Stellungnahme Falko Bindrichs zum Betrugsvorwurf

Falko Bindrich Falko Bindrich stefan64

Wo fängt es an, wo hört es auf?

Liebe Schachfreunde,

hiermit möchte ich eine Stellungnahme zu den Geschehnissen am 1. Bundesliga-Wochenende der Saison 2012/2013 in Mülheim geben.
Der Struktur halber und um den bei den Geschehnissen nicht anwesenden Lesern die Möglichkeit zu geben einen umfassenderen Überblick zu erhalten, werde ich chronologisch vorgehen.

Am Samstag zur 1. Runde spielten wir gegen Mülheim. Mülheim trat stark an, mit der beinahe besten Aufstellung 2-9, was für mich bedeutete gegen den russischen Großmeister Tregubov (2601) anzutreten. Gegen den ehemaligen Europameister hatte ich mich, neben 3 anderen Spielern Mülheims, vorbereitet. Obwohl ich seit einem Jahr aus beruflichen Gründen kein Turnier mehr gespielt habe, bin ich dennoch motiviert mein Bestes für die Mannschaft zu geben und mich professionell vorzubereiten. Die Partie lief wie geplant, ich hatte vor 3 Wochen in der höchsten Schweizer Liga, der Nationalliga A, gegen Großmeister Istratescu (2650) exakt dieselbe Variante auf dem Brett. Leider verwechselte ich dort die richtige Zugfolge und kam über ein Remis nicht hinaus. Bei der nachträglichen Analyse jener Partie erinnerte ich mich an die Partie Jobava-Kunin aus der österreichischen 1.Bundesliga, bei der ich anwesend war und in der Weiß erstaunlich mühelos gewann. Also wiederholte ich genau diese Partie bis etwa Zug 20, auch das Qualitätsopfer mit bxa5 war zuhause schon analysiert. Nach dem Erzielen des Vorteils spielte ich aber nicht optimal weiter, was jeder Schachfreund zuhause beim Nachspielen der Partie nachvollziehen kann. Dennoch fand ich eine gute Position nach der Zeitnotphase und konnte die Stellung weiter verstärken und die Partie entscheiden. Dadurch gewannen wir auch den Mannschaftskampf denkbar knapp mit 4,5 zu 3,5.
Nach dem Sieg gegen Pavel Tregubov, zögerte dieser mir die Hand zu geben und tat sehr beleidigt.

Am Sonntag spielten wir gegen Katernberg. Ich spielte gegen Sebastian Siebrecht. Nach einer Stunde war ich das 2. Mal auf Toilette (es war Sonntag morgen, ich denke es ist üblich dass man nach dem Frühstück auf Toilette geht?!) und dem nachzugehen, was man auf Toilette macht. Die Behauptung, dass ich aufstand während ich am Zug war um auf Toilette zu gehen, ist schlicht falsch. Dies können anwesende Zeugen beweisen. In meiner mehr als 15-jährigen Schachkarriere habe ich das noch nie getan. Wenn mein Gegner während ich auf dem WC bin einen Zug macht, bin ich ja logischerweise dann am Zug. Dies passiert bei jeder Schachpartie, es sei denn die Spieler bleiben die ganze Zeit am Brett sitzen. Außerdem war ich sicher nicht der einzige, der am Samstag innerhalb von 6 Stunden 4 Mal und am Sonntag 2 Mal innerhalb einer Stunde auf der Toilette war (ich bin 3 Mal aufgestanden, das erste Mal kurz nach Beginn der Partie auf Toilette, das zweite Mal um mir etwas zu trinken zu holen, und das dritte Mal nach dem 9. Zug).
Warum wurde gerade ich untersucht? War ich damit schon der „Spitzenreiter“ im auf-Toilette-gehen?
Nach dem WC-Besuch wollte ich an mein Brett zurückkehren, wurde jedoch vom Schiedsrichter Dieter von Häfen daran gehindert. Der Aufforderung meine Taschen zu leeren und mein Handy der Durchsuchung freizugeben, kam ich nicht nach, ich weigerte mich ausdrücklich.

Der Vorwurf:

bannerostsee300Mir wurde am Sonntag vorgeworfen meine laufenden Partie gegen GM Sebastian Siebrecht auf einem Handy analysiert zu haben. Bereits am Samstag, während meiner ersten Partie gegen GM Pavel Tregubov, hat mich Schiedsrichter Dieter von Häfen, laut seiner eigenen Aussage, mehrmals auf die Toilette verfolgt, auf Drängen meines Gegners Pavel Tregubov (wovon weder ich noch mein Mannschaftsführer erfuhren!). Er hat dabei aber keinerlei auffälliges Verhalten feststellen können, weshalb er auch nichts unternahm. Dadurch sind alle möglichen Vorwürfe bezüglich der Partie gegen GM Tregubov hinfällig.

Die Partien:

Meine Partie gegen Tregubov war keine Glanzleistung, ich habe viele Ungenauigkeiten gespielt, die meinen nach der Eröffnung entstandenen Vorteil fast wieder zunichte gemacht hätten. Wer die Partie mit den Engine-Bewertungen auf schachbundesliga.de nachspielt, wird verstehen dass hier definitiv kein Computer gespielt hat, sondern ein normaler Großmeister.
Ist es eigentlich so unwahrscheinlich, dass ein Großmeister mit 2530 Elo mit Weiß gegen einen Großmeister mit 2600 Elo gewinnt?

Meine Partie gegen Sebastian Siebrecht verlief ebenfalls unspektakulär. Die Partie dauerte insgesamt 10 Züge und ca. eine Stunde, bevor sie abgebrochen wurde. Ich habe mich während der gesamten Partie weder auffällig verhalten noch habe ich das Brett verlassen während ich am Zug gewesen bin. Diese Unterstellung ist schlichtweg falsch und frei erfunden.

Zusammenfassend ist ganz klar festzustellen, dass in keiner meiner beiden Partien ein klarer Hinweis auf Enginezüge zu finden ist, ganz im Gegenteil!

Toilettengänge und Verfolgung meiner Person:

Zu der Frage, dass ich häufig auf Toilette war, kann ich nur sagen, dass dies nicht stimmt, wobei geklärt werden muss, was der Begriff „häufig“ eigentlich heißt. Gibt es eine vorgegebene, regulierte Anzahl, wie häufig man auf Toilette gehen darf? Wie aus dem Bericht von Schiedsrichter von Häfen hervorgeht, der meine Toilettengänge dokumentiert hat, waren es genau 4 Mal in einer Spielzeit von 6 Stunden und mit einer Durchschnittszeit von 1-2 Minuten, wobei ich zwischenzeitlich für 3 Stunden gar nicht aufgestanden bin. Diese Dokumentation geschah unter anderem durch das wiederholte Verfolgen und Beobachten von Schiedsrichter von Häfen, ich zitiere wörtlich aus dem Bericht des Schiedsrichters von Häfen, bezüglich meiner Partie am Samstag gegen Pavel Tregubov:
„ Etwa eine Stunde später ging Falko Bindrich das nächste Mal Richtung Toilette und wieder folgte ich ihm mit einem gewissen Abstand. In der Toilette war kein Mensch. Lediglich eine Kabine war belegt. Ich ging in die Nebenkabine, schloss ab und versuchte an der Wand zu hören, welche Geräusche Bindrich in seiner Kabine machte. Etwa eine Minute später ging die Toilettenspülung. Ich verließ nun auch meine Kabine und am Waschbecken standen wir dann wortlos nebeneinander“

Am Sonntag wurde die Art und Weise, wie ohne mein Wissen meine Toilettengänge überwacht wurden, auf ein neues Level gehoben. Ich zitiere wieder wörtlich aus dem Bericht von Schiedsrichter von Häfen:
„Eine Viertelstunde später war er wieder weg. Nun wurde es mir endgültig zu viel und ich ging wieder Richtung Toilette. In der Zwischenzeit hatte auch Sebastian Siebrecht mitbekommen, dass etwas an dem Verhalten von Falko Bindrich merkwürdig war. Er (Sebastian Siebrecht) holte mich kurz vor der Toilette ein und sprach mich an. Ich sagte ihm, dass mir das Verhalten auch aufgefallen wäre. Gemeinsam gingen wir schweigend in die Toilette. Falko Bindrich war wieder in einer Kabine. Sebastian Siebrecht legte sich auf den Boden, um sich die Fußstellung anzusehen. Schweigend verließen wir wieder die Toilette. Vor der Toilette sagte er mir, dass die Fußstellung nichts erkennen ließe, ihm aber das Verhalten von Bindrich vor dem Hintergrund des erwähnten Vorfalls mit Natsidis suspekt sei. Er (Sebastian Siebrecht) forderte mich auf eine Taschenkontrolle durchzuführen.“


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schiedsrichter von Häfen und mein Gegner Sebastian Siebrecht, selbst bei gemeinsamem Verfolgen auf die Toilette, keinen Anhaltspunkt für ein verdächtiges Verhalten meinerseits finden konnten. Dieses Verhalten der beiden bestätigt in meinen Augen meine Unschuld. Dennoch ließ sich der Schiedsrichter auf Aufforderung meines Gegners Sebastian Siebrechts dazu bewegen, meine Taschen zu kontrollieren.

Übrigens, aus menschlicher Sicht, wie weit sind wir gekommen? Verfolgen und Ausspionieren, Abhorchen auf der Toilette. Der Schiedsrichter horchte mich bei meinem Stuhlgang ab und
Sebastian Siebrecht legte sich sogar auf den Toilettenboden.

Wer möchte bei einem Wettkampf dabei sein, den so ein Schiedsrichter leitet oder möchte gegen Gegner mit dieser Einstellung spielen?


Ich möchte noch einmal klarstellen, dass ich vom Schiedsrichter nicht wegen Handybetruges genullt worden bin, sondern wegen der Verweigerung einer Durchsuchung meines Handys.

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Die Gründe dafür sind vielschichtig. In erster Linie sehe ich es als direkten Einbruch in meine Privatsphäre. Ich kann niemandem, wirklich niemandem, Zugriff auf mein Handy erlauben; ich habe darauf neben meinen privaten Daten (sehr private Bilder und Nachrichten) auch empfindliche geschäftliche Daten gespeichert. Diese musste ich schützen. Eine Freigabe dieser Daten würde mich meinen Job sowie wichtige Beziehungen kosten. Dieses Risiko konnte ich nicht eingehen. Es ist richtig, ich habe, wie viele Schachspieler, eine App auf der Schachanalysen gespeichert sind, darunter auch eine nachträgliche Analyse meiner Partie gegen Tregubov, die ich am Samstagabend nach Beendigung meiner Partie im Hotelzimmer angefertigt habe.
Meines Wissens darf man sein Handy mitführen, solange es ausgeschaltet ist, was es auch immer war.
Von Schiedsrichter Dieter von Häfen wurde ich nicht im Detail darüber aufgeklärt wie die Durchsuchung meines Handys ablaufen soll. Darf er meine gespeicherten Dokumente lesen, meine Telefonkontakte einsehen? Verpflichtet er sich diese Daten an niemanden weiterzugeben? Diese Punkte wurden mir nie erläutert, weshalb ich von einer Freigabe meines Handys ausdrücklich Abstand nahm.

Zweitens finde ich mich als Unschuldiger in einer Lage wieder, mich erst „ausziehen“ zu müssen, um meine Unschuld zu beweisen. Das ist für mich prinzipiell nicht akzeptabel. Rechtsstaatlichkeit ist für mich ein höherer Wert. Hier stellt sich auch die Frage, wo fängt es an, wo hört es auf? Erst durchsuchen wir die Taschen, die Jacke, das Gepäck. Schiedsrichter hören Spieler beim Stuhlgang ab, Spieler legen sich auf den Toilettenboden. Was kommt als Nächstes? Leibesvisitationen? Von wem gehen diese Regeln aus? Von der FIDE initiiert und von einigen nationalen Verbänden noch verschärft, übernehmen die Funktionäre, von den Medien geduldet, die Kontrolle über das Spiel, nehmen den Spielern die Unschuldsvermutung, verlassen den rechtsstaatlichen Rahmen, und alles in allem, verderben vielen Spielern, vor allem aber Amateuren, die der Kern jeder Sportart sind, die Freude am Spiel! Wer braucht wirklich Null-Karenz? Wer will dass seine Taschen, Jacke und Koffer durchsucht werden? Zum Glück begleiten uns Menschen-und Bürgerrechte im Großteil unseres Lebens, aber beim Schach sollen wir darauf verzichten?
Diese neue Regel gibt den Schiedsrichtern, theoretisch, die Chance jeden beliebigen Spieler zu untersuchen und schikanieren, da ja bereits 2-maliges auf-Toilette-gehen als „begründeter Verdacht“ zählt!
Drittens wusste ich nicht, wer mich während der Partie gegen GM Sebastian Siebrecht beschuldigt. Es hieß, diese Anschuldigungen kommen aus dem Team Mülheim. Warum stand derjenige nicht persönlich dazu, mich angeschwärzt zu haben? Dies ist ein weiterer Punkt, jeder kann jeden anonym beschuldigen, und es gibt keine Konsequenzen. In einem rechtsstaatlichen Rahmen wäre so etwas nicht durchsetzbar! Erst jetzt, nach dem Wettkampf, erfahre ich aus dem Bericht des Schiedsrichter, dass es neben Pavel Tregubov, Daniel Fridman und Daniel Hausrath am Samstag, am Sonntag zusätzlich Sebastian Siebrecht war. Dieser hatte aber während des gesamten Vorfalls und auch nach der Entscheidung des Schiedsrichters, und selbst bei einem kurzen Gespräch mit mir im Anschluss an diese Entscheidung, nicht die Courage mir gegenüber zuzugeben, dass er derjenige war, der mich beschuldigte.

Zum Motiv und zum Ablauf:

Weiters stellt sich die Frage nach dem Sinn? Warum sollte ich betrogen haben? Beim Spiel gegen GM Tregubov war ich nominell der schwächere Spieler, finanziell würde ich durch einen Sieg nicht profitieren, und auch bei einem Verlust würde ich bei dem ausgezeichneten Klima innerhalb des SC Eppingen nicht den Kopf von meinem Mannschaftsführer Hans Dekan abgerissen bekommen. Um Elo geht es mir ebenfalls nicht, wie bereits erwähnt spielte ich seit einem Jahr kein Turnier mehr. Warum also sollte ich betrügen wollen?

Wenn man den gesamten Ablauf chronologisch betrachtet, ergeben sich folgende Fakten:

1) Einführung der neuen Turnierordnung für die Schachbundesliga („Erlaubnis“ der Durchsuchung der persönlichen Habe (Taschen, Jacke, Gepäck) der Spieler)
2) Keine Bekanntmachung der Änderungen an die Spieler (Bei der DEM 2010 und DEM 2011 erhielt jeder Spieler ein Schreiben zugesandt, und konnte unterschreiben, sich Dopingkontrollen zu unterziehen oder nicht; in der Schachbundesliga wurden die Spieler weder über eine Änderung der Turnierordnung informiert noch wurde eine schriftliche Einwilligung eingeholt)

3) Verfolgen und Ausspionieren meiner Person auf Toilette durch den Schiedsrichter von Häfen, mit Abhören der Toilettengeräusche ohne Finden eines Verdachtsmomentes während meiner Toilettengänge als auch meiner Partien sowohl am Samstag als auch Sonntag
4) Verfolgen und Ausspionieren meiner Person auf Toilette durch Sebastian Siebrecht, mit auf den Toilettenboden legen ohne Finden eines Verdachtsmomentes während meiner Toilettengänge
5) Anonymes „Anschwärzen“ meiner Person während beider Partien, es wurde von keiner Seite vor Ort ausgedrückt, woher die Anschuldigungen kommen
6) Keine Chance zur Stellungnahme
7) Direktes Miteinbeziehen der Medien, Veröffentlichung und Bloßstellung meiner Person + anschließendem Protest Mülheims (kein Protest von Mülheim am Samstag, sondern erst am Sonntagabend)

Darüber hinaus finde ich den Vergleich der Medien und die Beinahe-Gleichsetzung mit Natsidis widerlich. Auch die Behauptung, Natsidis und ich wären gute Freunde ist frei erfunden. Ich kenne Natsidis zwar bereits sehr lange, da er auch Kaderspieler in Sachsen war (im Alter von 7 Jahren!) habe ihn aber in den letzten 15 Jahren nur zweimal gesehen!


Selbst auf der eigentlich zu Neutralität angewiesenen offiziellen Seite der Schachbundesliga, schachbundesliga.de, wurde eine bewusst unvollständige Version des Berichts von Schiedsrichter von Häfen veröffentlicht. Der Webmaster der Seite, Georgios Souleidis, schützt in diesem Bericht seinen bekanntermaßen engen Freund Sebastian Siebrecht, indem er dessen Verhalten und Ausspionieren auf der Toilette bewusst ausspart.

Zusammenfassung:

Der Schiedsrichter Dieter von Häfen konnte weder am Samstag noch am Sonntag ein verdächtiges Verhalten nachweisen. Dasselbe gilt für Sebastian Siebrechts Nachspionieren am Sonntag. Auch meine Partien zeugen ganz klar, unbestreitbar, dass sie ohne elektronische Hilfsmittel gespielt worden. Dies ist an Hand meiner vielen Fehler und Ungenauigkeiten eindeutig zu erkennen.
Darüber hinaus hat meiner Meinung nach der Schiedsrichter Dieter von Häfen seine Neutralität und Unparteilichkeit in dem Moment verloren, indem er mich gemeinsam mit meinem Gegner im Team auf der Toilette ausspioniert hat.


Eine Stellungnahme des DSB zu den Handlungen des Schiedsrichters Dieter von Häfen und des Spielers Sebastian Siebrecht auf der Toilette und ob diese regelkonform waren und unterstützt werden ist meiner Meinung nach dringend angebracht.
Darüber hinaus wird geprüft, ob die oben beschriebenen Handlungen auf der Toilette rechtswidrig waren.


Wie ausführlich erläutert, ergeben sich für den Schachklub Mülheim-Nord meines Erachtens keine Ansprüche bezüglich meiner Partie gegen den Russen Pavel Tregubov.

Dank sagen möchte ich den vielen Schachfreunden, die mir vor Ort, telefonisch oder per Email Verständnis für meine Entscheidung entgegengebracht haben.


25. Oktober, 2012

GM Falko Bindrich

Die Stellungnahme als PDF

Kommentare   

+1 #61 Thomas Richter 2012-11-03 10:59
@Schachorganisator:

Generell - ob der Fall für Bindrich weitere Konsequenzen hat müssen die zuständigen Gremien entscheiden, sicher nicht die (gefühlte) Mehrheit in Diskussionsforen. Und das ist gut so. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe war die Stimmung in einigen Foren zunächst eher pro-Feller - sei es weil er seine Fans mobilisieren konnte (ein und dieselbe Person kann ja eventuell auch unter mehreren Namen seine Meinung äussern), sei es weil manche Leute automatisch, immer und aus Prinzip den (jeweiligen) Schachverband kritisieren.

Dass Natsidis betrogen hat wissen wir ja nur weil der Schiedsrichter sein Handy kontrollieren durfte (und danach konnte er es nicht leugnen). Dass Bindrich sein Handy nicht kontrollieren liess _kann_ zumindest bedeuten dass er was zu verbergen hat - siehe unten und so sieht es, die möglicherweise prominenteste Meinung, Pavel Eljanov: https://twitter.com/Eljanov

Unabhängig vom vorliegenden Fall geht es mir auch darum wie man ähnliche Fälle zukünftig verhindern kann:
"Was nun aber „müsste ...“ in diesem Zusammenhang soll, ist irrelevant, solange es nicht durch Regeln gedeckt ist und bleibt damit nur ein Wunsch."
Genau das ist mein Wunsch, nicht mehr und nicht weniger - in Zukunft brauchen wir derartige Regeln falls die bestehenden nicht ausreichen.

Nun zum Begriff Doping: Wikipedia definiert es als "die Einnahme von unerlaubten Substanzen oder die Nutzung von unerlaubten Methoden zur Steigerung der (meist sportlichen) Leistung"; laut WADA zählt eine verweigerte Dopingkontrolle auch als Doping. Unerlaubte Methode wäre hier z.B. Blutdoping, vielleicht auch verbotene technische Manipulationen am Fahrrad. In anderen Sportarten ist schon der Besitz gewisser Pillen strafbar. Beim Schach ist der Besitz von Engines nicht strafbar - vor und nach der Partie ist es ja legal - allerdings _sollte_ die Möglichkeit, eben schon die blosse theoretische Möglichkeit um Engines während der Partie zu nutzen strafbar sein oder werden.

Vom blossen Betrug würde ich es so abgrenzen: Doping muss man vorausplanen, betrügen kann man auch spontan während des Wettkampfs - bei Marathons zum Beispiel indem man die Strecke z.T. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt oder unterwegs abkürzt. Beides hat es schon gegeben, im zweiten Fall war ein Leichtathletik-Vereinskol lege von mir Opfer (und hat sein bescheidenes Preisgeld nachträglich bekommen weil der Täter überführt wurde). Im Schach hiesse es z.B. die Stellung zu verändern oder einen bereits ausgeführten Zug zurücknehmen während der Gegner auf der Toilette ist :-) .
Ich selbst könnte übrigens betrügen aber nicht elektronisch dopen - ich habe nur ein simples Handy ohne Internet-Zugang und Schachsoftware, und SMS-Tips von aussen sind auch kein Thema da meine Partien nicht live übertragen werden.
+1 #62 Schachorganisator 2012-11-03 13:34
@Thomas Richter: ich denke, wir sind uns weitestgehen einig, was die Zielsetzung anbelangt: wenn wir wirklich ein sportlich faires Schach wollen, muss Betrugsversuchen -wie auch immer geartet oder benannt- so gut es geht, vorgebeugt werden.
Falls es aber Betrug gibt und dieser nachgewiesen wird, muss er auch hart bestraft werden.
Beim Nahschach muss das möglich sein, was im Fernschach nicht geht. Da macht das bessere Schachprogramm das, was der davor sitzende Spieler nicht zu leisten imstande ist.
+1 #63 vram 2012-11-04 21:09
Ein Handyverbot ist mit Sicherheit eine sich anbietende Maßnahme, allerdings stellt sich die Frage, wie man das kontrollieren will. Wenn man es nicht kontrollieren kann, macht ein Verbot kein Sinn.

Bei größeren Turnieren dürfte ein Handyverbot definitiv nicht kontrollierbar sein.

Und in der Bundesliga (oder sonstigen Ligen) ginge das wohl nur, wenn man jeden Spieler durchsucht, bloß wie weit will bzw. muß man da gehen?

Und was macht man, wenn Spieler nicht selber schummeln, sondern Freunde für sie?
Will man dann auch alle Zuschauer bzw. Besucher durchsuchen?
Darf dann niemand (also Zuschauer, Spieler dürfen ja jetzt schon nicht mehr) mehr den Spielsaal verlassen?

Oder jeden mit einem Metalldetektor scannen?
Wobei die meisten soviel Metall am Körper tragen, daß Durchsuchungen viel zu lange dauern. Und was man macht, wenn jemand Implantate im Körper hat, ist ebenfalls eine noch zu lösende Frage.

Aus genannten Gründen sehe ich ein Handyverbot eher kritisch.
Denn es führt dazu, daß Spieler mit etwas mehr Aufwand doch noch betrügen können,
sich aber aufgrund der Kontrollen dann auch noch als Unschuldslämmer darstellen können.
Der Radsport ist in dem Fall ein gutes Beispiel. Wie oft hat man den guten Lance kontrolliert,
angeblich mit immer negativem Resultat und das über eine Dauer von mind. 10 Jahren.
#64 Schachorganisator 2012-11-05 08:31
Vram sieht Probleme bei einem generellen Handyverbot.
Natürlich sind die Einwände berechtigt und ich sehe auch diese Probleme.
Was ist aber die Alternative?
Die derzeitigen Regelungen reichen nicht aus.
Wenn die Örtlichkeiten es zugelassen hätten und GM Siebrecht hätte nicht nur auf dem Boden gelegen, sondern hätte von oben Einblicknehmen können, wäre der Sachverhalt ebenfalls klarer: entweder war das Handy eingeschaltet oder nicht.
Ein generelles Handyverbot hätte im vorliegenden Fall aber gereicht.
Es ist ja nicht so, dass tagtäglich betrogen wird.
Es muss aber immer und immer wieder nach Wegen gesucht werden, um eben dies zu verhindern. Eine 100%-Sicherheit wird es nicht geben.
Es ist im übrigen so, dass es auch verboten ist, andere Aufzeichnungen zu nutzen. Das könnten vorbereite Eröffnungen sein oder ein Mini-Lehrbuch, was man ebenfalls auf der Toilette nutzen könnte. Es ist verboten, aber kaum nachprüfbar, ob das auch immer eingehalten wurde.
Bei vielen Sportarten ist es so, dass einige Sportler zum Dopingtest antreten müssen. Auch beim Schach ist es z.B. bei den Deutschen Einzelmeisterschaften so. Eine Leibesvisite bei einem Spieler, ob er ein Handy mitführt, wäre immerhin denkbar.
Wenn man alle sinnvollen Vorschläge, die einen Betrugsversuch verhindern könnten, sorgfältig prüft, finden sich auch akzeptable Lösungen
+1 #65 Thomas Richter 2012-11-05 09:52
Inzwischen gibt es schon wieder einen Fall beim Chigorin Memorial:
http://whychess.com/en/node/4116
Epishin las offenbar während der Partie auf einem Computer der Turnierleitung(!) seine emails, sein Gegner war 'not amused' und rief den Schiedsrichter der Epishin sofort nullte. Wenn es sich so zugetragen hat - zumal in hoffnungloser Verluststellung - war es wohl eher gnadenlose und bizarre Dummheit und kein Betrugsversuch.
+1 #66 Schachorganisator 2012-11-05 12:20
Ha, Dummheit oder völlige Gedankenlosigkeit sind wohl die richtigen Ausdrücke für so ein Verhalten.
Da fällt mir ein Vorfall ein, der sich vor einiger Zeit in einem Mannschaftskampf zugetragen hatte:
Bei einem Wettkampf hatte der Mannschaftsleiter sein Laptop mit, um gleich nach beendigung des Wettkampfes das Ergebnis zu melden. In Sachsen läuft das über das Portal64. Das hat er immer bei sich, weil er mit der Bahn anreist und auch wieder abreist.
Soweit - so gut.
Als die letzte Partie noch lief, wollte er sich mal schon über andere Ergebnisse informieren.
Er war mit seiner Partie fertig und somit "nur" noch Zuschauer. Allerdings: er war auch Mannschaftsleiter und somit in den Wettkampf involviert.
Im letzten Moment wurde er darauf hingewiesen, es lieber zu unterlassen, um jegliche Komplikation zu vermeiden.
Es war eigentlich auch nur die Neugier und Gedankenlosigkeit ...
#67 Schachorganisator 2012-11-10 12:06
Das 4,5 : 3,5-Resultat der 1.Runde bestätigte der Bundesliga-Spielleiter Jürgen Kohlstädt mittlerweile.(siehe auch Schach-Ticker).
Offen bleiben aber die Konsequenzen für GM Bindrich nach dem Vorfall in der 2.Runde.
#68 anobaka 2014-04-12 16:15
hallo.

bitte erlaubt mir - als außenstehendem - eine sehr deutliche beurteilung.

(0. wenn ihr das thema hier nicht als schrecklich und absurd empfindet, dann seid ihr doch ..extrém betriebsblind.)

1. der kerl tut mir leid.

2. ihr seid nicht ganz dicht. IHR ALLE entwürdigt das Schachspiel, und zwar durch doping- und toilettenkontrollen in dem selben maße, wie durch doping und betrug. imho sogar dadurch, daß ihr euch fürs Schachspielen bezahlen laßt..

3. meine vorschläge:

- wer mal weg muss, geht. und zwar dezent, also "heimlich still und leise", denn schon sich dafür abzumelden ist eine erniedrigung.

- nehmt doch das Schachspiel als kultur ernster, als den ausgang eines turniers.

- imho: neid und mißtrauen könnte man eventuell genauso als unwürdig ansehen, wie den vermuteten betrug

- niemand zwingt euch, im rahmen der offiziellen vereine zu spielen. man kann sich stattdessen in freundschaftlicher oder gehobener athmosphäre [das erlebt ihr anscheinend auf organisierten tunieren beides nicht..] mit gleichgesinnten treffen, oder?

leute, ich kenne einen jungen, der sich im alltag sehr daneben benimmt - aber wenn der an einem Schachbrett sitzt, dann ist er intelligent und niveauvoll, und auch noch sportlich. das zusammen ist für mich Schach.

ano baka (46)

ps. ich hoffe insgeheim, daß ich hier auf eine erfundene geschichte hereingefallen bin..
#69 anobaka 2014-04-12 16:41
..ich muß wohl noch -ungern- etwas anfügen. ich würde mich auch um fast jeden preis weigern, mein smartphone einem fremden zu zeigen (ich hab unterwegs vorsichtshalber nur mein zweihandy mit) - weil ich bei einem falschen klick schon blamiert wäre. bin unzureichend hetero :) und weiß privatsphäre zu schätzen. - ps. was über dessen überwachung auf der toil. berichtet wurde, ist für mich unvorstellbar. das würde ich nicht einmal einem betrüger wünschen.
#70 marcchan 2014-04-12 18:29
ja, ich würde sagen die einen spielen Wettkampfschach - und alle anderen eben Freizeitschach. Dagegen ist nichts zu sagen, aber die Regeln einzuhalten ist genauso ehrenvoll, wie jeden Verdacht zu vermeiden es nicht zu tun.

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