Mensch Meier – Zauberer Houdini
Freitagnachmittag die Krennwurzn macht schön langsam Wochenschluss und schaut so nebenbei auf den Bildschirm, weil gerade das GRENKE Chess Classic Baden-Baden läuft und bleibt ein wenig bei der Partie Anand gegen Meier hängen. Der Weltmeister hat nicht wirklich viel aus der Eröffnung herausgeholt, aber die Fangemeinde im Chat hofft doch noch auf einen Sieg des Weltmeisters und die etwas kleinere deutsche Fangemeinde hofft auf ein Remis und als neutraler Beobachter läuft Houdini mit und gibt gerecht einmal dem einen und dann dem anderen ein kleines nichts aussagendes Plus.
Meier dachte länger nach und plötzlich zeigt Houdini Txg4 mit -+ 3,xx also Gewinn für Schwarz, aber mit der angezeigten Variante kann irgendwas nicht stimmen, denn es taucht der Zug Tc8 statt des besseren Td7 mit Verstellen der Diagonale auf mit dem der Weltmeister später in der Partie das Remis sicher stellen kann. Außerdem kehrt die Maschine dann wieder zu einer remislichen Bewertung zurück und Meier spielte Lxg4 und die Partie endete dann Remis – eine weitere gute Leistung in diesem Turnier war vollbracht: Remis mit Schwarz gegen den Weltmeister.
Wäre mehr möglich gewesen und warum taucht der Zug Tc8 in den Rechnervarianten auf? Sieht der Zauberer das weltmeisterliche Rettungsmotiv nicht oder ist es doch widerlegbar? Und warum zeigen auch andere Engines Td7 mit Ausgleich – allerdings bei wesentlich geringeren Suchtiefen? Fragen über Fragen und damit war klar, ein Teil des Wochenendes muss für die Analyse der Stellung verwendet werden – und auch der Prozessor wird sich für Endspiele erwärmen müssen, denn ohne Zeit und Strom sind auch Zauberer wehrlos. Und tatsächlich nach längerem Nachdenken stabilisierte sich die Bewertung: die Stellung ist doch für Schwarz gewonnen – sagt der Zauberer!
In Kirchen und Fangemeinden wird ja gerne geglaubt, aber der aufgeklärte Mensch prüft doch lieber selber nach und stellt dann seine – naja wollen doch wir ehrlich bleiben: jene der Maschine – also ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit zur strengen Überprüfung!
47. ... Txg4!! gewinnt also – schauen wir weiter die Bauern laufen
48.a6 h3
49.a7 Le4
In dieser Stellung wollte der Rechner in der Vorausberechnung lange Zeit 50. Tc8 ziehen, um den Bauern direkt beim Einzug zu unterstützen, aber der Plan mit der Verstellung der Läuferdiagonale ist – wie uns der Weltmeister zeigte – schlicht stärker
50.Td7
Aber anders als in der Partie kann Schwarz hier kontern:
50. ... Th4!! (nach h2 könnte Weiß wieder die Diagonale verstellen und ins Remis entkommen.)
Aber was kann Weiß nun machen? 51.Td5? Lxd5 52.cxd5 Th8 und wer hält den h-Bauern auf? Möglicherweise hätte hier der Weltmeister schon die Waffen gestreckt, denn
51. f3
um den Läufer gegen den Bauern opfern zu können ist für einen Computer sicherlich eine Option – einem Menschen gefallen solche Züge nur, wenn sie nicht nur verlustverzögernd wirken.
51 . ... Lxf3 what else?
52. Lf2 Th8 (sogar 52. ... h2 Lxh4 h1D sieht der Computer nun als gewonnen an)
53.Lg1 h2 (Weiß hätte auch sofort 52. Lg1 spielen können 52. ....h2 53. Txh2+ 54. Kc3 Th7 - aber Computer lieben es die Niederlage um einen Zug zu verzögern)
54.Lxh2 Txh2+
55.Kc3 Th7
56.Td3 La8
57.b4 Txa7
Und es ist vorbei und die Sensation wäre perfekt gewesen: der amtierende Weltmeister und spätere Turniersieger wäre geschlagen gewesen.
Hier noch die Partie mit Analysen zum online Nachspielen oder als PGN-Download
Angst essen Seele auf
Klar, wenn im Match gegen Armenien nicht nur Daniel Fridman seinen Vorteil verwertet sondern auch Georg Meier nicht die Dame eingestellt (Video) und Arkadi Naiditsch seine Remisstellung gegen Aronjan gehalten hätte, wäre auch Igor Chenkin für sein in diesem Fall mannschaftsdienliches Remisgebot auf die Schulter geklopft worden. Aber wie es lief, nämlich 1,5:2,5 und statt geteilter Tabellenführung tschüss Medaille, stellen sich für mich, der nicht live dabei war, einige Fragen an diejenigen, die mehr mitbekommen haben: War Meier, als Chenkin remis bot, aus dem Gröbsten raus? Wie schwer war Movsesians Zeitnot? War Chenkins Stellung zwar vorteilhaft (Computer zeigt fast +1), aber für ihn viel schwerer zu spielen als für seinen Gegner? Hatte Teamchef Uwe Bönsch sein Remisgebot gutgeheißen? Warum ist es kein anderer im Team, der sich durch ein, wie es aussieht, Angstremis in die Diskussion bringt?
Okay, kann man alles nach dem Sonntag besprechen. Zwei Siege reichen immer noch für Platz vier oder fünf. Haut rein!
Im Ausland besser: Georg Meier Dritter bei Polgars Spice Cup
Nach Leonid Kritz ist Georg Meier bereits der zweite deutsche Spitzenspieler den das (Schach-) Studium in die USA verschlug
Dort gelang ihm nun ein ausgezeichneter dritter Platz beim jährlich von der Texas Tech University und Susan Polgar Foundation ausgetragenen SPICE-Cup in Lubbock/Texas (weitere Informationen auf Susan Polgars Blog). Für den allseits bekannten Sebastien Feller scheint die Betrugsaffäre wenig Folgen zu haben.
1. | Le, Quang Liem | g | VIE | 2717 | * | * | 0 | 1 | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 17 | 2753 |
2. | Dominguez Perez, Leinier | g | CUB | 2710 | 1 | 0 | * | * | ½ | ½ | 1 | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | 15 | 2716 |
3. | Meier, Georg | g | GER | 2648 | 0 | ½ | ½ | ½ | * | * | ½ | 1 | 1 | ½ | ½ | 1 | 15 | 2729 |
4. | Robson, Ray | g | USA | 2583 | ½ | ½ | 0 | 0 | ½ | 0 | * | * | 1 | ½ | ½ | 1 | 11 | 2634 |
5. | Feller, Sebastien | g | FRA | 2668 | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | ½ | 0 | ½ | * | * | 0 | 1 | 9 | 2581 |
6. | Shulman, Yuri | g | USA | 2608 | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | 0 | ½ | 0 | 1 | 0 | * | * | 7 | 2516 |
Mit einer Performance von 2729 empfahl er sich wärmstens für die am kommenden Donnerstag im griechischen Porto Carras beginnende Mannschaftseuropameisterschaft. Trotz stärkster Besetzung wird unser Team jedoch kaum für Medaillenplätze infrage kommen. Mit einem Eloschnitt von 2660 reicht es nur für Platz 12 der Setzliste. Aber bei einem neunrundigen Schweizer-System-Turnier ist vieles möglich...
Chess-Meeting Dortmund: Giri, Meier und Bischoff im Interview
Nach der gestrigen Runde sprach das Team von Deep Chess mit Georg Meier, Anish Giri und Kommentator Klaus Bischoff.
Während Kramnik mit zwei Punkten Vorsprung faktisch als Sieger des Sparkassen-Chess-Meetings-2011 feststeht, entäuscht Tata Steel Gewinner Hikaru Nakamura auf breiter Front. Für das heutige Aufeinandertreffen prognostiziert Georg Meier deshalb auch wiederum "Not gegen Elend". Die 150-zügigen Partie der Vorrunde wird lange in Erinnerung bleiben.
Rundenbeginn ist wiederum 15 Uhr. Die Partien können auf der Website des Veranstalters live mitverfolgt werden.
Meier verschießt Elfmeter
Ein verregneter Montagabend, ich stricke gerade am Pulli für meinen frierenden Hund, nebenbei läuft zufällig die Liveübertragung des Sparkassen-Chess-Meetings. Zu vorgerückter Stunde sind einzig die Lokalmatadoren der USA und Deutschlands noch zu Gange - Georg Meier und Hikaru Nakamura kämpfen um die rote Laterne zum Vorrundenabschluss.
Tausende Familienväter ziehen anscheinend den warmen Platz am Monitor Frau und Kind vor, doch lange Zeit passiert wenig. Der Chat plätschert wie üblich vor sich hin, Unbekannte erzählen zumeist Unbedeutendes. Statt sich mit den Problemen des Schachbretts oder zumindest des Alltags auseinanderzusetzen, werden Ergebnisse tiefergelegter Rybkas oder Houdinis ausgetauscht. Dazu gesellen sich auffällig viele Amerikaner, die ihren üblichen Patriotismus auch im Schach zelebrieren. Go Naka, go!, doch gegen wen spielt der eigentlich?
“Crower (Zuschauer): Where does Meier come from - is he german ?
Poet13 (Zuschauer): Uruguay
Mikey Maus (Zuschauer): oh no,
Crower...stop it!
Crower (Zuschauer): hey - sometime I have real questions Mikey Maus – so please dont blame me every questions I raise …
Crower (Zuschauer): ok - I got your point - but believe me or not – I was not aware of any GM called Meier before this tournament
John Dukas (Zuschauer): I didn't know Georg Meier either...”
So geht es wohl auch vielen Deutschen, dabei ist der Trierer eines der ganz großen, an einer Hand abzählbaren Eigengewächse, die das deutsche Schach jemals hervorgebracht hat. Am Marketing muss offensichtlich noch gearbeitet werden. Aber vielleicht nicht wie es gerade geschieht, dass Meier nach Amerika zum Studieren geht und am Ende mehr amerikanische als deutsche Fans hat. Ein anderes großes Talent, Leonid Kritz, ging auf diese Weise bereits verloren.
Urplötzlich wird es lauter. Wie bei einem Börsencrashs schießen die Gebote in die Höhe, +2, +3, ja sogar +5,5 Bauerneinheiten werden geboten – Hikaru Nakamura hat in Zug 37 eingestellt. 5 BE plus - Elfmeter für den Underdog. Doch bereits 3 Züge später sorgt Meier wieder für Fast-Ausgleich. Die Partie tritt in eine Phase des Lavierens, in der nur Weiß gewinnen kann, aber nichts Greifbares hat. 70 Züge lang geht alles einen typischen Gang - im Fachjargon "Totsitzen" genannt. Von stundenlangem Spiel im 30-Sekundenmodus, von denen man wohl aufgrund der Schreibpflicht nur 10 ernsthaft konzentriert nutzen kann, ermüden letztendlich beide Spieler – Nakamura lässt nach und bei Zug 115 erhält Meier seine zweite Chance, wieder +5 BE – doch er macht einen nichtssagenden Abwartezug (115. Ke1 statt 115. h5) um Zeit zu gewinnen und Schwarz konsolidiert. Auch bei diesem Elfmeter geht der Ball leider deutlich am Tor vorbei. Schach in der 30-Sekunden-Phase hat wenig mit dem früheren hohen analytischen Ansatz zu tun und erinnert vereinzelt an Loseziehen. Nach gut 7,5 Stunden und 150 Zügen einigen sich die Spieler auf Remis.
Man gruselt sich noch etwas im Gedränge und ist zufrieden – das Programm war gut!
Die beiden Tabellenletzten konnten um 23 Uhr Ortszeit gemeinsam das Licht ausmachen.
Gut, dass heute Ruhetag war.
Hier die Partie zum Nachspielen:
Hallo Dortmund!
Spielerschwund: Rücktritt von Florian Jenni
Kürzlich las ich in Schweizerischen Schachzeitung (SSZ), dem Verkündigungsorgan des Schweizer Schachbundes, daß Florian Jenni, seines Zeichens Großmeister und Nationalspieler, seinen Rücktritt vom Profischach bekannt gegeben hat. Zur Begründung dieses Schrittes gab er „Motivationsprobleme und fehlende Zukunftsperspektiven“ an. Der 30jährige war bereits mehrfach Schweizer Meister. Innerhalb der Schweiz hätte er schon alles erreicht, aber international sei ihm der Sprung zu größeren Taten verwehrt geblieben. Neben der zunehmenden Enttäuschung über die Fide-Politik und deren Unfähigkeit, Sponsoren zu akquirieren fühlt sich Jenni auch vom eigenen Verband im Stich gelassen, der sich nur um die Jugendlichen kümmern würde. So zitiert ihn die SSZ: „…wenn die Spieler dem Juniorenalter entwachsen sind, werden sie praktisch fallengelassen.“
Jenni ist einer von nur sechs Großmeistern in der Schweiz. Dabei sind Milov, Kortschnoi und Gallagher eingebürgert, Brunner eher inaktiv und Jenni war in den letzten Jahren neben Pelletier der einzige gebürtige Schweizer, der mit dem Großmeistertitel ausgerüstet an seiner Profikarriere gebastelt hat.
In Deutschland ist diese Position vergleichbar mit der von Georg Meier. Der Trierer hat zwar schon gezeigt, dass er international den Anschluss nicht verloren hat und holte sich zuletzt im Ausland einige Turniersiege, doch in der Unzufriedenheit mit der Unterstützung durch seinen Verband können er und Jenni sich die Hände reichen. Der DSB zeigt sich auch wenig beweglich, zudem ist man auf Funktionärsebene gerade mit dem Übergang beschäftigt, da Präsident Weizsäcker sich bald verabschieden wird. Unsere Spitzenkräfte wie Meier und Naiditsch scheinen sich derzeit auf den Bundestrainer eingeschossen zu haben, aber auf eine Wandlung schient man vergeblich zu warten.
http://www.schachbundesliga.de/medien/audioindex.php?menuid=620&topmenu=46&keepmenu=inactive
Auch uns drohen unsere Aushängeschilder verloren zu gehen. Meier wird vielleicht noch nicht so weit sein, sich vom Schach völlig los zu sagen, dazu ist er noch jung genug und hat sein Potential noch nicht gänzlich ausgeschöpft, aber es kursieren immer wieder Gerüchte, dass er einen Verbandswechsel in Betracht ziehen könnte. Verständlich wär`s ja…
Unser Spieler des Jahres
Hier das Ergebnis:
Auf Platz 2 finden wir den amtierenden Weltmeister Viswanathan Anand (16%). Der ruhig und zurückhaltend wirkende Inder verteidigte im Mai seinen Weltmeistertitel (SW war live dabei). Seinem Gegner, Wesselin Topalow (5%), bekannt für ein gewisses Hau-Ruck-Schach, haftet wohl noch immer die Toilettenaffäre des Jahres 2006 und die damit verbundene negative Presse in Deutschland (siehe Chessbase.de) an.
Aus deutscher Sicht sehr erfreulich der dritte Platz** Georg Meiers (14%), dem (ehemaligen?) zweiten Brett der Nationalmannschaft, der eine klare Position gegenüber dem Schachbund vertritt und breite Rückendeckung in der Schachbevölkerung erhält.
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