Am 12.11.2011 organisierte ich zusammen mit dem MTV Treubund Lüneburg ein großes Simultanevent, 10 GMs/IMs spielen gegen jeweils 30 Gegner Simultan, anschließend gibt es ein Blitzturnier unter den 10 GMs/IMs. Im Folgenden möchte ich das emotionale Auf und Ab eines Organisators schildern. Dieses begann nicht erst am 12.11., sondern bereits 2 Tage zuvor...

 Donnerstag 10.11.2011.

7.00 Uhr Ehsan Ghaem Maghami ruft aus dem Iran an. Sein Flug der eigentlich um 12.30 Uhr landen soll verspätet sich.

10.00 Uhr Ehsan ruft an. Sein Flug ist immer noch nicht gestartet. Ich solle auf der Seite des Airports nachgucken und mich auf dem Laufenden halten.

16.30 Uhr Ehsan ist in Hamburg gelandet. Wir steigen in mein Auto.

17.30 Uhr Ehsan und ich sitzen in meiner Küche und fangen an zu essen.
17.35 Uhr Ich stelle fest, dass Ehsan Bier trinkt. Ehsan ist mir sehr symphatisch.
18.12 Uhr Ein befreundeter Schachspieler ruft an und somit haben wir das Übernachtungsproblem von Ehsan bis zum Bundesligawochenende gelöst.
19.00 Uhr wir sind auf dem Weg nach Lüneburg, Freunde besuchen.
19.45 Uhr Ehsan bietet der Tochter des Freundes in Gewinnstellung ein Remis an. Das Essen war lecker.
22.30 Uhr wir fahren zurück nach Hamburg. Ehsan hat morgen ein Simultan im Billstedt-Center.
23.30 Uhr Ehsan verschwindet in seinem Hotel

Freitag 11.11.2011


4.00 Uhr Ich schlafe ein. Bin nervös wegen Samstag.
8.00 Uhr Ich wach auf. Bin nervös wegen Samstag.
15.00 Uhr Ehsan und ich sind auf dem Weg ins Billstedt-Center. Wir beschließen, dass ich im Januar in Teheran ein Turnier spiele. (Im Moment bin ich mir, ob der Genialität des Einfalls, gar nicht mehr so sicher.)
15.45 Uhr Wir sind angekommen.
16.26 Uhr Ich verabschiede mich aus dem Billstedt-Center, muss heute noch David Baramidze, Jens-Ove Fries Nielsen und Judith Fuchs vom Bahnhof abholen.
17.42 Uhr Zug hat nur 5 Minuten Verspätung
17.47 Uhr David Baramidze ist angekommen. Wie immer völlig entspannt.
18.03 Uhr Setze David im Hotel ab. Alles läuft glatt.
19.00 Uhr Jens-Ove kommt bei mir zu Hause an. Er übernachtet nicht im Hotel, sondern bei uns. Ärger mich, dass ich Judith abholen muss, denn das erste Bier ist geöffnet und ich darf nicht.

20.42 Uhr freue mich, dass ich Judith abholen darf. Sehr nette Dame. Sehr entspannt. Merke, dass ich die Richtigen für das Event eingeladen habe.
20.59 Setzte Judith beim Hotel ab, wie allen anderen weiß auch sie, dass morgen 9.00 Uhr Treffpunkt ist.

21.15 Uhr Nun ist es auch für mich Zeit, dass Weizengetränk zu schlürfen.
21.30 Uhr Gewinne die erste Blitzpartie gegen Jens-Ove
23.30 Uhr bin mit einer gewonnen Partie am ganzen Abend gegen Jens-Ove zufrieden.

23.50 Uhr Versuche einzuschlafen. Bin nervös wegen Samstag.

Samstag 12.11.2011 TAG DES EVENTS!

3.00 Uhr schlafe ein. Bin nervös wegen Samstag.
10.00 Uhr stehe an der Halle. Halle ist leer.

3.34 Uhr wache auf. Nur geträumt. Bin nervös wegen nachher.
5.00 Uhr schlafe ein. Bin nervös wegen nachher.
8.00 Uhr stehe auf. Bin nervös wegen nachher.

8.03 Uhr Meine Eltern machen sich auf den Weg, Shirov vom Flughafen abzuholen
8.50 Uhr Erfahre, dass Shirovs Flug sogar zu früh landet, strike!
8.59 Uhr bin beim Hotel. Judith ist da. GM *** schläft.
9.05 Uhr bekomme einen Anruf. Es fehlen Bretter. Denke:“ Sch****“
9.10 Uhr GM *** schläft.
9.15 Uhr Ich klopfe an GM *** Zimmer. GM *** wacht auf.
9.21 Uhr Wir sind auf dem Weg nach Lüneburg.

9.40 Uhr Ein wichtiges Kabel für die Internetbretter fehlt, nicht mein Fehler, trotzdem Sch****
9.54 Uhr Bekomme einen Anruf von Michael Schönherr, er versucht, das Problem mit den Brettern zu lösen. Solche Menschen braucht das Land.
9.59 Uhr Dorian Rogozenco ruft an. Sagt er hätte eine Panne und Lubomir Ftacnik, Jonny Hector und er würden es nicht schaffen.
10.04 Uhr realisiere dass er mich verarscht hat. Könnte daran liegen, dass sein Navi ihn zur Psychiatrie geführt hat. Schwöre ihm, dass er das zurückbekommt, irgendwann.
10.05 Uhr Wir kommen an. Alles läuft einigermaßen. Hätten mehr Leute da sein können. Ist aber keine Katastrophe.
10.08 Uhr Christian Zickelbein ist auch da.
10.12 Uhr Alexei Shirov kommt an. Bin erleichter. Er hat kaum geschlafen, kommt von der EM in Griechenland. Sagt mir er braucht einen Pott Kaffee.
10.13 Uhr Er bekommt einen Pott Kaffee, will dass er sich ausruht
10.16 Uhr Reporterin vom Hamburger Abendblatt führt ein Gespräch mit Shirov. Weitere Fans wollen von ihm Autogramme. Shirov bleibt entspannt. Sehr gut!
10.22 Uhr Hände Schütteln, Fragen beantworten, lächeln. Mein Verhaltenskonzept geht auf.
10.46 Uhr Herr Deja, Präsident des MTV, Michael Langer NSV-Präsident, Christian Zickelbein und ich eröffnen die Veranstaltung.
10.47 Uhr Christian führt erstklassig durch die Veranstaltung. Bin alles in allem zufrieden.
12.30 Uhr die meisten Spieler sind fertig, nur bei Shirov ist keine Ende abzusehen. Er ist hoch konzentriert. Alle bewundern seine Einstellung.
13.42 Uhr frage Shirov, während er spielt, ob er nicht vielleicht was zu trinken oder essen haben will „NO!“ ist die Antwort.
15.12 Uhr Shirov ist fertig mit einem guten Ergebnis. Jetzt will er was zu Essen, einen Kaffee und einen Saft.
15.27 Uhr Shirov sagt man könne jetzt gerne mit dem Blitzturnier der 10 GMs/IMs.

15.46 Uhr Das Blitzturnier startet, Shirovs Partien werden Live auf Großleinwand gezeigt.
17.33 Uhr Das Blitzturnier ist beendet. Shirov gewinnt mit 8,5 aus 9 vor Ehsan und Jonny Hector.
17.56 Uhr Die Siegerehrung beginnt. Shirov gratuliert Deutschland zum Sieg bei der EM.
18.43 Uhr Alle Spieler sind zum Essen eingeladen. Alles sind gut drauf, ich freue mich über das erste Weizenbier.
18.58 Uhr Ich höre aus den Gesprächen, dass das Event wiederholt werden soll.
19.54 Uhr Christian, Shirov, Aljoscha Feuerstack und Lubomir Ftacnik machen sich auf den Weg nach Hamburg.
20.32 Uhr die Runde löst sich auf. Ehsan, Judith, Jens-Ove, David und ich entschließen den Abend in der Wohnung meiner Eltern in Hamburg, beim Blitzen, Billard spielen und einem Bierchen ausklingen zu lassen.

Sonntag 13.11.2011

1.03 Uhr Judith, Ehsan und David machen sich auf den Weg zum Event.

7.00 Uhr Aufstehen! Um 12.00 Uhr müssen Jens-Ove und ich in Viborg sein, Mannschaftskampf!

GM Ghaem Maghami
Freigegeben in Blog
Sonntag, 06 November 2011 01:28

Die Religion siegt, die Spieler verlieren

Es gibt diese Situationen, deren Ergebnis keinen zufriedenstellt und einfach nicht zufriedenstellen kann. Dabei ist es oftmals schwierig zu erkennen, was überhaupt schief lief. So auch im vorliegenden Fall der iranischen Nummer 1, Großmeister Ehsan Ghaem Maghami. Er wurde beim gerade zu Ende gegangenen Corsican circuit vom Turnier ausgeschlossen,, nachdem er sich weigerte gegen einen israelischen Fidemeister zu spielen.

 

Schaut man genauer hin, differenziert sich das Bild. In der vierten Runde loste man die beiden Spieler gegeneinander. Maghami bat die Veranstalter, die Paarungen zu ändern. Dies ist bei anderen Turnieren Praxis und widerspricht nicht den FIDE-Regeln. Die Turnierleitung weigerte sich und so kam es, wie es kommen musste, der Israelische Spieler gewann kampflos. Daraufhin entschloss sich die Turnierleitung GM Ghaem Maghami aus dem Turnier auszuschließen. Wer hat jetzt einen Fehler gemacht?

 

Die politische Lage zwischen vielen arabischen Ländern, vor allem Iran und Palästina, und Israel hat sich seit Jahren nicht verbessert. Ein unglücklicher Zustand, an dem sich aber auf absehbare Zeit nichts ändern wird. Iranische Spieler sind von ihrem Land verpflichtet, nicht gegen israelische Spieler anzutreten. Was sollte Ghaem Maghami also besser machen? Kein Schach mehr spielen? Auch gegen Israelis spielen und sich somit in seiner Heimat in große Gefahr bringen? Nicht an Turnieren teilnehmen, bei denen Israelische Spieler mitspielen? Alles Möglichkeiten, aber keine davon sonderlich praxistauglich. Der Israelische Spieler hat mit der sache eigentlich wenig zu tun. Er will spielen und das gegen Spieler aller Länder. Er geht ans Brett und nur wegen seiner Religion bzw. seiner Staatsangehörigkeit sitzt auf der anderen Seite auf einmal niemand mehr – nicht sein Problem!

 

Und da kommen wir schon zur Turnierleitung. Die FIDE-Regeln sehen vor, dass Paarungen geändert werden dürfen. Warum hat man dies nicht getan? Ich war nicht vor Ort und kenne somit nicht die genauen Umstände, aber für mich ist kein Grund ersichtlich dies nicht zu tun. Gut, nun mag es Situationen geben, in denen es nicht möglich ist die Paarungen zu ändern. Aber warum muss der Spieler dann aus dem Turnier ausgeschlossen werden? Wem ist damit geholfen? Der Iraner muss nach Hause. Das Turnier verliert einen, in diesem Fall sogar wichtigen, Teilnehmer.

GM Ghaem Maghami stellte nach der Entscheidung fest, er habe persönlich nichts gegen irgendeinen israelischen Spieler. Zudem hätte er sehr gerne das Turnier weitergespielt. In dem Turnier nahmen insgesamt fünf Israelis und zwei Iraner teil. Das eingetretene Szenario war demnach sehr wahrscheinlich. Im Nachhinein stellte der Turnierleiter fest, hätte von den Schwierigkeiten vorher gewusst, hätte er den Iranern empfohlen nicht teilzunehmen.

MTV_LueneburgGM Ghaem Maghami wird am 11.11. in Hamburg landen, erst ein kleines Simultan im Elbe-Einkaufszentrum spielen und dann am 12.11. an dem von mir organisierten Schachevent "10 gegen Lüneburg" (siehe auch Banner rechts) teilnehmen. Aufgrund dessen stand ich in letzter Zeit häufiger in Kontakt mit ihm. Er ist, aus meiner Sicht niemand, den man als Fundamentalisten bezeichnen kann. Weltoffen und sehr höflich wären die ersten beiden Worte, die mir zu ihm einfielen. Aber trotzdem muss er um seine Sicherheit fürchten, wenn er gegen einen Israeli spielt und dann in sein Land zurückkehrt. Ich kann seine Entscheidung verstehen, Sie auch? Was denken Sie über das Verhalten von GM Ghaem Maghami? Hätten Sie genau so gehandelt? Wer hat in dieser Geschichte den Fehler gemacht? Oder ist es mal wieder die „große“ Politik, die die Schuld trägt, und müssen wir somit hoffen, dass eines fernen Tages eine Entspannung in der Beziehung der beteiligten Länder  eintritt?
JC

 

Kommentar Jörg Hickl:

Religion bildete schon häufiger die Grundlage für Diskussionen auf Schachturnieren. Ich erinnere mich gut an häufiger auftretende Auseinandersetzungen auf Mannschafts(europa)meisterschaften, bei denen israelische Delegationen nicht am Sabbat spielen wollten. Vereinzelt kam es zu Rundenverlegungen. Verweigerte der Veranstalter diese, spielte man trotzdem…

Eine Lex Samuel Reshewsky schuf man beim Open in Lugano in den 80er Jahren. Für den großen amerikanischen Star wurden seine Freitags- und Samstagsrunde um einige Stunden verlegt. Zu einem Härtetest kam es hier nie, da die Gegner es hinnahmen.

Immer waren bei diesen Vorfällen Einzelpersonen betroffen, die keinerlei Repressalien zu befürchten hatten. Im Fall Maghami ist das anders.

Natürlich hätte man es bei einem Verlust der einzelnen Partien belassen können, vielleicht ist den Spielern aber mit dem Ausschluss mehr gedient. Immerhin machten die Organisatoren damit klar, dass im Turnierschach und generell im Sport staatliche Einflussnahme nicht toleriert werden kann.