Heute ist es soweit - die Fußball-WM im heißen Brasilien beginnt! Nun ist Fußball ja schon seit langem der schüchterne kleine Bruder des Schachs, und als solcher durchaus kurios, was die Spielidee anbetrifft - man läuft bei diesem „Sport“ mit einem Ball umher und schießt ihn in einen Kasten. Dieser eigenartige Balltätigkeit konnte selbstverständlich bislang noch nicht das Medieninteresse erlangen, den unser königliches Spiel spätestens seit Magnus Carlsen und Emanuel Lasker innehat. Trotzdem möchten wir helfen, dem aufstrebenden Fußballsporte unter die Arme zu greifen und ihn aus seiner stiefmütterlichen Existenz zu befreien. Gerne verlinken wir daher auf Anfrage der FIFA (das ist der Weltverband der Fußballer – ja, auch so etwas gibt es) hier bei Schach-Welt.de zum Turnier der Fußspezialisten, welches offenbar heute abend beginnt.
Sogar, so hörten wir mit Erstaunen, wird eine deutsche Équipe über den großen Teich geschickt, elf Spieler an der Zahl, dazu offenbar ein eigener Trainer, ein Busfahrer und noch einige Betreuer mehr. Selbst einen Pressesprecher gibt es, der den Journalisten sagt, was sie schreiben sollen – ein gutgemeinter Service. Allein, wir wissen, dass ein Sport kein Publikumssport werden kann, wenn das verehrte Publikum elf Spieler zugleich im Auge behalten soll, die alle auch noch zur selben Zeit über einen riesigen Platz eilen. (Hinzu kommen noch elf gegnerische Spieler.) Wie ungleich zuschauerfreundlicher ist da doch unser schöner Schachsport – beide Spieler scharen sich um ein überschaubar großes Brett, und sie laufen auch nicht in kurzen Spurts mit Bällen durch die Gegend. Alles ist hübsch rational beim Schach, und es leuchtet unmittelbar ein, dass es dadurch für Zuschauer aller Altersstufen deutlich einladender und weniger kraftraubend ist, wenn sie nicht elf, sondern nur vier Akteuren folgen müssen - so wie bei den Spielen unserer Schach-Nationalmannschaft.
Der Hamburger Schachklub hat mit dem HSV im HSK sogar eine eigene Fußballsparte -
kommerziell ist diese aktuell leider aber nur wenig erfolgreich
Trotz aller Marketing-Bemühungen des DFB ("Deutscher Fußball-Bund") steht aber zu befürchten, dass auch diese WM im schönen Südamerika in den einschlägigen Medien (Weserkurier, Chessbase, Schach-Ticker, Schachfeld.de) gar nicht oder, wenn es ganz schlecht läuft, kaum repräsentiert sein wird. Fußball ist und bleibt offenbar ein Randsport, wie so viele Sportarten in Deutschland, die trotz erheblichen Engagements von der breiten und sportinteressierten Masse eher als exotisch wahrgenommen werden.
So haben beispielsweise die deutschen Handballsportler (eine Disziplin, bei der man einen Ball in die Hand nimmt, um ihn in einen Kasten zu werfen) in diesem Jahr sogar einen weiteren internationalen Titel ins Land geholt – die SG Flensburg-Handewitt gewann gegen den THW Kiel im Finale der Champions League. Aber ach, all diese Mühen waren vergebens, denn was taten die deutschen Sportfreunde in Ost und West? Man sah sie draußen in den Gärten sitzen und Schach spielen, sogar trotz einiger Regenschauer, und die Handballsportler wurden elegant ignoriert.
In Deutschland hat die Liebe zum Schachsport offenbar eine unerschütterliche Basis – die Fans möchten keine Bälle, die über einen Rasen gerollt werden, nein, das sporthungrige Publikum will seine Großmeister am Brett sitzen sehen und fordert die sizilianische Eröffnung, gefolgt von einem gepflegten Königsangriff, bei dem die Figuren nur so hin und her geopfert werden. Auch ein flottes Turmendspiel über mehrere Stunden, bei dem man minütlich die Luft anhalten muss, um es rein nervlich überhaupt durchstehen zu können, lockt die hiesigen Sportfreunde seit jeher verlässlich vor die Bildschirme.
Das wollen die zahlenden Fans sehen - Dramatik am Schachbrett schon nach wenigen Zügen
Und so werden wohl auch bei der heute beginnenden Fußball-Weltmeisterschaft die Schachlokale wie immer prall gefüllt sein mit Anhängern des königlichen Spiels, die nicht etwa einem Fußballer wie Lu-Lu-Lukas Podolski beim Laufen zusehen wollen – nein, sie möchten dabei sein, wie Simen Agdestein in Stavanger gewinnt, oder (demnächst) Baden-Baden den 25.deutschen Meistertitel holt.. (Agdestein, der Exot – dereinst war er norwegischer Nationalspieler im .. Fußball (!), doch schon bald kam er wieder zurück auf den Pfad der Tugend und widmete sich, so wie es sich gehört, dem Schachsport.)
Es ist eine harte Wahrheit, doch auch davor wollen wir uns hier im Blog nicht verschließen – im schnelllebigen Nachrichten-und Unterhaltungsgeschäft wird der Fußballsport mittelfristig keine Chance haben. Zu unüberschaubar allein die Anzahl der Spieler auf dem Platz, und zu stark die Konkurrenz durch Turnierschach, Blitzschach, und ja, sogar durch das altehrwürdige Problemschach.
Doch wer möchte, kann ja mal reinschauen und zur Abwechslung, aus Neugier, Langeweile oder Solidarität heute einmal Fußball gucken. Es soll dem Vernehmen nach ganz kurzweilig und leicht verständlich sein, doch ist das natürlich kein wesentliches Kriterium für einen attraktiven Zuschauersport.
Die erste Begegnung heute abend wird ausgetragen zwischen Brasilien und Kroatien. Die Partie beginnt mit dem sogenannten Anpfiff um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Doch welch ein Unglück für den Fußballsport– ausgerechnet um diese Uhrzeit sitzen die meisten von uns wohl gerade fröhlich beim Vereinsabend!
In einigen Ländern haben es Fußballer sogar schon auf Briefmarken geschafft: hier ein Motiv eines "Torhüters" aus dem Jahr 1982. Der dargestellte Fußballer heißt Sepp Maier - nicht zu verwechseln aber mit FIDE-Meister Falko Meyer vom Zweitligisten SK Norderstedt. Foto: R.Engelhardt
Kommentare
Spanien unterstützt jetzt auch Schach - weil man max. 0-1 verlieren kann
p.s.
Da ja Schach von vielen noch nicht als Sport akzeptiert wird, schlage ich hiermit vor, die Mannschaftsstärke auf 11 zu erhöhen, um die Affinität zu einer anderen sehr populären Sportart herzustellen.
Ein sehr schönes Spiel, Glückwunsch an die Niederlande (hup!) - schade nur, dass es kaum jemand mitbekommen wird, weil die Zeitungen im Sportteil wieder nur vom GM-Turnier in Stavanger berichten werden.
Darum hier nochmal alle Tore (hey hey hey):
http://www.sueddeutsche.de/sport/niederlande-sieg-gegen-spanien-geniessen-geniessen-geniessen-1.2000345-2
Ja,ja, an 6 Brettern spielen bei uns nur die unterste Klasse und die Kinder.
Alle Kommentare dieses Beitrages als RSS-Feed.