Da kommt man arglos nach Hause nach einem Arbeitstag in der Schule, und was ist? Anand hat Gelfand geschlagen und glich damit aus zum 4:4 in Moskau.
Ein Paukenschlag – denn die Partie dauerte lediglich siebzehn Züge!
(Was soll ich sagen – ich fühle mich erinnert an so manche finstere Begegnung in der Zweiten Bundesliga, wo ich auch schon nach weniger als 20 Zügen mehr oder weniger platt stand. Schön war/ ist sowas nicht.)
Nach acht Runden und zwei aufregenden Partien in Folge folgt nun ein Ruhetag, den sich beide Spieler und auch die Zuschauer redlich verdient haben. Anand ist wieder zurück im Match und hat nach seiner gestrigen ernüchternden Niederlage – wie sagt man so schön - postwendend dagegengehalten. Ein echter Champion!
Wir spitzen die Ohren - Anand ist wieder da!
Gelfand dagegen wird sich ob der so schnell vertanen Führung ärgern. Zwar verstehe ich nicht alle technischen Feinheiten der Eröffnung so gut, aber sein Spiel wirkte heute unerwartet leichtfertig, sehr zweischneidig und fast unsolide. Eine eigenartige Veränderung seines Stils, der in den ersten sieben Runden doch von soviel Umsicht geprägt war.
1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. f3 c5
Heute mal kein Grünfeld - Gelfand neuert erneut in diesem Wettkampf und versucht es mit einer Art Benoni.
4. d5 d6
5. e4 Bg7
6. Ne2 O-O
7. Nec3
Subtile Manöver im weißen Lager!
7. .....Nh5
Subtile Manöver im schwarzen Lager!
8. Bg5
Anand verhindert das handelsübliche e7-e6, doch gefährlich wirkt sein Aufbau irgendwie nicht.
8..... Bf6
Tauscht den schönen Läufer g7 ab - ich glaube, so mancher Trainer wäre nicht glücklich über diesen Zug.
9. Bxf6 exf6 10. Qd2
Überdeckt die entblößten schwarzen Felder. Doch was kommt nach f6-f5?
10. .... f5 11. exf5 Bxf5 12. g4
So geht es ab in Moskau - keine Geschenke für niemanden! Nachdem die ersten Partien des Wettkampfes ja
gemeinhin als etwas fade beschrieben wurden, holen die Spieler heute in nur einer Partie alles nach und bringen die ungewöhnlichsten Bilder aufs Brett.
12.... Re8+ 13. Kd1 Bxb1
Schon wieder so eine Partie, die man in keinem Jugendtraining zeigen dürfte. Remmidemmi! Sind wir im Kaffeehaus oder bei einer WM? Die Stellung gibt keine Antwort.
14. Rxb1 Qf6
14..... Sg7 wäre eigentlich völlig ok gewesen - Schwarz sitzt solide hinter seinen Bauern und kann abwarten, was Weiß nun zeigt. Mit dem Partiezug läuft Gelfand in eine furchtbare Falle - und trägt dazu bei, dass diese Partie wohl in die WM-Geschichte eingehen wird.
15. gxh5 Qxf3+ 16. Kc2 Qxh1
Und nun?
17. Qf2
Die schwarze Dame findet nicht mehr heraus: 1-0.
Ein bitterer Partieverlauf für Gelfand - alldieweil diese Niederlage kaum durch seinen Gegner, sondern vor allem auch durch sein eigenes überambitioniertes Spiel zustande kam.
Oder - wie sehen das die Leser, wie sehen das die Leserinnen? Kommentare sind willkommen!
Der Meister - heute mit dem ersten vollen Punkt
Kommentare
Es drängt sich bei mir der Gedanke auf, daß Gelfand die Führung in der WM nicht verkraftet haben könnte. Vielleicht hat er deshalb die Nacht vorher nicht schlafen können?!
Ganz klar - Gelfand war ZU selbstsicher, er legte es im Glauben an seinen guten Dämon scharf an, überschätzte seine Position und verlor das Gespür für die Gefahr. Beachtlich ist in dem Zusammenhang, dass es den Live-Kommentatoren ähnlich ging, Peter Leko und Jan Nepomjaschtni sahen auch eher Schwarz im Vorteil, es war eine Art Massensuggestion. Keiner hat überhaupt nur die Idee (nach ...Df6?) gxh5!! mit Qualitätsopfer in Betracht gezogen - bis auf Anand und Houdini; beide beurteilten/antworteten recht schnell mit der siegreichen Kombination!
Die Dame ist übrigens in der Schlussstellung nicht wirklich zwingend weg es ging noch Sc6, 18.dc6-Dc6 aber auch danach behält weiß die Oberhand.
Svidler - im russischen Livekommentar - hatte es offenbar gesehen bevor Gelfand -Df6? spielte. Ich kann das selbst nicht überprüfen, erwähnt hat es "Amos" im Kommentar auf Chessvibes.
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