Januar 2017
Schachturnier auf See - live aus der Karibik
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20170106 105844 300x400 crop 300x268Einen deutlichen Kontrast zu den unwirtlichen Temperaturen Mitteleuropas bietet derzeit das 2. Schachturnier auf See. In den ersten beiden Januarwochen geht es von New York in die Karibik und zurück - inklusive eines 7rundigem Turniers und großem Rahmenprogramm. Mit sieben Anlandungen die ideale Fahrt für Begleitpersonen. Das Schiff hat gerade Antigua verlassen und befindet sich auf dem Weg nach Barbados. Dem heutigen Blitzturnier folgt morgen ein weiteres. Seriöses Schach gibt es jedoch erst wieder am Donnerstag. 

IM Jonathan Carlstedt,  WGM Sarah Hoolt, IM Erik Zude und GM Jörg Hickl betreuen die Gruppe und berichten auf der Schachbund-Site live über das Geschehen.

TEIL 1, vom 06. Januar und 

TEIL 2, vom 09. Januar 

TURNIERWEBSITE 

3. SCHACHTURNIER AUF SEE,  im Oktober von Kopenhagen via Azoren und Karibik nach Miami

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David-Goliath 1-1
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01. Januar 2017

David-Goliath 1-1

Zunächst ein paar Worte zum Titeldiagramm: Weiss am Zug würde natürlich gewinnen, Schwarz am Zug (wie in der Partie): wie ist die Stellung zu beurteilen? So stand es nach 46 Zügen, fünf Züge davor stand die weisse Dame noch auf e1, der weisse Turm auf b1 und ein schwarzer Turm auf a8.

Thema dieses Artikels ist ein Mannschaftskampf der sechsten NL-Liga, den es so wohl nächste Saison nicht wieder geben wird - eine Mannschaft steigt sehr wahrscheinlich auf, die andere womöglich ab (vielleicht/hoffentlich auch nicht). Am 17.12.2016 spielte mein Verein En Passant gegen EP:Beerepoot Magnus-Anna Paulowna Chess. Hinterher stand dazu in der Lokalzeitung "Helderse Courant" "Magnus-AP Chess uit Schagen en Texelse En Passant verschillen werkelijk in álles" - in etwa: "die Vereine sind total unterschiedlich". Reporter Peter Couwenhoven (spielt selbst für einen anderen Verein in der noord-holländischen Provinz) brachte dazu ein paar Daten/Fakten, ich bringe nun eigene. Vorher stand es, jeweils aus unserer Sicht, 9-34, 1772-2030 und 0-12. Wofür steht das jeweils, und wie hängt es zusammen? 9-34 ist Länge der Vereinsnamen in Buchstaben - beim Gegner ist EP:Beerepoot (ein) Sponsor, Magnus (hat übrigens nix mit einem Norweger zu tun, den Verein gibt es schon seit 1953) und Anna Paulowna sind die Stammvereine die miteinander fusionierten. 1772-2030 klingt noch erträglich, aber das war der Eloschnitt der beiden Teams. 0-12 bezieht sich auf Anzahl Sponsoren, was den Gegner betrifft siehe hier rechts - einer zahlt wohl am besten, deshalb wird er da auch oben erwähnt sowie im offiziell-kompletten Vereinsnamen. Wir hatten mal einen Sponsor, der pro Saison einen dreistelligen Betrag spendierte. Davon könnte man eventuell einen IM für einige (wohl nicht alle sieben) Mannschaftskämpfe anheuern - wir verwendeten es für unvermeidliche Kosten (Saalmiete) und für Jugendarbeit. So hoch würden wir jedenfalls nicht verlieren, gespielt wird an acht Brettern.

Vorab noch, beim deutschen Publikum nicht unbedingt bekannt: In den Niederlanden ist die Aufstellung total flexibel - derselbe Spieler kann mal am ersten Brett spielen, mal am fünften, mal am achten oder auch an jedem anderen Brett. "Taktische" Aufstellungen sind möglich - wir sorgten dafür, dass wir an Brett 6-8 etwa gleichwertig waren und erzielten da dann auch 50%, ausserdem noch ein nicht eingeplanter Punkt am Spitzenbrett. Das war für uns ein akzeptables Ergebnis, im Abstiegskampf sind/werden eventuell auch Brettpunkte relevant. So lief es insgesamt:

17-12-2016

  EP:Beerepoot Magnus-Anna Paulowna Chess  -  En Passant 5½ - 2½
1 7464754  Warner de Weerd  2206  -  7698317  Gerard Postma  1662 0-1
2 7227462  Enrico van Egmond  2114  -  6238177  Aad Bakker   1-0
3 7196013  Wim Boom  2064  -  8570430  Jon van Dorsten  1389 1-0
4 6758686  Piet Peelen  2328  -  8039955  Thomas Richter  1968 1-0
5 8040714  David de Visser  1870  -  7602177  Jaap de Wijk  1663 1-0
6 6050891  Siem Roet  1911  -  8496213  Joop Rommets  1899 0-1
7 8157237  Jan-Pjotr Komen  1892  -  6244502  Jaap Dros  1953 1-0
8 6966366  Wim Smit  1855  -  6435528  Kees de Best  1870 ½-½
   2030    1772  

 

Unser 90-jähriger Nestor Aad Bakker spielt nur noch sporadisch und hat daher gar keine NL-Elo. Schwerpunkt dieses Artikels werden die Partien Goliath Piet Peelen gegen David Thomas Richter und David Gerard Postma gegen Goliath Warner de Weerd (alles natürlich relativ, diese Goliaths sind gegen Grossmeister Davids, und jedenfalls ich bin gegen andere Gegner auch mal Goliath). Peelen und de Weerd sind eventuell auch in Deutschland etwas bekannt, da beide auch in der NRW-Liga spielen. Über den Artikel verteilt (so ist zwischendurch eventuell der Leser am Zug) auch ein Moment aus der Partie Smit - de Best, damit beginne ich nun: 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 c6 5.e3 Ld6 6.Dc2 Sbd7 7.Ld2 (selten, fünfte Wahl laut Datenbank - aber so spielten auch Grossmeister mal, einschliesslich der K-Klasse Kramnik, Karpov und Krasenkow) 7.-b6!? (ebenfalls selten und provokativ) 8.cxd5 exd5 und schon gibt es ein Diagramm:

Smit de Best move 8

 

 

 

 

 

 

 

Was wollen Computer, die bei 7.-b6 laut protestieren, hier spielen? Weiter geht es später in diesem Beitrag. Nun noch etwas Vorgeschichte zu den David-Goliath Partien. Vereinsintern hiess es vorab "wenn einer gegen Peelen was reissen kann, dann Thomas" - das kommentiere ich mal nicht bzw. sage nur "I did my very best" (gestern war ja Silvester und damit lief auch Dinner for One im Fernsehen). Datenbanken kennen Peelen und ich bekam einen Tip zu Partien aus der NRW-Liga, also habe ich mich vorbereitet - mit Weiss jedenfalls für meine Verhältnisse recht ausgiebig auf Caro-Kann, das macht er mit Schwarz immer gegen mein 1.e4 und dann generell dieselben Varianten. Nebenbei habe ich Gerard Postma ein bisschen auf Katalanisch von Warner de Weerd vorbereitet, das ging ungefähr so: "Du kannst hier 6.-dxc4 spielen, dann gibt es mehrere Varianten, oder 6.-c6 mit etwas passiver aber solider Stellung". "OK, ich spiele 6.-c6". Dann kam es anders: Postma hatte gegen de Weerd Weiss, ich hatte gegen Peelen Schwarz.

Üblich ist hierzulande, dass beide Mannschaftsführer ein leeres Formular ausfüllen, dann werden diese kombiniert und ermittelt, wer an welchem Brett (mit welcher Farbe) gegen wen spielt. Der Gegner überreichte unserem Mannschaftsführer sein halb ausgefülltes Formular zwecks Ergänzung, und unser Captain sorgte dafür, dass Postma gegen de Weerd spielte und Richter gegen Peelen - in der Eile beachtete er nicht, dass die Farben im Vergleich zur Vorbereitung vertauscht waren. Ich zeige zunächst Piet Peelen:

PietPeelen Cultural Village 2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Foto (hier - Bericht zu Runde 7 - gefunden) ist etwas älter, es stammt vom Cultural Village Turnier 2011 in Wijk aan Zee. Gewonnen hatte damals übrigens der Inder Baskaran Adhiban, der sich so für die C-Gruppe von Tata Steel Chess 2012 qualifizierte - in ein paar Wochen und insgesamt fünf Jahre später spielt er am selben Ort gegen die absolute Weltklasse. Peelen hat sich äusserlich kaum verändert, spielt aber inzwischen kaum noch Turniere sondern fast nur noch Mannschaftskämpfe und ist daneben (oder vor allem?) Schachtrainer. Letzte Saison spielte er noch für Purmerend in der zweiten NL-Liga, aber die mussten dann finanziell kürzer treten und sein heutiger Verein zahlt besser. Zur Partie:

IM Peelen (2328) - Richter (1968)

1.Sf3!? Hoppla, ich hatte mir auch Peelens Partien mit Weiss angeschaut, laut Datenbanken spielt er immer 1.d4. Aber 2016 - Jahr des Brexits, Jahr in dem Donald Duck Trump US-Präsident wurde - konnte man sich auf gar nichts verlassen! Auch 1.Sf3 kenne ich ein bisschen, schliesslich hatte ich es diese Saison schon zweimal mit Schwarz in Mannschaftskämpfen (lockeres "GM-remis" gegen Elo 2050, Angriffssieg gegen einen mit Elo 1688 womöglich etwas unterbewerteten Jugendspieler). Aber was Weiss genau vorhat, weiss Schwarz hier nicht - Idee von 1.Sf3. 1.-c5 2.g3 Sc6 3.Lg2 Sf6 4.d4 cxd4 5.Sxd4 e6 6.0-0 Zu dieser Stellung ein kleiner Trialog aus der späteren Analyse. van Egmond: "Das ist nun quasi Sizilianisch". Richter: "Ja, aber ohne e4". Peelen: "Und e4 werde ich nicht spielen, auch wenn der Gegner das vielleicht gerne will!". 6.-a6?! ein "sizilianischer" Zug, hier aber wohl suboptimal - gängig ist 6.-Db6 oder 6.-Lc5 7.c4 Db6 hier offenbar zu provokativ (7.-Dc7) 8.Sb3 nach etwa 10 Minuten (Bedenkzeit in dieser Liga: 1h40min für die Partie plus 10 Bonussekunden pro Zug) 8.-d6 (bei 8.-Le7 gefiel mir 9.Le3 nebst c5 nicht) 9.Lf4 nach 30 Minuten - Stand auf der Uhr 0:55-1:28 9.-Se5 fast á tempo, ich hatte mit 9.Lf4 gerechnet und nutzte natürlich seine Bedenkzeit. Ich dachte, dass das quasi erzwungen und dabei gut/akzeptabel ist. 10.c5 Dc7 11.Dd4 hoppla, ziemlich direkt (und gut)! 11.-Sh5 ein bisschen tricksen ... 12.cxd6 Lxd6 13.Tc1 Sxf4 14.gxf4 Sc6 15.Dxg7

Peelen Richter move 15

 

 

 

 

 

 

 

Da haben wir den Salat - irgendwas ging bei Schwarz in der Eröffnung schief (ich wollte den Elo-überlegenen Gegner aktiv provozieren, Postma - s.u. - machte es anders). Immerhin Stand auf der Uhr inzwischen 0:26-1:09. Ansonsten: Habe ich mit dem Läuferpaar Kompensation? Ich mag generell das Läuferpaar, aber hier kann ich es kaum aktiv einsetzen. Wenn ich zu -Ld7 und -0-0-0 (lange Rochade war eher nicht geplant, aber was sonst?) komme geht vielleicht noch was. Peelen wollte allerdings später (Analyse-Ideen) gelegentlich auch noch Lxc6 spielen und war sich sicher, dass dann seine Springer besser sind als meine Läufer. Richter: "Du bist wie Anand?" (der auch gerne mal mit Springern gegen Läufer spielt). Peelen: "Ja, aber nur wenn es gut ist!". 15.-Tf8 muss natürlich sein 16.e3 auch jedenfalls naheliegend, er ver(sch)wendete dafür wieder sechs Minuten 16.-Ld7 17.Sc3 weitere 10 Minuten f5 (17.-0-0-0 18.Se4 wollte ich nicht) 18.Dg5 hatte ich nicht auf der Rechnung 18.-Dd8 Idee von Enrico van Egmond in der Analyse war 18.-Kf7!? um nach h8 zu laufen. Stockfish ist einverstanden, sagt aber auch dann "Weiss steht klar besser". 19.Dxd8+!? Mit noch 7 Minuten auf der Uhr (plus Inkrement) tauscht er die Damen, statt sie mit 19.-Dh5+ Tf7 auf dem Brett zu behalten. In diesem Fall wollte ich danach -De7 und -0-0-0 spielen, aber 20.Sa4 ist recht unangenehm. 19.-Kxd8

Peelen Richter move 19

 

 

 

 

 

 

 

Hurra, ich lebe noch!? Was ist der weisse Mehrbauer wert? Wie ist dieses (Semi-)Endspiel zu beurteilen bzw. zu behandeln? Peelen schlug in der Analyse eine aktive Methode vor - bei Gelegenheit -e5, aber das entdoppelt doch seinen Mehrbauern? 20.Kf1 Ke7 21.Ke2 Tab8 22.Sd2 Tfc8 erst mal alles decken, 22.-b5 hatte ich erwogen aber fürchtete wohl zu Unrecht 23.Sxb5 Txb5 24.Lxc6 Lxc6 25.Txc6 Txb2 26.Txa6? Lb4 mit ausgleichendem Gegenspiel (Peelen: "So hätte ich nicht gespielt.") 23.Sc4

Peelen Richter move 23

 

 

 

 

 

 

 

23.-Sd4+?! Aktiv aber sicher falsch! 23.-Lc7, kann man das "keepen"? 24.Kd3 (den Gefallen 24.exd4 Txc4 = tut er mir natürlich nicht) 24.-Sb5 25.Sxd6 Sxd6 26.b3 b5 27.Se2 b4 28.Txc8 Txc8 29.Tc1 Lb5+ (das wollte ich unbedingt, aber es ist Schein-Aktivität) 30.Kd2

Peelen Richter move 30

 

 

 

 

 

 

 

Hier hatte er noch 2 Minuten plus Bonussekunden, und nun spielte ich 30.-Lxe2? Jedenfalls besser war 30.-Txc1 31.Sxc1 Se4+!? 32.Lxe4 fxe4

Peelen Richter Analyse

 

 

 

 

 

 

 

[Analysediagramm] - das ist sicher gut für Weiss, ist es gut genug? Ich sehe keinen klaren Gewinnplan, aber das muss nichts heissen (und das war nicht Teil des Postmortems). In der Partie folgte (30.-Lxe2?) 31.Txc8 Sxc8 32.Kxe2 Sb6

Peelen Richter move 32

 

 

 

 

 

 

 

Und das ist sicher für Schwarz verloren. 37 weitere Züge wurden gespielt - in einem Mannschaftskampf sollte man eher zu spät als zu früh aufgeben. Seine Bedenkzeit war und blieb knapp, mehrfach hatte er noch fünf Sekunden auf der Uhr und dann wieder fünfzehn. Seine "Technik" war wohl deshalb nicht perfekt im Sinne von "schnellster Gewinnweg". Noch zwei Momente:

Peelen Richter move 46

 

 

 

 

 

 

 

Nach 46 Zügen: Remis wird es hier, wenn ich meinen Springer für b- und f-Bauern opfern kann und mit dem König nach h8 laufe. Dieses Motiv hatte ich gar nicht auf der Rechnung, sehe allerdings auch nicht wie ich es realisieren könnte.

Peelen Richter move 67 1 0

 

 

 

 

 

 

 

Nach 69 Zügen. Hier wäre weiterer Widerstand allenfalls dann angebracht, wenn es keine Bonussekunden gäbe und er 10-20 Sekunden hätte um mich matt zu setzen. Dem war nicht so, also 1-0.

Hinterher wurde ich von "Freund und Feind" (natürlich ist das gegnerische Team nicht Feind, nur Gegner) für eine gute Partie gelobt, ich selbst habe jedenfalls gemischte Gefühle zu dieser Partie. Warum zeige ich sie? Erstens interessieren mich kompetente Lesermeinungen, wie reell meine zwischenzeitlichen Remischancen waren, zweitens als Kontrast zur anderen David-Goliath Partie.

Zwischendurch wieder zu Brett acht:

Smit de Best Analyse 1

 

 

 

 

 

 

 

[Analysediagramm] 9.Sxd5!? ist der Computerzug. In fünf Datenbank-Partien spielte Weiss einmal so, der Gegner antwortete mit 9.-Lb7 und hatte einen Bauern weniger. Viermal geschah stattdessen 9.Ld3, in zwei Fernpartien anno 1976 (der Weisspieler Manfred Kahn, aus der damaligen DDR, war offenbar im Nah- und Fernschach recht gut), von Kamil Miton (2000 hatte er Elo 2425, später wurde er Grossmeister) sowie von Valentina Gunina (2003 bei der russischen Damenmeisterschaft U20 - damals hatte sie Elo 2213, aktuell hat sie mehr). Wie sollte Schwarz reagieren? Ist 9.Sxd5 wirklich quasi ein Gewinnzug? Computerprogramme (jedenfalls meine) gehen davon aus, bis man sie mit der richtigen schwarzen Antwort füttert.

Nun zeige ich, wie mein Mannschaftskollege gegen Warner de Weerd gewann - in grossem Stil, dabei eher nicht zur Nachahmung empfohlen. Zuerst zeige ich Warner de Weerd - auch er spielte vorige Saison für Purmerend, landete aus beruflichen Gründen in Schagen und nahm Piet Peelen mit zu seinem neuen Verein.

de Weerd Jussupow Caissa Eenhoorn

 

 

 

 

 

 

 

Nicht der Herr rechts, für diesen oder vergleichbare Spieler hat EP:Beerepoot usw. wohl doch nicht genug Geld, bzw. sie sind erst interessant/nötig nachdem sie ein paar Mal aufgestiegen sind. Artur Jussupow gab im März 2016 eine "Clinic" für Mitglieder von Caissa-Eenhoorn (aus Hoorn am Ijsselmeer), Warner de Weerd (links) war als Reporter vor Ort - Foto hier gefunden, eines von vielen im Artikel. de Weerd ist beruflich Journalist, damit kann er elf Sponsoren auch Medienaufmerksamkeit bieten (der zwölfte ist "de Weerd Tekst & Media"). Peelen-Richter war ein Duell etwa auf Kilo-Augenhöhe, Gerard Postma traf dagegen auf ein auch körperliches Schwergewicht.

Postma (1662) - de Weerd (2206)

1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 e5 Aha, Philidor - de Weerd spielt wie in seinen neueren Datenbank-Partien 4.Sf3 4.dxe5 dxe5 5.Dxd8+ Kxd8 geht, aber das kennt Schwarz wohl besser als Weiss Sbd7 5.Le2 Postma: "Ich wusste, dass 5.Lc4 üblich ist und 5.Le2 passiv, aber nach 5.Lc4 bekommt er was er wohl will" 5.-Le7 6.h3 muss (noch) nicht sein. 6.g4!? ist hier neumodisch, aber passt nicht zur Strategie, die Weiss in dieser Partie anwendet 6.-c6 7.Le3 b5 8.a3 0-0 9.0-0 Lb7 10.dxe5 Weiss betritt die gegnerische Bretthälfte! Allerdings nur für einen halben Zug 10.-dxe5 11.Sd2 Sc5 12.Lf3 Dc7 13.De2 a5 14.Tfc1!! Super-prophylaktisch - Weiss deckt den Bauern auf c2, acht Züge bevor Schwarz ihn angreift. Dass der andere Turm nach b1 gehört, ist Teil seines tiefen Konzepts. (Zwei Ausrufezeichen sind natürlich grosszügig, und auch nicht ernst gemeint) 14.-La6 15.De1 das musste nun sein

Postma de Weerd move 15

 

 

 

 

 

 

 

Die weisse Strategie wird deutlich - Schwarz darf kommen. Ich springe zur Stellung nach dem 30. weissen Zug - zwischendurch konnte Weiss sich mehrfach befreien, tat es aber nicht.

Postma de Weerd move 30

 

 

 

 

 

 

 

Wie gesagt, ein weisser Turm gehört nach b1. Sein Läufer stand auf f3 zu aktiv, d1 ist schliesslich auch ein Feld. Dito für einen Springer, der in die Ecke hüpfte (der andere wurde abgetauscht). Zuletzt war 30.g3 allerdings ungenau, warum? Hier ruft Stockfish 30.-d3! 31.cxd3 Dc3! 31.Txc3 bxc3 - Schwarz gewinnt! Ähnlich kam es später in der Partie, aber da bekam Weiss plötzlich Gegenspiel. Stattdessen geschah 30.-Lc6? (Fragezeichen von Stockfish) 31.Sf2 Lb5 32.Sh1 - konsequent aber objektiv schlecht. Hier hatte Weiss noch weniger als 5 Minuten, Schwarz noch etwa 11 - später wurde es eine wilde Zeitnotschlacht 32.-Ld6?! (32.-d3! 33.dxc3 Dd6 -+) 33.Sf2 Kg7? (genauso schlecht ist 33.-Kf8, warum?)

Postma de Weerd move 33

 

 

 

 

 

 

 

34.Sg4?! (34.Le2! geht, da 34.-Lxe2 35.Dxe2 Txc2?? [35.-Tc8 36.Kg2 Txc2?? 37.Sd3 Dc7 38.Txc2 Dxc2 39.Tc1] an 36.Txc2 Dxc2 37.Lh6+ ooops scheitert) 34.-f5 zweite Front 35.exf5 gxf5 36.Sf2 Kh8 (36.-e4! nebst -Sxg3 oder -e3) 37.Sd3 Lxd3 38.cxd3 Dc3!?!

Postma de Weerd move 38

 

 

 

 

 

 

 

Nun also doch - hier war z.B. 38.-Db5 einfach und gut. 39.Txc3 bxc3 40.Kg1? 40.f4! Txd2+ 41.Dxd2! cxd2 42.fxe5 Lb4 43.Lxh5 Ta5

Postma de Weerd Analyse

 

 

 

 

 

 

 

[Analysediagramm] Kann Schwarz das gewinnen? Verlieren kann er es jedenfalls nicht, also verdient das weisse 40.Kg1 angesichts des weiteren Partieverlaufs kein Frage-, sondern ein Ausrufezeichen!?

40.-Txd2 41.g4 Sf4 42.Dh4

Postma de Weerd move 42

 

 

 

 

 

 

 

Weiss wird frech! Und es funktioniert! 42.-Tf8?! 42.-Taa2 gewinnt glatt - in Zeitnot allerdings kaum zu sehen (ohne Zeitnot schwer genug), dass Weiss dann kein Dauerschach hat. Die Schlussphase dieser Partie offenbar vor vielen Kibitzern - ich war nicht dabei, da ich in einem anderen Raum meine Partie analysierte. 43.Dh6 erstmals seit dem 10. Zug betritt Weiss die gegnerische Bretthälfte, und diesmal bleibt er da länger 43.-Sg6?! wieder rückwärts, nach 43.-Le7 steht Schwarz offenbar immer noch gewonnen (warum, da müsste man lange Computervarianten betrachten oder gar selbst analysieren ...) 44.Ta1 fxg4? (44.-Le7!) 45.Ta7! die zweite weisse Figur in der gegnerischen Bretthälfte, den Ld1 wirft er über Bord 45.-Txd1+ 46.Kg2

Postma de Weerd move 46

 

 

 

 

 

 

 

Das ist nun das Titeldiagramm: Weiss droht offensichtlich Matt, Schwarz kann das nur mit Schachschachschachschach verhindern und eventuell dabei selbst mattsetzen. 46.-Sf4+?? So nicht!! Am einfachsten macht Schwarz mit 46.-Td2+ 47.Kg1 Td1+ usw. remis. Der weisse König darf weder auf die f-Linie (-Txf3+) noch nach g3 oder h2 (-e4+), da Schwarz dann tatsächlich schachforciert mattsetzen kann. Das wollte de Weerd wohl (und eben kein remis), aber dabei hat er sich in beiderseitiger Zeitnot selbst ausgetrickst. 47.Kg3! (bloss nicht 47.Kf2/h2 g3+ 48.Kxg3 Tg8+ usw. - Schwarz gewinnt) 47.-Tg1+ 48.Kh2! wieder nur so: 48.Kf2? Sxh3+ 49.Ke2 gxf3#; 48.Kh4? Sg6+ 49.Kh5 Tf5+ - letzteres hätte Postma nach eigener Aussage beinahe gespielt 48.-Tg2+ 49.Kh1

Postma de Weerd move 49

 

 

 

 

 

 

 

Nun hat Schwarz nur noch ein Desperadoschach, aber Weiss muss immer noch aufpassen: 49.-Tg1+ 50.Kxg1 Sxh3+ 51.Kh2 (nur Remis ist 51.Kf1?? Txf3+ nebst immer Dauerschach) 51.-e4+

Postma de Weerd move 51

 

 

 

 

 

 

 

Kurioser Moment: Postma wollte á tempo 52.Dxh7 "matt" spielen, dann sah er doch dass 51.-e4 ein Abzugsschach ist. Was wäre passiert, wenn Weiss das schwarze Abzugsschach ignoriert hätte? Da es keine Blitzpartie war, hätte Schwarz wohl (nach zunächst etwas "Theater"?) den Regeln entsprechend nur eine Zeitgutschrift bekommen und dann doch verloren. Aber wenn Weiss (der von Bonussekunden lebte) im entstehendn Chaos die Bedenkzeit überschreitet, gewinnt Schwarz diese Verluststellung. 52.Kh1!? (nun spielt Weiss "für die Galerie"? 52.Dxd6 ging auch, aber das hatte er in der Eile und Aufregung gar nicht gesehen) 52.-Sf2+ 53.Kg2 exf3+

Postma de Weerd move 53

 

 

 

 

 

 

 

Immer noch "ging" 54.Kxf2?? g3+ - Schwarz bekommt eine neue Dame und setzt Matt, bevor Weiss Zeit hat für Dxh7matt oder Dg7matt. Aber: 54.Kf1 1-0 So gewinnt man also gegen einen Elo-übermächtigen Gegner! Manchmal funktioniert es, sicher nicht immer - nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen (jedenfalls ich könnte so nicht spielen), aber Postma hatte ohnehin nichts zu verlieren.

Bleibt noch Smit - de Best Teil drei: Nochmals das erste Analysediagramm:

Smit de Best Analyse 1

 

 

 

 

 

 

 

Falsch ist hier 9.-Sxd5 10.Dxc6 Sb4 11.De4+ Kf8 12.Dxa8 Sc2+ 13.Kd1 Sxa1 14.Ld3 nebst 15.Ke2 und 16.Txa1 - auch wenn Computerprogramme das als Hauptvariante vorschlagen. Richtig ist 9.-cxd5! 10.Dc6 Dc7!

Smit de Best Analyse 2

 

 

 

 

 

 

 

Das sehen "meine" Computerprogramme erst, wenn ich sie damit füttere! Dann berechnen sie 11.Dxa8 0-0 12.Tc1 Sc5! (Kees de Best dazu: "das hatte ich vor gut zehn Jahren schon einmal auf dem Brett) 13.b4 Ld7 14.Dxf8+ Lxf8 15.bxc5 bxc5 16.dxc5 Se4 17.Le2 Lxc5 18.0-0

Smit de Best Analyse 3

 

 

 

 

 

 

 

Ich hätte hier doch etwas lieber Weiss, aber das mag Geschmackssache sein. 7.-b6!? ist jedenfalls wohl spielbar - ob es gar eine als grober Fehler verkleidete Eröffnungsfalle ist, sei dahingestellt. Später hatte übrigens Schwarz in dieser Partie einen Mehrbauern, aber erlaubte in Zeitnot eine Zugwiederholung. Vielleicht spielte, zumindest im Unterbewusstsein, eine Rolle, dass er diese Saison bereits zweimal Stellungen mit Mehrbauer in Zeitnot (die hat er eben öfters) noch verlor.

Ich könnte zu fast jedem Mannschaftskampf ähnlich ausführlich berichten (generell analysiere ich hinterher mit Computerhilfe alle Partien), aber das ist doch die Ausnahme. Stand in der Liga momentan:

 1  EP:Beerepoot Magnus-Anna Paulowna Chess  X 5   5   6   8 21½
2  Heerhugowaard 3  X       6 17½
3  Bergen    X     6 4 17½
4  De Waagtoren 4 3  X       4 16½
5  Aartswoud 2        X 5 4 15½
6  K.T.V. 2      X 4   3 15
7  En Passant       3 4  X 3 14
8  Castricum 2     2    X 0 10½

 

EPBMAPC (um es mal so abzukürzen, selbst nennen sie sich "MACH") ist praktisch bereits aufgestiegen, auch wenn sie selbst noch etwas tiefstapeln. Heerhugowaard stieg letzte Saison unglücklich ab und wollte wohl direkt wieder aufsteigen, aber das ist nun unwahrscheinlich. Immerhin ist Abstieg für sie wohl kein Thema, im Gegensatz zum Rest der Liga - zwei Teams steigen ab, Castricum2 kann wohl bereits für eine Etage tiefer planen (das wussten sie, zusammen mit uns aufgestiegen, schon vor der Saison). Da K.T.V. gegen Castricum2 wohl jedenfalls nicht verliert, brauchen wir irgendwie-irgendwo-irgendwann noch mindestens einen Mannschaftspunkt. Weiter geht's im Februar - im Januar wird hierzulande praktisch nur in Wijk aan Zee Schach gespielt.