehr Remis, als seinem Spitznamen H-Bomb entspricht). In der Liveratingliste ist Nakamura seitdem knapp aber doch in den Top Ten. Unter den Schachtwitterern ist er bereits die Nummer eins.