Nun ist es raus – ein Schachspieler kandidiert für das Amt des Bundeskanzlers! Peer Steinbrück wirft bei der nächsten Wahl im Herbst 2013 seinen Hut als Kandidat der SPD in den Ring. Ähnlich wie Jan Gustafsson kommt Steinbrück aus Hamburg an der Elbe. Zwar hat er es noch nicht zum Großmeistertitel gebracht, doch ist er ein durchaus talentierter Amateur-Schachspieler - immer wieder hörten wir seinen Namen in Verbindung mit dem einen oder anderen Politiker-Turnier.
Doch reicht das schon, damit die deutschen SchachspielerInnen ihm im nächsten Jahr ihre Stimme geben? Wir haben kritisch recherchiert und mussten feststellen, dass Steinbrück weder offiziell Mitglied in einem deutschen Schachverein noch in der DWZ-Liste des Schachbundes zu finden ist. (Das will jedoch nicht viel bedeuten, denn selbst eine hohe Wertungszahl wäre noch keine Garantie für eine erfolgreiche Kanzlerschaft.)
Lauter potentielle Wähler
Eine gute, große und wie wir finden gerechte Sache hat der Kandidat allerdings für das königliche Spiel in Deutschland getan, als er dabei half, die Schachweltmeisterschaft 2008 nach Deutschland zu holen. Spätestens dadurch dürften ihm im nächsten Herbst die Millionen Stimmen der deutschen SchachspielerInnen sicher sein.
Ob der Schachbund ihm noch schnell die Ehrenmitgliedschaft anbieten sollte? Vielleicht möchten ihn ja auch die Schachfreunde Berlin aufnehmen, jetzt, wo nach dem Abgang von Levon Aronian in ihren Reihen wieder Platz ist für ein prominentes Mitglied?
Wenn es nach Spielstärke gehen würde, wäre auch Ilya Schneider ein ausgezeichneter Kanzlerkandidat. Leider
hat die SPD diesmal noch nicht an ihn gedacht.
Einen Schatten auf Steinbrücks Nominierung wirft eine unbehagliche Affäre, die (wie sollte es auch anders sein) ausgerechnet mit Schach zu tun hat. Wir fragen: hat das Handy des Kandidaten beim Politiker-Turnier geklingelt, und er hat es einfach vertuscht? Analysierte er heimlich mit dem Smartphone, um das Turnier zu gewinnen? Nein, all das scheint man ihm nicht vorwerfen zu können. Auch an dem bei einem Fototermin falsch aufgebauten Schachbrett scheint ihn nur eine geringe Mitschuld zu treffen. Wo also liegt der Skandal?
Steinbrück ringt mit Helmut Schmidt bei einem Fototermin - leider hatte man das Brett falsch aufgebaut, so dass später auf dem Buchcover "unten rechts" der weiße Turm auf einem schwarzen Feld stand. Peinlich! Für ihr Titelblatt hat die ZEIT diesen Patzer allerdings schnell wegretuschiert. Nur Helmut Schmidts Zigarette durfte bleiben.
Wie wir hörten, war Peer Steinbrück früher einmal Finanzminister (FM) in Berlin und rettete die deutschen Banken, bis die SPD 2009 aus der Regierung gewählt wurde.
In dieser Zeit fragte er bei großen Unternehmen (Telekom, Deutsche Bahn) um erhebliche Sponsorengeldern an, um damit die Schach-WM 2008 nach Bonn holen zu können. Seine Anfrage blieb letztlich erfolglos.
Unglücklich für Steinbrück war jedoch, dass er dies unter der Fahne des Finanzministers tat – und die genannten Unternehmen halbstaatlich waren, mit dem Bund als großer Aktionär.
Es gibt Aktienrechtler, die darin einen Skandal sehen. Andere sehen einen viel größeren Skandal darin, dass Steinbrück als Vorsitzender der WestLB dabei war, als die Bank mehrere Millarden € beim Handel mit windigen Finanzpapieren verzockte und dann mit erheblichen Steuergeldern gerettet werden musste.
(Daraus hätte man die nächsten 200 WM-Kämpfe finanzieren können, mindestens. Und die nächsten beiden Deutschen Blitzmannschaftsmeisterschaften noch dazu.)
Kehren wir schnell zurück auf die 64 Felder, denn zumindest da kennen wir uns noch einigermaßen aus. FM Steinbrück nahm 2005 an einer Simultanvorstellung teil und spielte dort mit den weißen Steinen eine spanische Partie gegen Vladimir Kramnik.
An dieser Stelle sah es allerdings schon gar nicht mehr so gut aus für den Finanzminister. Gerade ist Steinbrücks Springer nach von g4 nach h6 gewandert, um dort noch ein wenig im Trüben zu fischen.
Wie zog Kramnik nun ganz einfach die Spaßbremse und führte das Spiel stilsicher zu Ende? -
Man merkt beim Nachspielen schnell, dass der Kanzlerkandidat einen ziemlich guten Blick für das Spiel hat. Doch wird das reichen, um mit Angela Merkel die Vertreterin des Frauenschachs aus dem Amt zu drängen? Wir werden sehen.
Kommentare
Nach Tausch hat der Springer keine Felder mehr.
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