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Es sieht nicht gut aus für Feller

Weder Nakamuras Lauf noch Carlsens Krise, weder Giris frühreifes Spiel noch die laufenden Verhandlungen zwischen London und der FIDE über die nächste WM sind derzeit Gesprächsstoff Nummer eins im Spitzenschach, sondern der Vorwurf des organisierten Betrugs gegen den 19 Jahre alten französischen Nationalspieler Sebastien Feller und die mit ihm befreundeten Arnaud Hauchard und Cyril Marzolo, der dem erstgenannten bei der Schacholympiade zu einer Goldmedaille an seinem Brett verholfen haben soll. Einerseits weil es der Französische Schachverband ist, der den schlimmen Verdacht erst öffentlich gemacht hat. Andererseits weil Betrug mit Computerhilfe, um die es mutmaßlich geht, bisher mit Ausnahme von Onlineturnieren und den unsäglich breit getretenen Schmutzattacken zwischen Topalows Lager und Kramniks Lager bisher eine Sache von Amateuren war und nicht von Großmeistern mit mehr als 2600 Elo, deren ganze Karriere auf dem Spiel steht. Auch wenn sich die Indizien häufen, gilt bis zu einer sportrechlich haltbaren Klärung des Sachverhalts die Unschuldsvermutung. 

Fellers Nationalmannschaftskollegen Fressinet, Romain, Tkachiev und Vachier-Lagrave haben dem Verband öffentlich ihre volle Unterstützung der Untersuchung zugesichert. In einem Videointerview mit Europe Echecs bekunden zwei von ihnen, von den Vorwürfen überrascht zu sein. In Wijk aan Zee macht aber die Runde, dass Vorkommnisse rund um Fellers Partien bei der Schacholympiade schon in Chanti-Mansisk ein Thema waren (wobei für meine Begriffe nur sein kombinatorisch brillanter Sieg gegen Howell verdächtig aussieht). Der französische Verband stellt sich nun zwar gerne als Saubermann dar, wird aber erklären müssen, warum so lange Zeit verstrichen ist, bevor sich die Funktionäre, zumindest offiziell, der Sache angenommen haben. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass eine interne Lösung gesucht wurde und dass wir, hätte Frankreich statt dem zehnten Platz Bronze geholt, nie davon erfahren hätten. Fellers hier bereits veröffentlichtes Statement, das Verfahren gegen ihn sei eine Retourkutsche dafür, dass er Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen des Verbands zur Sprache gebracht habe, dürfte für die Beteiligten nicht überraschend kommen. Die Verbandsführung scheint sich für das öffentliche Waschen schmutziger Wäsche gerüstet zu fühlen. Zumindest erklärungsbedürftig ist auch, warum der Verband nur die Namen der Beschuldigten nicht aber deren Vergehen benannt und zusammen mit der Veröffentlichung keine Beweise vorgelegt hat.

Betrugsvorwürfe gegen Feller gab es schon 2008 nach einem Onlineturnier auf einem Chessbase-Server (von dort stammt der Screenshot über diesem Beitrag). Auch Arnaud Hauchard und Cyril Marzolo sind keine unbeschriebenen Blätter. Vorigen Sommer beim Meisterturnier in Biel berichten Augenzeugen, dass während Hauchards Partie gegen Pelletier Marzolo nebenan mit einem Notebook analysiert habe und wiederholt in den Turniersaal geeilt sei, während Hauchard noch am Zug war. Der Verdacht, dass Züge signalisiert worden seien (ich fand an Hauchards Gewinnführung gegen Pelletiers schwache Partieanlage allerdings nichts Verdächtiges), sei der Festivalleitung überbracht und auch Chessbase mitgeteilt worden, wurde aber erst vor Tagen durch anonyme Kommentare in diesem und einigen anderen Blogs bekannt. Hauchards voller Punkt gegen Pelletier hatte allerdings Bestand, und das Turnier durfte er auch zu Ende spielen. Die Festivalleitung in Biel hat für diesen Sonntag abend eine Stellungnahme angekündigt.

Diese Stellungnahme liegt nun vor. Und sie entlastet Hauchard und Marzolo. Mehr als anonym vorgebrachte Vorwürfe gab es nicht:

Medienmitteilung des Internationalen Schachfestival Biel

 

Drei französische Schachspieler, welche am Meisteropen des Internationalen Schachfestivals im Juli 2010 in Biel teilgenommen haben, werden vom Französischen Schachverband verdächtigt, während der Schacholympiade im Herbst 2010 in Russland betrogen zu haben. Im September 2010 waren dem Organisationskomitee des Bieler Schachfestivals bereits anonyme Augenzeugenberichte übermittelt worden, welche den drei gleichen Spielern vorwerfen, schon in Biel dasselbe begangen zu haben. Von Seiten des Schachfestivals konnte die Sache nicht weiter verfolgt werden, da die Anschuldigungen anonym blieben, viel Zeit vergangen war und keine Beweise vorlagen. In jedem Fall werden die Kontrollen während des nächsten Schachfestivals (16. – 29. Juli 2011) verschärft.

Das Organisationskomitee des Internationalen Schachfestival Biel hat die Mitteilung des Französischen Schachverbands (FFE) vom 21. Januar 2011 Kenntnis genommen. Darin wird erklärt, dass der FFE am 22. Dezember 2010 gegen die Grossmeister Sébastien Feller und Arnaud Hauchard sowie gegen den Internationalen Meister Cyril Marzolo ein Verfahren eingeleitet habe, um den Verdacht «des Betrugs, welcher jegliche sportliche Ethik vermissen lässt und ein schlechtes Licht über die Nationalmannschaft wirft, welche vom 21. September bis 3. Oktober an der Schacholympiade in Khanty Mansiysk teilgenommen hat», zu klären. (Im Wortlaut: «triche organisée, manquement grave à l’éthique sportive, atteinte portée à l’image de l’équipe nationale olympique dans le cadre des Olympiades de Khanty Mansiysk du 21 septembre au 3 octobre 2010.»)

In verschiedenen Artikeln und Interviews, welche auf etlichen Websites erschienen sind, wurde angetönt, dass die drei genannten Spieler einen solchen Betrug bereits am Meisteropen des Schachfestivals 2010 in Biel bereits einmal versucht hätten.

Das Schachfestival Biel nimmt nach entsprechenden direkten und indirekten Anfragen in dieser Sache wie folgt Stellung:

1. Gemäss Mitteilung des FFE wurde die Untersuchung wegen der Vorgänge an der Schacholympiade in Khanty-Mansyik eingeleitet. Bis heute haben wir keine Anfrage des FFE erhalten.

2. Am Meisteropen in Biel im Jahr 2010 haben die beiden GM Arnaud Hauchard und Sébastien Feller tatsächlich teilgenommen. IM Cyril Marzolo hielt sich während einigen Tagen im Kongresshaus auf, ohne jedoch selber am Meisteropen teilzunehmen.

3. Während des Turniers gab es gegenüber den Schiedsrichtern keine direkte und offizielle Klage gegen einen der genannten Spieler. Im Büro des Schachfestivals hat sich zwar jemand gemeldet, der eine „Verdächtigung wegen Absprachen“ geäussert hat. Da solche Verdachtsmomente relativ häufig im Büro vorgebracht werden, aber oft nicht fundiert sind, wurde diese Person angewiesen, mit einem Schiedsrichter Kontakt aufzunehmen. Weder der Hauptschiedsrichter noch ein Mitglieds des Organisationskomitees haben Kenntnis davon, dass jemand einen Schiedsrichter wegen konkreter Verdachtsmomente angesprochen hätte.

4. Es ist selbstverständlich, dass eine konkrete Verdächtigung von einem Schiedsrichter abgeklärt worden wäre.

5. Erst im September, also gut einen Monat nach dem Meisteropen in Biel, wurde uns durch eine Drittperson ein E-Mail mit den detaillierten Aussagen dreier anonymer Augenzeugen übermittelt, welche gegen die drei Spieler den Verdacht des „Betrugs“ äussert. In diesen anonymen Aussagen wird insbesondere von einer bestimmten Partie gesprochen. Der GM, welcher gemäss diesen Aussagen benachteiligt gewesen sei, kann sich jedoch nicht daran erinnern, dass etwas abnormal verlaufen sei.

6. Bis heute sind uns die Namen der drei Zeugen nicht bekannt, zudem wurde der Verdacht erst Wochen nach Abschluss des Turniers erstmals klar geäussert, so dass das Schachfestival im Moment nicht in der Lage ist, zu diesen Verdächtigungen Stellung zu nehmen.

7. Nach Bekanntwerden von Verdächtigungen wurde beschlossen, das Kontrolldispositiv am nächsten Schachfestival vom 16. – 29. Juli 2011 zu erhöhen.

 Internationales Schachfestival Biel, Organisationskomitee, 30.01.2011

 

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