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Arkadij boven!

Großmeister Naiditsch in Dortmund, 2009 Großmeister Naiditsch in Dortmund, 2009 GFHund, dank u wel!

So sieht´s aus – kaum schaut man mal nicht hin, legt Arkadij Naiditsch in Wijk aan Zee eine tolle Serie hin, haut Jan Timman ebenso um wie den bis dahin führenden Ungarn Richárd Rapport und setzt sich damit an die Spitze des bärenstarken B-Turniers an der holländischen Nordseeküste.
Bei zwei noch ausstehenden Runden hat das Spitzenbrett der deutschen Nationalmannschaft nun den ersten Platz in Sichtweite, der (wenn mich nicht alles täuscht) ihm im nächsten Jahr den Sprung in die schillernde A-Gruppe des Tata Steel Chess Tournament ermöglichen würde. Wenn das nichts ist!
Doch bis dahin ist es noch weit, und uns bleibt erstmal nichts anderes übrig als mutig die Daumen zu drücken - auch wenn Arkadij morgen gegen Romain Edouard und damit gegen einen Bremer Mannschaftskollegen von mir spielt (Samstag, 13:30 Uhr).

Doch so sei es – toi toi toi, hup Holland hup, und Arkadij boven!

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Thomas Richter 2013-01-25 22:59
Ein paar Ergänzungen, war heute nochmal in Wijk aan Zee: Die Partie Naiditsch-Rapport wurde zwar erst im Endspiel entschieden - witzig die Phase ab dem 45. Zug: Schwarz (Rapport) spielte nur noch Le8-f7-e8-f7-e8-f7 usw., Naiditsch brachte seinen König von g3 nach a5, den Springer von a4 nach b4, bewegte die a- und b-Bauern schonmal nach vorne und dann kam der Einschlag 57.Sxa6! - das hat sich also in slow motion angekündigt, aber ich sehe auf die Schnelle nicht wie Rapport es verhindern konnte.

Im höheren Sinne legte Arkadij aber bereits im vierten Zug die Grundlage: nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.exd5!? exd5 5.Ld3 versank der ohnehin nervöse Rapport bereits in langes Grübeln über seine nächsten beiden Züge ... . Mit der Variante hat er offenbar nicht gerechnet, zumal Naiditsch sie in Runde 5 gegen Smeets als Schwarzer widerlegt hatte (0-1, 35).

Trotz seiner insgesamt sechs Siege ist Naiditsch übrigens nur punktgleich mit Movsesian, da er auch zweimal verloren hat: einmal gegen Tiviakov der am Anfang des Turniers gut drauf war, und eine unglaublich dumme Niederlage gegen van Kampen. Movsesian hat mich - glaube ich - heute im Publikum erkannt, weiss nicht ob er auch meinen Artikel kennt.

Zum Schluss noch ein bisschen Sprachkurs für Olaf: "hup Holland hup" und "Arkadij boven!" passt nicht zusammen, schliesslich liegt Smeets zusammen mit Rapport und dem russischen Jungstar Dubov nur einen halben Punkt hinter den beiden Führenden. Und "dank u wel!" schreibt man hierzulande mit einem l.

Groetjes Thomas
#2 Darth Frank 2013-01-26 12:17
Eine Frage zur Niederlage gegen van Kampen: War das ein einzügiger Einsteller oder eine Kombi mit Loch? Ich habe aber kein Kombinationsmotiv finden können.
#3 Max Bouaraba 2013-01-26 12:27
Hallo Thomas, gut beobachtet! Ich habe die Partie nur in der Live-Übertragung verfolgt. An konzentriertes Arbeiten ist wenn Arkadij spielt bei mir ohnehin nicht zu denken. Alle 10 Sekunden richtet sich mein Blick auf das kleine Pop-Up-Fenster. Ich finde es einfach phänomenal zu sehen, wie man ein solches Endspiel mit Gewinnabsichten anstreben kann. Wer von uns hätte da nicht schon lange Remis gegeben. Mit Da3 a6 erzwingen + Raumvorteil + Königswanderung nach a5 = 1-0. Absolut Lehrbuchreif. Ich denke, Arkadij hatte das die ganze Zeit vor Augen - vielleicht schon bei 27. Da3 und vorallem beim nachfolgenden Abschließen des Königsflügels mit h4/h5/h6. Wie hätte es Rapport verhindern können? Nun keine Ahnung. Vom Gefühl her hätte man vielleicht mal prüfen können, ob nicht an irgendeiner Stelle schwarz den Läufer auf f4 hätte tauschen müssen. Grüße, Max
#4 Max Bouaraba 2013-01-26 16:15
Hallo Frank, Lh5 war so ziemlich das unglaublichste was ich bisher von Arkadij gesehen habe :o , zumal weit und breit kein eventuell mögliches Motiv zu sehen war. Arkadij sagte mir nach der Partie einfach nur, er dachte könnte einfach auf h5 wegen Sxg3 den Bauern gewinnen. Diese Grundidee ist schon klar: Sg3 und/oder zuvor g5 was aber direkt gleich an mehreren einfachsten Antworten scheitert. Einfach unglaublich das ihm solch eine Affekthandlung (?) passieren konnte. Er hat den Zug übrigens sehr schnell ausgeführt. Van Kampen meinte danach nur in einem Interview, dass Arkadij ein sehr professionelles Poker-Face aufgesetzt habe, weswegen van Kampen auch nochmal ein paar Minuten investierte. Nachdem weiß auf h5 zurück nahm, gab Arkadij aber sofort auf. :D
#5 Thomas Richter 2013-01-26 18:00
Die Sache gegen van Kampen hat sich also geklärt bzw. dieser Unfall wurde so gut es geht erklärt. Ich hatte dieselbe Idee und habe mir dann das Interview mit van Kampen (Video auf der Turnierseite) angehört. Im Blindschach kann sowas schon eher passieren, da würde Schwarz wohl erst nach 22.-Sxg3+ 23.fxg3 aufgeben. Das hätte Naiditsch ja auch noch spielen können um das Geheimnis zu lüften - aber die Idee bzw. diesen (Galgen)Humor muss man erstmal haben.

Noch unglaublicher ist wenn Naiditsch Lxh5 wirklich sehr schnell spielte denn sein Gegner hatte diese Fehlkombination gerade erst mit 21.Kf1 ermöglicht - wohl ohne zu ahnen welche "Falle" er damit stellte. Andererseits war 21.Kf1 ein plausibler Zug der für Naiditsch wohl nicht überraschend kam.

Zur Partie gegen Rapport: Der Kommentar von Max ist vielleicht doch etwas durch die Fanbrille und/oder "annotating by the result". Mit 27.Da3 wollte Weiss eine kleine Schwächung am Damenflügel provozieren, aber niemand (auch nicht Naiditsch selbst) kann mir weismachen dass er da bereits 57.Sxa6 gesehen hat. Auch die Abwicklung ins Endspiel war vielleicht noch "mangels Alternativen". Ob, solange es ging, -Sxf4 besser war für Schwarz? Danach hat er ja einen schlechten Läufer gegen den guten Springer - vielleicht kann man das remis halten aber es wird eine lange Quälerei (Herr Schwerteck, können sie übernehmen?). Stattdessen vertraute er zu Unrecht auf den Remisfaktor ungleichfarbige Läufer!?

In der A-Gruppe gab es gestern vielleicht eine Parallele: Leko wickelte gegen van Wely früh in ein Endspiel ab in dem er wohl zunächst nur leicht besser stand. Da er am Ende gewann war es grandiose Endspieltechnik und/oder schlecht gespielt von van Wely (ich kann das nicht beurteilen). Wäre es remis geworden hiesse es stattdessen "Leko holt mal wieder sein Wunschergebnis" ... .
#6 Max Bouaraba 2013-01-27 11:02
Man muss nicht alles bis ins kleinste Detail berechnen um nach a6 den Plan fassen zu können :D

Damen tauschen, Königswanderung nach a5/b6/a7... um dann zum günstigen Zeitpunkt Sxa6 zu spielen. Das ganze dauert zwar 30 Züge, ist aber selbst für einen besseren Vereinsspieler nicht schwer zu finden. Schon gar nicht für einen SGM der Marke Naiditsch. Ich finde es etwas vermessen, einem SGM solche Fähigkeiten kathegorisch abzusprechen.

Wie man hingegen mit weiß ein Endspiel wie in Carlsen-Karjakin zu sehen gewinnen kann, das fand ich schon ziemlich spooky. So ab dem 52.ten Zug herum schien doch alles für ein Remis zu sprechen. Sowas gegen einen Top-10-Mann weiter auf Gewinn zu spielen...Sehr starke Vorstellung.

Heute ein Sieg gegen Ernst und alles ist okay!
-1 #7 MiBu 2013-01-27 12:21
LOL: wenn A.N. gewinnt, hat er 30 Züge vorausgeplant - jetzt übertreibt sein Jubelperser aber wirklich!

SxL scheint mir für Schwarz nicht der richtige Weg zu sein, um besser weg zu kommen. 31.-Kf7 hätte vielleicht durch fxg4 ersetzt werden sollen, damit der Lc8 irgendwann mal Luft bekommt.
#8 Max Bouaraba 2013-01-27 16:26
Jubelperser? LOL.. Wie flach ist das denn. Zu dieser Niveaulosigkeit fällt mir echt nix ein. Wenigstens hab ich einen Namen und hab es nicht nötig mich hinter irgendwelchen Pseudonymen zu verstecken...
#9 Olaf Steffens 2013-01-27 18:03
Arkadij scheint mit seiner langen Abschlusspartie die ganze Siegerehrung zu blockieren! Ich kann das nicht einschätzen, aber so rein praktisch scheint sich das Weiterspielen noch zu lohnen.
Also, mal sehen ... nächstes Jahr gegen Carlsen?!
#10 Thomas Richter 2013-01-27 18:21
Ja, die Erbsensuppe (gibt es dort traditionell) wird kalt! Sokolov übt auch noch ein Damenendspiel gegen l'Ami - der will wohl den letzten Platz mit seinem Gegner teilen? Das ist offenbar "offiziell" remis, das von Naiditsch laut Tablebases gewonnen.
#11 Olaf Steffens 2013-01-27 18:27
Sehr stark - nach sechseinhalb Stunden harter Arbeit und einigem Kneten ist Naiditsch Erster in der B-Gruppe von Wijk und mit viel ELO-Plus nun sehr nahe an den Top 20 der Weltrangliste.
Phänomenal, herzlichen Glückwunsch!

Und guten Appetit bei der Erbsensuppe!
#12 Stefan Löffler 2013-01-27 18:28
Vollbracht. Gratulation an Arkadi Naiditsch für diese Kraftleistung! Damit wird 2014 Deutschland seit 18 Jahren mal wieder in der A-Gruppe vertreten sein - oder habe ich wen übersehen?
Hoffentlich wird auch Ritschi Rapport eingeladen.
#13 Thomas Richter 2013-01-27 18:33
Und nun ist es schon offiziell: Naiditsch-Ernst 1-0 (79.-Ka6 hat die Sache verkürzt), prompt hat dann Sokolov seine Gewinnversuche eingestellt.
Damit liegt Naiditsch wohl nach Wertung vor Jungstar Rapport, meistens bekommen dann beide eine Einladung für die Königsgruppe. Rapport ist es auch zu gönnen. Nach der fünften Runde (Sieg im damaligen Spitzenduell gegen Tiviakov) hatte ich mitbekommen wie ein Erwachsener (Vater oder Trainer?) mehrfach kräftig auf die Schulter klopfte - was sie dazu sagten? Frag mich was Leichteres, es war wohl Ungarisch ... .
#14 Thomas Richter 2013-01-27 18:45
@Stefan Löffler: Tatsächlich so lange ist es her dass Doc Hübner zuletzt in der A-Gruppe spielte (Timman noch bis 2004, der hat ja auch Heimvorteil). Einen hast Du aber doch übersehen: 1997 war Igor Glek, damals anscheinend bereits Deutscher, ganz oben dabei (und wurde Letzter).

@Olaf: Falls Du das dachtest, ich bin heute nicht vor Ort in Wijk sondern zu Hause am Computer. Und diese Erbsensuppe gibt es auch nur für geladene Gäste, das habe ich noch nicht geschafft (auch nicht versucht).
#15 Max Bouaraba 2013-01-27 18:55
Sehr starke Vorstellung! Endlich A-Gruppe, wo auch sonst. Übrigens die Erbsensuppe im anliegenden "Bistro/Restaurant" ist auch recht lecker (wird sich wohl um die gleiche handeln).
#16 Darth Frank 2013-01-27 20:36
Da hat Naiditsch Glück gehabt, dass sein Gegner nicht die Karsten-Müller-Endspiel-D VD (Teil 3?) geschaut hat. Der schwarze König gehört im Damenendspiel vor den Bauern oder in die diagonal entgegengesetzte Ecke. Da er nicht davor kommt sollte er schon im Bauernendspiel im 51. Zug nach b4 statt b6 gehen. Steht der König erst auf a2, b2, a1 oder b1 darf es der weiße Bauer sogar bis nach h7 schaffen (vorher aber noch die Dame zentralisieren).

So war es zwar nach Tablebase haltbar, aber als Mensch verliert man das fast immer. Weiß hat hundert Anläufe, selbst die 50 Züge fangen nach jedem Bauernzug wieder von vorn an.
#17 Gerhard 2013-01-28 11:59
Hab das mit Naiditsch garnicht mitbekommen.
Glückwunsch!
Nach seinen Resultaten bei der Europameisterschaft ein weiteres Glanzstück!!

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