Stahl und Schach haben Tradition in Wijk
Freigegeben in Blog
Donnerstag, 20 Januar 2011 10:45

Wijk in Bildern

Knapp ein Drittel des Turnieres ist vorbei, es führen Weltmeister Anand und Amerikas erster Topgroßmeister seit Bobby Fischer, Hikaru Nakamura, mit jeweils 3 aus 4. Die Nummer 1 der Weltrangliste, „Fotomodell“ Magnus Carlsen, kommt nicht in die Gänge und liegt nach seiner desaströsen Niederlage gegen Hollands Jungstar Giri auf Platz 11. Joachim Schulzes Fotos zeigen eindrucksvolle Impressionen der Veranstaltung.

ZeltCarlsenbeiderAuslosung

 

Carlsen bei der Auslosung

SpielsaalNeueDekoration

 

Die neue Dekoration des Spielsaals

Carlsen-girieroeffnungsphaseamBrett

Carlsen-Giri: Eroeffnungsphase am Brett

Carlsen-girieroeffnungsphaseamdemobrett

Carlsen-Giri: Giri analysiert

ZeltSokolovbeimKommentieren

Ivan Sokolov kommentiert live

JugendsimultanimzeltvielezukuenftigeGiris

Jugendsimultan im Zelt: Viele zukuenftige Giris

StrandSpringer

Strand-Springer

GirinachderPpartiegegennakamura

Giri nach der Partie gegen Nakamura

Selten verlor eine Nummer eins so
Freigegeben in Blog
Montag, 17 Januar 2011 15:18

Selten verlor eine Nummer eins so

Angefangen mit der Schacholympiade hat Magnus Carlsen nun acht Partien verloren, sechs davon mit mit Schwarz und meist, nachdem er zu viel riskiert hatte. Vom 16jährigen Anish Giri wurde er in der heutigen dritten Runde in Wijk aan Zee dagegen als Weißer aus der Eröffnung heraus wie ein Patzer überspielt und verkürzte seine Leiden am Ende durch einen Figureneinsteller. Nur eineinhalb Stunden hielt Carlsen gegen den (von der Schachwelt in einer Leser- und Expertenbefragung ermittelten) nächsten Carlsen aus.  

Carlsen 1.0 - Giri (aka Carlsen 2.0)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 d5 5.cxd5 Sxd5 6.Sf3 Sb6 7.Sc3 Sc6 8.e3 O-O 9.O-O Te8
Hier beginnt ein Tempokampf. Schwarz wartet mit e7-e5, Weiß zögert d4-d5 hinaus.
10.Te1 a5
Eine mir bisher nicht vertraute Pointe dieses Zugs wird sich im 16.Zug erschließen, ermöglicht wird sie allerdings auch erst durch Carlsens nächsten Zug ;-) 
11.Dd2?! e5 12.d5 Sb4 13.e4 c6 14.a3  
Müsste der Gaul weichen, stünde Weiß nach 14...Sa6 15.dxc6 bxc6 16.Dc2 einfach besser, aber: 
14...cxd5! 15.axb4?
Technisch gesehen der vorentscheidende Fehler. Nach 15.exd5 S4xd5 16.Sxd5 Sxd5 17.Sxe5 Lxe5 18.Dxd5 wäre ein Remis auf dem Brett gewesen, aber das wollte Carlsen nicht. 
15...axb4 16.Txa8 bxc3 17.bxc3
17.Txc8?? cxd2 18.Txd8 dxe1D+
17...Sxa8 18.exd5 Sb6  
Der Springer strebt nach c4, die weißen Bauern auf d5 und c3 sind schwach. Schwarz steht bereits klar besser.
19.Td1 e4
carlsengiri

20.Sg5? 
 
Kostet ein Stück. 20.Se1 Lg4 ist allerdings auch kein Vergnügen mehr.
20…e3 21.Db2 Dxg5 22.Lxe3
Dem Publikum (und Giri) besser gefallen hätte sicher 22.Dxb6 e2 23.Te1 Dxc1 24.Txc1 e1D+ 25.Txe1 Txe1+ 26.Lf1 Lh3.
22...Dg4 0-1
Unser Spieler des Jahres
Freigegeben in Blog
Donnerstag, 13 Januar 2011 03:31

Unser Spieler des Jahres

Nachdem Stefan Löffler zwischen den Jahren seine „Spieler des Jahres“ vorstellte, führte SCHACHWELT eine Kurzumfrage zu diesem Thema durch. Dabei erhoben wir keineswegs einen repräsentativen Anspruch. Und doch lieferten die rund 100 Stimmen einige interessante Erkenntnisse.

Hier das Ergebnis:
Klare Nummer 1 unserer Leser, wie sollte es nach dem Medienrummel auch anders sein, ist Magnus Carlsen. Fast jeden Vierten konnte der junge Norweger begeistern.

Auf Platz 2 finden wir den amtierenden Weltmeister Viswanathan Anand (16%). Der ruhig und zurückhaltend wirkende Inder verteidigte im Mai seinen Weltmeistertitel (SW war live dabei). Seinem Gegner, Wesselin Topalow (5%), bekannt für ein gewisses Hau-Ruck-Schach, haftet wohl noch immer die Toilettenaffäre des Jahres 2006 und die damit verbundene negative Presse in Deutschland (siehe Chessbase.de) an.

Aus deutscher Sicht sehr erfreulich der dritte Platz** Georg Meiers (14%), dem (ehemaligen?) zweiten Brett der Nationalmannschaft, der eine klare Position gegenüber dem Schachbund vertritt und breite Rückendeckung in der Schachbevölkerung erhält.
Ganz anders dagegen Arkadij Naiditsch (1%) - anscheinend hat sich Deutschlands Nummer 1 mit seinem offenen Brief zur unangenehmen Honorardiskussion die letzten Sympathien verscherzt. Ebenfalls nur eine Stimme bekam, für mich etwas überraschend, Wladimir Kramnik – ruhige Typen verschwinden anscheinend schnell aus dem Fokus der Medien.
Ansonsten finden wir diverse russische Namen in einem breiten Feld unter ferner liefen. Jungstar Anish Giri hatte ebenso wenig zu melden wie Stefan Löfflers Favorit Jan Nepomnjaschtschi, Neppi. Für mich ein Indiz, dass die breite Masse der Schachspieler nur an der absoluten (auch deutschen)  Spitze interessiert ist.

**Bedauerlicherweise müssen wir Georg Meier 10 Stimmen abziehen: Die Umfrage wurde durch denselben User manipuliert, der kontinuierlich unsere Blogbeiträge abwertet. Vielleicht hat ein Leser eine Idee, wie man sich solcher Personen erwehren kann. Zuschriften an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erwünscht.
Freitag, 31 Dezember 2010 01:27

2010 im Schnelldurchlauf

Das zu Ende gehende Jahr war ein ereignisreiches Schachjahr, aber war es auch ein gutes? Welche Ereignisse, welche Spieler haben es geprägt? Einige Glanzpunkte setzte sicher die Jugend. Als Erinnerungsstütze ein kurzer, nicht ganz unsubjektiver Überblick.

Los ging es mit der Mannschafts-WM im türkischen Bursa und einem Favoritensieg Russlands. Überraschend holten die USA mit dem überragenden Nakamura und Indien, obwohl ohne Anand, die Medaillen vor den höher eingeschätzten Team aus Aserbaidschan und Armenien. Den besten Start des Jahres erwischte Alexei Schirow in Wijk aan Zee mit fünf Siegen en suite. Am Ende wurde er dann doch noch überholt von dem trotz seiner erst 19 Jahre seit 1.Januar Führenden der Weltrangliste Magnus Carlsen. Die B-Gruppe wurde eine Beute des nächsten Carlsen, des 15jährigen Anish Giri.

Weltmeister Anand riss sich in Wijk aan Zee bei seinem letzten Test vor seinem Titelkampf kein Bein aus und holte seine üblichen plus zwei. Anders einen Monat später Wesselin Topalow: Mit unberechenbarem, hoch riskantem Schach gewann der Herausforderer in Linares, wo allerdings weder Carlsen, Anand noch Kramnik am Start war. Das wahrscheinlich stärkste Open des Jahres gewann der 18jährige Vietname Le Quang Liem. Während die Nationalspieler bei der EM in Rijeka unter ferner liefen mit ansahen, wie der 19jährige Jan Nepomnjaschtschi als Nummer 35 der Setzliste Europameister wurde, holte sich ein anderer Junior, der 18jährige Hamburger Schüler Nicolas Huschenbeth den deutschen Titel.

In der Bundesliga war der Titelgewinn des hohen Favoriten Baden-Baden nach einer Niederlage gegen Werder Bremen dank der ebenfalls vorne mitmischenden Solinger erst im letzten Spiel perfekt. Spannend verlief auch die WM. Anfangs überschattet von der Flugsperre, die Anands Reise nach Sofia erschwerte, und Spekulationen über Provokationen in der Heimat des Herausforderers wurde es ein fairer und hochklassiger Zweikampf, den Anand knapp aber zu Recht gewann. Zur gleichen Zeit und ein halbes Jahr zu spät kam der FIDE-Grandprix in Astrachan doch noch zu einem Abschluss, der aber überschattet wurde von Mutmaßungen über eine Partieabsprache zwischen Mamedscharow und Radschabow, die letzterem zum letzten offenen Platz im Kandidatenturnier verholfen haben könnte.

Korruption ist im Weltschach sonst eher auf Funktionärsebene ein Problem. Hoffnungen auf Veränderung nährte die Kandidatur von Anatoli Karpow um die FIDE-Präsidentschaft mit maßgeblicher Unterstützung von Garri Kasparow und dessen Draht zu Financiers im Westen. Das Turnier im rumänischen Bazna mauserte sich zum Elitewettbewerb. Der Sieger hieß einmal mehr Carlsen. Derweil eskalierte ein seit längerem schwelender Streit zwischen den Nationalspielern und dem Deutschen Schachbund um Honorare und die Bedingungen für Profis in Deutschland. Dazu gehört etwa auch, dass in Dortmund nur Naiditsch willkommen ist (das unzureichend gemanagte Turnier gewann heuer Ponomarjow) und in Mainz, dem Treffpunkt des Schachs in Deutschland, aufgrund der Wirtschaftskrise das Programm auf zweieinhalb Tage eingedampft werden musste.

Bei der Schacholympiade holte dann eine Ersatzauswahl mit Platz 64 das mit Abstand schlechteste deutsche Ergebnis. Im sibirischen Chanti-Mansisk enttäuschte auch Gastgeber Russland und musste Gold den leidenschaftlicheren, von einem entfesselten Wassili Iwantschuk angeführten Ukrainern überlassen. Dafür dominierten die Russinnen den Frauenwettbewerb. Bei der FIDE-Wahl unterlag Karpow mit praktisch der selben Marge wie vier Jahre zuvor Bessel Kok gegen Kirsan Iljumschinow, dessen Hintermänner seit 1995 in die eigenen Taschen wirtschaftend das Chaos verwalten.
Als Finale der unabhängigen Grand-Slam-Turniere hatte Bilbao eine schiefe Optik, hatte doch nahezu alle Qualifikationswettbewerbe Carlsen gewonnen, der gerade eine Formkrise durchmachte, während der einzige andere Qualifizierte Topalow von vornherein absagte. Kramnik gewann. Nur wenige Tage später begann der neue Grand Slam Tausende Kilometer entfernt in Nanking, wo Carlsen wie verwandelt agierte und überlegen gewann.

Kurz danach schockte der Norweger, dessen WM-Sieg für viele nur eine Frage der Zeit ist, mit dem Rücktritt aus dem im Frühjahr anstehenden Kandidatenturnier. Keinen klaren Sieger gab es in Moskau. Aronjan (der anschließend die Blitz-WM gewann), Mamedscharow und Karjakin teilten am Ende Platz eins. Das wäre nach der üblichen Wertung auch in London der Fall gewesen. Weil ein Sieg dort aber drei Punkte wert war, wurde Carlsen vor McShane und Anand zum Sieger erklärt. Zwischendurch setzte Marc Lang, FIDE-Meister aus Günzburg, mit einem Blindsimultan gegen 35 Gegner das deutsche Schachhighlight des Jahres. Die Frauen-WM im türkischen Antakya wurde von den Chinesinnen dominiert. Den Titel holte sich die 16jährige Hou Yifan, so dass sie sich künftig wohl öfter mit Männern messen darf.

Russischer Meister wurde nach einem Stichkampf, in dem es nur Remisen gab, und obwohl er zuvor im regulären Vergleich gegen den gleichaltrigen Karjakin unterlegen war, der mittlerweile 20jährige Nepomnjaschtschi. An die Weltranglistenspitze kehrt aber, nachdem zwischenzeitlich Anand vorne war, Carlsen (ebenfalls 20) zurück.

Magnus Carlsen
Freigegeben in Blog
 „Schach ist einfach – wenn man kann“ so oder ähnlich ließ es Vlastimil Hort seine zahlreiche Fangemeinde wissen. Auch beim Weltranglistenersten Magnus Carlsen wunderte mich, wie er seine illustren Gegner zuweilen alt aussehen lässt. Und dabei legt er die Partie gern harmlos an, als wolle er seine Widersacher in Sicherheit wiegen. Die Hauptaussage meines Artikels, den ich eigentlich schon gestern beenden wollte, ist nun etwas konterkariert worden durch den Ausgang der gestrigen 1. Runde in London: da ist Carlsen tatsächlich auf ähnlich glatte Weise vorgeführt worden von Luke McShane, und zwar ebenso mit einer völlig anspruchslosen symmetrischen Englischen Eröffnung – passend zum Ort des Turnieres!
Nichtsdestotrotz rechne ich damit, dass sich Carlsen im Turnier noch berappeln und ein paar Siege einfahren wird. Ich will trotzdem versuchen, Ihnen was vielleicht Charakteristisches des jungen Norwegers aus seinem letzten Turnier im fernen China aufzuzeigen:
 

Carlsen,M (2825) - Bacrot,E (2715) Schottisch [C45]

3rd Pearl Spring (1), 2010

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Sxd4 Lc5 5.Sb3 Die erste Überraschung. Zwar hat Carlsen schon öfters Schottisch hervorgeholt, aber dann mit 5.Le3. Fast immer auf Superniveau sieht man entweder das komplexere 5.Le3 Df6 6.c3 oder die Holzhackervariante 5.Sxc6 Df6 6.Dd2 bzw. 6.Df3, um schnellstmöglich die Damen vom Brett zu bekommen und auf leichte strukturelle Endspielvorteile zu hoffen. Der Partiezug gilt als wenig ambitioniert. 5...Lb6 6.Sc3 Sf6 Schwarz muss die Fesselung durch Lg5 nicht zulassen, er kann auch erst 6...d6 ziehen und auf das ruhige 7.Le2 warten, womit Weiß im Prinzip zu erkennen gibt, dass er die kurze Rochade anpeilt. 7.De2!?

 Aber hallo! Dass Weiß so einen hässlichen Zug wählen kann verblüffte mich – ich mutmaßte, dass es sich um eine Neuerung handeln würde. Doch dem war nicht so. Ganze 25 Partien wurden zuvor schon mit diesem Zug gespielt! Aber genauer betrachtet ist das nicht so viel, denn Lg5, der Hauptzug, kam schon rund 6xhäufiger vor und alle möglichen anderen Züge wurden auch noch gespielt, also es ist nicht unbedingt ein zu erwartender Zug. Viel interessanter ist die Strategie dahinter! Weiß strebt offenkundig die lange Rochade an – und dann droht dem schwarzen König, falls er kurz rochieren sollte, ein Bauernstrum auf dem Königsflügel. Weiß will mattsetzen - dieser Plan ist somit ebenso riskant wie einfach! Übrigens fällt mir dabei eine alte Geschichte ein. Als ich noch Jugendlicher war spielte mein Mannschaftskollege in einer etwas anderen, aber doch in mancher Hinsicht ganz ähnlichen Situation auch De2. Dabei sah die Alternative Dd2 viel vernünftiger aus, zumal schon ein Läufer auf e3 stand. Auf meine Anfrage, warum er diesen skurril aussehenden Zug gespielt habe, antwortete er zuversichtlich: „das steht in meinem Theoriebuch!“ Hinterher stellte sich heraus, dass es sich um einen Druckfehler handelte.  
7...0–0!? Nimmt die Herausforderung an, sicherer erscheint schon 7...d6 nebst …Le6, was die lange Rochade  noch offen lässt.
8.Lg5! h6 9.Lh4!

Erst das war wohl die Neuerung. Aber die versteht sich von selbst! Die Fesselung ist recht unangenehm für Schwarz, nachdem er rochiert hat und sein Schwarzfelder auf b6 vor der Verteidigung platziert ist. Manchmal muss man einfach simpel spielen und Carlsen scheint es gegeben zu sein, solche Linien auf dem Brett oder zuhause in weniger erforschten Stellungen zu finden. Der Rest jedenfalls ist schnell erzählt, Carlsen gewann die Partie im Sturmangriff: 
a5 10.a4 Sd4 11.Dd3 Sxb3 12.cxb3 Te8 13.0–0–0 d6 14.Dc2 Ld7 15.Lc4 Le6 16.The1 De7 17.e5 dxe5 18.Txe5 Df8 19.Lxf6 gxf6 20.Te2 Dg7 21.Lxe6 Txe6 22.Txe6 fxe6 23.Td3 Kh8 24.Tg3 Dh7 25.Dd2 Lc5 26.Se4 Le7 27.Th3 Kg7 28.Dd7 Kf7 29.Sg5+ fxg5 30.Tf3+ Kg8 31.Dxe6+ Kh8 32.Tf7 Ld6 33.Txh7+ Kxh7 34.Df7+ Kh8 35.g3 Ta6 36.Kb1 Lb4 37.f4 gxf4 38.gxf4 1–0

Am Bildschirm nachspielen:


carlsendo2fj
Magnus Carlsen                                                                     Foto: Jarchov

Beeindruckend fand ich auch, wie er ein paar Runden später den früheren Weltmeister Topalov, der anscheinend meilenweit von seiner früheren Form entfernt ist, mit einer praktischen Eröffnungswahl überspielte:

Carlsen,M (2825) - Topalov,V (2800) [C84]

3rd Pearl Spring (5), 2010
 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.d3(!)

Geht den forcierten Möglichkeiten, die nach 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 aus dem Wege, wie dem Marshall-Gambit nach 8.c3 d5. Früher, beim Blitzen, galt so was wie 6.d3 als „Patzerzug“. Wer so spielte gab zu erkennen, dass er von Theorie keine Ahnung hat. Ich wunderte mich trotzdem jedes Mal, wenn ich gegen so eine „Type“  mit Schwarz blitzte, wie schwer ich mich trotzdem tat. Jedenfalls ist es so, dass Weiß gar nicht erst versucht, einen Vorteil aus der Eröffnung nachzuweisen. Es reicht ihm völlig, eine ordentliche Stellung zu haben, die eher dem Weißen Aussichten einräumt, später doch noch die Initiative zu ergreifen. Nach ein paar indifferenten Zügen von Toppi schnappt sich Carlsen später das Läuferpaar und eröffnet mit f2-f4 den Kampf um Zentrum und Initiative.
b5 7.Lb3 d6 8.a4 Tb8 9.axb5 axb5 10.Sbd2 0–0 11.Te1 Ld7 12.c3 Ta8 13.Txa8 Dxa8 14.d4 h6 15.Sf1 Te8 16.Sg3 Dc8 17.Sh4 Lf8 18.Sg6 Sa5 19.Sxf8 Txf8 20.Lc2 Te8 21.f4 Lg4 22.Dd3 exf4 23.Lxf4 Sc4 24.Lc1 c5 25.Tf1 cxd4 26.cxd4 Dd8 27.h3 Le6 28.b3 Da5 29.Kh2 Sh7 30.e5 g6 31.d5 Sxe5 32.dxe6 1–0 
Alles wirkt kraftvoll, aber ebenso einfach wie verständlich. 

Am Bildschirm nachspielen:

Im falschen Film
Freigegeben in Blog
Dienstag, 07 Dezember 2010 09:11

Im falschen Film

Trotz Elo- und Modehype präsentiert sich Magnus Carlsen als netter, bodenständiger Kerl in diesem Protokoll über sein perfektes Wochenende, das ein Reporter des britischen Telegraph aufgezeichnet hat. Wahrscheinlich war er auch einfach froh, nicht über seinen WM-Ausstieg reden zu müssen. Dass sein letzter Kinofilm, wie er dabei verriet, allerdings Harry Potter war (dabei wäre Harry Brown, in dem Michael Caine als Racheengel eines von Jugendbanden terrorisierten Londoner Wohnblocks brilliert, doch eine ideale Vorbereitung auf sein anstehendes Turnier gewesen - vielleicht hat ihn ja Viktor Kortschnoi gesehen, der es während des Festivals in London zweimal gegen ein paar Dutzend Jüngere aufnehmen will), heißt entweder, dass ihm auf die Schnelle keine andere aktuelle britische Produktion eingefallen ist, mit der er den Lesern des Stücks schmeicheln konnte, dass Magnus eine noch nicht ganz volljährige Freundin hat, die ihn überredete, oder aber, was bei seiner Ehrlichkeit leider am wahrscheinlichsten ist, dass eine Geschmackberatung überfällig ist. Gusti, bitte übernehmen! 

London Calling
Freigegeben in Blog
Samstag, 04 Dezember 2010 21:29

London Calling

Keine Sorge, dieser Blog wechselt nicht zur englischen Sprache.  Das ist nur die Vorfreude auf das am Mittwoch beginnende London Chess Classic, das bei seiner Erstauflage voriges Jahr auf Anhieb neue Maßstäbe in Sachen Publikumsfreundlichkeit setzte. Wo sonst kommen die Akteure nach den Partien nahezu alle zu den Zuschauern und erläutern ihre Partien selbst? Und das nicht etwa, weil es vorher an kompetenten und spannend anzuhörenden Kommentatoren gefehlt hätte. Es ist allererste Sahne, was der Londoner Schachhändler und -veranstalter Malcolm Pein auf die Beine gestellt hat.

Statt wie in Dortmund die immergleichen drei Lieblingsspieler des Veranstalters mit drei Weltklassespielern zu matchen, treffen in London vier Weltklassespieler auf die vier stärksten Engländer. Kritikwürdig ist dabei nur, dass sich das Teilnehmerfeld gegenüber vorigem Jahr nur auf einer Position geändert hat. Statt Ni Hua spielt Anand. Es macht Sinn, den Weltmeister mit den hohen Londoner Standards vertraut zu machen, denn 2012 soll er dort seinen WM-Titel verteidigen. Allerdings dann nicht gegen Vorjahressieger Carlsen, der sich ja aus dem laufenden Zyklus abgemeldet hat. Ihr in Bilbao begonnenes und in Nanking fortgesetztes Minimatch geht übrigens in Runde fünf. Ein zweiter kleiner Makel ist das Open. Das läuft zeitversetzt, aber nicht früher sondern später als die Spitzengruppe, so dass Openspieler weniger Gelegenheit zum Kiebitzen haben als möglich wäre. Ob sich deshalb nur vier Deutsche zur Teilnahme entschließen konnten? Und andere vielleicht ohne Openteilnahme kommen? Wie Hans-Walter Schmitt, der sich, obwohl Deutschlands führender Schachveranstalter, auch noch das eine oder andere abschauen kann, aber offiziell wegen des anstehenden 41.Geburtstags eines guten indischen Freundes nach London reist.  

Besonders wichtig sind dem Festival Besucher anderer Art. Für Schulkinder, die mit ihren Schachgruppen die ganz Großen besuchen kommen, gibt es ein volles Programm. Die Charity Chess in Schools and Communities, die hinter dem Festival steht, ist nämlich nicht dem Spitzenschach sondern dem Kinder- und Breitenschach verpflichtet. Ohne diese Schnittstelle macht das ganze und auch eine WM 2012 wenig Sinn.