Juni 2014
GM Boris Avrukh light
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GM Boris Avrukh machte in der Vergangenheit Furore auf dem Schachbüchermarkt mit seinen beiden epochalen 1.d4 Bänden. Nun hat das aktuell einen anderen Großmeister auf den Plan gerufen um auf Avrukhs Spuren zu wandeln. Herausgekommen ist aber nur ein Avrukh-light.

Damian Lemos
The Fianchetto System
..against King´s Indian and Grünfeld
176 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2014.

In diesem Buch schlägt der Autor, GM Damian Lemos, für den Weißspieler ein Repertoire gegen Königs- und Grünfeldindisch vor.

Die Basis dafür ist der weiße Fianchettoläufer, also ein Aufbau mit g3 nebst Lg2. Dass dieses System sehr solide und gesund ist, hat vor einiger Zeit auch GM Avrukh mit seinen epochalen Repertoirebänden 1.d4, Teil 1 und 2, erkannt. GM Lemos springt auf den gleichen Zug auf und bietet dem Leser sozusagen ein Avrukh-light gegen Königs- und Grünfeldindisch. Das ist auf keinen Fall negativ gemeint da es einfach sehr viele Leute gibt, die gar nicht die Zeit und auch die Muße haben, 600 Seiten oder mehr zu verinnerlichen. Bei diesem Buch geht es auch gar nicht darum, jede Variante ausführlich auseinander zu nehmen sondern mehr darum, praktisches Anschauungsmaterial in Form gut kommentierter Meisterpartien dem Leser vorzulegen. Die im Buch vertretenen 49 Partien decken alle schwarzen Erwiderungen ab und liefern neben typischen Motiven und Strategien auch die wichtigsten taktischen Feinheiten.

Das anfänglich gute Gefühl trübte sich aber dann im weiteren Verlauf meiner Untersuchung zu diesem Buch doch etwas ein.

In dem wichtigen Abspiel

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 d6 4.g3 Lg7 5.Lg2 0-0 6.0-0 c6 7.Sc3 Da5 8.e4 e5 9.h3 Sbd7 10.Te1 exd4 11.Sxd4 Se5 12.Lf1 Te8 13.Le3 c5 14.Sb3 Db4 empfiehlt der Autor hier 15.Ld2

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(an dieser Stelle empfiehlt zum Beispiel Avrukh das bessere 14.a3 in seinen Repertoirebüchern) Db6 16.f4 Sc6 17.Lg2 Le6 18.Sd5 Lxd5 19.cxd5 Sb4 20.Lc3 c4+ 21.Ld4 Db5 22.Sc1 Sd3 23.Sxd3 cxd3

und jetzt folgt der Autor unglücklicherweise den unterirdischen Chessbaseanalysen von GM Stohl, die, und das ist jetzt keine Übertreibung, unter aller … sind.

24.Db3? [24.Te3= müsste Ausgleich ergeben. ] 24...Dxb3 25.axb3 d2 26.Te2 Sxe4 27.Lxg7 Sf6?

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[nach dem viel besseren 27...Tac8! ( hier gibt GM Stohl 28.Lc3! Sc3 29. Td2 Sb5 30.Lf1 und Weiß steht etwas besser an. Nach 29. …Te2 aber kämpft Weiß schlicht ums nackte überleben.)

kann folgen

28.Td1 Kxg7 29.Lxe4 Txe4 30.Tdxd2 Tc1+ 31.Kf2 Tb4 32.Td3 h5 33.h4 Kf6 34.Kf3 Tc5 35.Kf2 Kf5 36.Kf3 f6 37.Kf2 Te4 38.Ted2 Tc1 39.Tc3 Th1 40.Kg2 Tee1 41.Kf3 Thf1+ 42.Tf2 Txf2+ 43.Kxf2 Tb1 44.Tc2 Ke4 45.b4 a6 46.Kg2 Kxd5-+ und das gewinnt Schwarz]

28.Txd2 Kxg7= ergibt wieder Ausgleich.

Analysen zum Nachspielen:

Diese Analysen sind mir persönlich ein großes Rätsel das ich bis jetzt noch nicht zu lösen imstande war.

Augenscheinlich folgte Lemos den Analysen von Stohl, aber da, wo Stohl wirkliche Verbesserungen für Weiß vorschlug (die auch ausnahmsweise funktionierten!) wich er plötzlich ab und lotst den Leser in klare Verluststellungen (das hat bis auf Avrukh, der mit seinem 15.a3 sofort diesen Varianten auswich, weder Stohl noch Lemos bemerkt).

Um diesen Fehler aufzudecken brauchte ich mit Hilfe einer Engine + 3-4 Büchern ca. 20 Minuten. Stichproben bei anderen Abspielen auf Fehler konnte ich auf die Schnelle nicht finden, will es aber anhand des oben gezeigten Beispiels und der daraus resultierenden Arbeitsweise des Autors nicht gänzlich ausschließen.

Ich weiß nicht wo das Problem liegt seine Analysen mit Hilfe einer Engine nochmals gegen zu prüfen. Wenn der Arbeitgeber das Geld aufs Konto überweist schaut man ja auch nach ob alles seine Richtigkeit hat, warum nicht hier? Weils der Leser oder der Rezensent nicht merkt? Weil man unter Zeitdruck stand? Weil man es schlicht übersehen/vergessen hat?

Bei letzterem würde ich ein Auge zudrücken, bei den anderen Gründen hätte ich dafür kein Verständnis.

 

Bewertung

1 von 5 Sternen

SterneBewertung 640x353

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Schach Niggemann überlassen. (http://www.schachversand.de/)

 

 

 

Ein seltenes Motiv
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25. Juni 2014

Ein seltenes Motiv

Ein weiteres Stück aus dem Turnier zu Ehren Timmans. In der Studie gibt es viele schöne Motive. Manche sind sehr häufig gezeigt worden, andere sind eher rar. Zu letzteren gehört dasjenige, das der Autor Andrzej Jasik hier zeigt. Und so setzt der Jubilar denn auch im Preisbericht, in dem das Stück den 5. Preis erringen konnte, mit den Worten an: "Some studies have an element of humour in them..." Das Thema ist schwierig darzustellen (es sei denn,  man greift auf eine sehr einfache Stellung zurück) und noch schwerer mit tiefgründigem Spiel zu verbinden. Daher ist es auch nicht so ganz einfach, die Hauptvariante zu finden, aber die Schwarmintelligenz der Löser wird das schon richten.

Jasik draw

 

Weiß scheint halbwegs gut dabei zu sein, wenn da nicht eine gewisse Atemnot schwierige Herausforderungen mit sich brächte. Schwarz hat einen klaren dreizügigen Plan, gegen den es erst einmal noch etwas zu erfinden gilt. Aber Weiß kann sich noch in das Remis retten, aber wie?

Pokalhauptstadt Berlin
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Was ist das bloß immer alles mit Berlin? Wir wissen natürlich, dass die Stadt eine a) große und b) großartige Metropole mit einem schon in wenigen Jahrzehnten fertiggestellten c) großflächigen Flughafen ist, doch seien wir ehrlich – wer hätte vermutet, dass SpielerInnen unserer schönen Hauptstadt auch eine solche Fülle nationaler Schachtitel erringen würde, und das innerhalb von nur einem Jahr?

Schach-Welt, der Blog für die Phänomene des Turnieralltags, hat sich durch die dunklen Gewölbe des Bundes-Archivs gearbeitet und dabei eine verblüffende Serie Berliner Erfolge zutage gefördert.

Auch wenn es im Einzelfall leicht zu übersehen ist - schon seit längerem dominieren Berliner Spieler auf allen nur erdenklichen Meisterschaften:

- Ilja Schneider (Schachfreunde Berlin) sammelte kürzlich Punkt um Punkt bei den Norddeutschen Blitzmeisterschaften in Barsinghausen und fährt als einer der Vertreter des Nordens zur Endrunde nach Bayern - ebenso wie ungefähr siebzig weitere Spieler aus der Bundeshauptstadt: Dirk Paulsen (SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf), Torsten Sarbok (König Tegel), Dennes Abel (SF Berlin) und natürlich SF René Stern, Titelverteidiger und amtierender Deutscher Meister dieser Disziplin – noch so ein Berliner, wir ahnten es bereits, immatrikuliert allerdings beim SK König Tegel.

ilja

 Ilja zaubert, Matthias Krallmann aus Bremen gerät unter Druck - schon wieder ein Punkt für Berlin!

david

Kann blitzen und gleichzeitig Figuren sortieren:
David Höffer aus Delmenhorst bietet den Berlinern die Stirn und wird Norddeutscher Vizemeister!

rene stern

 René Stern, nach Klaus Bischofff der schnellste Spieler Westeuropas und Deutscher Meister im Blitzschach

- Die deutschen Blitz-Mannschaftsmeisterschaften (was es nicht alles gibt!) entschieden unlängst ebenfalls zwei Berliner Teams für sich. Dieser von Bundesturnierdirektor Jürgen Kohlstädt ersonnene Wettbewerb hat ja eigentlich nur die Aufgabe, dem friedfertigen Sport und der Verständigung zwischen den sechzehn über das ganze Land verstreuten Bundesländern zu dienen. Doch auch hier dasselbe Muster – Berliner Teams mischten sich in Bielefeld unter die arglosen Teilnehmer, und am Ende entführte König Tegel knapp vor den SF Berlin und den renommierten, aber als Nicht-Berlinern natürlich chancenlosen Baden-Badenern den Titel in die Hauptstadt.

 - An diesem Wochenende saßen sich beim Deutschen Pokalfinale die beiden Finalisten gegenüber – und wenn wir dreimal raten dürften, aus welcher Region sie wohl anreisten, würden wir nicht verkehrt liegen, tippten wir auch hier auf die Stadt an der Spree. Dirk Paulsen, ein Berliner Urgestein und kreativer Autor hier bei der Schachwelt, setzte sich im Blitz-Entscheid gegen Ulf von Herman (König Tegel Berlin) durch und folgt damit Hagen Poetsch als Pokalsieger nach. Wir gratulieren! Mit Dirk hat nicht nur die Hauptstadt, sondern insbesondere auch die ehrwürdige Schachgesellschaft Lasker Steglitz-Wilmersdorf einen der großen Titel gewonnen. Chapeau!

 - Emanuel Lasker, den Älteren unter uns noch bekannt als einer der ersten Weltmeister, stammte zwar nicht direkt aus Berlin, aber immerhin aus Berlinchen. Erst später zog er mit seinen Tauben um in die Hauptstadt - wohin auch sonst, wenn man ein starker Spieler werden will!

laskers

Diese Laskers - und rauchen durfte man damals auch noch am Brett!

- Berliner Schachspieler machten auch mir über Jahre hinweg das Schachleben schwer – keine Schnitte und noch viel weniger Punkte für mich als Bremer in der Zweiten Liga Nord. Ein hartes Brot ist das hier im Norden - mehr zu dieser betrüblichen Serie kann man hier nachlesen.

- Marc Lang, der bekannte Blind-Simultan-Weltmeister aus dem Süden, hatte schwer zu kämpfen, als er im kühlen April gegen eine vom Schachbullen Frank Hoppe kühn komponierte Berliner Auswahl zu spielen hatte. Die Berliner verweigerten dem Gast aus dem Süden dabei offenbar jegliche Ansicht von Schachbrett und Figuren, was schon ansich ja ein unglaublicher Vorgang ist. Ob das so üblich ist beim Berliner Schach? Hoffentlich hat es zumindest Kaffee gegeben? Wir bleiben dran.

coffee

Für manchen wichtiger als die eigene Königsstellung: der Kaffeebecher

- Last but not least: wie Chronist Ralf Mulde mit dem gewohnt freundlichen Blick für einzelne Teilnehmer berichtet, wurde auch die Endrunde der Deutsche Amateurmeisterschaft 2014 in den letzten Tagen ausgetragen und entschieden. Fünf intensive Runden Turnierschach im von Berlin aus ziemlich fernen und unpreußischen Wiesbaden, und auch hier … wie hätte es anders sein können … and the title goes toMichael Schulz vom SC Empor Potsdam! Nun ist Potsdam wohl nicht mehr so ganz Berlin, auch wenn man sich das als Bremer immer gerne so denkt, aber Michael spielte, kämpfte und taktierte mit seinem gefährlichen Schach bis vor kurzem noch für Zitadelle Spandau, und das ist zweifelsfrei und auf jeden Fall tiefstes, ehrlichstes Berlin. Glückwunsch zum Titel, Herr Schulz!
Wer steckt hinter Berlin?

Die Faktenlage ist also erdrückend. Wir fragen, auch wenn das Muster noch nicht ganz einheitlich ist – was bahnt sich dort an, zwischen Charlottenburg und dem Hoppegarten? Woher kommt diese plötzliche unwiderstehliche Spielstärkemassierung der Berliner, und wie lange wird es noch dauern, bis auch Baden-Baden höchstselbst seine Vormachtstellung in der Bundesliga einbüßen wird?

Liegt es möglicherweise am monatlichen Schnellturnier, dass die Berlin Schachfreunde regelmäßig in starker Runde durchführen?

Hat die Berliner Schachschule von Michael Richter etwas mit dieser unheimlichen Ballung von starken Turnierergebnissen zu tun? Vielleicht nicht ohne Grund lehnt sich der Name des Instituts eng an die erfolgreiche Russische Schachschule von Michail Tchigorin an, und auch die Namen der beiden Hauptdozenten, Michael Richter und Michail Tchigorin, bieten auffällige Parallelen. Vertreter der Russischen Schachschule von Michail Botwinnik über Tigran Petrosian bis hin zu Bobby Fischer brachten es bis zur Weltmeisterschaft. Werden wir gerade Zeuge, wie nun eine neue, eine Berliner Schach-Ära des Schachs beginnt?

Oder steckt am Ende wie so oft doch wieder nur der Deutsche Schachbund hinter dieser ganzen Berlin-Sache? Bekanntermaßen hat der DSB sein Hauptquartier mitten in Berlin aufgeschlagen, und tja, wer weiß schon, wie das alles immer zusammenhängt.

Vielleicht haben ja auch unsere Leser in nah und fern (Österreich) weitere plausible Erklärungsansätze? Die Kommentarfunktion steht bereit: Wer oder was steckt hinter Berlin? Wir jedenfalls halten die Augen offen.

Schachwelt in neuem Gewand
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Fünf Jahre Schachwelt gingen an der Technik unserer Website nicht spurlos vorüber - ein Update unseres Content-Management-Systems wurde erforderlich.

Leider gestaltet sich dieser Vorgang nicht ganz so leicht wie mit bekannter Software. Der Umzug des knapp 1.000 Seiten großen Webauftritts erforderte einen erheblichen Arbeitsaufwand. Wir hoffen, mit der neuen Version unseren Lesern nun wieder einen schnellen Webauftritt und ein gefälliges Layout zu präsentieren.

Allerdings können wir nicht ausschließen, dass an der einen oder anderen Stelle Probleme auftreten. Sollten Sie auf Ungereimtheiten stoßen, freuen wir uns über eine Fehlermeldung per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Es muss nicht immer Brasilien sein
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Die großen Ereignisse des Weltsports sind gut getaktet in den Kalender eingefügt – alle vier Jahre Fußball – WM (und ein Sieg von D gegen POR), alle zwei Jahre Schach-Olympiade, achtmal jährlich das Werder Monatsblitzen - und einmal im Jahr der Findorffer Open-Air-Blitz in Bremen.

Im Biergarten „Port Piet“, den die Findorffer offenbar ganz gerne mal besuchen, kann man heute abend niedrigschwellig vorbeikommen, um eine Runde Blitzschach unter freiem Himmel zu spielen und stolze Preise mit nach Hause zu nehmen, zur Freude der Familie. Hartgesottene Sportler mögen zum Turnier sogar mit dem Boot anreisen, denn der Turnierstandort wurde verkehrstechnisch günstig direkt im Findorffer Torfhafen inmitten der Stadt gewählt. Kommt man also beispielsweise aus Düsseldorf angefahren, könnte man mit dem Kajak den Rhein hinab, irgendwann über zwei, drei Kanäle umsteigen in die Weser, dann hinter Bremen in die Wümme (rechts ab, aufpassen aber auf Binnenschiffe), und dann noch ein oder zwei sehr kleine Kanäle entlang – schon ist man im alten Torfhafen. Aber – rechtzeitig losfahren!

Gespielt wird natürlich bei jedem noch so ungemütlichen Wetter, da kennen die Findorffer ja nichts, und die Bremer schon gleich gar nicht. Anpfiff für das muntere Blitztreiben ist um 19 Uhr, und nur bei widrigsten Wetterverhältnissen wird alternativ das Vereinsheim der Findorffer aufgesucht – Anstoß dort dann aber erst um 20 Uhr. Alle sind herzlich willkommen. Fußball kann man heute dann leider erst hinterher gucken – die große Mutter FIFA hat bei der Ansetzung der WM-Spiele leider keine Rücksicht genommen auf mögliche Terminüberschneidungen mit Findorffer Turnieren.)

keksfreunde

Findorff also, ein bemerkenswerter Verein! Ähnlich wie Berlin und Hamburg tragen sie das „Schachfreunde“ in ihrem Vereinsnamen, und was soll man sagen – true to style haben sie sogar einen Spieler mit dem schönen Namen Günter Mattfeldt.

Die Schachfreunde Findorff spielen mit ihrem ersten Team in der Verbandsliga Niedersachsen (Nord), schlagen sich dort achtbar und haben gerade wieder den Erhalt der Klasse gesichert – Glückwunsch dazu! Auch die Traditionsmannschaft von Werder III hatte in der vergangenen Saison trotz mehrfach mahnender Worte von Mannschaftsführer Gerald Jung im Stadtduell ihre liebe Mühe. Findorff entsendet mit Thorsten Ahlers den Webmaster des Bremer Landesschachbundes, und mit Ralf Mulde den Berichterstatter rund um die Deutsche Amateur-Meisterschaft (Ramada-Cup), der ja morgen in Wiesbaden in seine Endrunde 2013/2014 geht. (Zeitgleich findet auch das Deutsche Pokalfinale statt. Es gibt wieder viel zu sehen! Wann soll man da noch Fußball gucken?). Ein weiteres Bonbon, mit dem die der Verein rund um den 1.Vorsitzenden Karsten Ohl den norddeutschen Turnierkalender ebenso wie die alljährlichen Reisekalender von Tobias Jugelt, Ilja Schneider und Dennes Abel bereichern, ist das Burkhard-Mentz-Memorial, ein Turnier im Frühjahr über neun lange Runden Hartkern-Schnellschach. Vladimir Epishin war auch schon da!

Es ist super, wenn Vereine in scheinendem Ehrenamt soviel für den Schachsport auf die Beine stellen. Ich freue mich auf die Blitzrunde heute abend! (Aber zur Sicherheit bringe ich doch lieber einen Schirm mit – oder zwei, oder drei.)

Auch Fußball ist Sport
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Heute ist es soweit  - die Fußball-WM im heißen Brasilien beginnt! Nun ist Fußball ja schon seit langem der schüchterne kleine Bruder des Schachs, und als solcher durchaus kurios, was die Spielidee anbetrifft - man läuft bei diesem „Sport“ mit einem Ball umher und schießt ihn in einen Kasten. Dieser eigenartige Balltätigkeit konnte selbstverständlich bislang noch nicht das Medieninteresse erlangen, den unser königliches Spiel spätestens seit Magnus Carlsen und Emanuel Lasker innehat. Trotzdem möchten wir helfen, dem aufstrebenden Fußballsporte unter die Arme zu greifen und ihn aus seiner stiefmütterlichen Existenz zu befreien. Gerne verlinken wir daher auf Anfrage der FIFA (das ist der Weltverband der Fußballer – ja, auch so etwas gibt es) hier bei Schach-Welt.de zum Turnier der Fußspezialisten, welches offenbar heute abend beginnt.

Sogar, so hörten wir mit Erstaunen, wird eine deutsche Équipe über den großen Teich geschickt, elf Spieler an der Zahl, dazu offenbar ein eigener Trainer, ein Busfahrer und noch einige Betreuer mehr. Selbst einen Pressesprecher gibt es, der den Journalisten sagt, was sie schreiben sollen – ein gutgemeinter Service. Allein, wir wissen, dass ein Sport kein Publikumssport werden kann, wenn das verehrte Publikum elf Spieler zugleich im Auge behalten soll, die alle auch noch zur selben Zeit über einen riesigen Platz eilen. (Hinzu kommen noch elf gegnerische Spieler.) Wie ungleich zuschauerfreundlicher ist da doch unser schöner Schachsport – beide Spieler scharen sich um ein überschaubar großes Brett, und sie laufen auch nicht in kurzen Spurts mit Bällen durch die Gegend. Alles ist hübsch rational beim Schach, und es leuchtet unmittelbar ein, dass es dadurch für Zuschauer aller Altersstufen deutlich einladender und weniger kraftraubend ist, wenn sie nicht elf, sondern nur vier Akteuren folgen müssen - so wie bei den Spielen unserer Schach-Nationalmannschaft.

hsv

Der Hamburger Schachklub hat mit dem HSV im HSK sogar eine eigene Fußballsparte -
                                  kommerziell ist diese aktuell leider aber nur wenig erfolgreich

Trotz aller Marketing-Bemühungen des DFB ("Deutscher Fußball-Bund") steht aber zu befürchten, dass auch diese WM im schönen Südamerika in den einschlägigen Medien (Weserkurier, Chessbase, Schach-Ticker, Schachfeld.de) gar nicht oder, wenn es ganz schlecht läuft, kaum repräsentiert sein wird. Fußball ist und bleibt offenbar ein Randsport, wie so viele Sportarten in Deutschland, die trotz erheblichen Engagements von der breiten und sportinteressierten Masse eher als exotisch wahrgenommen werden.

So haben beispielsweise die deutschen Handballsportler (eine Disziplin, bei der man einen Ball in die Hand nimmt, um ihn in einen Kasten zu werfen) in diesem Jahr sogar einen weiteren internationalen Titel ins Land geholt – die SG Flensburg-Handewitt gewann gegen den THW Kiel im Finale der Champions League. Aber ach, all diese Mühen waren vergebens, denn was taten die deutschen Sportfreunde in Ost und West? Man sah sie draußen in den Gärten sitzen und Schach spielen, sogar trotz einiger Regenschauer, und die Handballsportler wurden elegant ignoriert.

In Deutschland hat die Liebe zum Schachsport offenbar eine unerschütterliche Basis – die Fans möchten keine Bälle, die über einen Rasen gerollt werden, nein, das sporthungrige Publikum will seine Großmeister am Brett sitzen sehen und fordert die sizilianische Eröffnung, gefolgt von einem gepflegten Königsangriff, bei dem die Figuren nur so hin und her geopfert werden. Auch ein flottes Turmendspiel über mehrere Stunden, bei dem man minütlich die Luft anhalten muss, um es rein nervlich überhaupt durchstehen zu können, lockt die hiesigen Sportfreunde seit jeher verlässlich vor die Bildschirme.

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Das wollen die zahlenden Fans sehen - Dramatik am Schachbrett schon nach wenigen Zügen

Und so werden wohl auch bei der heute beginnenden Fußball-Weltmeisterschaft die Schachlokale wie immer prall gefüllt sein mit Anhängern des königlichen Spiels, die nicht etwa einem Fußballer wie Lu-Lu-Lukas Podolski beim Laufen zusehen wollen – nein, sie möchten dabei sein, wie Simen Agdestein in Stavanger gewinnt, oder (demnächst) Baden-Baden den 25.deutschen Meistertitel holt.. (Agdestein, der Exot – dereinst war er norwegischer Nationalspieler im .. Fußball (!), doch schon bald kam er wieder zurück auf den Pfad der Tugend und widmete sich, so wie es sich gehört, dem Schachsport.)

Es ist eine harte Wahrheit, doch auch davor wollen wir uns hier im Blog nicht verschließen – im schnelllebigen Nachrichten-und Unterhaltungsgeschäft wird der Fußballsport mittelfristig keine Chance haben. Zu unüberschaubar allein die Anzahl der Spieler auf dem Platz, und zu stark die Konkurrenz durch Turnierschach, Blitzschach, und ja, sogar durch das altehrwürdige Problemschach.
Doch wer möchte, kann ja mal reinschauen und zur Abwechslung, aus Neugier, Langeweile oder Solidarität heute einmal Fußball gucken. Es soll dem Vernehmen nach ganz kurzweilig und leicht verständlich sein, doch ist das natürlich kein wesentliches Kriterium für einen attraktiven Zuschauersport.
Die erste Begegnung heute abend wird ausgetragen zwischen Brasilien und Kroatien. Die Partie beginnt mit dem sogenannten Anpfiff um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Doch welch ein Unglück für den Fußballsport– ausgerechnet um diese Uhrzeit sitzen die meisten von uns wohl gerade fröhlich beim Vereinsabend!

sepp maier 1974 - r.engelhardt

In einigen Ländern haben es Fußballer sogar schon auf Briefmarken geschafft: hier ein Motiv eines "Torhüters" aus dem Jahr 1982. Der dargestellte Fußballer heißt Sepp Maier - nicht zu verwechseln aber mit FIDE-Meister Falko Meyer vom Zweitligisten SK Norderstedt. Foto: R.Engelhardt