Planet Skopje

Willkommen im Stadtzentrum! Willkommen im Stadtzentrum! OSt

Die stärksten Spieler dieser Galaxie ziehen ihre Bahnen beim Europapokal in Skopje. Einige tummeln sich vereinzelt am Spitzenbrett einer Amateurmannschaft, GM Ludwig Hammer und GM Simen Agdestein bei der Oslo Schakselskap zum Beispiel, und auch Tomi Nybäck mit seinen Finnen vom Chess Club Aatos.

Andere große Kaliber ballen sich zusammen und ziehen in einer unwirklichen ELO-Massierung zusammen durch das Europapokal-Turnier. Wie Thomas Richter berichtet, haben die vorderen Teams durchweg einen Schnitt von deutlich über 2500 ELO, was ja schon sehr ordentlich ist, und sie sind mit den besten Spielern des Planeten besetzt. Ex-Weltmeister Kramnik reiste an, Beinahe-Weltmeister Ivanchuk, Bald-Weltmeister Caruana, und ebenso die interstellaren Schachgewalten Giri, Topalov, Mamedyarov. Und gar nicht zu vergessen Blitzweltmeister Alexander Grischuk, der sich erst neulich in Berlin gegen Magnus Carlsen, Maxime Vachier-Lagrave und Ilja Schneider durchsetzen konnte.

So gut wie alle Vorkämpfer des überregionalen Turnierschachs sind hier - und da wird es natürlich schwer, sehr schwer für die anderen Spieler des Kontinents, die teils extra aus fernen Regionen bis nach Mazedonien angereist sind. Portugiesen sind hier, Schweden, Iren, Hamburger und Waliser - und natürlich auch das Euro-Team des SV Werder Bremen, speziell und mit viel Umsicht konfiguriert für diese internationale Meisterschaft.
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          Stadtrundgang am ersten Tag. Vorne grüßt ein mazedonischer Begleiter!

Die Hansestädter bauen auf die Kraft der zwei Großmeister, Vlastimil Babula und Gennadiy Fish, ergänzt um einige zweitliga-gestählten Asteroiden, als da sind FM Stephan Buchal, FM Joachim Asendorf und sogar FM Olaf Steffens (der aber gerne auch mal nicht wie ein FIDE-Meister spielt). Abgerundet wird das grün-weiße Aufgebot von Fabian Brinkmann aus dem Bremer Jugendkader - eine international noch eher unbekannte Größe, und daher für jeden hier in Skopje schwer auszurechnen. Auch Sven Charmeteau steht im Aufgebot des SVW, spielstark und gewitzt, und eine bewährte Fachkraft nicht nur beim Werder-Monatsblitz.

Nach einer Auftaktrunde ohne ganz große Überraschungen sind die hoch gehandelten Teams noch alle gut im Rennen um den Titel. Auch wenn Werder (noch) nicht zu diesem illustren Kreis gehört - der SVW gewann gegen Zeqe Hasaj aus dem Kosovo mit einem 6 : 0 und spielt heute am ersten Brett gegen Team SOCAR, die Masters of the Universe aus Aserbeidschan. Die Bremer können diese Begegnung unbeschwert und aus einer Position der Stärke bestreiten - immerhin haben sie einen halben Brettpunkt mehr verbucht als der hohe Turnierfavorit SOCAR.

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Runde zwei in Skopje: unerwartete Paarung am ersten Tisch

Kann sein, dass Bremen am Ende des Tages noch immer mit sechs Brettpunkten dasteht - alles andere wäre eine schöne Überraschung.

Und der Hamburger SK? Unsere Brüder vom Norddeutschen Schachbund haben sich knapp durchgesetzt gegen ein sehr finnisches Team mit einem gefährlich langen Namen und vielen Doppelkonsonanten. Damit bleiben sie in der vorderen Turnierhälfte und laufen nun als Favoriten gegen das dem Vernehmen nach aus Österreich stammende Rapid Feffernitz auf.

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Bardhyl Uksini, und zwei Mannschaften mit langen Namen!

Und sonst? Skopje ist inmitten von Bergen und am Fluss Vardar schön gelegen, hat einen eher dezenten Charme und bietet dem neugierigen Touristen einige klassische Highlights, Statuen, Museen und ein türkisch geprägtes Bazar-Viertel. Leider wurden bei einem Erdbeben in den 1960er Jahren viele schöne Bauwerke zerstört und durch Großbauten in sozialistisch beeinflusster Ästhetik ersetzt. Das Wetter ist gut, man schaut auf das Thermometer und sieht über 20 Grad, der Himmel ist blau!

Im Turniersaal darf man sich als Fan frei bewegen - allerdings nur in den ersten zehn Minuten, und nur, wenn das eigene Team mit im Saal spielt. Danach verlässt man besser die Players´ Zone und reiht sich in das für Zuschauer ausgewiesene Achtel des Turniersaals ein. Von dort aus kann man alles entspannt verfolgen und aus einer sicheren Entfernung von bis zu hundert Metern das Geschehen in den gut dreißig Mannschaftskämpfen beobachten. So soll Schach - soll so Schach? Tatsächlich also sieht man nichts oder nur sehr wenig - für alle, die hautnah dabei sein wollen, sicher eine Enttäuschung. Ist es die Angst vor Cheating, weshalb man die Zuschauer nicht mehr näher kommen lässt? Bleiben wir positiv und nehmen an, dass die Europäische Schach-Union und natürlich auch die FIDE sich sicher etwas dabei gedacht haben.
Auch als Spieler ist man gehalten, nach Partieende umgehend seinen Runden-Ausweis abzugeben und - na klar - den Turniersaal zu verlassen. Nicht nur, dass man nicht mehr ganz unbeschwert umherwandern kann, um an den vorderen Brettern den Stars oder dem Hamburger SK über die Schulter zu sehen - auch als Team funktioniert es ja eigentlich gar nicht mehr, wenn die Teamkollegen so nach und nach verschwinden müssen und man in der vierten Spielstunde alleine am Brett sitzt.
Aus der Ferne winken die Freunde vielleicht noch aus dem Zuschauerbereich, doch so richtig schön atmosphärisch ist das eigentlich nicht. Schade. Was ist die Idee? Fragen wir lieber nicht, und freuen wir uns stattdessen über das tolle Turnier und die Nähe zur den besten Spielern des Planeten. Heute um 15 Uhr geht´s weiter!

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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