Stefan Löffler

Stefan Löffler

Donnerstag, 16 April 2015 21:29

Alles Gute, Jörg!

Der Gründer dieses Blogs und Betreiber dieser Website ist heute fünfzig geworden.

Seit vielen Jahren veranstaltet Jörg erfolgreich Schachseminare und Schachreisen - zuletzt  gerne auf Kreuzfahrtschiffen. Für kurze Zeit gab er auch ein monatliches Magazin heraus, das sich am Markt nicht durchsetzen konnte, von dem aber der Name dieses Blogs geblieben ist: Schach-Welt.

Davor war Jörg viele Jahre Nationalspieler. Er knackte die 2600-Elogrenze, als das noch erweiterte Weltspitze bedeutete. Dabei baute er nicht auf Hauptvarianten, sondern darauf, dass seine Gegner irgendwann ihre Stellung überschätzen oder den Faden verlieren. Dass Variantenwissen überschätzt wird, dafür ist Jörgs Schach der beste Beweis. 

Sonntag, 14 September 2014 00:00

DSB-Finanzen vorerst gerettet

Die Streichung der Leistungssportförderung für 2014 ist abgewendet. 93 000 Euro erhält der DSB heuer vom Bundesministerium des Inneren, die Kürzung gegenüber 2013 macht unter 30 Prozent aus. Die Haushaltssperre wird aufgehoben, sobald dem Verhandlungsergebnis der offizielle Bescheid folgt, ist heute auf der DSB-Seite zu lesen.

Ein Finanzloch drohte dem DSB auch im Prozess, den Falko Bindrich angestrengt hatte. Der frühere Juniorennationalspieler forderte mehr als 60 000 Euro Schadensersatz, weil er nach der Nichtherausgabe seines Mobiltelefons, um einen möglichen Betrugsversuch bei einer Bundesligapartie 2012 zu untersuchen, kurzzeitig gesperrt wurde und nicht in seinem Verhalten sondern dieser Sanktion die Ursache seines beschädigten Rufs sehen wollte. Nach der Verhandlung vor dem Berliner Landgericht ist damit zu rechnen, dass Bindrichs Klage abgeschmettert wird. 

Ein wichtiger Schritt steht allerdings noch aus: Der Dachverband DOSB muss seine Förderkriterien im Dezember so ändern (und ist laut einer Erklärung von Ende Juni auch dazu willens), dass Schach auch 2015 weiter regulär gefördert werden kann.

 

 

Donnerstag, 14 August 2014 00:00

Trauriger Abschluss

Während der Schlussrunde der Schacholympiade kam es zu einem traurigen Zwischenfall. Ein Spieler erlitt einen Herzanfall, die Hilferufe seiner Mitspieler lösten Panik aus. Zahlreiche Spieler rannten zum Ausgang, viele fürchteten irrtümlich einen Amokläufer, nachdem jemand, der offenbar noch nie einen Defibrillator gesehen hatte, "shoot" rief. Das Notarztteam war binnen Minuten zur Stelle, doch der Spieler starb im Krankenhaus.

Es handelt sich um den 67jährigen Schweizer Kurt Meier (Foto), der schon bei mehreren Schacholympiaden für die Seychellen antrat, die Heimat seiner Frau, wo er auch gut die Hälfte des Jahres verbrachte. Meier spielte zuletzt noch das Open in Dubai und das Seniorenturnier Adelboden, war außerdem ein starker Fernschachspieler.

Viele haben die letzte Runde nicht mehr zu Ende gespielt, sondern sich während der Unterbrechung auf Remis geeinigt. 

Nur wenige Stunden später starb ein weiterer Spieler der Schacholympiade: Der 46jährige Usbeke Alischer Anarkulow, Mitglied des ICCD-Teams (Gehörlose), wurde nach einem mutmaßlichen Herzanfall tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Welch ein tragisches Ende einer nicht perfekten, aber gelungenen Schacholympiade.

Mittwoch, 13 August 2014 00:00

Ein deutscher Erfolg in Tromsö?

Die deutschen Damen spielen am Donnerstag bei der Schacholympiade gegen die Georgierinnen überraschend (und mit etwas Glück) um eine Medaille, die Männer nach der ersten Niederlage gegen Indien nur noch um eine vorzeigbare Platzierung. Auch schachpolitisch läuft es gemischt in Tromsö. Der DSB-Kandidat für die FIDE-Präsidentschaft, angeblich Kroate mit Wohnsitz in den USA, ist deutlich durchgefallen. Auch das Europaticket, in dem der langjährige DSB-Generalsekretär Horst Metzing antrat, zeigte sich chancenlos. Metzing verzichtete danach auf eine Kandidatur für einen der frei zu wählenden Vorstandsposten (obwohl er sicher gewählt worden wäre).

An diesem Mittwoch wurde DSB-Präsident Herbert Bastian als Kandidat für einen von fünf Vizepräsidentenposten nominiert. Und zwar von Griechenland und der Schweiz, die auf Iljumschinow-Linie stehen. Wer ihn nominiere, sei doch nur eine Formsache, sagt Bastian dazu. Im Kasparow-Lager, wo man ihn nach dem enttäuschenden Ergebnis für einen der Umfaller hält, wird es wohl anders ankommen. Vor der FIDE-Wahl sei er von beiden Seiten bearbeitet worden, sagt Bastian und versichert: Versprochen oder gar angenommen habe er aber nichts. Auch nicht für die Vizepräsidenschaft, für die er sich in der Vollversammlung im zweiten Wahlgang gegen sechs weitere Kandidaten und Kandidatinnen durchsetzte. Im FIDE-Vorstand, das sich vierteljährlich für ein langes Wochenende irgendwo auf der Welt zusammenfindet, will er die Interessen des deutschen Schachs vertreten. Dabei wisse er und erwarte, dass es natürlich Diskussionen auslöse, wenn er in den Vorstand einer zuhause als korrupt verschrieenen Organisation gehe.

Dienstag, 25 März 2014 14:35

Erste Schlusstabellen aus Chanti-Mansisk

Russische Supermeisterschaft

1.-2. Swidler, Karjakin je 3,5 aus 6, 3.-4. Andreikin, Kramnik je 2,5

Rest der Welt-Meisterschaft ohne Carlsen

1. Anand 4,5, 2.-4. Aronjan, Mamedscharow, Topalow je 2,5

Russland - Rest der Welt 

7:9 nach dem ersten Durchgang

Als ich hier kürzlich meine Spieler des Jahres 2013 nominierte, habe ich einen Fehler gemacht. Fabiano Caruana hätte einen höheren Platz verdient, vielleicht Platz drei oder vier. Er ist der Spieler, der Carlsens Stil am nächsten kommt. In der Eröffnung sucht er nur eine spielbare, seinem Gegner nicht so angenehme Stellung. Dann kämpft er, stellt Probleme, findet Ressourcen, ist gut in der Chancenverwertung. Nach Zürich, wo er zwar nur das Schnellturnier gewann, aber immerhin geteilter Zweiter wurde und Aronjan dessen erste Marshall-Niederlage in dessen mehr als zwanzig langen Schwarzpartien mit dieser Eröffnung beibrachte, bin ich überzeugt: Der 21jährige mit italeinischen und US-Pass fehlt dem am 11. März beginnenden Kandidatenturnier.

Chanti-Mansisk ist nicht sein Lieblingsort, und die mitunter heftigen Minustemperaturen auch noch im März hätten ihm nicht behagt, aber er hätte Chancen gehabt. Nicht so gute wie Kramnik und Aronjan, aber so gute wie Topalow und, wie ich glaube, bessere als alle anderen. Wissen Sie, wie viele gewertete Partien er in den letzten zwölf Monaten bestritten hat? 114. Auf solche Zahlen kommen Profis, die Opens und Ligen spielen. Aber da kommt kein anderer Weltklassespieler auch nur in die Nähe. In den nächsten zwölf Monaten könnten es bei Caruana wohl auch nur noch halb so viele sein. Einfach, weil kaum Einladungsturniere anstehen und der nächste FIDE-Grandprix bestimmt nicht, wie veröffentlicht am 14. Mai starten wird.

Im letzten Grandprix hat er mehr Punkte gesammelt als jeder andere. Sowohl Punkte im Turnier (26) als auch Grandprixpunkte (460). Doch nach Streichresultat (380) lagen Topalow (25,5 / 455 bzw 415) und Mamedscharow (24 / 415 bzw 395) knapp vorn. Im Weltcup scheiterte Caruana im Viertelfinale an Vachier-Lagrave im Schnellschach. Als nach Kramniks Weltcupsieg ein Eloplatz frei wurde, hatte Caruana knapp das Nachsehen gegenüber Karjakin. Hätte es die FIDE nicht auf einmal eilig gehabt mit der Ausschreibung des Kandidatenturniers, hätte sich gut ein anderer Veranstalter finden können, der Caruana den Platz gegeben hätte. Die Bulgaren sprachen immerhin schon davon (weil Topalow ja qualifiziert ist). Die FIDE hätte auch mit gutem Recht sagen können, ein vierter Russe komme nicht in Frage. Caruanas letzte Hoffnung war, dass Anand sich eine weitere Schlappe ersparen will und aufs Kandidatenturnier verzichtet. Schon Wochen vor dem Meldeschluss am 20. Januar fragte sein Trainer Tschutschelow bei Anand nach. Doch der ließ ausrichten, dass er selbst spielen will.

Mittwoch, 29 Januar 2014 16:34

Drei Disziplinen unter einem Hut

Wenn es nach Kasparow ginge, gäbe es keine Schnell- und  Blitzschachelo mehr sondern eine integrierte Wertung, die lange, Schnell- und Blitzpartien, eines Tages sogar online gespielte, in einer Zahl vereint. Online kann ich mir wegen der fehlenden Kontrolle nicht vorstellen, dafür würde ich mir wünschen, dass Fischerschachpartien (auch Chess 960 genannt) ausgewertet können. 

Ein Argument, das Kasparow für die integrierte Auswertung bringt (zum Beispiel zu Beginn der auf Youtube aufgezeichneten Pressekonferenz in Wijk aan Zee vor wenigen Tagen), ist, dass die Schnellpartien, dank deren Kramnik 2006 und Anand 2012 die WM gewannen, nicht in der Standardelo enthalten sind. Puristen sind der Meinung, dass Weltmeisterschaftskämpfe prinzipiell nicht bei verkürzter Bedenkzeit entschieden werden dürften. Besonders ein Dorn im Auge ist, dass der WM-Titel im Extremfall, also wenn die regulären Partien keinen Matchsieger bringen und auch die Schnellschachrunden unentschieden verlaufen, sogar ausgeblitzt würde. Dann lieber "Draw Odds" für den Titelverteidiger oder immer zwei Partien angehängt, bis jemand gewonnen oder der Veranstalter Konkurs angemeldet hat. 

Mit dem Zürich Chess Challenge steht nun ein interessantes Experiment mit integrierter Wertung auf höchstem Niveau (mit Carlsen, Aronjan, Anand, Caruana, Nakamura, Gelfand) an: Diesen Mittwoch entscheidet ein Blitzturnier über die Startnummern und damit, wer wie oft Weiß und Schwarz in den langen Partien kriegt. Am Ende spielen alle noch einmal mit vertauschten Farben Schnellschach, wobei die Schnellpartien mit halbierter Punktzahl in die Gesamtwertung einfließen.  Nur ein halbseidener Versuch, den Schauwert fürs Publikum zu erhöhen? Oder die Zukunft des Spitzenschachs? Magnus Carlsen scheint sich vor seinem ersten Turnier als Weltmeister sehr auf das Format zu freuen. Und Sie?

Montag, 30 Dezember 2013 12:26

Europa fällt zurück

36 Medaillenplätze wurden bei den Kinder- und Jugendweltmeisterschaften U8 bis U18 vergeben: 17 davon gingen nach Asien, 16 nach Europa und 3 nach Nordamerika (alle drei übrigens an Kinder chinesischer Einwanderer). Nimmt man nur die ersten Plätze ging sogar nur jeder vierte Titel nach Europa, nämlich an Aram Hakobyan aus Armenien (U12), Lidia Tomnikowa aus Russland (U18) und Stavroula Tsolakidou aus Griechenland. Indien, Iran und China räumen bei solchen Wettbewerben schon fast traditionell ab. Und das ohne notwendigerweise die Besten zu schicken: Wei Yi, der mit 14 schon über 2600 rangiert, wird allenfalls noch eine U20-WM spielen. Aravindh, der mich im November in Chennai beeindruckte, als er 14jährig ein Open vor 20 GMs gewann, brach übrigens nach 6 aus 7 ein.  Auch wenn Asien gerade den absoluten WM-Titel an Norwegen verloren hat und die nächsten Weltklasseevents wieder in Europa steigen, ist unübersehbar, dass Europas Dominanz im Schach schwindet. 

Aus deutscher Sicht war der Event enttäuschend und das nicht nur für die beiden großen Medaillenhoffnungen Matthias Blübaum und Dennis Wagner in der U16. Nur einer von 23 mit einer Elozahl gestarten Burschen spielte besser als seine Elozahl. Von den Österreichern erspielte keiner seine Zahl. Bei den Mädchen sah es jeweils nur geringfügig besser aus.

Mit etwa 1800 Teilnehmern und Teilnehmerinnen über elf Runden ist es vermutlich das größte Schachturnier der Welt, größer als die Schacholympiade selbst wenn man da die Funktionäre zu den Aktiven dazurechnet, und es fand in Al-Ain, einer Oasenstadt in den Vereinigten Emiraten, wohl vorerst letztmals in dieser Form statt, weil es einfach zu groß und nicht mehr beherrschbar geworden ist.

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 26 Dezember 2013 16:05

Meine Spieler des Jahres 2013

Wie jedes Jahr veröffentliche ich meine Top Ten, wie ich sie auch der russischen Zeitschrift 64 für die von ihr organisierte Schach-Oscar-Wahl übermittle, mit einigen kurzen Erklärungen.

1. Wladimir Kramnik steht hier als verhinderter Weltmeister, als symbolische Reverenz an den punktgleich Ersten des Kandidatenturniers, der beim spannendsten Turnier seit Jahren da beste Schach gezeigt hatte, als Sieger des Weltcups und als erstes Brett des Mannschaftsweltmeisters.

2. Magnus Carlsen steht bei mir - quasi punktgleich - auf Platz zwei. Den neuen Weltmeister und überlegenen Weltranglistenersten setzt ja sonst fast jeder auf Platz eins. Das bringt den Schachoscar schon genug in Gefahr, weil es die Wahl langweilig macht, hat der Norweger sie doch seit 2009 jedes Jahr gewonnen. Hinter diesen beiden klafft für mich eine Lücke.

3. Lewon Aronjan hatte 2013 wenig Glück. Weil er im Kandidatenturnier von den Favoriten als erster verlor, riskierte er danach zuviel. Trotz seiner Superleistung bei der Mannschafts-WM reichte es für Armenien nicht für einen Medaillenrang. Seine Klasse zeigt, dass er hinter Carlsen weiter Platz zwei in der Weltrangliste belegt.

4. Boris Gelfand hat in Moskau das nominell stärkstbesetzte Turnier des Jahres gewonnen, wurde beim Grandprixturnier in Paris geteilter Erster und hält bei für seine 45 Jahre fantastischen 2777 Elo.

5. Viswanathan Anand hat im ersten Halbjahr viel und risikorfreudig gespielt, in Baden-Baden gewonnen und in Wijk aan Zee gegen Aronjan die Partie des Jahres kreiert. Gegen einen Carlsen in großer Form zeigte er sich als fairer Verlierer.

banner-seminarturnier300-anz20146. Peter Swidler überraschte als geteilter Dritter in London, wurde Russischer Meister und überzeugte bei der Mannschafts-EM in Warschau - als einziger im russischen Team.

7. Wesselin Topalow hat den Grandprix verdient gewonnen und sich fürs bereits im März in Chanti-Mansisk anstehende Kandidatenturnier qualifiziert.

8. Fabiano Caruana gewann Zürich, wurde geteilter Erster in Paris und verpasste leider denkbar knapp Platz zwei der Grandprixwertung und damit die Qualifikation für Chanti-Mansisk.

9. Arkadi Naiditsch erspielte sich zeitweise einen Platz in den Top zwanzig der Welt und gut hundert Punkte Vorsprung auf die nächstplatzierten Deutschen. Und das obwohl er mit seinem in den USA recht erfolgreichen Chess Evolution Newsletter allerhand zu tun hat.

10. Schachrijar Mamedscharow wurde Schnellschachweltmeister und Mannschaftsweltmeister mit Aserbaidschan, gewann das Grandprixturnier in Peking und einen Platz im Kandidatenturnier, bei dem sich der originelle Taktiker hoffentlich nicht als Punktelieferant sondern als belebendes Element zeigen wird.

Sie sind herzlich eingeladen, anderer Meinung zu sein und in einem Kommentar Ihre eigenen Spieler des Jahres zu posten.

Donnerstag, 31 Oktober 2013 16:55

Guck mal, wer da fehlt

Praktisch zeitgleich mit der WM beginnt die Mannschafts-EM in Warschau. Dort wird ab nächsten Freitag gespielt, in Chennai geht´s am Samstag los. Die EM-Teammeldungen sind veröffentlicht. Und am interessantesten sind die Lücken, könnte das doch auf die Sekundantenteams von Carlsen und Anand schließen lassen.

So fehlt bei Gastgeber Polen Spitzenmann Wojtaszek. Der hat Anand schon in den letzten WMs beigestanden. Bei Dänemark fehlt Peter Heine Nielsen. Aber der hat versprochen, sich bei der WM rauszuhalten. Bei Frankreich fehlt Fressinet. Der gilt als Eröffnungsexperte und hat schon Kramnik geholfen, und dass er nun Carlsen hilft, ist seit dessen Facebookeintrag vom 6. August schon kein Geheimnis mehr. Bei den Engländern fehlt keiner, und sie stehen auf der Setzliste so hoch wie lange nicht mehr, nämlich Platz drei. Bei Russland fehlt Nepomnjaschtschi, der ja schon mal mit Carlsen trainiert hat. Auch Kramnik ist nicht dabei. Der hat Anand zwar schon gegen Topalow geholfen, aber ich tippe eher auf Erholungsbedürfnis nach vielen Turnieren und die WM im Dezember steht ja auch noch an.

Bei der Ukraine fehlen Iwantschuk (hat der je gefehlt?) und Ponomarjow (der nicht erst seit seiner Heirat mit einer Baskin mit einem Wechsel zu Spanien liebäugelt, wo er der neue Schirow werden kann). Bei Ungarn fehlen Rapport (Zoff mit dem Verband, mit den anderen Spielern, ach eigentlich mit allen, schuld ist der Papa) und Leko (nach Team Kramnik nun vielleicht Team Anand?). Bei der Niederlande fehlt Van Wely (vielleicht hat der frühere Kramnik-Sekundant inzwischen ein US-Visum). Bei Bulgarien fehlt Tscheparinow (kann der Tennis und Fußball? wenn ja, ist er bei Carlsen) und Georgiew (Zoff mit Topalow und Danailow). Bei Israel fehlt gleich das ganze A-Team, was reichlich für Grünfeldindisch spricht. Bei Italien fehlt Nakamura (noch nicht eingebürgert). Bei Rumänien fehlt Nisipeanu. Der ist aber nicht in Chennai sondern während der Mannschafts-EM und Mannschafts-WM als Trainer des deutschen Teams im Einsatz. Bei Deutschland fehlt Gusti, der nach Elo Nummer zwei wäre. Dass er gerade in Hamburg viel um die Ohren hat, hat uns gerade noch gefehlt.

Dienstag, 29 Oktober 2013 19:14

Anand, Carlsen und die Medien

Noch zehn Tage bis zur ersten Partie in Chennai. Die ersten großen Medienberichte zur WM trudeln ein. Die ZEIT hat ein langes Interview mit Titelverteidiger Anand geführt. Nämlich im hessischen Bad Soden, wo er mit seinem Team gearbeitet hat. Er wirkt gelassen und zufrieden mit seiner Vorbereitung. Auch in seiner Heimat hat er inzwischen der großen südindischen Tageszeitung The Hindu ein Interview gegeben. Im ZEIT Magazin folgt am Donnerstag ein Porträt von Herausforderer Carlsen. Der Londoner Observer hat seines schon veröffentlicht. Der Economist hat kürzlich nach längerer Unterbrechung anlässlich der bevorstehenden WM mal wieder über die Situation im Schach berichtet.

Montag, 14 Oktober 2013 22:47

Andrew Paulsons neue Heimat

Wer sich gewundert hat, wo der mit großen Plänen angetretene Schachvermarkter und früher in Russland erfolgreiche Medienunternehmer Andrew Paulson seit dem Kandidatenturnier und mehreren verlegten Grandprixturnieren geblieben ist, hat nun die Antwort. Der Amerikaner ist seit dem Samstag neuer Präsident des Englischen Schachverbands. So abwegig ist das nicht. Paulson lebt in London und ist in England aufgewachsen. Der Verband hat mit den wichtigsten Initiativen wie dem London Chess Classic oder Chess in Schools and Communities nichts zu tun und ist notorisch zerstritten. Paulsons Vorgänger hat den ECF zwar einigermaßen beruhight, doch verfügt er weder über große Ideen noch rhetorisches Geschick. Versuchen wir es also mit Paulson, er ist zwar ein exzellenter Bullshiter, aber schlechter werden kann es kaum noch, sagten sich viele.

Ob er bei der Sponsorensuche für Schach in England mehr Erfolg haben wird als international? Bemerkenswerter als ein unter anderem von Chessbase übernommenes Interview mit Yorkshire Chess scheinen mir Paulsons An- und Aussagen im ECF-Forum, etwa was er zur FIDE und zu Iljumschinow sagt. Die Befürchtung, Paulson würde wegen seines laufenden Vertrags mit der FIDE dafür sorgen, dass England für Iljumschinow stimmt, geht ins Leere. Paulson würde weder für Iljumschinow stimmen, der einfach schon zu lange dran sei, noch für Kasparow, den er als Oppositionellen und Spalter sieht. Doch die englische Stimme vergibt (oder enthält) nicht Paulson, der versprochen hat, sich herauszuhalten, sondern der wiedergewählte FIDE-Delegierte des ECF Nigel Short. 

 

 

 

Sonntag, 29 September 2013 22:38

Eine Mörder-WM

Selten habe ich so gelacht, wenn Schach im Fernsehen war. Die Soko Donau ermittelt bei der Schach-WM: Mehrere Titelanwärter müssen ihr Leben lassen, bevor die Ermittler "mit Schach am Ziel" sind. Die Stadt, in der tatsächlich mit diesem Slogan geworben wird, ist Wien und das für Schachgrößen so gefährliche Pflaster. Wer sich die Soko Donau im Schachfieber geben will, muss sich allerdings ziemlich ranhalten: Wohl nur noch bis zum frühen Montagabend ist die vierzigminütige Folge "Schachmatt" in der ORF-Mediathek abrufbar.

Man sollte freilich nicht zu genau hinschauen. Die absurde Handlungskonstruktion (aber in welchem Fernsehkrimi ist sie das heute nicht) wird an einem Matt in drei Zügen aufgefädelt, das der überraschend schachkundige Inspektor auf einem Schachbrett mit verkabelten Feldern und Zeitzünder exakt lösen muss - sonst bumm! Das Problem wäre allerdings, jedenfalls dem nach zehneinhalb Minuten aufscheinenden Diagramm zufolge, nebenlösig. Unter anderem in zwei Zügen.

Man sollte auch von der Recherche nicht zu viel erwarten. Sie geht in etwa soweit, dass einige der Protagonisten bekannte Namen wie Aljechin und Lasker tragen. Das passt zur Handlung, die in einer sehr imaginierten Vergangenheit spielt, die aber mit unserer vertrauten Schachgeschichte wenig gemein hat: Die Titelanwärter sind im Durchschnitt über fünfzig. Nach der Ausscheidung der Kandidaten soll eine einzige Partie zwischen Weltmeister und Herausforderer den Titel entscheiden. Die besten Spieler halten sich junge Schüler, deren Kreativität sie aussaugen, um sie dann fallenzulassen. Analysiert wird nicht mit dem Computer. Die Schachuhren ticken mechanisch. Einzig mit einer Übertragungsleinwand ist Schach ein wenig im digitalen Zeitalter angekommen. Natürlich dürfen auch ein Fantasyfigurenset und ein sicher für aufmerksame Zuseher gedachtes Finde-das-Spiel-mit-dem-falschen-Eckfeld nicht fehlen.

Wenn der Drehbuchschreiber oder die Produktionsfirma einen Schachberater engagierten, wurde wohl fürs Wegschauen bezahlt. Unter den Komparsen entdeckte ich einen Schachhändler und einen Verbandsfunktionär. Letzterer darf sogar namentlich als Weltmeisteranwärter aufscheinen. Aber nicht nur Funktionärsseelen werden bedient. Ja zum Abschluss rutscht selbst mir ein Lob durch: Dass sich ein Schiedsrichter umbringt, fand ich eine gelungene Pointe.

Freitag, 20 September 2013 20:46

Kanzlerpartie

Wie vielversprechend begann der Vorwahlkampf. Nachdem die SPD Peer Steinbrück nominiert hatte, war Schach öfter als sonst in der politischen Kommunikation. In Porträts wurde sein Hobby erwähnt, Kommentatoren versuchten einander mit schachlichen Metaphern zu übertreffen. Dass bei einem Fototermin mit Helmut Schmidt ein Schachbrett zeitweise falsch aufgestellt war, machte die Runde durch die Medien. Und dass Steinbrück auf dem Briefpapier des Bundesfinanzministeriums bei der Suche nach Schachsponsoren half, wurde viele Jahre später, weil er nun Kanzlerkandidat war, auf einmal zur Affäre, obwohl weder er persönlich noch Parteifreunde profitiert hatten.

Doch je mehr er für die Medien der Mann wurde, der kein Fettnäpfchen ausließ, umso weniger kam Schach noch vor. Aus der Schachszene kam keine Schützenhilfe. Mag der eine oder andere heimlich hoffen, dass unter einem wie ihm das Schach einen ganz neuen Stellenwert kriegen könnte - zur öffentlichen Thematisierung taugte unsere geteilte Leidenschaft nicht. Steinbrück versuchte einen Befreiungsstoß in der WELT, outete seine dänische Oma als Schachlehrmeisterin und verkündete, ob Wunschdenken oder Überzeugung, dass die Dame allein auch beim Schach nicht gewinne. Es half nichts. Nach einem Fingerzeig sah ihn schon mancher Schreiber mattgesetzt. Da poppt unmittelbar vor der Bundestagswahl ein anderer, schief verwendeter Schachbegriff auf: Die letzten Meinungsumfragen erwarten ein, nun ja, "Patt".      

Freitag, 13 September 2013 16:27

Unter Verdacht

Ein Freund fühlte sich beschissen. Er konnte es nicht beweisen, aber er war überzeugt, dass sein letzter Gegner betrogen hatte. Es gab so viele Verdachtsmomente: Dass sein Gegner anders spielte als in den Partien aus der Datenbank. Dass er ein Remisgebot als 150 Elopunkte Schwächerer sofort ablehnte. Dass er ständig mit den Händen fummelte. Dass er für 0815-Züge in der Eröffnung ewig brauchte, aber fast im Minutentakt zog, als er seinen positionellen Vorteil ausbaute und schließlich mit einem feinen Bauernopfer ein Mattnetz knüpfte.

Kurz vor Ende hatte mein Freund genug und holte die Schiedsrichterin. Er habe nichts Stichhaltiges, aber sein Gegner spiele verdächtig stark. In folgender Stellung forderte die Schiedsrichterin also seinen Gegner auf, seine Taschen zu leeren. Theatralisch packte er ein paar Sachen auf einen Tisch, auch ein ausgeschaltetes Handy, und sagte schließlich ein Matt an. Zum vermeintlichen Beweis schmetterte er in dieser Stellung Kh1-g2 aufs Brett.

Für meinen Freund war das auch eine Art Beweis. Nicht sofort. Aber als er die Partie später am Computer nachspielte, habe fast jeder weiße Zug gepasst. Nur eben Kg2 nicht, was sein Gegner zog, als er durch die Schiedsrichterin unter Druck war. Offensichtlich habe sein Gegner gewusst, dass es matt ist, aber nicht wie. Eine brillante Opferzugfolge hätte tatsächlich mattgesetzt. Sehen Sie wie?

Nach Kh1-g2 droht zwar sowohl h2-h3 matt als auch Se8-f6 matt, aber mein Freund war mit f7-f5 wieder im Spiel. Doch in Zeitnot patzte er gleich wieder und verlor. Der Gegner meines Freundes hatte in dem Turnier damit nun eine um 300 Elo höhere Performance als seine Elozahl erwarten ließ. Das alles schien mir Grund genug, Ken Regan einzuschalten. Der Informatikprofessor an der State University of New York Buffalo ist derzeit die Anlaufstelle für alle, die während eines Turniers einen Betrugsverdacht haben und diskret prüfen lassen wollen. In der Anfangszeit, bis zum Fall Feller bei der Schacholympiade 2010, sei es noch meist darum gegangen, falsche Anschuldigungen zu entkräften, so Regan. Inzwischen habe er fast täglich Anfragen.

Doch die Partien des Gegners meines Freundes zeigen nur eine leicht höhere Übereinstimmung mit Houdini-Zügen als seine Elozahl erwarten lässt. Er wuchs nicht annähernd so über sich hinaus wie ein Jens Kotainy. In den späteren Runden fiel seine Eloleistung wieder ab. Selbst in der besagten Partie muss Regan mehrere Konfigurationen testen, bis die Quote in einen halbverdächtigen Bereich rutscht. Regans Analyse entlastet ihn. Der Fall sei aber interessant, und er will ihn, anonymisiert versteht sich, mit den Kollegen der gemeinsamen Antibetrugskommission von FIDE und Spielervereinigung ACP diskutieren.

Wie es aussieht, bin ich wohl selbst der von mir kürzlich in einem FAZ-Artikel über Betrug im Schach beschriebenen Paranoia verfallen. Wer über seiner Eloleistung spielt und sich ein wenig ungewöhnlich benimmt, macht sich heutzutage verdächtig. Ich glaube nicht, dass der Gegner meines Freunds den Betrugsverdacht mit Absicht weckte. Aber viel spricht dafür, dass wer erfolgreich einen falschen Betrugsverdacht weckt, die Spielleistung seines Gegners ganz schön drücken kann. Wenn ich mir die Züge meines Freund heute nochmal ansehe, wird mir klar: Er hatte einen ziemlich schlechten Tag. Das sieht er mittlerweile selbst so.

Samstag, 31 August 2013 10:45

So ist der Weltcup verzichtbar

Wer braucht den Weltcup? Mir fallen ein: Profis der zweiten Reihe, die sonst nie 5000 Euro Antrittsgeld erhalten. Ein paar Funktionäre, die gut dotierte Schiri- und Schiedsgerichtsposten kriegen. Schnellschachexperten wie Dimitri Andreikin, die sonst nie eine Chance hätten, WM-Kandidat zu werden. Zsuzsa Polgar, die sich abmüht, sich zu profilieren, die aber von Nigel Short, zumindest nach Meinung einiger Leser dieses Blogs, durch Witz, Bildung und Schachexpertise bei der Livekommentierung ausgestochen wird. Das Schachpublikum braucht das Turnier eher nicht. Die schachliche Ausbeute von 128 Weltcupteilnehmern scheint mir nicht größer als die der zehn Großmeister des unmittelbar vorangegangenen Dortmunder Sparkassen Chess Meetings.

Ohne Wladimir Kramnik wäre die Endphase des Weltcups eine Farce. Dabei mag er den Modus eigentlich nicht und ist (wie Aronjan) nur deshalb angetreten, weil die FIDE die Qualifikation über Elo fürs Kandidatenturnier an die Teilnahme an Grandprix oder Weltcup knüpfte. Es ist ein Treppenwitz, dass Kramnik durch seine eher unfreiwillige Teilnahme die WM-Qualifikation verzerrt. Spieler, die in Tromsö neben ihm schachliche Akzente setzten wie Kamsky, Tomaschewski, Swidler oder der 14jährige Wei Yi ,sind gescheitert. Die Sieger heißen, obwohl sie beim Weltcup Elopunkte lassen, Andreikin und Sergei Karjakin, der dank Kramniks Schützenhilfe über seine Elozahl ins Kandidatenturnier vorrückt. 

Wenn das am 21. September beginnende Grandprixturnier in Paris von Alexander Grischtschuk gewonnen wird, sind die Hälfte der Teilnehmer des nächsten Kandidatenturniers Russen. Dazu könnte auch noch als fünfter Russe der Veranstalterfreiplatz kommen. Chanti-Mansisk hat nämlich (neben Sofia) bereits eine Bewerbung angekündigt. Bitte nicht! Die Sibirier haben gelernt. Sie waren die willigen Idioten, die den Weltcup viermal organisierten, obwohl sie nur eine Schacholympiade wollten. Das Kandidatenturnier ist billiger, aber ungleich mehr wert.

Damit habe ich bereits angedeutet, wen ich für den größten Verlierer des Weltcups halte, nämlich den Veranstalter. Tromsö hat die wahrscheinlich mindestens eineinhalb Millionen Euro teure Ausrichtung ziemlich sicher nur übernommen, weil die FIDE den Zuschlag für die Schacholympiade 2014 daran koppelte. Der nächste Weltcup 2015 soll entsprechend in Baku stattfinden. Das Turnier fand in Tromsö vor sehr wenig Publikum in einem Hotel am Stadtrand statt, das zumindest Mickey Adams nicht überzeugt hat. Als der Termin gesetzt wurde, war von einem WM-Kampf noch keine Rede. Nun mussten die Veranstalter sogar auf ihren heimischen Star verzichten, weil Carlsen in den WM-Vorbereitungen steckt. Ausgerechnet während der ersten Weltcuprunden reiste er zur Inspektion nach Chennai. Carlsens Trip fand in den norwegischen Medien mehr Beachtung als der ganze Weltcup.

Sonntag, 25 August 2013 10:21

Dirty Nigel

Der Weltcup geht gerade in die heiße Phase. Bis Mittwoch werden zwei WM-Kandidaten ermittelt, wobei der dank Elo vorberechtigte Kramnik kurioserweise für Karjakin kämpft. Angeheizt wird die Stimmung auch durch einen Wechsel der Livekommentatoren: Anstelle von Zsusza Polgar und Larry Trent sind nun Dirk Jan ten Geuzendam und vor allem Nigel Short dran. Shorts schlüpfrige Anekdoten und Belehrungen zum Spiel seiner Kollegen entzweien das Publikum. Ist das boshaft, peinlich, zu viel Information? Oder überfällig, ein Quotenbringer und Vorbild für andere Livekommentatoren?

 

Das bösartigste, was ich von Trent und Polgar erinnere, war nach einem Studiobesuch des 17jährigen Danil Dubow die Bemerkung: "Er ist ja sehr nett, das hatte ich echt nicht erwartet." Dirty Nigels kontrovseren Auftritt habe ich ehrlich gesagt nicht selbst verfolgt (vielleicht wissen kommentarfreudige Leser mehr?) sondern wurde in den Kommentaren bei Chessvibes aufmerksam auf einen Tweet von Zsuzsa Polgar, die sich heftig erregte, wie ihr Nachfolger im Kommentatorenstudio einen weiblichen Gast behandelte. Da Polgar und ihr Mann Paul Truong in Tromsö auch als Pressechefs fungieren, deutet darauf hin, dass es da gerade richtig knallt. Mal sehen, wer in den nächsten Tagen kommentieren darf.

Freitag, 23 August 2013 06:51

Ich tippe auf Swidler und Caruana

Der Weltcup ist zwar erst halb vorbei. Aber fast 95 Prozent der Teilnehmer sind ausgeschieden, mehr als neunzig Prozent der Partien sind gespielt. Zeit für einige Beobachtungen. Der Wettbewerb findet zwar erstmals nicht in Russland statt, aber die Russen dominieren. Für Schachnationen wie Ungarn oder Armenien lief es enttäuschend. Vom chinesischen Kontingent erspielte sich nur der 14jährige Wei Yi Beachtung. Deutschland war gar nicht vertreten. Die Präsenz des Turniers in deutschen Medien geht gegen null.

Man würde meinen, dass die Überlebenden, also die acht Viertelfinalisten die sportlichen Gewinner sind. Aber elomäßig zulegen von ihnen bisher nur Vachier-Lagrave und Tomaschewski. Die anderen sind im Rahmen ihrer Erwartung oder verlieren Punkte (wie Andreikin). Von den Top Acht der Setzliste sind nur noch Kramnik und Caruana dabei. Aber ein so großes Favoritenschlachten wie etwa die nach gleichem Modus ausgetragene WM 1999 in Las Vegas ist es auch nicht. Nur ein Spieler unter 2700, Granda Zuniga, schaffte es unter die letzten 16.

Für Nakamura und Gelfand, die bis dahin überzeugend spielten, bedeutete ein schwacher Moment im Achtelfinale das Aus. Die Partie des Turniers ist für mich bisher Kamsky - Mamedscharow. Entdeckung des Turniers ist neben Wei Yi Korobow, der vom ukrainischen Verband bisher links liegen gelassen wurde. Tomaschewski hatte sich immerhin schon 2009 als Europameister profiliert.

Zwei Spieler qualifizieren sich fürs nächste Kandidatenturnier. Ich tippe auf Swidler und Caruana.

Kramnik ist zwar (ebenso wie der ausgeschiedene Aronjan - die übrigens beide in Tromsö mitspielten, weil die Qualifikation über Rating die Teilnahme an Weltcup oder Grandprix voraussetzt !) dank seiner Elo vorberechtigt, aber wenn er ins Finale kommt, qualifiziert er sich über den Weltcup (anders als ich hier zunächst geschrieben habe) und der zweite Ratingplatz geht an den nächsten - das wäre Karjakin. Kramnik spielt also quasi für seinen Teamkameraden.

 

Montag, 24 Juni 2013 16:46

Ab in den Süden

Österreich hat einige der schönsten Turniere zu bieten, die ich kenne. Leider sind die meisten außerhalb des Landes kaum bekannt.

Kürzlich habe ich ein Schnellturnier auf einem Ausflugsschiff gespielt. Den ganzen Tag tuckerten wir auf dem Attersee, einem der schönsten Seen des Salzkammerguts herum. Abends hatte mancher einen Pokal (und ein paar Euro mehr) und mancher einen Sonnenbrand. Leider kann sich der ausrichtende Verein das Turnier nur alle zwei Jahre leisten, weil die Startgelder die Kosten nicht ganz decken. Wer Lust kriegt, soll sich den letzten Aprilsamstag 2015 jedenfalls schon mal vormerken. Von der bayrischen Grenze ist es im Auto nur eine Stunde.

Auch sehr hübsch ist das Ambiente in der Trinkhalle Bad Ischl, wo jedes Jahr an Pfingsten gespielt wird. Heuer waren schon 151 dabei.

Habe ich nicht auch etwas Aktuelles? Aber klar. Am Samstag den 29. Juni werden auf der Schönbergalm (PDF-Ausschreibung), hoch über dem Hallstätter See 4200 Euro Preisgeld ausgespielt. In der Vergangenheit kam es schon mal vor, dass sich ein Dutzend Großmeister auf die Füße traten. Wer teilnehmen will, zahlt nur für die Seilbahnfahrt. Wer die 650 Höhenmeter selbst bewältigt, nicht einmal das. Hier ein Video aus den letzten Jahren und hier noch eines.

Das Vienna Open findet nach 2003, 2006, 2009 und 2011 wieder im herrlichen neugotischen Rathaus statt, nämlich am 17. bis 25. August. Das Startgeld von 70 Euro ist vergleichsweise niedrig, und im August sind sowohl Hotelzimmer als auch Privatwohnungen von urlaubenden Wienern bezahltbar zu finden.

bannersr12013-web-anz400Dass ein Teil des Preisfonds für Österreicher reserviert ist, fällt in Wien kaum ins Gewicht. In Bad Gleichenberg (PDF-Ausschreibung) machen die Österreicherpreise schon einen recht ordentlichen Batzen aus, was vielleicht erklärt, warum man im Ausland eher wenig warb. Das neue Turnier im südoststeirischen Thermen- und Weinland, das den angestammten Termin des voriges Jahr eingestellten Opens in Oberwart übernimmt, ist leider schon vor der ersten Auflage in die Kritik geraten, weil außer Startgeld auch noch 70 Euro Organisationsbeitrag verlangt werden, wenn man kein Quartier vom Veranstalter bucht (übrigens zu sehr fairen Preisen), das wird aber nicht von Teilnehmer verlangt, die aus der Gegend kommen. Leider war es nicht möglich, für die letzten zwei oder drei Nächte das Quartier zu wechseln, sonst hätte ich gerne gespielt. Nach jetzigem Anmeldestand hat man in Bad Gleichenberg recht gute Möglichkeiten, auf Titelnormen zu spielen. Es wäre eine Bereicherung, wenn sich das Turnier trotz der Anlaufschwierigkeiten etabliert. Zumal das bisher sportlich interessante Grazer Open leider erhebliche Abstriche machen muss. 


Wer gerne badet, ist am Faaker See in Kärnten richtig. Wer gerne wandert oder mountainbikt, sei außerdem auf Schwarzach im Salzburgischen verwiesen, aber hier will ich nicht zu sehr werben. Der Turniersaal war in der Vergangenheit auch mal zu klein für die Teilnehmerzahl und erwärmte sich in für einige wenig erträglichem Maß. Und als Eintagestour im österreichisch-tschechischen Grenzland, auch von Bayern nicht weit, das Braunberger Hüttenturnier (auf den Fotos soll auch die Krennwurzn zu sehen sein...) im Juni 2014 wieder.

 

Kissingers vielzitierter Anruf bei Bobby Fischer: "Der schlechteste Schachspieler der Welt ruft den besten Schachspieler der Welt..." Das sich über Wochen ziehende Drama, ob Fischer antritt, hat den WM-Kampf 1972 zum meistbeachteten der Geschichte gemacht. Ob FIDE-Präsident Iljumschinow hofft, dass sich so etwas wiederholen könnte? Hat der unberechenbare Kalmücke darum das nächste WM-Match Anand - Carlsen ohne Ausschreibung nach Chennai vergeben, obwohl Carlsen seit Wochen klar macht, dass er auf eine Ausschreibung pocht und lieber nicht in den Tropen spielen möchte? Oder schielt er mit der Vergabe in eine Entwicklungsland vor allem auf die zahlreichen Stimmen der Entwicklungsländer, um 2014 sein Regime um vier weitere Jahre verlängern zu können?

Diesen Sonntag mittag haben Iljumschinows Vorstandskollegen bei ihrer Sitzung in Baku jedenfalls den Vorschlag ihres Präsidenten abgenickt. Dabei hat am Freitag der Französische Schachverband ein deutlich besseres Angebot (2,65 Millionen Euro Preisgeld statt 1,94 Millionen in Chennai) vorgelegt, und der Norwegische Verband hat gegen eine Vergabe ohne Ausschreibung offiziell protestiert. Bevor Carlsen öffentlich mit Nichtantreten droht, dürfte er die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, denn eine WM-Vergabe ohne Ausschreibung könnte gegen die Statuten der FIDE verstoßen.

Nachtrag 6. Mai: Carlsen hat die Sache überschlafen und dann mitgeteilt, dass er die Entscheidung für Chennai trotz ihrer Regelwídrigkeit akzeptiert.

"After qualifying for the World Championship match by winning the London Candidates I have been highly motivated for, and looking forward to the World Championship match against reigning champion V. Anand.

I’m deeply disappointed and surprised by the FIDE decision to sign a contract for the 2013 match without going through the bidding process outlined in the WC regulations, and for not choosing neutral ground. The bid from Paris clearly showed that it would be possible to have more options to choose from.
The lack of transparency, predictability and fairness is unfortunate for chess as a sport and for chess players.

My team and I will now start preparing for the match. The main thing now will be to come to an agreement with the Indian Chess Federation and FIDE regarding terms and conditions before and during the match. I really hope this process will run quick and smoothly.

Lastly, I will not let the news from Baku diminish the joy and excitement derived from playing the top level Norway Chess tournament starting tomorrow."

Am Dienstag abend beginnt in der Uni Stavanger mit einem Blitzturnier das erste Weltklasseturnier auf norwegischem Boden. Dass Carlsen den Kopf jetzt nicht frei hat, kann man sich denken. Auch Anand ist dabei. Das höhere Preisgeld in Paris (wo beide kürzlich spielten) und die Erinnerung an 1994, als er in seinem Heimatland, wo sich alle Journalisten auf ihn stürzten, ein 4:2 stehendes Kandidatenmatch gegen Kamsky noch 4:6 verlor, dürften eigentlich auch ihn eher gegen Chennai stimmen, so lange er sich nicht öffentlich gegen seine Heimatstadt erklären muss. Wenn Anand und Carlsen in Stavanger auf eine gemeinsamen Linie verständigen, lässt sich der Skandal, den Iljumschinow offenbar will, vielleicht noch verhindern. Die WM könnte in Paris oder einer anderen Stadt in einem neutralen Land steigen und Carlsen bald zu seiner ersten Indien-Reise aufbrechen, einer Goodwill-Simultantour nach Chennai.