Der unendlich Verlängerte

„Sein Name war Wowbagger der Unendlich Verlängerte. Er war ein Mann mit Vorsätzen. Nicht sehr guten Vorsätzen, wie er als erster zuzugeben bereit gewesen wäre, aber es waren wenigstens Vorsätze, und sie hielten ihn wenigstens in Trab. Wowbagger der Unendlich Verlängerte war - das heißt, ist einer der ganz wenigen Unsterblichen im Universum. Diejenigen, die unsterblich geboren werden, wissen instinktiv, wie sie damit fertig werden, aber Wowbagger gehörte nicht zu ihnen. Im Grunde hasste er sie inzwischen, dieses Rudel heitergelassener Arschlöcher.“ (Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, 1980).

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Der Präse sammelt fleißig Punkte. Bei mir. Aber das will nichts heißen, ich hatte ihm das eh zugetraut. Wir kennen uns seit 22 Jahren. 19 davon als Präsident des saarländischen Schachverbandes, sehr viele der Jahre alsLandesmeister (20 Titel), acht Jahre darunter in der Zusammenarbeit im saarländischen Präsidium und sechs der 22 Jahre in seiner Rolle im Arbeitskreis der Landesverbände.

Wie oft ich an seiner Stelle den Griffel hingelegt und aufgegeben hätte, kann ich gar nicht mehr zählen. Der Mann ist schier unverwüstlich, voller Energie, gibt niemals auf - und wiederholt beherzt seine Fehler.

Das macht ihn zu einem unendlich Verlängerten. Im saarländischen Präsidium reichte es bisher nie, in den Landesmeisterschaften selten für einen Konkurrenten. Bastian arbeitet einfach alles weg.


Im derzeitlichen Neuanfangen, Interviewen, Sortieren und Ordnen geht einem leicht der Blick fürs Wesentliche verloren. Vor allem wenn man in seiner Sicht der Dinge so fest verstrickt ist, dass einem kaum Raum zum Reflektieren bleibt. Der neugewählte Präsident des DSB hat in den letzten Wochen zwei sehr bemerkenswerte Interviews und ein Statement zum Status Quo auf der DSB-Seite hinterlassen, in denen es außerordentlich deutliche Aussagen gab. Hier ist der Textmarker:


Am 14. Juni veröffentlichte die Deutsche Schachjugend auf ihren Internetseiten ein Interview während der Jugend-Meisterschaften in Oberhof. Dort antwortet Bastian auf die Frage der Zusammenarbeit zwischen DSJ und DSB: „Wir wissen alle, dass es in der Vergangenheit Spannungen zwischen der DSJ bzw. Jörg Schulz und DSB-Funktionären gab. Unser ausgeschiedener Präsident hat schon auf dem Kongress in Bonn gesagt, dass er die Stirn nicht in Falten legt, wenn er den Namen Jörg Schulz hört, und so sehe ich es auch. An dieser Front muss endlich Ruhe einkehren…“

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Die Betonung liegt hier auf „Alle“ in „Wir wissen alle…“ . Nein, es wissen eben nicht alle und es gehört Mut dazu,  dies einfach mal auszuplaudern. Der Berufsjugendliche und DSJ-Geschäftsführer Schulz, zugleich  stellvertretender Geschäftsführer im DSB, hat es sich über die vielen Jahre seines Wirkens mit so vielen  verdorben, dass ich es für ein Paradoxon halte, dass der Mann überhaupt noch mitmachen darf.

Genau  genommen fällt es mir schwer zu glauben, dass es auch nur einen einzigen gibt, der mit ihm auskommt – mal  abgesehen von DSJ-Funktionären, die von seiner Machtfülle profitieren und damit im Abhängigkeitsverhältnis  stehen. Denn Schulz zieht nicht nur seit Ewigkeiten die Fäden beim DSB und der DSJ, er ist auch in Dutzenden  anderer Funktionen ausgezeichnet vernetzt. Nachfolger von Horst Metzing als Geschäftsführer wird er  indessen nicht werden – dort strebt jetzt der umtriebige Schatzmeister Michael Langer hin, nachdem  zwischenzeitlich der Bundestrainer im Gespräch war.

Dass solch ein Satz mit dem Namen Schulz überhaupt mal ausgesprochen wird, war bisher fernab jeder  Realität. Dazu muss man wissen, dass im DSB zwar von jeher kreuz und quer intrigiert und übel nachgeredet  wird, dies aber nie öffentlich. Selbst der Autor dieser Zeilen hielt sich an den Ehrenkodex, so lange er im Amt war.

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Zur Frage nach dem neuen Partner Honorar Konzept antwortet Bastian: „Den Vertrag kenne ich noch nicht im Detail“. Auch dazu gehört Mut – und das meine ich durchweg positiv. Meine Gegenfrage würde lauten: „Wer kennt den Vertrag überhaupt“? In meiner Zeit als Referent im Deutschen Schulz Schachbund gab es außer den üblichen Allgemeinfloskeln und Presseerklärungen keine Auskunft. Aber es muss ein verdammt mächtiger Vertrag sein, wenn eine Partnershipfolie so aussieht wie hier unten. Reden wir von Hunderttausenden Euros?:

Sponsorenwand


Im Schachmagazin 64 sagt Bastian, er begrüße die Wahl von Weizsäckers zum  Ehrenpräsidenten, hat aber „trotzdem volles Verständnis dafür, dass eine  solche Entscheidung langjährig verdiente Funktionäre durchaus irritieren kann“.  Betrachtet man rückwirkend den Verlauf des Bundeskongresses in Bonn und  kennt man den Unterschied im Umgang der DSB-Funktionäre miteinander (wer  Macht hat wird beachtet, wer keine hat ignoriert) – dann wird diesen scheinbar  nebenbei ausgesprochenen Worten eine weisheitliche Würde zuteil, wie sie  ihresgleichen sucht. So bricht Bastian auch in anderen Textstellen mit Tabus,  die bisher kaum definiert waren.

Zum Beispiel einfach mal auszusprechen,  dass sich die Topspieler „bei öffentlichen Äußerungen benehmen müssen“, ist  gleichermaßen profan wie absolut notwendig.

Der Neugewählte ist auch auf der DSB-Internetseite ein Mannschaftsspieler. Keiner der drei letzten Präsidenten  (Schlya, Kribben, Weyer – Weizsäcker war ja de facto untätig und hat das Führen des Verbandes seinen  Stellvertretern überlassen) hat es geschafft, einmal das zu unterstreichen was bisher geleistet wurde und wie  diese Lücken zu füllen sind. Im Artikel vom 01. Juli analysiert Bastian die Spuren, die von den ausscheidenden  Präsidiumsmitgliedern hinterlassen wurden.

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Und zwar überlegt, deutlich, genau und wahrheitsgemäß. Auch hier  stehen überraschend klare Aussagen, auch wenn zu beobachten ist, dass kritische Worte erst nach unten gelesen  zunehmen und oben an der Pyramidenspitze eher mal was Schlagsahne obenauf liegt, die da nicht hingehört.

Der Mann spricht in aller Regel aus, was er denkt. Dafür wird er im DSB noch viele Ohrfeigen kassieren. Das ist aber  immer noch besser, als die Versuche sich wie ein Klon eines aalglatten Politikers zu präsentieren. Die Wetten stehen  gut, dass der unendlich Verlängerte durchhält. Quod erat demonstrandum? Demnächst in diesem Theater…

Klaus Jörg Lais

Saarländer, Schachspieler, Immobilienkaufmann, später Systemadministrator, dann Marketing und Journalismus. Schachspieler seit 1989, Vereinsmitgründer des Saarbrücker Gambit 89, Spielersprecher im saarländischen Schachverband 1992-1996 und Referent für Öffentlichkeitsarbeit 2001 bis 2005, danach Presse und ÖA im Deutschen Schachbund bis 2011, Presseleiter der Schacholympiade 2008 für die Landeshauptstadt Dresden. Lebt (sehr gerne) seit 2010 in Berlin.

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