Die Schachbundesliga wirft ihre Schatten voraus

Gut drei Jahrzehnte nach Einführung der einteiligen Schachbundesliga kommt es vom 14.-16. Oktober erstmalig zu einer gemeinsamen Runde aller 16 Vereine. Mit 128 Spielern, davon ca. 100 Großmeistern, unter anderem Weltmeister Anand, wird es die weltweit stärkste Veranstaltung des Oktobers. Das bedeutendste Großereignis des deutschen Schachs (neben dem kleinen Dortmunder Einladungsturnier) seit der Schacholympiade 2008 findet mit der RWE-Sporthalle in Mülheim einen repräsentativen Austragungsort. Ein breites Rahmenprogramm soll ebenfalls dazu beitragen, die Zuschauer zu begeistern. Neben einer Livekommentierung macht eine Simultanvorstellung Viktor Kortschnois die Veranstaltung zu einem Erlebnis für jeden Schachliebhaber. DETAILS

Licht und Schatten

Nicht alles läuft jedoch so, wie ich es mir wünschen würde. Der Schachbundesliga e. V. überträgt die Partien kostenlos live auf der eigenen Website und kannibalisiert somit die grandiose Veranstaltung. Anscheinend traut man es sich nicht zu, genügend Zuschauer für einen einzigartigen Schachevent begeistern zu können, denn auch der Eintritt vor Ort ist frei. Für mich völlig unverständlich – offenbar schätzen die Veranstalter den Wert der Darbietung als gering ein. Dabei erfordert die Organisation unzweifelhaft erheblichen finanziellen und personellen Einsatz. Ich kann mir kaum vorstellen, dass andere Sportarten Weltklasseveranstaltungen zum Nulltarif bieten.

Dass es möglich ist, Zuschauer zu finden, erlebte ich als Mannschaftsführer der Stuttgarter Schachfreunde und Mitorganisator einer BL-Runde in Stuttgart im Jahr 2002. Zu Gast waren mit Castrop-Rauxel und Wattenscheid nicht die attraktivsten Mannschaften, doch unser Reisepartner Baden-Baden mit Anand&Co. machte dies mehr als wett. Ohne großen Vorlauf fanden rund 500 Zuschauer den Weg zu dem leicht außerhalb liegenden Veranstaltungsort.

Was wäre mit entsprechender Bewerbung einer Spitzenveranstaltung möglich? Doch hier krankt es im Schach erheblich. Wir schaffen (bzw. versuchen) es gar nicht, die große Masse der Spieler unter 1800 zu erreichen und für Schachveranstaltungen zu begeistern. Werbung und Vermarktung scheint unnötig oder verpönt. Auch Mülheim hätte mich nicht gefunden, wenn ich es nicht gesucht hätte…

Aber egal – ich bin trotz allem dabei.

Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

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