Betrugserkennung ökonomischer Blick
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Donnerstag, 10 Februar 2011 00:38

Betrugserkennung ökonomischer Blick

Wie oft im Leben gibt es verlockende Ausblicke auf eine heile Welt, denn mannigfaltige technische Möglichkeiten lassen uns von nahezu paradiesischen Zuständen träumen – beispielsweise von einer Onlineschachwelt in der Betrug durch ausgefeilte Methoden erkannt und effektiv bekämpft wird.

Aber leider ist nicht alles was technisch möglich ist auch praktisch realisierbar; besonders dann nicht, wenn man auch einen Blick auf die Kosten werfen muss. Es ist doch klar, dass man aus den reinen Zügen nicht erkennen kann, ob die Hilfe einer Engine in Anspruch genommen wurde, das bedeutet, dass wir für jeden Halbzug eine Computerbewertung benötigen und danach noch die gesamte Partie aus statistischer Sicht bewerten müssen.

Für untenstehende Tabelle habe ich folgende Annahmen getroffen und diese eher günstig für die Serverbetreiber gewählt. Werden beispielsweise 200.000 Partien am Tag gespielt und dauern diese durchschnittlich 20 Züge (40 Halbzüge) so werden für die Computerbewertung pro Halbzug eine Sekunde angesetzt. Für die statistische Gesamtbewertung der Partie wird ebenfalls eine Sekunde angenommen und schon mit diesen Vorgaben ergibt sich, dass man 95 Tage (ein Tag hat 86.400 Sekunden) rechnen müsste, nur um die 200.000 an einem Tag gespielten Partien zu überprüfen. Oder man verwendet 95 Computer, um die Arbeit an einem Tag erledigen zu können.

betrug_euro

Nimmt man nun an, dass ein Computer zirka 150 Watt Strom pro Stunde verbraucht, würden sich daraus ein Stromverbrauch von 124.000 kWh pro Jahr ergeben, dass entspräche dem Jahresverbrauch von 35 Haushalten und die anfallenden Kosten von 31.000 muss auch jemand bezahlen – die Kosten für die Computer selbst sind in dieser Rechnung noch gar nicht enthalten.

Nimmt man die durchschnittliche Partielänge mit 26 Zügen und die Rechenzeit mit 3 Sekunden an, würde man fast ein Jahr benötigen, um die nur an einem Tag auf einem Server gespielten Partien auf Betrug zu überprüfen. Mit dieser zugegebener Weise sehr einfachen Milchmädchenrechnung kann man markige Marketingsprüche demaskieren – es lohnt aber dennoch sich ein paar selbständige Gedanken zu machen und nicht vollmundigen, aber praktisch unrealisierbaren Versprechungen zu glauben.

Angeblich werden täglich 1,5 Millionen Partien weltweit auf Schachservern gespielt!

 

 


 

Artikelserie:

  1. Betrugserkennung
  2. Betrugserkennung Wurznpraxis
  3. Betrugserkennung ökomomischer Blick
  4. Betrugserkennung Mythbusting
  5. Nutzen der Betrugserkennung

Betrugserkennung Wurznpraxis
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Donnerstag, 03 Februar 2011 11:59

Betrugserkennung Wurznpraxis

Ursprünglich wollte ich versuchen die Probleme der Betrugserkennung mit statistischen Methoden anhand eigener Partien ein wenig zu erklären. Allerdings wurde mir schnell klar, dass dies eine sehr sadistische Methode ist Zeit und Energie zu verschwenden. Es fehlt mir neben schachlichem Können auch die Fähigkeit derart komplexe Zusammenhänge allgemein verständlich zu formulieren.

Der Nachweis, dass beispielsweise ein Zug in einer Partie garantiert geschummelt ist, ist natürlich unmöglich: jeder reguläre Zug darf gespielt werden – auch wenn man nicht weiß, dass dieser Zug äußerst stark ist bzw. warum. Welche sonstigen Probleme sich ergeben, versuche ich anhand der folgenden Turnierpartie nur anzureißen – wie schon gesagt eine wirklich tiefgreifende Beschäftigung ist das nicht – aber die wenige Vorarbeit, die ich gemacht habe, möchte ich Ihnen doch nicht vorenthalten.

Tauchen Sie ein in die Variantenküche einer Krennwurzn und lassen Sie den Gedanken eines möglichen Betrügers und seines Jägers freien Lauf:

NN (1700) - Krennwurzn (1800)

pos0

 

30...Lh6! auf diese Idee kommt der Computer gar nicht - es gibt andere bessere Alternativen - ein idealer Zug, um die Betrugserkennungssoftware zu irritieren.

 

[30...Sd4 sieht der Computer als stärksten Zug - ein "intelligenter" Betrüger sollte diesen Zug wohl meiden - Computerhauptvarianten sollte man nur dann spielen, wenn sie "forciert" sind – vor allem „stille Züge“ sollte man meiden. 31.La1 (31.Lxd4 exd4 32.Tee1 Le5 mit solidem unauffälligem Vorteil) 31...Se2 32.c5 dxc5 33.bxc5 Lh6 (Pos1)

pos1

 

ist die Computerhauptvariante - obwohl jetzt kommt mir diese auch sehr logisch und klar vor - am Brett war das absolut nicht der Fall.] 31.Lxf3? diesen Zug habe ich erwartet, obwohl er schlecht ist.

[31.Tee1 Weiß steht weiterhin schlecht - 31.Txf3 dieser Zug erfordert die meiste Rechenarbeit 31...Tf7!! (Pos2)

pos2 

 

ein typischer Computerzug - solche stillen Züge sollte man als Betrüger meiden. Mir fiel das aus zweierlei Gründen leicht: ich hatte keine Rechnerhilfe und diesen Zug erst gar nicht gesehen!

(31...Lxd2 32.Txf8+ Txf8 33.Dxd2 Le2 Vorteil Schwarz ( Pos 3)

pos3 

 

war meine erste Vorausberechnung und die Stellung war mir wie üblich nicht wirklich klar.

 

31...Tg8–+ ( Pos 4) 32.Tf5 Lxd1) ]

pos4

 

so hätte ich das Problem gelöst und nicht mit Tf7 - das ist viel menschlicher: die Fesselung bleibt aufrecht und die Türme verbunden. Allerdings hatte ich diese Idee erst nachdem mir die Lxd2 Variante nicht mehr klar erschien - aber das ist bei mir immer so - ich sehe mehr Probleme als vorhanden und vorhandene Probleme oft gar nicht.

31...Txf3!! (Pos 5)

pos5

 

einfach zu finden, da Lxf3 nicht funktioniert - das hatte ich bei Lh6 schon gesehen. [31...Lxf3?? 32.Txf3 und Weiß hat Vorteil]

32.Sxf3 (Pos 6)

pos6

 

[32.Txf3 funktioniert nicht - fast jeder Zug widerlegt ihn - unproblematisch für Mensch und Betrüger 32...Sg5 (32...Lxd2 33.Tf5 Lxd1) ]

32...Lxe3 die Gier ist menschlich - aber auch der Computer hängt am Material [32...Sg5 erscheint mir im Nachhinein einfacher und so sollte wohl ein intelligenter Betrüger spielen.] 33.Sxe5 ein netter Schwindelversuch [33.fxe3 Sg5! (Pos 7)

pos7

 

die Aufrechterhaltung einer Fesselung sollte unverdächtig sein. (33...Tf8 die Gewinnalternative ist sehr schwierig und sollte von Betrügern gemieden werden. 34.Sxe5 dxe5 35.Lxe5+ Kg8 36.Txf8+ Sxf8 37.Da1 Ld1 38.Lh8 De2+ 39.Kxh3 Df1+ 40.Kh2 Se6 41.Df6) ] 33...Lxd1 die Dame nehmen kann nicht falsch sein und verdächtig auch nicht! [33...dxe5 ist auch möglich] 34.Sg4+ [34.Sd7+ Ld4; 34.Sf7+ Kg8 35.f3; 34.Sg6+ Kg8] 34...Ld4 nun ist auch auf Wurzenniveau alles geklärt und auch die Betrugserkennungssoftware gönnt sich in solchen Stellungen wohl ein Mittagsschläfchen! 0–1

Partie als PGN

Ja, das ist alles sehr kompliziert und obwohl man keine Angst haben sollte als Betrüger überführt zu werden, wenn man einmal eine tolle Partie (Kombination) spielt, so ist es genauso möglich die Häufigkeit (Wahrscheinlichkeit) einer solchen für jeden Spieler zu ermitteln, wenn man genügend Referenzpartien hat. Wie die Software auf Betrüger reagiert, die über hervorragendes Schachverständnis und auch Einblick in die Funktionsweise statistischer Überwachung haben – darüber kann man nur spekulieren.

Mir fällt dazu nur mehr ein: „Gute Mädchen kommen in den Himmel und böse kommen überall hin!“

 


 

Artikelserie:

  1. Betrugserkennung
  2. Betrugserkennung Wurznpraxis
  3. Betrugserkennung ökomomischer Blick
  4. Betrugserkennung Mythbusting
  5. Nutzen der Betrugserkennung
Es sieht nicht gut aus für Feller
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Samstag, 29 Januar 2011 12:13

Es sieht nicht gut aus für Feller

Weder Nakamuras Lauf noch Carlsens Krise, weder Giris frühreifes Spiel noch die laufenden Verhandlungen zwischen London und der FIDE über die nächste WM sind derzeit Gesprächsstoff Nummer eins im Spitzenschach, sondern der Vorwurf des organisierten Betrugs gegen den 19 Jahre alten französischen Nationalspieler Sebastien Feller und die mit ihm befreundeten Arnaud Hauchard und Cyril Marzolo, der dem erstgenannten bei der Schacholympiade zu einer Goldmedaille an seinem Brett verholfen haben soll. Einerseits weil es der Französische Schachverband ist, der den schlimmen Verdacht erst öffentlich gemacht hat. Andererseits weil Betrug mit Computerhilfe, um die es mutmaßlich geht, bisher mit Ausnahme von Onlineturnieren und den unsäglich breit getretenen Schmutzattacken zwischen Topalows Lager und Kramniks Lager bisher eine Sache von Amateuren war und nicht von Großmeistern mit mehr als 2600 Elo, deren ganze Karriere auf dem Spiel steht. Auch wenn sich die Indizien häufen, gilt bis zu einer sportrechlich haltbaren Klärung des Sachverhalts die Unschuldsvermutung. 

Fellers Nationalmannschaftskollegen Fressinet, Romain, Tkachiev und Vachier-Lagrave haben dem Verband öffentlich ihre volle Unterstützung der Untersuchung zugesichert. In einem Videointerview mit Europe Echecs bekunden zwei von ihnen, von den Vorwürfen überrascht zu sein. In Wijk aan Zee macht aber die Runde, dass Vorkommnisse rund um Fellers Partien bei der Schacholympiade schon in Chanti-Mansisk ein Thema waren (wobei für meine Begriffe nur sein kombinatorisch brillanter Sieg gegen Howell verdächtig aussieht). Der französische Verband stellt sich nun zwar gerne als Saubermann dar, wird aber erklären müssen, warum so lange Zeit verstrichen ist, bevor sich die Funktionäre, zumindest offiziell, der Sache angenommen haben. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass eine interne Lösung gesucht wurde und dass wir, hätte Frankreich statt dem zehnten Platz Bronze geholt, nie davon erfahren hätten. Fellers hier bereits veröffentlichtes Statement, das Verfahren gegen ihn sei eine Retourkutsche dafür, dass er Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen des Verbands zur Sprache gebracht habe, dürfte für die Beteiligten nicht überraschend kommen. Die Verbandsführung scheint sich für das öffentliche Waschen schmutziger Wäsche gerüstet zu fühlen. Zumindest erklärungsbedürftig ist auch, warum der Verband nur die Namen der Beschuldigten nicht aber deren Vergehen benannt und zusammen mit der Veröffentlichung keine Beweise vorgelegt hat.

Betrugsvorwürfe gegen Feller gab es schon 2008 nach einem Onlineturnier auf einem Chessbase-Server (von dort stammt der Screenshot über diesem Beitrag). Auch Arnaud Hauchard und Cyril Marzolo sind keine unbeschriebenen Blätter. Vorigen Sommer beim Meisterturnier in Biel berichten Augenzeugen, dass während Hauchards Partie gegen Pelletier Marzolo nebenan mit einem Notebook analysiert habe und wiederholt in den Turniersaal geeilt sei, während Hauchard noch am Zug war. Der Verdacht, dass Züge signalisiert worden seien (ich fand an Hauchards Gewinnführung gegen Pelletiers schwache Partieanlage allerdings nichts Verdächtiges), sei der Festivalleitung überbracht und auch Chessbase mitgeteilt worden, wurde aber erst vor Tagen durch anonyme Kommentare in diesem und einigen anderen Blogs bekannt. Hauchards voller Punkt gegen Pelletier hatte allerdings Bestand, und das Turnier durfte er auch zu Ende spielen. Die Festivalleitung in Biel hat für diesen Sonntag abend eine Stellungnahme angekündigt.

Diese Stellungnahme liegt nun vor. Und sie entlastet Hauchard und Marzolo. Mehr als anonym vorgebrachte Vorwürfe gab es nicht:

Medienmitteilung des Internationalen Schachfestival Biel

 

Drei französische Schachspieler, welche am Meisteropen des Internationalen Schachfestivals im Juli 2010 in Biel teilgenommen haben, werden vom Französischen Schachverband verdächtigt, während der Schacholympiade im Herbst 2010 in Russland betrogen zu haben. Im September 2010 waren dem Organisationskomitee des Bieler Schachfestivals bereits anonyme Augenzeugenberichte übermittelt worden, welche den drei gleichen Spielern vorwerfen, schon in Biel dasselbe begangen zu haben. Von Seiten des Schachfestivals konnte die Sache nicht weiter verfolgt werden, da die Anschuldigungen anonym blieben, viel Zeit vergangen war und keine Beweise vorlagen. In jedem Fall werden die Kontrollen während des nächsten Schachfestivals (16. – 29. Juli 2011) verschärft.

Das Organisationskomitee des Internationalen Schachfestival Biel hat die Mitteilung des Französischen Schachverbands (FFE) vom 21. Januar 2011 Kenntnis genommen. Darin wird erklärt, dass der FFE am 22. Dezember 2010 gegen die Grossmeister Sébastien Feller und Arnaud Hauchard sowie gegen den Internationalen Meister Cyril Marzolo ein Verfahren eingeleitet habe, um den Verdacht «des Betrugs, welcher jegliche sportliche Ethik vermissen lässt und ein schlechtes Licht über die Nationalmannschaft wirft, welche vom 21. September bis 3. Oktober an der Schacholympiade in Khanty Mansiysk teilgenommen hat», zu klären. (Im Wortlaut: «triche organisée, manquement grave à l’éthique sportive, atteinte portée à l’image de l’équipe nationale olympique dans le cadre des Olympiades de Khanty Mansiysk du 21 septembre au 3 octobre 2010.»)

In verschiedenen Artikeln und Interviews, welche auf etlichen Websites erschienen sind, wurde angetönt, dass die drei genannten Spieler einen solchen Betrug bereits am Meisteropen des Schachfestivals 2010 in Biel bereits einmal versucht hätten.

Das Schachfestival Biel nimmt nach entsprechenden direkten und indirekten Anfragen in dieser Sache wie folgt Stellung:

1. Gemäss Mitteilung des FFE wurde die Untersuchung wegen der Vorgänge an der Schacholympiade in Khanty-Mansyik eingeleitet. Bis heute haben wir keine Anfrage des FFE erhalten.

2. Am Meisteropen in Biel im Jahr 2010 haben die beiden GM Arnaud Hauchard und Sébastien Feller tatsächlich teilgenommen. IM Cyril Marzolo hielt sich während einigen Tagen im Kongresshaus auf, ohne jedoch selber am Meisteropen teilzunehmen.

3. Während des Turniers gab es gegenüber den Schiedsrichtern keine direkte und offizielle Klage gegen einen der genannten Spieler. Im Büro des Schachfestivals hat sich zwar jemand gemeldet, der eine „Verdächtigung wegen Absprachen“ geäussert hat. Da solche Verdachtsmomente relativ häufig im Büro vorgebracht werden, aber oft nicht fundiert sind, wurde diese Person angewiesen, mit einem Schiedsrichter Kontakt aufzunehmen. Weder der Hauptschiedsrichter noch ein Mitglieds des Organisationskomitees haben Kenntnis davon, dass jemand einen Schiedsrichter wegen konkreter Verdachtsmomente angesprochen hätte.

4. Es ist selbstverständlich, dass eine konkrete Verdächtigung von einem Schiedsrichter abgeklärt worden wäre.

5. Erst im September, also gut einen Monat nach dem Meisteropen in Biel, wurde uns durch eine Drittperson ein E-Mail mit den detaillierten Aussagen dreier anonymer Augenzeugen übermittelt, welche gegen die drei Spieler den Verdacht des „Betrugs“ äussert. In diesen anonymen Aussagen wird insbesondere von einer bestimmten Partie gesprochen. Der GM, welcher gemäss diesen Aussagen benachteiligt gewesen sei, kann sich jedoch nicht daran erinnern, dass etwas abnormal verlaufen sei.

6. Bis heute sind uns die Namen der drei Zeugen nicht bekannt, zudem wurde der Verdacht erst Wochen nach Abschluss des Turniers erstmals klar geäussert, so dass das Schachfestival im Moment nicht in der Lage ist, zu diesen Verdächtigungen Stellung zu nehmen.

7. Nach Bekanntwerden von Verdächtigungen wurde beschlossen, das Kontrolldispositiv am nächsten Schachfestival vom 16. – 29. Juli 2011 zu erhöhen.

 Internationales Schachfestival Biel, Organisationskomitee, 30.01.2011

 

Betrugserkennung
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Freitag, 28 Januar 2011 11:34

Betrugserkennung

Gibt es so was im Schach und wie sollte das funktionieren, diese Frage stellen sich viele Schachfreunde. Natürlich ist dies machbar und Matthias Wüllenweber von ChessBase macht auch kein Geheimnis daraus, dass so eine Software entwickelt wurde und eingesetzt wird – schon 2003 wurde darauf in einem Artikel von Harald Fietz hingewiesen.

Ein weiterer guter Artikel zum Thema „Wie man beim Onlineschach bescheißt“ wurde von Lars Bremer veröffentlicht. Also die Möglichkeit mit statistischen Methoden Betrugsmuster zu erkennen gibt es, die theoretischen Grundlagen dazu liefert die „fraud detection“ - allgemeiner spricht man von Data mining Techniken.

Wo liegen dabei die Probleme? Ich probiere das nun populärwissenschaftlich zu erklären, die Fachleute mögen mir die dadurch entstehende Unschärfe bitte nachsehen. Es handelt sich dabei um komplexe statistische Methoden und diese liefern schon per Definition keine exakten Ergebnisse wie 1+1=2, sondern nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis wahr oder falsch ist.

Im Schach ist beispielsweise eine Aussage über eine Stellung in einem 6-Steiner Endspiel exakt. Eine Aussage über eine Eröffnungsstellung aber mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit versehen, obwohl auch für diese Stellung wie für die Endspielstellung gilt, dass sie nur gewonnen, verloren oder remis sein kann. Wenn die Krennwurzn sagt, dass diese Eröffnungsstellung für Weiß gewonnen ist, dann werden natürlich viele daran zweifeln – sagt dies aber Anand werden viele diese Einschätzung glauben und sind viele führende GMs ebenfalls dieser Meinung, dann wird es sehr wahrscheinlich, dass die Stellung gewonnen ist, und dennoch wissen wir es definitiv exakt nicht!

Eine Betrugserkennungssoftware kann nur die Wahrscheinlichkeit angeben, dass ein Betrug vorliegen könnte, das bedeutet aber auch, dass jemand eines Betruges bezichtigt werden könnte, der nicht betrogen hat (false positive) und ebenso dass Betrugsfälle nicht erkannt werden (false negative). Eine zweifelsfreie Erkennung gibt es schlicht und ergreifend nicht!

 

Man könnte sich das so vorstellen: es leuchten Alarmlamperl auf und auch wenn schon sehr viele leuchten und diese schon Flutlichtstärke erreichen, sollte man immer noch im Hinterkopf haben, dass ein „false positive“ möglich ist.

Aber: „When I see a bird that walks like a duck and swims like a duck and quacks like a duck, I call that bird a duck.“ – JAMES WHITCOMB RILEY

Aus diesem Spannungsfeld kann ich Sie nur mit den abgewandelten Worten eines unbedeutenden österreichischen Bundeskanzlers aber verkanntem Philosophen entlassen: Es ist alles sehr kompliziert!


Artikelserie:

  1. Betrugserkennung
  2. Betrugserkennung Wurznpraxis
  3. Betrugserkennung ökomomischer Blick
  4. Betrugserkennung Mythbusting
  5. Nutzen der Betrugserkennung
Sebastien Feller
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Seit Freitag sorgt für Aufregung, dass der Französische Schachverband gegen drei Spieler ein Disziplnarverfahren wegen "organisierten Betrugs bei der Schacholympiade in Chanti-Mansisk" eingeleitet hat. Was Nationalspieler Sebastien Feller, Nationaltrainer Arnau Hauchard und dem in Chanti-Mansisk gar nicht anwesenden IM Cyril Marzolo angelastet wird, hat der Verband indessen völlig der Fantasie der Leser überlassen. Wenn ein Verband so gegen seine Spieler vorgeht und auch die FIDE und nationale Behörden informiert hat, werde schon etwas dran sein, meinen viele, die die Meldung übernommen oder kommentiert haben.

Ich halte nichts von Vorverurteilung und habe, bevor ich etwas veröffentliche, Sebastien Feller gebeten, Stellung zu nehmen. Aufgrund des unvermeidlichen Rechtsstreits möchte er das im Moment nur mit einem vorbereiteten Statement tun. Diesem zufolge handle es sich um eine Racheaktion des Präsidenten des Französischen Verbands Jean Claude Moingt, weil Feller Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen ins Gespräch gebracht habe. Feller hat einen Anwalt beauftragt, eine Verleumdungsklage gegen den Verband anzustrengen. Hier im Original (zur Übersetzung):

"Je conteste totalement les accusations de tricherie de la Fédération Française d' Echecs. Cette procédure disciplinaire est en réalité liée au fait que j'ai soutenu lors des Olympiades, l' actuel président de la FIDE en opposition avec l 'acutelle direction de la Fédération Française des Echecs. Le président de la FIDE est d' ailleurs diffamé sur le blog de Jean-Claude Moingt, lequel prétend qu 'il a bénéficié de procurations fictives. De plus, j' ai fait état lors de conversations privées, lesquelles ont été répétées, d' irrégularités comptables de la Fédération Française (des précisions seront données ultérieurement), lesquelles ont déclenché la colère du président. J'ai demandé à mon avocat, Me Charles Morel, d' engager une action en justice en dommages et intérêts contre la Fédération Française pour avoir de façon injustifiée cité mon nom dans un communiqué, repris sur tous les sites français et étrangers, ainsi que dans la presse internationale."

Am Montag hat der Französische Verband den korsischen Schachorganisator Leo Battesti zum Sprecher in der Sache ernannt (weil Präsident Moingt als Zeuge auftreten müsse). In einem Interview mit Europe Echecs geht Battesti nicht auf die Frage ein, was Feller, Hauchard und Marzolo genau vorgeworfen wird, sondern lobt wortreich das konsequente Vorgehen seiner Mitfunktionäre.  


Hier die Übersetzung ins Deutsche (vielen Dank an unseren Leser Lowscore)

"Ich bestreite die Betrugsvorwürfe des französischen Schachbundes gänzlich. Dieses Disziplinarverfahren hängt in Wirklichkeit mit der Tatsache zusammen, dass ich bei der Olympiade den aktuellen FIDE Präsidenten, im Gegensatz zur derzeitigen Linie des französischen Schachverbands, unterstützt habe. Der Präsident des FIDE wird im Übrigen auf dem Blog von Jean-Claude Moingt verunglimpft, wo behauptet wird, dass er von fiktiven Vollmachten profitiert hat. Außerdem habe ich in privaten Unterhaltungen, die wiederholt worden sind, von Buchungsunregelmäßigkeiten des französischen Verbandes (Einzelheiten werden später genannt) berichtet, die den Zorn des Präsidenten hervorgerufen haben. Ich habe meinen Rechtsanwalt Herrn Charles Morel darum gebeten, eine Gerichtsklage auf Schadenersatz gegen den französischen Verband einzureichen, und zwar wegen der ungerechtfertigten Nennung meines Namens in einer Mitteilung, die auf allen französischen und ausländischen Seiten sowie in der internationalen Presse weiterverbreitet wurde."