Diese Seite drucken

Gute Bücher und eine Doktorarbeit

I   The Richter Rauzer Reborn von Zdenko Kozul & Alojzije Jankovic

II  Improve Your Chess Pattern Recognition von Arthur van de Oudeweetering

III The Liberated Bishop Defence von Alexey Bezgodov

IV John Nunn´s Schachkurs

 

 

The Richter Rauzer Reborn

von Zdenko Kozul & Alojzije Jankovic

 

KozulÜber den Europameister 2006 Zdenko Kozul sollte man nicht mehr viel sagen müssen. Sein Schüler Jankovic ist mittlerweile auch schon GM mit über 2550 Elo. Hier haben folglich zwei Spitzenspieler ein Buch über eine Spezialvariante geschrieben. Und was für eins! Es geht um die Sizilianisch-Variante 1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 Sc6 6. Lg5 e6 7. Dd2 a6 8. 0-0-0 Ld7. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die beiden Großmeister sezieren diese Variante nach allen Regeln der Kunst, teilweise splitten sie eine Subvariante noch 4 Mal nach dem 25. Zug! Ein enormer Aufwand. Den Beiden ging es also um nichts Geringeres als um die Wahrheit höchstselbst. Daraus ergibt sich praktisch zwangsläufig, dass dieses Buch als Lehrbuch nur sehr bedingt geeignet ist, dafür aber umso mehr als Nachschlagewerk bzw. Lexikon für Richter Rauzer Spieler unverzichtbar werden dürfte. Hier steht schlicht drin, was man spielen und was man nicht spielen kann / sollte / darf. Es gibt auch regelmäßig kurze Erläuterungen, wohin das Spiel geht, die sind aber eben nur kurz und bringen daher den Amateur nicht immer weiter.

 

Fazit: Ein phänomenales Nachschlagewerk über eine einzige Variante. Für Hobbyspieler ist es zu viel Information. Wer aber ein photographisches Gedächtnis hat oder mit dieser Variante ein Rating von 2400 oder mehr erreichen will oder sehr akribische Arbeit zu leisten gewillt ist, bekommt mit diesem Buch, was er braucht. An Detailreichtum setzt dieses Nachschlagewerk Standards.

 

Sterne5für Präzisionssüchtige, Profis oder solche, die es werden wollen

 

Sterne1für alle anderen Freizeitspieler

 


 

Improve Your Chess Pattern Recognition

von Arthur van de Oudeweetering

Oudeweetering

Der niederländische IM van de Oudeweetering (vdO) möchte mit diesem Buch typische Mittelspielmotive vermitteln. Nach einem oberflächlichen Blick durch das Buch kam mir unwillkürlich John Nunn´s „Understanding Chess Middlegames“ in den Sinn. Ein Vergleich drängte sich auf. Schnell wurde klar, dass beide Autoren hier in der Tat ein identisches Ziel verfolgen: Die Verbesserung des Mittelspiels beim interessierten Vereinsspieler. Wo sind die Unterschiede?

vdO hat Übungsaufgaben, Nunn nicht.

Nunn hat 100 sehr klar strukturierte und übersichtliche kleine Kapitel, vdO hat 40 deutlich größere Kapitel. Die 40 Kapitel sind zwar nicht so vorzüglich strukturiert wie bei Nunn, dafür vermitteln sie eindringlicher, was vermittelt werden soll, indem es mehr Beispiele gibt.

Nunn schreibt sachlich, vdO etwas unterhaltsamer.

Auch die Zielgruppe ist ähnlich: Vereinsspieler ab 1600er Rating dürften sehr von beiden Büchern profitieren.

Welches Buch nimmt man nun? Beide, denn sie ergänzen sich sehr gut.

Sterne4


 

The Liberated Bishop Defence

von Alexey Bezgodov

Bezgodov

Alexey Bezgodov war 1993 russischer und 1999 ukrainischer Meister. Das sollte als schachliche Visitenkarte reichen.

Er liefert mit The Liberated Bishop Defence ein ausführlich und intensiv recherchiertes und analysiertes Buch über eine Eröffnung für Schwarz, die nicht im Fokus der schachlichen Weltöffentlichkeit steht: 1. d4 d5, 2. c4 oder Sf3 Lf5.

Als bekennender Eröffnungsbuch-Niedermacher war ich mir bei diesem Buch nach der Prüfung selbst nicht sicher, wie ich es finden soll. Daher der Reihe nach:

Am Anfang erklärt Bezgodov, welche hochkarätigen Schachspieler die Eröffnung schon gespielt haben. Wenn so etwas nötig ist, ist es immer ein sicheres Zeichen, dass diese Eröffnung nicht ganz solide zu sein scheint.

Das Buch ist in übersichtliche Kapitel gegliedert, die alle mit Übungsaufgaben versehen sind. Das gefällt mir sehr gut.

Auf über 330 Seiten seziert Bezgodov die einzelnen Varianten und gibt seine eigenen Bewertungen offen weiter.

Je länger ich dieses Buch studierte, desto weniger sicher war ich mir, wie gut ich das Buch finde. Bezgodov schreibt zwar oft, dass bestimmte Varianten für Schwarz kritisch sind, liefert dann aber immer in den jeweiligen Partien Varianten für Schwarz, die nach seiner Ansicht zum Ausgleich führen. Er analysiert ausführlich viele nahe liegende Varianten, so dass man das Buch gut als Nachschlagewerk verwenden könnte, für diesen Zweck könnte es allerdings noch übersichtlicher gestaltet sein.

An vielen Stellen erklärt er, wie man grundsätzlich spielen / planen sollte. Dafür liefert er aber an vielen anderen wichtigen Stellen doch nur Bewertungen und Varianten, anstatt zu erklären, um was es in der Stellung gerade geht.

Fazit: Ich schätze, dass dieses Buch für manche Leser (ab einem Rating von 1600) eine tolle Hilfe sein wird, für andere Leser aber weitgehend nutzlos bleibt. Als Nachschlagewerk gut und sorgfältig sowie mit intensiven eigenen Analysen recherchiert. Es ist aber als Lehrbuch mit Übungsaufgaben und Anmerkungen aufgebaut. Dafür gibt es für meinen Anspruch zu wenig Input. Ich kann daher weder abraten noch empfehlen, sondern nur eine genaue eigene Prüfung des Buches anregen.

Sterne3


 

John Nunn´s Schachkurs

von na? Von wem wohl?!

NunnJohn Nunn war und ist, wenn er denn noch spielt, ein Weltklassespieler. Zudem ist er Mitdirektor des Gambit Verlages und schreibt regelmäßig sorgfältig recherchierte und preisgekrönte Schachbücher. Bei ihm stellt sich somit üblicherweise die Frage, ob das neueste Buch gut, sehr gut oder hervorragend ist und für welche Zielgruppe es am Besten geeignet ist.

Er selbst stellt im Vorwort zu diesem Buch klar, dass er mit diesem Buch seine Bücher „Schach verstehen – Zug um Zug“ und „Das Verständnis des Mittelspiels im Schach“ ausführlicher erläutern möchte. Man kann seinen „Schachkurs“ aber auch ohne die anderen Bücher gut lesen und verstehen.

„Schach verstehen – Zug um Zug“ erklärt Großmeisterpartien von Anfang bis Ende ausführlich.

„Das Verständnis des Mittelspiels im Schach“ war eine konzentrierte Darstellung der 100 wichtigsten Mittelspielideen. Sehr knapp dargestellt, jeweils auf 2 Seiten pro Idee.

Hier liefert Nunn in 15 Kapiteln mit nachfolgenden Übungen die Erläuterungen zu seinen Ideen, wobei er entweder ganze Partien oder Partieausschnitte nimmt. Er greift dabei ausschließlich auf Partien von Ex-Weltmeister Lasker zurück. Die Erklärung für diese Auswahl: Lasker war ein hervorragender Spieler (logisch) und er hat seine Eröffnungen nicht stark variiert, so dass die Eröffnungen nicht so viel besprochen werden müssen, schließlich soll das Buch ein Mittelspiellehrbuch sein.

Nunn liefert, wie so oft, an vielen Stellen übersichtliche Erklärungen und Faustregeln, die für eine große Bandbreite von Spielern nützlich sein dürften. Schon beim Überfliegen bin ich an vielen hilfreichen Hinweisen hängen geblieben. Bei eingehenderer Lektüre bekommt man eine gute Vorstellung, warum das vorherige Studium der angesprochenen Vorgängerbücher (siehe oben) den Lerneffekt wohl noch deutlich erhöhen dürfte. Kürzlich noch war für mich Arthur van de Oudeweeterings „Improve your Chess Pattern Recognition“ ein gelungener Komplementär/eine passende Ergänzung zu Nunn´s „Verständnis des Mittelspiels im Schach“. Hier hat Nunn eine sehr gut gegliederte und selbst geschriebene Ergänzung veröffentlicht.

Fazit:

Idealerweise nutzt man alle 3 Bücher nacheinander: Erst Nunn´s „Verständnis des Mittelspiels im Schach“, dann van de Oudeweetering und schließlich dieses Buch. Wer dann nicht ein wirklich deutlich besserer Schachspieler geworden ist, kann es nicht mehr auf die Lehrmittel schieben, sondern nur auf seine/ihre Art, zu lernen…

Sterne4

Dennis Calder

Engagierter Schach-Spüler mit Hang zu salopper und ironischer Ausdrucksweise. Außerdem noch Fide-lizenzierter Trainer (Fide Instructor) und Buch-Rezensent.

Kommentare   

#1 Klaus Fritsch 2015-02-20 12:05
Danke für den Tipp mit Improve Your Chess Pattern Recognition. Habe gerade damit angefangen und es macht einen sehr guten Eindruck.

Die Teilnahme an unserer Kommentarfunktion ist nur registrierten Mitgliedern möglich.
Login und Registrierung finden Sie in der rechten Spalte.