Alles wird gut - wir müssen nur üben

Der Weltmeister fuhr zum Training manchmal an die Nordsee! Der Weltmeister fuhr zum Training manchmal an die Nordsee! O.St.
Doping beim Schach ist, wenn man vorher übt - so ungefähr schrieb es einmal Oswald Roggental im Kommentarbereich der schach-welt ("Trainieren ist Doping, wirklich Nachdenken beim Spielen ist Cheating!:-)").
Wir meinen: ein bisschen Doping kann ja nicht schaden, und obwohl wir Oswald schätzen und er bestimmt Recht hat, wollen wir durch kleine Trainingseinheiten unsere Aussichten beim nächsten schachlichen Wettstreit gerne ein wenig verbessern. Vielleicht lohnt sich ja die Mühe - und durch gelungene Schachzüge erhöhen wir dann auch gleich noch die Freude an unserem Hobby . So meinte denn auch ein sympathischer Schachfreund in Kiel vor vielen Jahren, dass er durch gutes Training nun schon die ersten neun Züge seiner Partien fehlerfrei spielen könne. Zu seinem Pech blieben danach aber immer noch genügend Züge übrig für (eigene) Fehler.
Vom Trainer lernen heißt Siegen lernen
Wie kann man also üben? Kann man eigentlich üben? Und wie verbessert man seine Spielstärke oder ganz allgemein das Verständnis für das Spiel?
Die unschöne Antwort lautet: ich weiß es auch nicht. In vielen Jahren hat sich Training bei mir (so wie bei vielen anderen auch) eher zufällig abgespielt, ganz nach Interesse und danach, wo die Not am größten war. Hier und da schnappte ich mal was auf zum Thema Turmendspiel, Positionsspiel oder Bauernführung, und nur manchmal habe ich es vertiefen können - oder wollen.  
(Ob diese Art von Training aber wirklich empfehlenswert ist? Die 2 Punkte, die ich aus den letzten 9 Liga-Partien holen konnte,  deuten leider etwas anderes an .....)    
 Ich finde es gar nicht so leicht, den Trainingseifer immer am Köcheln zu halten - da gehört schon einiges dazu, und die echten Schachprofis werden erst einige harte Stunden im einsamen Studierzimmer verbringen müssen, ehe sich ein greifbarer Effekt daraus ergibt. Und im Leben müssen (oder wollen?) wir ja auch noch andere Dinge tun als Schachspielen. 

Weil die Zukunft immer näher kommt, bannersr400anzkönnen wir heute schon mit  dem PC trainieren, mit Software und mit DVDs. Das alles sind gute Ideen und motivierende Medien. Bei mir liegen oft auch noch ganz klassisch überall Bücher herum, mit Taktikaufgaben, oder mit Eröffnungen, und in der Satteltasche für unterwegs fährt immer "A Practical Guide to Rook Endgames"  von Nikolay Minev mit. (Nicht, dass ich den Inhalt schon gut begriffen habe - ich erwähne es hier nur, damit nur ja niemand gegen mich ins Turmendspiel geht!)
Oft hilft es auch sehr, einen Trainer oder Coach zu haben, der mit uns Partien durchgeht und auch die psychologische Seite des Spiels anspricht. Wir kennen das ja alle: durch handwerkliche Mängel oder übereilte Entscheidungen am Brett sind schon viele schöne Stellungen verdorben worden - ein Coach kann da helfen. Wenn es ein guter Freund oder Mannschaftskollege ist, der einen aufmerksam macht oder auch nur die Partien mit durchspricht, kann der Effekt ähnlich positiv sein.

Ohne ein gediegenes Training für Turmendspiele, Positionsfeinheiten und Eröffnungen wird es im Schach nicht gehen. Doch auch wenn wir uns in all diesen Bereichen stählen - die ernüchternde Wahrheit ist, dass am Ende des Tages wahrscheinlich dann doch immer wieder und vor allem die Taktik zählt. Für Ästhetiker mag das nicht schön sein. Doch man kann machen, was man will - es kommt immer der Zeitpunkt, an dem hart gerechnet werden muss:
 "Nobody can manage without calculation in chess, and it is precisely calculation and tactics which decide most games. [...] ...very often the winner is not the player whose position is superior (or [..] even winning), but the one who is able to calculate better at the crucial moment."
(Valeri Beim, How to Calculate Chess Tactics)
  
ritterSo wie es früher die Bayern waren, die ihre Fußballspiele durch glücklich hereingekegelte Tore am Ende noch  gewannen, so werden im Schach viele, viele, wirklich viele Partien durch plumpe taktische Tricks entschieden. Wer weiß - vielleicht ist Schach letztlich doch zu 80% Taktik und zu 15% Glück? (Und zu 5% pünktliches Erscheinen zum Spielbeginn - neuerdings.) Zumindest kommt fast in jedem Spiel der Moment, wo es dramatisch wird und der bessere Rechner eine Partie noch drehen kann.
 Weil das so ist, möchte ich hier auf die kleine Homepage ideachess.com hinweisen, die von Italien aus in die Welt gesendet wird und einen reichen Schatz an Taktikaufgaben und der Suche nach dem Matt in eins, zwei, drei, vier Zügen bietet. Dieses Konzept ist im Internet nicht ganz neu, mir gefällt dort aber besonders, dass auch alternative Lösungen akzeptiert werden, die ursprünglich nicht vorgesehen waren - ein Computer summt im Hintergrund mit und bewertet die vorgeschlagenen Züge. Um seinen Kopf mit Schachaufgaben warm zu halten, kann man auf dieser feinen Seite immer wieder die Sinne schärfen - und in der nächsten Partie im Verein eine kleine taktische Wendung noch schneller entdecken. Große Empfehlung, für den guten Trainingseffekt! Wenn man es als kleinen Wettbewerb gegen sich selbst arrangiert und versucht, von zehn Aufgaben zumindest sechs oder sieben passabel zu lösen, ist das Ganze vielleicht gleich etwas spannender. Ein Trainingseffekt kann sich dann schon nach ein paar Tagen bemerkbar machen.

 
  matt in vier bei www.ideachess.com                                                                         
Wo ist das Matt in vier Zügen? (Quelle: ideachess.com)

Der Königsweg für erfolgreiches Training besteht vielleicht also darin, jeden Tag immerhin ein bisschen was zu lesen, ein bisschen zu  spielen, und sich mit anderen auszutauschen - wenn man sich die Zeit dafür nehmen will oder kann. Das mag schon helfen, um geschmeidig zu bleiben beim Rechnen, um dazuzulernen und den Spaß am Spielen zu behalten - vor allem auch, damit es nicht langweilig wird!
Ich bitte um Nachsicht, denn ein richtiges Trainingskonzept ist das sicherlich noch nicht. Aber wenn die Partie deshalb schief läuft - vielleicht können wir uns dann am Ende ja noch durch unschöne taktische Tricks retten ... (siehe oben - auch wenn´s nicht nett ist!)
 
Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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