Niclas Huschenbeth würde der Abstieg am wenigsten treffen
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Donnerstag, 09 Februar 2012 15:44

Ein Jammer für die Liga

Der Hamburger SK von 1830 ist nicht nur Deutschlands ältester sondern auch, wenn man nicht allein nach sportlichen Titeln rechnet, erfolgreichster Schachverein. Der HSK hat die meisten Mitglieder, darunter viele, die sich für Schach engagieren, ein eigenes Haus, in dem fast jeden Tag Schach geboten wird, neuerdings eine eigene Schachschule und Mannschaften in praktisch jeder Spielklasse, ob Männer, Frauen oder Jugend. Aber wohl nur noch bis zum Sommer. Die erste Mannschaft des HSK ist nämlich so nah am Abstieg wie noch nie in keiner der vorangehenden 31 Spielzeiten der eingleisigen Schachbundesliga, der sonst nur die SG Solingen von Beginn an angehört. Am Wochenende kamen Rivalen zu überraschenden Erfolgen (Emsdetten schlug Mülheim-Nord und Tegel Hockenheim jeweils 4,5:3,5), während Hamburg gegen den direkten Konkurrenten Trier mit 2,5:5,5 unter die Räder kam (bei Vorgabe einer Weißpartie, weil Huschenbeth erst ein Flieger ausfiel und der am kommenden Tag reichlich Verspätung hatte). Das Restprogramm spricht eher gegen den HSK. Und dass die Zweitligamannschaft durch einen Sieg in der Nordstaffel den Abstieg neutralisiert, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber ziemlich unwahrscheinlich.

Mit Niclas Huschenbeth, Dirk Sebastian, Karsten Müller, Thies Heinemann und Dorian Rogoczenko gibt es immerhin fünf Hamburger im Stammkader. Nur Tegel, das Überraschungsteam der Saison, hat mehr Spieler aus der eigenen Stadt. Beim HSK fiebern zahlreiche Mitglieder mit der Bundesligamannschaft, aus deren Reihen regelmäßig jemand gleich am Montag nach der Ligarunde im Klubhaus die Partien und Kämpfe kommentiert. Erwischt es den HSK, leiden auch die damit zum Mitabstieg verurteilten unteren Mannschaften. Den sportlich meistversprechenden Hamburger träfe der Abstieg allerdings am wenigsten. Huschenbeth studiert ab Herbst in den USA. Der HSK wird (ein Jahr) ohne die Liga leben können, aber kann die Liga ohne den HSK leben? Braucht die Bundesliga nicht intakte Vereine, die mehr vorzuzeigen haben als eine zusammengekaufte Truppe ohne Bezug zum Restverein oder wenigstens zur örtlichen Schachcommunity?  

Shirow Simultan Hamburg 2005
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Samstag, 18 Dezember 2010 09:24

Kann Alexei Shirov Gedanken lesen?

Ich möchte hier mal eine Frage einwerfen, die mich schon seit geraumer Zeit beschäftigt. Es ist nun nicht so, dass ich deswegen schlaflose Nächte hätte, aber ich finde einfach keine brauchbare Erklärung. Da mir Jörg Hickl hier unvorsichtigerweise ein Forum für meine Verschwörungstheorien eingeräumt hat, werde ich nun die Schachwelt-Leser damit belästigen.

Es war im Jahre 2005. Der Hamburger Schachklub feierte sein 175jähriges Vereinsjubiläum mit der Ausrichtung des Hamburger Schachfestivals. Zum Rahmenprogramm gehörte u.a. eine Simultanveranstaltung mit Alexei Shirow. Ich hatte das Glück, einen der begehrten  (ca. 30) Teilnehmerplätze zu ergattern. Noch niemals zuvor hatte ich bei einer Simultanveranstaltung gegen einen Großmeister spielen dürfen. Auch bei meinen bisherigen Open-Teilnahmen hatten sich die Herren GM vor einem direkten Aufeinandertreffen mit mir gedrückt. Stets verkrümelten  sie sich auf der gegenüberliegenden Seite des Spielsaals. Aber jetzt war meine große Stunde gekommen! Entsprechend hochmotiviert bereitete ich mich auf die Partie vor. Da Shirow zu dieser Zeit ausschließlich 1.e4 spielte, war dies eine überschaubare Aufgabe, zumal ich damals mit Schwarz Skandinavisch spielte und man Shirows Partien gegen 1...d5 an einem Finger abzählen konnte. Aber immerhin wurde dieser Partie in dem Standardwerk von Matthias Wahls sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Schließlich fand ich mit Hilfe meines digitalen Beraters eine geniale Neuerung, die das Brett nicht bloß in Flammen gesetzt hätte, sondern eine wahre Feuerwalze gegen den weißen Monarchen losgetreten hätte. Mit meinem Flammwerfer bewaffnet, setzte ich mich also an das Brett. Der Großmeister begann seinen Kreis zu ziehen und schlug wie erwartet stets mit dem Königsbauern auf. Schließlich stand er am Nebenbrett: 1.e4. Dann kam er zu mir, wir begrüßten uns per Handschlag, Shirow zögerte kurz und zog 1.d2-d4!! Ich dachte, ich habe mich verguckt. Aber da half kein Augenreiben oder Armkneifen. Der weiße Königsbauer stand immer noch brav vor seinem Boss. Inzwischen hatte Shirow die erste Runde beendet und an den restlichen Brettern wieder ausschließlich 1.e4 gezogen. Zu meiner Linken stand sogar wie zum Hohn ein Skandinavier auf dem Brett. Ich fragte mich natürlich nun, was hier gerade vor sich gegangen war? Wusste Shirow von meinem Vorhaben? Hatte er einen Spion in meinem Vorbereitungsteam? Wohl eher nicht, das hätte dann ja ich selbst sein müssen (setzt natürlich voraus, das ich keine gespaltene Persönlickeit besitze). Oder konnte Shirow meine Gedanken lesen? Warum schaffte er das dann aber nur bei mir und z.B. nicht bei Kramnik? Oder war es nur ein Fingerfehler? So eine Verwechslung könnte  schließlich auch dem besten Großmeister einmal passieren. Ich hatte tatsächlich kurz überlegt, ob ich in seiner Abwesenheit den „Irrtum“ korrigieren sollte. Da ich mich aber nicht getraut habe, wird dieses Geheimnis wohl nie gelüftet werden und somit  seinen Platz neben den anderen großen Rätseln der Menschheitsgeschichte (Wer ermordete J.F.K.? Gibt es außerirdisches Leben? Warum stehe ich im Supermarkt immer an der langsamsten Kasse?) einnehmen.

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Alexei Shirov                                                                         Foto: Frank Jarchov

Unsere Partie wurde übrigens eine einzige Farce und lohnt nicht der Wiedergabe (ansonsten wird mein Sendeplatz hier womöglich doch wieder gestrichen oder weit nach Mitternacht verlegt). Deshalb beschließe ich den Beitrag mit einer anderen Simultanpartie. Sie soll ebenfalls in Hamburg gespielt worden sein. Quizfrage: Wie hieß der damalige Simultanspieler? Kleiner Tipp: Die Partie stammt aus dem Jahre 1911. Vorschläge bitte als Kommentar.