Das Schweigen der deutschsprachigen Fische
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Mittwoch, 04 Januar 2012 14:37

Das Schweigen der deutschsprachigen Fische

Dass die englischsprachige Newsseite von ChessBase meist besser ist als die deutschsprachige, ist in Schachkreisen ein offenes Geheimnis – warum das so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Irgendwie könnte man aber den Eindruck bekommen, dass für den deutschen Markt kritische Berichte nicht erwünscht sind. Ein gutes Beispiel ist eine anfangs dieses Jahres gestartet Artikelserie in vier Teilen von Dr. Søren Riis über einen „Justizirrtum im Computerschach“, der die Bestrafung und Verbannung Rybkas durch die ICGA (International Computer Game Association) im Juni 2011 zum Thema hat. 

Nun könnte man einwerfen, dass die Leser des deutschsprachigen Portals auf diesem noch gar informiert wurden, dass Rybka im Juni 2011 als Plagiat von der ICGA alle WM-Titel aberkannt wurden und der Programmierer lebenslänglich gesperrt wurde – klar dass da eine Artikelserie zur Verteidigung Rybkas irgendwie überraschend wirken würde. Warum man – obwohl man Rybka im Verkaufsprogramm hat – bisher geschwiegen hat, obwohl man sehr wohl die WM-Titel aus den Beschreibungen entfernt hat, dazu wird man wohl weiter schweigen. 

Und da wir gerade beim Schweigen sind, so ist es für Kenner wohl kaum verwunderlich, dass uns die Hamburger Imposantes über den Autor erzählen: „Søren Riis is a Computer Scientist at Queen Mary University of London. He has a PhD in Maths from the University of Oxford. He used to play competitive chess (Elo 2300).“ – aber verschweigen, dass dieser Moderator im offiziellen Rybkaforum ist und beispielsweise das Rybkateam zur WM in Pamplona begleitet hat.

Interessant ist auch, dass dieser sehr lesenswerte Artikel viele Fragen aufwirft, aber gerade die einfachste nicht stellt: Warum wehrt sich Rajlich nicht gerichtlich, wenn an der Sache nun außer normalem Erkenntnissen aus Konkurrenzprodukten nichts dran ist? Der Sourcecode von Fruit ist öffentlich zugänglich und wenn nicht kopiert wurde, so wäre die Offenlegung des Sourcecodes von Rybka 1.0 Beta bei Gericht wohl kein Problem. Zudem sind seit damals - wie im Artikel ausgeführt – viele Verbesserungen vorgenommen worden, sodass auch die Geheimhaltung von eigenen Ideen kein Problem mehr darstellen sollte – jedenfalls dann nicht, wenn der eigene Ruf so stark beschädigt wurde und die Existenz des Projektes Rybka dadurch gefährdet ist.

Die ICGA sieht unter vielen Vorwürfen eine Codezeile „If (movetime >= 0.0)“, die sowohl in Rykba 1.0 Beta als auch in Fruit vorkommt als starken Beweis für die Verurteilung als Plagiat. Ich versuche diese technische Frage einfach darzustellen: Fruit verwendet Gleitzahlen und dadurch ist 0.0 die korrekte Schreibweise – Rybka verwendet die schnellere Lösung mit Integerzahlen und da ist die korrekte Schreibweise einfach 0 und 0.0 einfach unlogisch und unnötig! Für sich alleine gesehen, könnte es sich dabei um einen einfachen Tippfehler aus Gewohnheit handeln, da aber ebenfalls die Geschichte mit dem nicht mehr auffindbaren Rybka 1.0 Beta Code durchs Netz geistert – ein Grund warum man neben dem allgemeinen Klagsrisiko die ICGA nicht klagen sollen könnte – könnte es sein, dass Nichtschicksalsgläubige ein wenig viele Zufälle sehen. „Verliert“ ein Programmierer wirklich den Sourcecode und dann auch gerade noch jenen, der ihm so viele Unannehmlichkeiten einbringt?

Das weiter angeführte Argument, dass Rybka viel stärker wurde als Fruit und daher kein Plagiat sein könne, ist meiner Meinung nicht angebracht und sogar gefährlich. Man könnte auf die Idee kommen beispielsweise ChessBase 11 – wenn man in den Besitz des Sourcecodes käme – programmtechnisch zu verbessern, indem man von 32bit auf 64bit Programmierung portiert, diverse Bugs, die in jeder Software vorkommen, verbessert und auch eine Multicoreunterstützung implementiert. Wird man dann vor dem Kadi gezerrt – so sagt man ganz naiv: ja, ich habe kopiert – aber mein Produkt ist nun viel schneller, innovativer und zudem mit weniger Bugs versehen als das Ausgangsprodukt. Käme man mit dieser Argumentation durch, könnte man das Copyright gleich ersatzlos streichen!

WM der Fruchtlosen
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Freitag, 02 Dezember 2011 02:04

WM der Fruchtlosen

Beinahe unbemerkt von der Schachöffentlichkeit fand im November die 19. Computer Schachweltmeisterschaft der ICGA in Tillburg satt.

 

Wie bei jedem Turnier gab es einen Sieger (Junior), aber interessant war vor allem die Tatsache, dass die aktuell stärksten Engines laut CEGT (Houdini, Stockfish und Co) nicht teilnahmen und Rybka ja ausgeschlossen wurde.

Hier noch kurz ein Blick auf die Abschlusstabelle:

wm19

 

Wollten die Programmierer durch die Nichtteilnahme einer Diskussion über Plagiatsvorwürfe und/oder einer Überprüfung auf Übereinstimmungen mit Fruit aus dem Weg gehen? Wollten Sie ein Statement gegen die ICGA abgeben? Warum reiste der bekannte Fritz mit holländischen Wurzeln nicht zur WM?

Viele Fragen und nur wenige Antworten – die plausibelste wäre: weil kein Interesse an einer Computerschachweltmeisterschaft mehr besteht. Es geht dort nicht einmal mehr um die berühmte „goldene Ananas“.

Samstag, 09 Juli 2011 22:35

Nichts Neues

Was ist seit Rybkas Disqualifikation und der Verurteilung Vasik Rajlichs als Plagiator passiert? Wenig. Rajlich und seine Vertriebspartner schweigen weiter. Ed Schroeder (der mit Rebel früher selbst zur Spitze der Schachprogrammierer zählte) hat sich vom brutalen Vorgehen des Computerspieleverbands ICGA distanziert. Ich habe mich für einen Hintergrundartikel über die Affäre in der österreichischen Tageszeitung Presse mal bei Chrilly Donninger, der kurz vor Rybkas Machtübernahme mit seiner Spezialanfertigung Hydra an der Spitze war, nach seiner Sicht der Dinge erkundigt: Er hat den Rybka-Code schon vor fünfeinhalb Jahren analysiert, und das sei in der Szene auch bekannt gewesen. Es habe ihn aber niemand gefragt, was er fand, nämlich nahezu nichts Neues. Sei ihm aber wurscht gewesen. Donninger macht übrigens heute in Börsenanalysen. Das sei besser bezahlt als Schach und unterhaltsamer dazu.   
Rybka – ein Weltmeister, der keiner war!
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Schon im März stellte sich die Frage, ob ein Fisch ein Früchtchen sein kann, hier im Blog und nun ist es quasi offiziell: Rybka und sein Programmierer Vasik Rajlich wurden von der International Computer Games Association (ICGA) disqualifiziert und sämtliche errungenen Plätze und WM-Titel wurden annulliert. Zudem wurde Rajlich aufgefordert sowohl die Pokale als auch die gewonnenen Preisgelder an die ICGA zurückzugeben.

Konkret wird dem Programm vorgeworfen ein Plagiat aus Fruit und Crafty zu sein. Auf der Internetseite von Chessvibes gibt es weitere technische Einzelheiten und auch detaillierte Dokumente zur Entscheidung.

icgarybka

Interessant wird auch sein wie ChessBase darauf reagiert – die Hamburger hatten zuerst versucht das erfolgreiche Programm tot zu schweigen (die Erwähnung des Namens konnte zu Chatsperren führen) und es dann erfolgreich ins Verkaufsprogramm aufgenommen. Man darf also gespannt sein, wie die Marketingabteilung mit dem Weltmeister, der keiner war, umgehen wird. Die Methode „Rybka? Was ist das? Das gab’s nie bei uns!“ wird wohl schwer funktionieren.

Aber darf man den Saubermännern des Nordens wirklich vorwerfen ein schwarzes Schaf - upps einen stinkenden Fisch - eingekauft zu haben? Und haben doch nicht alle Schachprogrammierer von der damals offengelegten Arbeit des Fruit-Autors Fabien Letouzey profitiert? Und was ist mit all den anderen Programmen mit Klonvorwürfen wie Houdini und die ganze Ippolit-Familie. Ein schwieriges und langes Diskussionsfeld für Computerschachfreunde!

Andererseits muss man auch sagen, dass die Computerschachweltmeisterschaft sowie das Computerschach im Allgemeinen stark an Interesse verloren haben. Das Thema ist einfach durch und wir durften in den letzten 30 Jahren die Entwicklung vom Jausen- zum beinahe unschlagbaren Gegner erleben. Aktuelles Problem in der Schachwelt ist nun, wie man die damit entstehenden Betrugsmöglichkeiten am besten eindämmen kann, ohne zu starke Eingriffe in die Menschenrechte, die uns ja aus der Dopingproblematik allzu bekannt sind.

Die neuen Computerschachweltmeister:

2007

1st Zappa (World Champion)
2nd Loop=3rd GridChess
=3rd Shredder

 2008

1st Hiarcs (World Champion)
2nd Junior
3rd Cluster Toga 

2009 

=1st Junior (Joint World Champion)
=1st Shredder (Joint World Champion)
=1st Deep Sjeng (Joint World Champion)

2010 

=1st Rondo (Joint World Champion)
=1st Thinker (Joint World Champion)
3rd Shredder

Nachtrag 1. Juli: Medienecho

SPIEGEL ONLINE: Plagiats-Skandal - Weltmeisterprogramm Rybka verliert alle Titel

HEISE ONLINE: Schachcomputer-Weltmeister nachträglich disqualifiziert

 

 

Kann ein Fisch ein Früchtchen sein?
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Mittwoch, 02 März 2011 12:24

Kann ein Fisch ein Früchtchen sein?

In diesen Tagen scheint die Frage „wer von wem abgeschrieben hat“ sehr aktuell zu sein. Ein deutscher Minister musste wegen Abschreibens zurücktreten, aber auch in der Welt des Computerschachs halten sich hartnäckige Gerüchte, dass nicht alle Engines aus der Feder des jeweiligen Autors stammen.

  

Früher war – natürlich möchte man fast sagen – alles viel einfacher: es gab das von Dr. Hyatt programmierte Crafty dessen Code sich jeder frei anschauen kann und auch verwenden durfte und darf, wenn er sich an die Lizenzvorgaben hält.

 

Die restlichen Engineprogrammierer waren alle kommerziell unterwegs und verkauften ihre Produkte entweder selbst und/oder über Hersteller von Schachcomputer bzw. später als PC-Software. Die Szene war sehr übersichtlich und so manche Eifersüchteleien und Spionagevorwürfe waren nur Insidern bekannt.

 

Dann kam aber 2004 das Programm Fruit von Fabien Letouzey auf den Markt und schnell spielte es stärker als die arrivierte Konkurrenz und schockte damit die Schachwelt. Doch Mitte 2007 hat der Autor das kommerzielle Projekt eingestellt und die Software unter GPL Lizenz inkl. Sourcecode veröffentlicht.

 

Ein wesentlicher Teil dieser Vorgaben nach der GPL Lizenz ist, dass aus freier Software nur freie Software entstehen darf – es ist also ein Verstoß gegen die GPL Lizenz aus freier Software oder Teilen davon kommerzielle Software zu erstellen.

 

Fruit wurde von der breiten Schachöffentlichkeit gar nicht wahrgenommen und wäre wohl nur eine Fußnote der Geschichte geworden, wenn nicht just zu jener Zeit der Aufstieg von Rybka des Programmierers und IMs Vasik Rajlich begonnen hätte. Da die Spielstärke Rybka's derart über den arrivierten Programmen lag, konnte auch die beste Marketingmaschine nicht verhindern, dass bald schon jedermann wusste, welches Programm der Maßstab in der Schachwelt ist – denn seit 2007 hat Rybka die World Computer Chess Championship (WCCC) immer gewonnen.

 

Und schon fast solange halten sich die Gerüchte, dass Teile von Rybka nicht vom Autor selbst stammen. Erst als der Rybkaautor sich beklagte, dass sein erfolgreiches Programm selbst geklont würde, meldete sich Fabien Letouzey zu Wort und sagte, dass er bei dem Klone Strelka - dessen Sourcecode veröffentlicht wurde - Ähnlichkeiten zu Fruit erkennen würde. Die Klonediskussion erhitzte die Gemüter und die Tastaturen der Forenschreibern glühten, aber im Wesentlichen passierte nicht viel.

 

Doch nun haben sich zwölf Schachprogammierer (Fabien Letouzey, Zach Wegner, Mark Uniacke, Stefan Meyer-Kahlen, Ed Schröder, Don Dailey, Christophe Theron, Richard Pijl, Amir Ban, Anthony Cozzie, Tord Romstad, Ralf Schäfer, Gerd Isenberg, Johannes Zwanzger) in einem offenem Brief an die ICGA (International Computer Games Association) gewandt und fordern diese auf, die Angelegenheit zu prüfen. Und nun interessieren sich nicht nur mehr die Schachmedien für die Causa sondern auch heise online berichtet darüber - kommt da etwa nach Jahren ähnlich wie bei Googleberg etwas Unaufhaltsames ins Rollen?

 

Und da sind wir bei der Anfangsfrage angelangt: Darf man die Arbeit von anderen im digitalem Zeitalter einfach kopieren und als die eigene ausgeben?

 

Oder einfacher: Kann ein Fisch ein Früchtchen sein?

 

Nachtrag 4.3: Auch der Spiegel Online berichtet unter: Programmierer vermuten Intelligenzklau