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Sinn und Unsinn im Schachtraining

Kennen Sie das? Sie haben schon einige gute Bücher zum Thema Schachtraining gelesen und doch stagnieren Sie auf der ELO-Leiter? Sie trainieren und trainieren und doch treten Sie auf der Stelle? Gründe, warum das so ist, kann es viele geben. Kann aber auch sein, dass Sie bisher vielleicht einfach mit den falschen Büchern trainiert haben.

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Willy Hendriks
Erst ziehen, dann denken
Sinn und Unsinn im Schachtraining
256 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2014, original erschienen 2012.

IM Willy Hendriks stellt in seinem neuen Buch Erst ziehen, dann denken eine provokante These auf. Er behauptet, die althergebrachten Methoden des Schachtrainings wie das Studium charakteristischer Positionen oder das Festhalten an bestimmten Faustregeln sind nicht dazu geeignet, große Fortschritte zu erreichen.

Bei diesen Aussagen hätte sich Steinitz im Grabe herumgedreht, falls es derartig postkinetische Kräfte gäbe, die solche Phänomene des Okkulten auszulösen imstande wären.

Nach Meinung des Autors brauchen Schachspieler nicht erst einen Plan bevor sie Kandidatenzüge ausfindig machen, Versuch und Irrtum ist ein sehr häufiger und in der Tat höchst effektiver Weg um den besten Zug zu finden. Hendriks verwendet neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zur Funktionsweise unseres Gehirns und wirft dabei eine ganze reihe interessanter Fragen auf:

Kann jeder (ob man nun talentiert ist oder nicht) ein Großmeister werden?

Warum klingen manche Ratschläge von Schachtrainern wie das neueste Horoskop?

Kann man besser werden durch das Ankreuzen einer To-Do-Liste?

Ist es möglich, Meisterebene zu erreichen ohne jemals einen Plan zu erstellen?

Der Autors präsentiert dazu eine ganze Fülle von großartigen Schulungsunterlagen und Trainingsbeispielen die dazu gedacht sind, seine Aussagen zu unterstreichen.

Man kann über das Buch diskutieren, darüber streiten oder darüber den Kopf schütteln aber eines nicht: es verteufeln. Hendriks legt zugegebener Maßen sehr provokante Thesen auf den Tisch und so mancher mag sich fragen, was er eigentlich die letzten Jahre falsch gemacht hat. Vielleicht gar nichts! Aber vielleicht fehlte einfach noch das letzte "UmdieEckedenken“, der letzte fehlende Lichtstrahl und der Mut, auch mal Regeln zu brechen, Konventionen beiseite zu schieben und eine neue Sichtweise zu gewinnen.

Ich habe mich beim Lesen prächtig amüsiert, Hendriks schreibt locker und humorvoll. Nie wird es langweilig oder eintönig, immer wieder überrascht er mit neuen verrückten Ideen die uns aus unserem Dornröschenschlaf erwachen lassen. Durch seine Sichtweise erweitern wir unseren schachlichen Horizont ganz erheblich und es gibt bestimmt nicht viele Schachbücher die das bewerkstelligen können. Für mich ein wirklich großartiges Buch mit vielen frischen Ideen und exzellenten Beispielen.

Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, fühlen Sie sich wie Neo aus dem Film Matrix, als er erfährt, dass sein bisheriges Leben eine Illusion war und das jetzt sein echtes Leben beginnt.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach Niggemann zur Verfügung gestellt.

Martin Rieger

 

 

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