Krennwurzn

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 
Sonntag, 05 Juni 2022 22:45

Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt

Wo bin ich hier? Was tu ich hier?
Keiner ist da und sagt es mir.
Ich hoffe nur, das ändert sich bald.
 

Dröhnt es aus dem Computer und die Krennwurzn ist ganz selig in die 80er Jahre entflohen und der Politiker, Burgschauspieler und Musiker Franz Morak referiert lautstark:

Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?
Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?

Die Krennwurzn will gerade gedanklich zur Frage „Wer ist eigentlich ÖSB …“ ansetzen, da schallt es noch lauter:

Äwigkneiper:
Hallo Krennwurzn, Äwigkneiper hier ...

Der Krennwurzn gefriert das Blut in den Adern … und bevor wir uns dem nun abermals nichtgegeben Interview widmen können, ist ein kleiner geschichtlicher Ausflug für jene Leser notwendig, die mit der Schachgeschichte Österreichs nicht so vertraut sind. Der Steirer Prof. Kurt Jungwirth (* 3. September 1929) war in der Zeit 1971-2017 Langzeitpräsident des Österreichischen Schachbundes und ist nun Ehrenpräsident.
2017 folgte ihm dann der Wiener Christian Hursky als Präsident nach, der bereits im Frühjahr 2021 von Christof Tschohl abgelöst wurde und aus gut informierten Kreisen hört man, dass dessen Amtszeit beim außerordentlichen Bundestag am 24. Juni 2022 auch schon wieder enden könnte.
Und dann gibt es noch den Quälgeist Äwigkneiper: der noch ungeborene Möchtegern ÖSB-Präsident mit der angestrebten 100jährigen Amtszeit mit dem die Krennwurzn so manchen Strauß in der Vergangenheit auszufechten hatte und von dem hier zu lesen war.

Krennwurzn:
Äh … Äwigkneiper wir haben uns doch 2013 im Bösen voneinander verabschiedet?

Äwigkneiper:
JA und jetzt bereuen Sie es bitterlich, dass Sie mich so mies und abfällig behandelt haben!!

Krennwurzn:
Äh …ja schon ein wenig …

Äwigkneiper:
Ein wenig ist mir viel zu wenig, Sie erdbehafte Wurze sollen leiden, leiden …

Krennwurzn:
Aber der Hursky war mir schon sympathisch und der hat …

Äwigkneiper:
Jaja - der hat Geld von der BSO gebracht – nur das interessiert Sie, Sie sind hochnotgeldgeil! Und dann durften Sie 2020 auch noch einen Artikel zu 100 Jahre ÖSB beisteuern – ich rotiere heute noch in meiner Samenzelle mit hochroter Lichtgeschwindigkeit.

Krennwurzn:
Aber das Honorar habe ich doch für Jugendarbeit gespendet.

Äwigkneiper:
Nur weil Sie öffentlich gut dastehen wollen, Sie geldgeiler Aufmerksamkeit heischender @#$%&!

Krennwurzn:
Das Schimpfwort wird der Zensur zum Opfer fallen müssen …

Äwigkneiper:
JA, Sie Opfer!! Und was kam nach Hursky? Oder besser gefragt: warum kam was bevor Hursky weg war?

Krennwurzn:
Da kam ein neuer, junger Präsident, der wohl wenig Zeit für das Amt eingeplant hatte.

Äwigkneiper:
Wechseln Sie nicht in den diplomatischen Dienst Krennwurzn! Ich sage es Ihnen klipp und klar heraus: in meiner Welt wurde der alte Präsident weggeputscht. Vorbei war es mit des Meeres und der Liebe Wogen, weggeschwemmt wurde er von einem Tsunami vom Bodensee bis zum Neusiedlersee der Wiener. Und richtig war es, denn nur ich bin befähigt den ÖSB in ewiges Glück zu führen.

Krennwurzn:
Sie glauben es gab eine Intrige gegen den Präsidenten und jetzt schon wieder eine Intrige? Österreich am Weg vom Musikantenstadl zum Intrigantenstadl?

Äwigkneiper:
Klaro, Klaro! Nur ich kann das Schach in lichte Höhen führen!!

Krennwurzn:
Aber Schachspieler und Funktionäre wären schon glücklich, wenn es einen Präsidenten gäbe, der die Länder und Veranstaltungen besucht und vielleicht ein paar Berichte über Vorhaben auf der Homepage und was sonst im Verband passiert. Einen kleinen Einblick und ein wenig Präsenz.

Äwigkneiper:
Nur ich bin omnipräsent!

Krennwurzn:
Und ungeboren ?

Äwigkneiper:
Lenken Sie nicht ab. Durch Ihre Ignoranz und Ablehnung des Ewigen ist es erst möglich, dass sich aus Unzufriedenen unserer DACH-Länder eine Gruppe gebildet hat, die glaubt sie können dem Schach etwas Gutes tun.

Krennwurzn:
Naja – ich würde sagen Unzufriedenheit führt zu Abspaltung das ist doch natürlich!

Äwigkneiper:
Natürlich ist, dass ein Präsident niemanden Rechenschaft schuldig ist, alles selbst entscheidet.

Krennwurzn:
Aber an die Satzung muss sich auch der Präsident halten?

Äwigkneiper:
Alle müssen sich an die Satzung halten – ALLE - nur ich, der hochlöbliche Äwigkneiper, als Präsident entscheide was satzungs- und gesetzeskonform ist und Ende der Diskussion!

Krennwurzn:
Aber Hallo! Aber diese Entscheidungen sollten doch wenigstens veröffentlicht werden?

Äwigkneiper:
So ein Blödsinn: Entscheidungen müssen gefällt werden und gehen niemanden etwas an! So führt man einen Verband – straff ohne Informationspflichten ohne Einmischung ohne Öffentlichkeit und vor allem ohne die üblichen Meckerer wie Sie!!

Krennwurzn:
Es ist doch nicht Meckern, wenn man sich um die finanzielle Zukunft des Schachs sorgt? Vor allem weil auch Gerüchte – wahr oder falsch – die Runde machen, dass es Ungereimtheiten geben sollte.

Äwigkneiper:
Geld, Geld und wieder Geld. Krennwurzn gibt es kein anderes Thema. Die finanzielle Gebarung wird geprüft und für in Ordnung befunden und das sollte für Groschenfuchser wie Sie allemal reichen.

Krennwurzn:
Aber man hört die Rechnungsprüfer sollten möglicherweise …

Äwigkneiper:
Papperlapapp – Sie können gar nichts hören, weil nichts gesagt wird, es kein Protokoll gibt, Sie fürchten ja Ihren eigenen Schatten. Sie sind eine jämmerliche feige Nuss, Krennwurzn!

Krennwurzn:
Diese Nichtinformationen stören ja auch so manch namhafte Funktionäre, wenn man der Gerüchteküche Glauben schenken darf.

Äwigkneiper:
Das können Sie sich schenken. Die Querulanten sind schnell wieder ruhig und friedlich, wenn man sie richtig ködert! Mit Macht, mit Macht und mit meiner Allmacht!! Und denken Sie an meine Worte: Wenn Wahlen etwas verändern würden, hätte ich sie schon längst verboten!

2022Chef01Bild von Daniel Brachlow

Die Türen versperrt, die Läden dicht,
Einen Weg nach draußen gibt es nicht.
Auf allen Schildern steht VORSICHT und HALT.

Dröhnt wieder Franz Morak aus den Lautsprechern.

Äwigkneiper:
Ja, ja dröhnen Sie sich nur weg! Es gibt nur eine Lösung und die bin ich als nächster Präsident und dann ist für mindestens 100 Jahre Ruhe!

Krennwurzn:
Sie werden also am 24. Juni kandidieren?

Äwigkneiper:
Ich kandidiere immer und zu jedem Zeitpunkt und diesen lege nur ich fest und verschiebe wie es mir beliebe! Jour fix ist für mich nix – ich bin immer nicht da oder auch nicht! Wenn man es so betrachtet, bin ich seit Anbeginn der Zeit schon Präsident des ÖSB – schon lange bevor es Österreich gab und werde es bleiben: für IMMER für IMMER für EWIG. Hoch lebe der Äwigkneiper!!

Krennwurzn:
Na dann gute Nacht Schach.

2022Chef02Bild von PIRO4D

Die Wände sind weiß, die Böden sind blank,
Warum lieg ich hier, ich bin doch nicht krank?
Nur mein Gesicht sieht müd' aus und alt.
Wo ist der Chef?

Krennwurzn murmelt leise und verzweifelt in seinen Bart:

Wird der außerordentliche Bundestag wirklich abgehalten?
Wird der Termin halten, der noch gar nicht veröffentlicht ist?
Wird der Tag aus allen Kalendern der Welt verschwinden?
Werden wir am 24. Juni 2022 wirklich einen neuen ÖSB-Präsidenten haben?
Werden wir es jemals erfahren?

Nach den frühjährlichen Turbolenzen um Abstammung und Vaterschaft kehrt in der Vorweihnachtszeit wieder Ordnung, Ruhe und Verlässlichkeit in der hanseatischen Telenovela „Diese Wüllenwebers“ ein. Obwohl manche dachten, dass es längst an der Zeit für eine Tochter wäre, erblickte nun Fritz der 18. Sohn unter dem Namen Nico „Schmidtchen“ Schleicher das Licht der Welt. Mit ihm verabschiedet man sich von den brutalen FAT Versionen und besinnt sich wieder an die niederländischen Wurzeln der Fritz Dynastie und schlägt auch sehr weiche Töne an. 

Dieses namensgebende Lied – wer es nicht aus Jugendtagen noch auswendig kennt –
sollte man sich anhören, um den Text etwas besser zu verstehen zu können ?

Es sind keine Superrechner mit Grafikkarten mit Wärmeabstrahlung von mittleren Atomkraftwerken mehr nötig und ebenso findet man keine protzigen Sprüche über die Spielstärke in den Werbeaussagen, denn dieser Fritz will weichgespült und mit einer väterlichen Wärme die Herzen der User berühren. Und so nennt sich auch die wichtigste Neuerung „GEFÜHRT – BERÜHRT“

2021Fritz01

Mit dieser Funktion kann sich der User vom Programm durch die Partie gegen die Engine von Frank Schneider führen lassen. Es sind mehrere Spielstärken wählbar und die Maschine baut dann Fehler ein und hilft mit Tipps - zuerst allgemein und auf Wunsch dann immer konkreter werdend - dem Spieler auf die richtige Fährte. So entstehen oftmals schöne und spannende Angriffspartien, denn die Fehler sind nicht mehr so plump wie in früheren Abspeckversionen, sondern eher subtil schmeichlerisch und führen den User mit elastischen Kombinationen in doch sehr scharfe Stellungen, die meist sehr gut enden.

2021Fritz02

Unterwegs wird dem User auch berührend geschmeichelt, was er denn für ein toller Tiger sei und als beispielsweise obige Nachricht das Auge der Krennwurzn erreichte, war diese so umschmeichelt und griff elastisch zur Kreditkarte um den schmeidigen Kaufprozess in Gange zu setzen und hinterher zu seufzen: JA den Fritz 18 Nico „Schmidtchen“ Schleicher muss man sich sofort kaufen: berührt und zum Kauf vergeführt. In der Gewinnabwicklung verzichtet die Funktion dann auf die computertypischen sinnlosen Verlustverzögerung, sondern wählt den klaren menschlichen Weg in die Niederlage.

Einen Nachteil möchte ich nicht verheimlichen – nach einigen geführten Partien wähnte sich die Krennwurzn in großmeisterlichen Höhen und als sie dann wieder alleine – ohne schmeichelnde Unterstützung – am Brett saß, machte sich doch ein wenig Frust breit, weil es nun doch niemanden gibt, der einem ins Ohr flüstert und den Tiger in der Krennwurzn weckt. So schmeichelnd elastisch wie Nico ist die Krennwurzn im Solobetrieb dann doch nicht, aber vielleicht muss ich noch mehr üben.

Optisch wurde mit Türkis eine schmeichlerische Farbe gewählt und Fritz hat sich von den grellen Vorgängerfarben verabschiedet. Unter der Haube wurde auch so manches verändert. Die Bretter sind in Direct2D-Technik mit frischem Look und verbesserten Animationen überarbeitet worden und sollten geschmeidiger laufen, da ist aber noch Luft nach oben und auch die finale Version braucht da noch ein wenig Nachbearbeitung – vor allem bei den 3D-Brettern schaut das nicht sehr geschmeidig aus. Ein kleines Detail für Insider: Fritz ist jetzt eine vollständige Unicode-Version und kann damit leichter in diverse Sprachen übersetzt werden, ob die Krennwurzn eine Übersetzung ins Oberösisische machen wird, ja das steht in den Sternen – in den weichen.

2021Fritz03

Dazu kommen noch neue Analysefunktionen im Enginefenster. Im Multivariantenmodus gibt es anfangs Antworten auf „wieso geht denn nicht...?“ und auch Drohungen werden explizit aufgeführt. Neu ist die visuelle Bewertung für die Figuren auf einer Farbskala von Rot (schlecht) über gelb bis Grün (gut). Auch wenn Königssicherheit und Bauernstruktur darin enthalten sein sollen, so wirklich angetörnt hat die Funktion die Krennwurzn nicht, die auch hier ein paar Schwächen bei Tablebaseabgleichen gefunden hat.

Was ist sonst noch neu? Auch wenn es der Krennwurzn schwerfällt, lassen wir mal dem Hersteller das letzte Wort.

Außerdem neu in FRITZ 18:

• Intelligente Tipps: Fritz liefert subtile Hinweise in komplizierten Stellungen
• Visuelle Bewertung: Bauernstruktur, Königssicherheit, Figurenaktivität und Schärfe der Stellung.
• Neues Schachbrett in Direct2D-Technik mit frischem Look und verbesserten Animationen.
• Neue Engine-Analyse für Drohungen, Verführungen und die Partiefortsetzung.
• Animierte Engine-Varianten: Intuitive Anzeige der besten Fortsetzung.
• Verbessertes Rechentraining für schnellen Elo-Boost.
• Stärkere Fritz 18-Engine von Frank Schneider, optimiert für kurze Bedenkzeiten


SYSTEMVORAUSSETZUNGEN FRITZ 18 (Herstellerangaben)

Minimum (ohne Raytracing):
PC Intel i3 oder i5 oder Ryzen 3, 4 GB RAM, Windows 8.1 (32- oder 64-Bit), DirectX11, Grafikkarte mit 512 MB RAM, DVD-ROM-Laufwerk, Windows Media Player und Internetzugang.

Empfehlung:
PC Intel i7, i9 oder Ryzen 7/9, 8 GB RAM, Windows 11 oder 10 mit 64-Bit, Windows Media Player, Grafikkarte mit 1 GB RAM, RTX Grafikkarte für real time Raytrace board, (DVD-ROM Laufwerk) und Internetzugang.

Systemvoraussetzungen für ChessBase Account:
Internetzugang und aktueller Browser, z.B. Chrome, Safari. Für Windows, OS X, iOS, Android, Linux.


Offenlegung:

Danke an ChessBase Hamburg für die Zurverfügungstellung der Betaversionen! Das finale Fritz 18 Paket habe ich mir dann selbst gekauft.

Donnerstag, 04 November 2021 09:52

Schachgeflüster #68 - Die Krennwurzn

Diesmal die Krennwurzn zum Anhören im Interview auf dem sehr hörenswerten Schachpodcast SCHACHGEFLÜSTER.


Dieser Artikel von FM Dirk Wegener (Dresden) und Krennwurzn (Linz) ist bereits im österreichischen SCHACHAKTIV und im deutschen SCHACHMAGAZIN 64 gedruckt erschienen und darf nun zum ersten Todestag auch online einer weiteren Leserschaft zugänglich gemacht werden – einen herzlichen Dank an die Redaktionen!


Dass der Deutsche Schachgroßmeister und Schachtheoretiker Wolfgang Uhlmann nach 85 Lebensjahren in seiner Heimatstadt Dresden am 24. August 2020 verstorben ist, ging durch alle Medien, denn nicht nur die Schachwelt hat einen großen Weltbürger verloren. Wir möchten uns hier der österreichischen Seite von Wolfgang Uhlmann etwas widmen. Schon etwas in Vergessenheit geraten könnte sein, dass Wolfang Uhlmann von 1990 bis 2008 Mitglied des SK VÖEST Linz war und für diesen in der Staatsliga – später Bundesliga – häufig im Einsatz war. Aber wie kam ein Weltstar 1990 zu einem Verein, dessen Erfolge (6 Staatsmeistertitel) doch schon ein paar Jahre zurücklagen?

Der Präsident des Oberösterreichischen Schachlandesverband und langjähriges VÖEST Linz Urgestein FM Heinz Baumgartner (1932-2006) lernte GM Wolfgang Uhlmann in den frühen 50er Jahren bei einem Jugendturnier kennen und schätzen, dann aber verliefen die Leben aufgrund der Trennung Europas in getrennten Bahnen bis man sich im Wendejahr 1989 bei einem Turnier in Pilsen wieder traf. Die mitgereisten Frauen der beiden Spitzenspieler freundeten sich ebenfalls an, und so war es ein kleiner Schritt für GM Wolfgang Uhlmann zum SK VÖEST Linz der zu einer lebenslangen Freundschaft mit Österreich führte.

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GM Wolfgang Uhlmann 2002 (SK Vöest Linz)

Aber GM Wolfgang Uhlmann verbanden schon vorher positive Erinnerungen mit Österreich. Im Jahre 1969 gewann er in Raach am Hochgebirge das Zonenturnier überlegen mit zwei Punkten Vorsprung vor seinen Großmeisterkollegen Lajos Portisch, Borislav Ivkov und Ulf Andersson und vielen mehr. Mit dem Turniersieg qualifizierte er sich für das Interzonenturnier in Palma de Mallorca 1970. Dort belegte er einen hervorragenden 5. - 6. Platz und zog damit in die Kandidatenmatches ein. GM Wolfgang Uhlmann war in der absoluten Weltspitze angekommen und seine historische Elozahl (Chessmetrics) wurde auf 2700 geschätzt. Er spielte 1970 in der Weltauswahl gegen die UdSSR in Belgrad und verlor das Kandidatenmatch gegen GM Bent Larsen etwas unglücklich. 1972 entschlossen sich die DDR-Sportfunktionäre ausschließlich medaillenträchtige Sportarten zu unterstützen und so durfte Wolfgang Uhlmann fortan nur noch sporadisch im Ausland spielen. Leider fing er sich bei einem dieser wenigen Auslandseinsätzen 1976 bei einem Turnier in Manila eine folgenreiche Virusinfektion ein. Die daraus resultierende Beeinträchtigung im Beinbereich und eine Lähmung des linken Auges waren beim Schach nicht gerade hilfreich.

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Turniertabelle generiert mit ChessBase 16

In Raach am Hochgebirge – Grenzgebiet Bucklige Welt und Semmering südöstlich von Wien gelegen - bezwang er auch den einzigen Österreich im Feld IM Dr. Andreas Dückstein (*1927) in einem Damengambit nach einem taktischen Übersehen des Österreichs schnell.

Aber schon im Juli 1956 kreuzten die beiden bei einem doppelrundigen Schachländerkampf Österreich – DDR in Wien die Klingen. In der ersten Partie verlor Dr. Andreas Dückstein eine Holländische Partie nach langem Kampf in 87 Zügen. Wir wollen Ihnen hier die zweite Partie zeigen in der GM Wolfgang Uhlmann seine geliebte Französische Verteidigung spielte.

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Österreich – DDR 8 ½ - 11 ½
Quelle: Zeitschrift SCHACH Nr. 16/1956

Dueckstein,Andreas (2545) - Uhlmann,Wolfgang (2575) [C15]
AUT-DDR m Vienna (2.1), 22.07.1956
[Wegener, Krennwurzn]

Länderkampf Österreich - DDR 8,5:11,5 - historische Elozahlen (Chessmetrics) verwendet. Mit von der Partie war damals auch der spätere Vereinskollege beim SK Vöest Linz Dr. Felix Winiwarter

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.Ld3 ein seltener gespielter Zug ... vielleicht möchte Dückstein nach der Niederlage vom Vortag in einer 87-zügigen Partie den Dresdner Großmeister etwas überraschen. 4.e5 ist der am häufigsten gespielt Zug und diesen wendete der Österreicher GM Karl Robatsch im gleichen Jahr bei der Schacholympiade in Moskau gegen Uhlmann an.
4...dxe4 5.Lxe4 c5 diesen Zug spielt Uhlmann laut den Datenbanken mehr als 10x in seiner Karriere. Das heute aktuellere 5...Sf6 spielte er 1970 gegen Vlastimil Hort.
6.Sge2 Das heutzutage beliebtere Abspiel 6.a3 wurde schon in den 1920-er von Tartakower in die Meisterpraxis eingeführt 6...Lxc3+ 7.bxc3 diese Stellung hatte Uhlmann gegen den deutschstämmigen argentinischen Meister Herman Pilnik im selben Jahr in Marienbad auf dem Brett.
6...Sf6 7.Lf3 Sc6 8.Le3?! 8.a3= ist die bessere Wahl.
8...cxd4 nun muss Weiß erste Probleme lösen.
9.Sxd4N Diese Neuerung wurde damals kritisch gesehen, wird aber heute durchaus auch gespielt. Als besser galt damals und auch heute 9.Lxc6+ bxc6 10.Dxd4 Dxd4 11.Lxd4=
9...Lxc3+ 10.bxc3 Se5! Zu diesem Kraftzug hätte Schwarz in der zuvor erwähnten Variante nie kommen können.
11.Le2 Läuferrückzug Nummer 1!
11...0–0 12.0–0 Sd5 13.Ld2 Läuferrückzug Nummer 2, aber schließlich möchte Weiß als Gegenwert für die Verschlechterung seiner Bauernstellung wenigstens das Läuferpaar behalten.
13...Dc7 14.Tb1?! 14.Sb5! Dc5 15.Lc1 dieser 3. Läuferrückzug stellt wenigstens eine Drohung auf, die Schwarz aber leicht parieren kann 15...Sxc3 16.Sxc3 Dxc3? Für den geopferten Bauern hat Weiß mit dem Läuferpaar und der offenen Stellung etwas Spiel, aber keine ausreichende Kompensation.
14...b6?! Bereitet den Abschluss der Entwicklung mittels 15... Lb7 vor und vertraut darauf, den vorderen c-Bauern später noch einstreichen zu können.
Dennoch wäre das sofortige 14...Sxc3? 15.Lxc3 Dxc3 noch besser für Schwarz. Nach 16.Sb5 Dc5 17.Dd6 Dxd6 18.Sxd6 b6 19.Tfd1 Tb8 und Schwarz verbleibt mit einem Mehrbauern im Endspiel, auch wenn es bis zum Sieg noch ein weiter Weg ist.
15.Sb5! Dc6 16.Sd4?! Es ist verführerisch die Dame weiter zu belästigen, aber diese bekommt dafür Zugang zu einem guten Feld.
16.Te1! hält knapp das Gleichgewicht. 16...Sc4 17.Lc1 La6 18.a4 Lxb5 19.axb5 Dc5 20.Dd4 Dxd4 21.cxd4 Sc3 22.Tb4 Sxe2+ 23.Txe2 Tfc8? /= mit minimalen Endspielvorteil für Schwarz aufgrund der anfälligeren weißen Bauern und der halboffenen c-Line. Weiß sollte sich aber bei genauem Spiel halten können.
16...Dc5 17.Tb5 Dc7 18.Tb3 Lb7 19.Sb5

2021UhlAUT04

19...Dc6 mit der starken Drohung Sxc3! würde nun gewinnen. Schwarz hat mit den aktiven Springern im Zentrum und der Dame-Läuferbatterie die Initiative.
20.Sd4 Dc5 21.De1 21.Ld3 war vorzuziehen. Es stellt den Läufer auf ein aktives Feld. Bei einem Tausch wäre der Doppel-c-Bauer aufgelöst. Aber auch hier behält Schwarz nach 21...Sg6! 22. … Tfe8, 23. … e5, 24. … e4 die Initiative.
21...Tac8 22.Sf3? Verständlich! Um die lästigen Springer aus dem Zentrum zu verdrängen, doch wird damit das Verteidigungsproblem um die weißen Bauernschwächen nicht gelöst.
Ebenso zu weißen Schwierigkeiten führt 22.f4 Sc6 23.Ld3, jedenfalls wäre es besser als die Partiefortsetzung gewesen (23.Tb5 Dd6 24.Ld3 Sxd4 25.cxd4 Sf6 bringt Weiß aufgrund der Doppeldrohung Dxd4 und La6 in Schwierigkeiten). Am zähesten wäre 22.Sb5 gewesen, aber von da kommt der Springer ja .... Weiß hätte mit 23.c4 gefolgt von 24. Lb4 (nach Wegzug des Sd5) eine aktive Idee.
22...Sxf3+! 23.Lxf3 La6 24.Le2 Lxe2 25.Dxe2 Dc4+– Uhlmann hat die Initiative gegen eine strukturell gewonnene Stellung getauscht. Weiß krankt an dem Doppelbauer auf der halboffenen c-Linie. Ein Bauernendspiel wäre für Schwarz leicht gewonnen: Die beiden schwarzen Damenflügelbauern neutralisieren die drei vereinzelten weißen Bauern a2, c2 und b3. Der schwarze König gelangt ins Zentrum und anschließend wird mit dem Vormarsch des e- und f-Bauern ein Freibauer geschaffen. Um den zu halten, erobert Schwarz mit dem König über das Feld c4 die weißen Damenflügelbauern.
26.Dd3 26.Dxc4 käme der Aufgabe gleich.
26...Da4 27.h3 Tfd8 Weniger gut, aber trotzdem mit schwarzem Vorteil wäre der Bauerngewinn 27...Dxa2, da Weiß beginnend mit 28.c4 dafür Gegenspiel bekommt. Schwarz stünde aber immer noch besser 28...Se7 29.Dc3 (29.Lb4 Tfd8 30.De4 Sf5; 29.Lg5 Tfe8 30.Dc3 Da6 31.Ta1 Db7?) 29...Da4 30.Ta1 Dd7 (30...Dxc4?! 31.Txa7 De2 32.De3 Dd1+ 33.Kh2 Sd5 34.Dd4 Txc2 35.Tg3 g6 36.Td3 Dh5 37.g4 Dh4 38.Tf3 und Weiß hat aufgrund der schwachen schwarzen Felder, den aktiven Schwerfiguren und dem verbleibenden schwarzfeldrigen Läufer gewisse Kompensation für 2 Bauern.) 31.Tba3 a5 32.Le3 Dc6 33.Dd4 Dxc4 34.Dxb6 Dxc2 35.Dxa5
28.Dg3 droht Lh6
28...Kh8! Aber nicht 28...Dxa2?? 29.Lh6+– und Weiß gewinnt 29...Kf8 (29...g6 30.De5+–) 30.Dxg7+ Ke8 31.Df8+ Kd7 32.Dxf7+
29.Df3 Dxa2!? Natürlich hätte Schwarz den f7 vorher mit 29...Td7 decken, und nach 30.a3 Kg8 mittels Tdc7 den c3 später gewinnen können. Weiß bliebe ohne Gegenspiel.
30.c4 Sofort 30.Dxf7? verbietet sich wegen 30...Dxc2–+ und der Doppelangriff auf Tb3 und Ld2 gewinnt Material.
30...Txc4?! das gibt Weiß überraschend Gegenchancen.
Hier wäre 30...Dxc2! viel kräftiger gewesen 31.cxd5 Dxd2 32.Dxf7 und einfach 32...Dxd5 33.Te3 Td7 34.Dxe6 Dxe6 35.Txe6 Tb7–+. Aufgrund des Mehrbauerns und der beiden verbundenen Freibauern verfügt Schwarz im Doppelturmendspiel über ausgezeichnete Siegchancen. 36.Ta1 Kg8 37.Ta6 b5 38.Te3 b4 39.Tb3 Tc1+ 40.Kh2 Kf7
31.Dxf7 Dxc2? ist nicht mehr so gut wie ein Zug zuvor.
Besser wäre 31...Txc2 32.Tf3 Tg8 33.Lg5. Weiß hat trotz 2–er Minusbauern plötzlich Gegenspiel. Schwarz muss sehr genau spielen. Nach 33...Tc3! 34.Txc3 Sxc3 35.Lf6 e5! 36.Dxa2 Sxa2 37.Lxe5 Tc8–+ behält Schwarz einen Mehrbauern im Endspiel und verfügt über gute Siegchancen.
32.Lg5? verliert die Partie!
32.Tf3! mit der Mattdrohung auf der Grundreihe sichert den Ausgleich. 32...Tg8 33.Tc1!! Da2 34.Txc4 Dxc4 35.Dxe6 Dd4 36.Lg5=
32...Tg8?! etwas zu vorsichtig.
Das coolere 32...Dxb3! 33.Lxd8 h6 34.Dxe6 Dd3–+ 35. - Sf4 bringt Weiß in Bedrängnis. Der Ld8 hat kein Feld und droht verloren zu gehen. 35.Te1 Sf4 36.Df7 Dd5 erzwingt Schwarz durch die Mattdrohung auf g2 Damentausch und verbleibt mit einem Mehrbauern und zwei verbundenen Freibauern mit ausgezeichneten Siegchancen.
33.Tg3?! Besser wäre 33.Ta3 a5 34.Dxe6 Tc5 35.Te1 Dg6 36.Dxg6 hxg6 und Schwarz steht aufgrund des Mehrbauerns besser, aber die Verwertung des Vorteils ist schwierig.
33...Df5 34.Dxa7

2021UhlAUT05

34.Dxf5 exf5 35.Td3 (35.Tf3 Tf8 36.Td1 h6! –+) 35...Sc3! 36.Ta1 h6 37.Ld2 Sa4! –+ Auch hier sollten die beiden schwarzen Freibauern das Spiel entscheiden.
34...Sc3! Dieser Springer bringt das weiße Spiel nun vollends zu Fall. Es droht vor allem Turmgewinn durch Se2+
35.Te1 eine Drohung abgewehrt …
35...Se4! und schon wird die nächste aufgestellt!
36.Da2? Ein Fehler zum Abschluss.
Mit 36.Txe4 hätte Weiß die Partie noch in die Länge ziehen und die Zugzahl vom Vortag (87) vielleicht noch sprengen können. 36...Txe4 37.Dxb6 Te1+ 38.Kh2 Db1 39.Dxb1 Txb1–+. Aber dieses Endspiel sollte auf Dauer nicht mehr haltbar sein.
36...b5 0Weiß hat keine Drohungen mehr und er muss die Qualität geben. Da Schwarz noch über den b-Bauer verfügt, ist die Stellung glatt gewonnen. 

Bei diesem Wettkampf im Juli 1956 war auf österreichischer Seite auch ÖM Dr. Felix Winiwarter (1930 – 2018) im Einsatz und so ergibt sich eine weitere Klammer zum SK VÖEST Linz, denn dort wurden die Beiden dann jahrelang Mannschaftskameraden in Staats- und Bundesliga. Der Spitzer Winiwarter – ein Nachbar und Schulfreund des bekannten Wachauer Winzers Hirtzberger – brachte den Uhlmanns den guten österreichischen Wein näher. Gemeinsam mit anderen Schachfreunden aus Linz wurde die eine oder andere Genussreise durch Österreich gemacht. Sachsen und Österreicher verbindet nicht nur eine wechselreiche Geschichte, sondern auch ein genüsslicher Umgang mit dem Leben - „savoir-vivre“ wie es die Franzosen nennen.

Wir sind nun nach der Wende im Jahr 1992 gelandet und für die Krennwurzn war dies die erste persönliche Begegnung mit den Uhlmanns. Der SK VÖEST Linz richtete eine Heimrunde in der Staatsliga aus und Frau Uhlmann war – wie immer – lesend mit von der Partie. Ins Gespräch kamen wir leicht, denn wir hatten Ostern 1990 erstmals das wunderbare Dresden besucht und waren vom „Florenz an der Elbe“ tief beeindruckt. Aber kommen wir zurück zum Schach – hier kreuzten GM Wolfgang Uhlmann und GM Milan Vukic (*1942) in einem Königsinder die Klingen.

Uhlmann,Wolfgang (2495) - Vukic,Milan (2495) [E94]
AUT-chT Linz (8.1), 15.02.1992
[Wegener, Krennwurzn]

Das war das erste Mal, dass die Krennwurzn Wolfgang Uhlmann live am Brett in Linz in den Räumlichkeiten des SK VÖEST Linz in der Glimpfingerstraße im Rahmen einer Staatsligarunde - so hieß die Bundesliga damals in Österreich - live am Brett erlebte.

1.c4 Sf6 2.Sc3 g6 3.e4 d6 4.d4 Lg7 5.Le2 0–0 6.Lg5 Das Leningrader System war Wolfgangs Lieblingsaufbau gegen Königsindisch. Dirk Wegener selbst hat als Schwarzer gegen dieses System in einer Normalschachpartie beim Wichern Open 1993 und in einer Schnellschachpartie beim Porzellancup in Dresden 2007 gegen Uhlmann gespielt.
6...Sbd7 7.Dd2 c6 8.Sf3 e5 9.0–0 exd4 10.Sxd4 Sc5 11.Df4 diesen Zug spielte Uhlmann erstmals 1973 (laut unserer Datenbank)
den Fehler 11.f3? bestrafte GM Efim Geller erstmals im Jahre 1968 mit 11...Sfxe4!! und zwar ganze DREIMAL - davon zweimal bei der Schacholympiade in Luzern und beim Karseladze Memorial 12.fxe4 (12.Sxe4 Sxe4 13.fxe4 Lxd4+ 14.Kh1 Db6) 12...Lxd4+ 13.Dxd4 (13.Kh1? Lxc3 14.bxc3 Sxe4–+) 13...Dxg5 14.Dxd6 Td8 15.Df6 Dxf6 16.Txf6 Le6
11...De7 11...Te8
12.Tad1 De5 12...Scxe4 13.Sxe4 Dxe4 14.Dxd6 ist angenehmer für Weiß. Schwarz muss sehr genau spielen, um nicht in Nachteil zu geraten 14...Sg4! 15.h3 De5! 16.Lf4 (16.Dxe5 Sxe5 17.Tfe1) 16...Dxd6 17.Lxd6 Td8 18.Lc5 Se5 19.Sb5! Lf5 20.Sd6 Lf8 21.f4 (21.Sxb7 Tdb8) 21...Sd7 22.Lf2 Lc2 23.Td2 Sf6 24.c5 Lf5; 12...Te8 wird heute häufiger gespielt und war auch damals schon in die Großmeisterpraxis eingeführt.
13.f3 Sfd7? schon ein Fehler sagen uns die heutigen Computerprogramme.
13...Se6 so spielte GM Svidler gegen GM Grischuk und remisierte, aber den Maschinen gefällt dieser Zug auch gar nicht! Aber nach dem besseren 13...Dxf4 14.Lxf4 Se8 hat Schwarz ebenfalls kein leichtes Leben.
14.Dc1N eine interessante Neuerung, nach der Weiß besser steht.
Als noch stärker gilt heute 14.Dh4 und der rückständige Bauer d6 bereitet Schwarz sorgen, z. B. 14...Se6 15.Sxe6 Dxe6 16.Le7 Lf6 17.Lxf6 Sxf6 18.Td4 mit klarem Vorteil für Weiß.
14...a5 dieser thematische Vorstoß reicht nicht mehr für vollständigen Ausgleich.
15.Kh1 a4 jeder spielt auf seinem Flügel.
16.f4 De8 17.f5! aber die weißen Bauernvorstöße sind unangenehmer. Wolfgang spielt auf Angriff. Ein starkes Bauernopfer!
17...f6 17...Sf6 wäre zäher gewesen ... aber nach 18.Lf3 Sfd7 (18...Sfxe4? 19.Lxe4 Sxe4 20.f6!+–) 19.Lh6 Se5 20.Lxg7 Kxg7 21.b4 axb3 22.axb3 verfügt Weiß über Raumvorteil und Spiel gegen den rückständigen Bauer d6.; Bei der Annahme des Bauernopfers ... 17...Sxe4 18.Sxe4 Dxe4 19.Lf3 De5 20.fxg6 hxg6 21.Lxc6! bxc6 (21...Sb6 22.Lb5 Lg4 23.Sf3 Lxf3 24.Txf3 Dxb2 (24...d5 25.c5 Ta5 26.Lf1) 25.Df4 Tac8 26.Th3 De2 27.Tc1 Tc5 28.Dh4 Dh5 29.Dxh5 gxh5 30.Le3) 22.Sxc6 Dxb2 23.Se7+ Kh7 24.Tf4 Dxc1 25.Th4+ Lh6 26.Txc1 Te8 27.Lxh6 Sf6 28.g4 29.Lg5, 29.Tf1 behält Weiß trotz des reduzierten Materials weiterhin Angriff.
18.Lf4 Se5 19.b4! klärt die Lage am Damenflügel.
19...axb3 20.axb3 De7 21.Dc2 Ld7 22.b4 Sa6 23.Tb1 Weiß verfügt über großen Raumvorteil und die aktivere Stellung. Schwarz hat allerdings nur eine Schwäche (Bauer d6) und einen starken Se5. Weiß kann den Druck kontinuierlich verstärken. Es ist ein Spiel auf ein Tor!
23...Kh8 24.Sf3 Tae8 25.Tfd1 Lc8 26.h3 Td8 27.Le3 Tg8 28.Lb6 Tde8 29.Sxe5 ohne diesen Tausch des starken Se5 kommt Weiß nicht weiter. Er erfolgt zu einem günstigen Zeitpunkt.
29...Dxe5 29...fxe5 30.g4! gxf5 31.gxf5 d5 andernfalls deckt Weiß den Königsflügel mit Dd3, Tg1 und Sf2 ab. Der gedeckte  Bauer f5 schränkt das schwarze Spiel ein und Weiß steht klar besser. 32.cxd5 Sxb4 33.Dd2 cxd5 34.Sxd5 Sxd5 35.Dxd5 Dh4 36.Tb3 Lf6 37.Tf3 Tg3 38.Txg3 Dxg3 39.Lg4 Tg8 40.Dd6 Lg7 41.Dd3 Weiß pariert die gegnerischen Drohungen und hat mit dem starken gedeckten Freibauern f5 und gegen den schwachen Lc8 klaren Vorteil.
30.Ld4 De7 30...Df4, aber auch hier wirkt die Dame etwas verlassen.
31.Lf3 Sb8 Schwarz ist ohne Gegenspiel und versucht, mit seinem verbliebenen Springer nach e5 zu gelangen, um den Laden zusammenzuhalten. Aber das wusste Wolfgang zu verhindern. Der schwarze Sb8 wird sein Ausgangsfeld nicht mehr verlassen!
32.fxg6 hxg6 33.Df2 stellt die Drohung Dh4+ auf.
33...Lh6 33...f5 34.exf5 Lxf5 35.Ta1 steigt Weiß mit Ta7 auf die 7. Reihe ein und einer der beiden schwachen schwarzen Bauern b7 und d6 geht früher oder später verloren. Eine mögliche Variante wäre: 35...Sd7 36.Ta7 Se5

2021UhlAUT07

37.Txb7!! Dxb7 38.Dh4+ Lh6 39.Dxh6+ Dh7 40.De3 mit den Drohungen Lc6 und Bauer c5 mit Aushebeln des Se5 40...Lxh3? 41.Kg1 Tg7 42.Lxc6 Ld7 43.Lxd7 Txd7 44.Se4 mit der Doppeldrohung Sd6 und Sf6 44...Dh5 45.Te1 Dh4 46.Tf1 Th7 47.Df4 Dh1+ (47...Dxf4 48.Txf4 Tee7 49.Sxd6 Kg8 50.b5+–) 48.Kf2 Dh4+ 49.Ke2 De7 50.Df6+ Kg8 51.Dxe7 Thxe7 52.Sf6+ Kf8 53.Sxe8+ Kxe8 54.Lxe5 Txe5+ 55.Kd3 mit guten Siegchancen im Turmendspiel.
34.Lg4 Kg7 bereitet Lxg4 vor. Sofort 34...Lxg4?? wäre ein katastrophaler Fehler wegen 35.Lxf6+
35.Lxc8 Txc8 36.c5 sofort 36.b5 wäre noch stärker gewesen!
36...Tcd8

2021UhlAUT08

37. b5?! ein starker Zug einen Zug später ist ein Fehler sagt ein altes Bonmot, hier ist er jedoch immer noch gut.
Noch stärker wäre allerdings 37.Dh4! gewesen. Nach 37...dxc5 (37...Sd7? 38.cxd6 Dxd6?? 39.Le3+–) 38.bxc5 Td7 39.Td3 Lg5 40.Dg4 Tgd8 41.Tbd1+– Schwarz gehen langsam die vernünftigen Züge aus.
37...dxc5 38.Lxc5 Txd1+! nimmt in Zeitnot Angriffsdruck aus der Stellung.
39.Txd1 De5 auf f7 wäre ein sichererer Platz für die Dame gewesen 39...Df7! 40.bxc6 Sxc6 41.Sd5 Lg5 42.Dg3 Weiß steht immer noch besser. Die weißen Gewinn- und schwarzen Remischancen halten sich in etwa die Waage.
40.Ld4 Weiß hat starke Initiative und Schwarz hat wenig Zeit auf der Uhr.
40...Df4? Verliert die Partie.
40...De6 wieder wäre ein weißes Feld die bessere Wahl gewesen - auch wenn die Qualen noch nicht vorbei wären.
41.Db2! +– die weiße Dame entzieht sich dem Tausch und stellt tödliche Drohungen auf der langen Diagonale und der b-Linie auf.
41...Tf8 41...Kh7 ist zwar besser, rettet aber den Tag nicht mehr. Nach 42.bxc6 bxc6 43.e5!! brechen die Dämme auf 43...fxe5 44.La7! +– e4 45.Db7+ Lg7 46.Se2! De5 47.Tb1 und der Sb8 geht auf seinem Ausgangsfeld verloren!
42.bxc6 bxc6 Falls Schwarz jetzt zu ...Sd7 käme, bestünde noch etwas Hoffnung.
43.e5! auch 43.Lc5! Tf7 44.Ld6 gewinnt.
43...Df5 43...fxe5 läuft in 44.Sd5! Dxd4 45.Txd4 exd4 46.Dxd4+ Kg8 47.Sf6+ +–
44.exf6+ Kh8 45.De2 c5 46.Tf1 Dc8 46...Dh5 47.Dxh5 gxh5 48.Lxc5 Tc8 49.Tf5+– wäre zäher, würde aber am Resultat nichts ändern.
47.De4! die Lage ist hoffnungslos. 47...cxd4 48.Dxg6 Tf7 49.Dxf7 ein schöner und wichtiger Sieg für Uhlmann! 1–0

In Erinnerung blieb mir, dass obwohl die Partie ultrascharf war, beide Spieler ganz ruhig am Brett saßen – fast regungslos, aber unter dem Tisch war die Hölle los. GM Uhlmann zappelte mit den Füssen und GM Vukic übertraf das noch indem er immer wieder einen der beiden Schuhe aus und dann wieder anzog – und von dem allem merkte man nichts, wenn man oben auf Spieler und Brett blickte. Die Uhlmanns kamen fast immer zu zweit nach Österreich zu den Punktspielen, da es beiden so gut gefiel. Das war auch für die Mannschaft sehr praktisch. Die Uhlmanns fuhren in der Regel am Vortag eines Punktspiels erst mit dem Auto nach Linz. Dann chauffierte Christine Uhlmann die Mannschaft mit dem Mannschaftsbus des SK VÖEST Linz zum Spielort und hinterher wieder zurück nach Linz. So konnten sich die Spieler voll aufs Schach konzentrieren. Durch die Uhlmanns kamen auch mehrere junge Dresdner Spieler zum SK VÖEST Linz, die durch die rasante Fahrweise von Christine Uhlmann schon auf der Anreise durch Tschechien nervlich abgehärtet wurden. Einer dieser Spieler FM Dirk Wegener lebte und arbeitete knapp drei Jahre in Linz bevor er wieder in seine Heimat Dresden zurückkehrte. Er wird uns nun eine Partie aus einem Aufstiegskampf von der Staatsliga B in die Staatsliga A näherbringen.

Uhlmann,Wolfgang (2482) - Jansa,Vlastimil (2458) [A10]
AUT-chT Qualifikationsturnier Linz (1.1), 31.03.2000
[Wegener]

Als Sieger der Staatsliga B der Staffel Oberösterreich und Salzburg in der Saison 1999/2000 konnten wir am Qualifikationsturnier für die Staatsliga A teilnehmen. Wir spielten zusammen mit den drei Siegern der anderen Staatsliga B-Staffeln (Austria-Husek Wien, Gamlitz und Absam) um 2 Plätze in der Staatsliga A. Wir waren klarer Außenseiter. Austria-Husek Wien und Gamlitz waren nominell deutlich stärker, Absam etwas stärker als wir. Außerdem wies unser Team einen deutlich höheren Altersdurchschnitt auf. Aber wir hatten Heimvorteil, gespielt wurde in Linz-Urfahr.

1.c4 g6 2.e4 e5 3.Sf3 Lg7 4.d4 exd4 5.Sxd4 Sf6 6.Sc3 0–0 7.Ld3!? deckt prophylaktisch den Bauerne4.
Auf das normale 7.Le2 folgt 7...Te8 8.f3 c6! Damit gewinnt Schwarz praktisch ein Tempo gegenüber Königsindisch, da der schwarze d-Bauer in einem Schritt nach d5 gehen kann. 9.Lg5 h6 10.Lh4 d5? Gurevich,M - Jansa,V, Forchheim 2000, Remis nach 44 Zügen, siehe auch CBM 076 [Gurevich,M]
7...c6 8.0–0 d5! Auch hier führt das befreiende ?d5 in einem Zug zu Ausgleich.
9.exd5 cxd5 10.Lg5 dxc4?! 10...Sc6 11.Sxc6 bxc6 gleicht bequem aus.
11.Lxc4 h6 12.Lh4 a6?! 12...Sc6 13.Sxc6 bxc6 14.Dxd8 Txd8 15.Tad1 und aufgrund der besseren Bauernstruktur verfügt Weiß über einen minimalen Vorteil.
13.Lb3 Sbd7 14.Dc2 Weiß hat seine Entwicklung abgeschlossen und verfügt aufgrund der aktiveren Figuren und des Entwicklungsvorspunges über die angenehmere Stellung. Aktuell droht bereits 15.Dxg6.
14...Sc5! 15.Tad1 Db6?! ?15...Sxb3 16.Dxb3 trotz der Aufgabe des Läuferpaares steht Weiß angenehmer. Schwarz muss noch das Entwicklungsproblem des Lc8 und des dann hängenden Bauer b7 lösen. Das erfordert sehr genaues Spiel, um nicht in Nachteil zu geraten. 16...Da5! 17.Tfe1 Lg4! 18.f3 Ld7 19.Lxf6 Lxf6 20.Dxb7 Dc5 21.Dd5 Db6! und hier hat Schwarz gewisse Kompensation für den geopferten Bauern.
16.Lc4?! mit 16.Lxf6! Dxf6? 17.Sd5 Dd6 18.Se6! Dxe6 19.Dxc5 konnte Weiß forciert eine vorteilhafte Stellung erreichen. Die schwarze Dame steht der Entwicklung des Lc8 im Weg und die weißen Figuren sind sehr aktiv.
16...Lg4 nun kann Schwarz seine Entwicklung abschließen.
17.Td2?! Mit 17.f3 Le6 18.Sxe6 Sxe6+ 19.Lf2 Dc6 20.Db3 konnte Weiß aufgrund des Läuferpaares sich noch einen kleinen Vorteil sichern.
17...g5! 18.Lg3 Tad8 19.h3 Sh5? mit 19...Db4! konnte sich Schwarz Ausgleich sichern, z. B. 20.Lxf7+ (oder 20.b3 Sce4 21.Sxe4 Sxe4 22.Td3 Lxd4 23.hxg4 b5 24.Le5! Lxe5 25.Txd8 Txd8 26.Dxe4 bxc4 27.Dxe5=; 20.hxg4 Dxc4=) 20...Kxf7 21.a3 Dc4 22.b3 Sxb3 23.Sxb3 Le6 24.Sa5 Dc8=
20.hxg4 Nun hingegen erhält Weiß wieder Vorteil.
20...Sxg3 21.Tfd1 Td6?? 21...Tfe8 22.fxg3 Txd4 23.Lxf7+! Kxf7 24.Df5+ Kg8 25.Txd4 Lxd4+? (25...Se6? 26.Dg6! +–) 26.Txd4 Tf8 27.Dc2 Sd7 28.Dd2 mit besserer, aber keinesfalls gewonnener Stellung für Weiß.
22.Sd5! +– Da7 23.Sf5?! Einfacher war 23.fxg3 

2021UhlAUT09

mit Trippelbauer und Mehrfigur, aber Weiß muss noch der Fesselung des Sd4 (nach Abzug des Sc5) Sorge tragen. Die taktischen Verwicklungen gehen jedoch alle zugunsten von Weiß aus, z. B.  23...b5 24.Se7+! Dxe7 25.Sf5+– oder 23...Se6 24.Se7+ Kh8 25.Lxe6 Lxd4+ 26.Txd4 Txd4 27.Dc3+–
23...Sxf5 24.Dxf5? Nach 24.gxf5 steht Weiß immer noch auf Gewinn, z. B. 24...b5 25.b4! bxc4 (25...Sb7 26.De4! +–) 26.bxc5 Tc6 27.De4 Lf6 28.Sb6!+– oder 24...Kh8 25.f6! Lxf6 26.Sxf6 Txf6 27.b4 Se6 28.Db2 Kg7 29.Td7 Te8 30.T1d6 und trotz Mehrbauern ist die Lage für Schwarz hoffnungslos. Es droht schlagen auf e6 und nach 30...Kg6 31.Ld3+ Kg7 32.Lf5 geht Schwarz an der Fesselungen  zugrunde. Es geht mindestens eine Figur verloren.

24...Te6 25.b4? 25.Se3 Tee8 26.Ld5 sichert Weiß immer noch klaren Vorteil.
25...Se4?! Nach 25...b5! 26.Ld3 (26.Lf1 Se4 27.Tc2 Ld4?) 26...Sxd3 27.Dxd3 verfügt Weiß nur noch über einen kleinen Vorteil.
26.Ld3? Das wirft den Vorteil wieder weg. Möglicherweise hatte Uhlmann in Zeitnot die schwarze Antwort übersehen.
Stärker war 26.Tc2! Ld4 27.g3 Kg2 27...Lxf2+ (27...Sxg3 28.Dd3 Lxf2+ 29.Kg2+–; 27...Sd6 28.Dd3 Sxc4 29.Txc4 Lxf2+ 30.Kg2 Le1 31.Df3+–) 28.Txf2 Sxf2 29.Dxf2 Dxf2+ 30.Kxf2
26...Te5! = 27.Se7+ Kh8

2021UhlAUT10

 28.Lxe4! Uhlmann spielt trotz des Fehlers im 26. Zug weiter auf Sieg!
Nach 28.Dd7 Sf6 29.Dc7 Db8 30.Dxb8 Txb8 31.Sf5 Lf8 wäre die Stellung ausgeglichen.
28...Txf5 29.Sxf5 Db6 30.a3? Weiß hat nur einen ? und einen ? für die Dame, aber mit den aktiven Leichtfiguren und den verdoppelten Türmen auf der d-Linie die Initiative.
30...Le5? Dieser Zug verliert ein wichtiges Tempo. Schwarz gelingt es nun nicht mehr, die Damenflügelbauern zu tauschen. Auch die folgenden Züge sind von beidseitiger Zeitnot geprägt.
30...a5 31.Td7 (31.Td6 Db5 32.bxa5 Dxa5 33.Lxb7 Dxa3=) 31...axb4 32.Txb7 De6 33.Txb4 Te8 34.Ld5 De2 35.Lf3 Dc2 36.Sd6 Dxd1+ 37.Lxd1 Te1+ 38.Kh2 Le5+ 39.g3 Lxd6=
31.Td7 Lg7? 31...De6 32.g3! verhindert den Tausch der Läufer mittels 32... Lh2+ 33. Kh2 Dxe4 und droht 33.Kg2! Nach 32...Lg7 33.Lf3 Da2 34.T1d3 Lc3 35.T3d6 Lg7 36.Kg2 Dxa3 37.Txb7 kann Schwarz nur noch mit der Dame ziehen, der Läufer muss den Bauer h6 und der Turm den Tf7 decken. Weiß hat auch hier gute Siegchancen.
32.Sd6! +– Kg8 33.Td3?! Sofort gewonnen hätte 33.Ld5! a5 (33...Kh7 34.g3! und Schwarz hat keinen sinnvollen Zug, z. B. 34...a5 35.Txb7 Dd8 36.Sxf7+– oder 34...Ld4 35.Sxf7 Lxf2+ (35...Lg7 36.Kg2) 36.Kg2 Lxg3 37.Tf1! und Schwarz wird Matt oder verliert entscheidend Material) 34.Sxf7 Kh7 35.Txb7 Da6 (35...Df6 36.bxa5+–; 35...Dxb7 36.Lxb7 Txf7 37.Le4+ Kh8 38.b5+–) 36.Le4+ Kg8 37.Tdd7! axb4 38.Ld5 Df6 39.Sxg5+ Kh8 40.Txg7 Dxf2+ 41.Kh2 Df4+ 42.Kh3+–.
33...Td8? Zäher wäre 33...a5 34.Txb7 Dd8 35.Sxf7 (oder auch 35.g3!+– axb4 36.Sxf7 Df6 37.Ld5 bxa3 38.Sxh6+ Kh8 (38...Kh7 39.Sf5+–) 39.Sf7+ Kh7 40.Txa3+–) 35...Dc8 (35...De8 36.Sd6 De5 37.g3!+–) 36.Ld5 Dc1+ (36...Kh7 37.g3 Dxg4 38.Te7 axb4 39.Le4+ Kg8 40.Tdd7 bxa3 41.Sxh6+ Lxh6 42.Ld5+ Tf7 43.Lxf7+ Kh8 44.Te8+ Kg7 45.Le6++–) 37.Kh2 Df4+ 38.Kh3 Dxf2 39.Se5+ Kh7 40.Le4+ Kg8 41.Sg6 42.Tdd7 41...h5 42.Ld5+ Kh7 43.Sxf8+ Kh6! 44.g3? Lxf8 (44...axb4 45.Tf7; 44...Df1+ 45.Kh2) 45.Tf7 hxg4+ 46.Kxg4 De2+ 47.Tff3 axb4 48.Tde3+– und Weiß hätte noch sehr präzise spielen müssen. Am Ausgang hätte sich aber nichts geändert.
34.Sc4+– Db5 34...Txd7 35.Sxb6 ist mit Minusfigur auch hoffnungslos.
35.Txd8++– Lf8 36.Ld5 Kg7 37.Tb8 1–0 Insgesamt ein verdienter Sieg nach einer sehr spannenden Partie, in der bedingt durch die vielen zu berechnenden Varianten, die daraus resultierende Zeitnot und das ungleiche Materialverhältnis die Bewertung  zwischen Ausgleich und Gewinn für Weiß pendelte. Interessant war auch die anschließende Analyse, da beide Spieler sehr optimistisch ihre Stellungen jeweils für sich bewerteten. Mit dem Sieg von Uhlmann hatten wir den Favoriten (Austria-Husek Wien) 4 : 2 geschlagen. Damit hatten wir die Weichen für den Aufstieg gestellt.  Die zweite Runde spielten wir 3 : 3 gegen Absam. In der dritten Runde reichte uns gegen Gamlitz ein 3 : 3, sodass wir und Gamlitz aufgestiegen sind. Wir spielten dann zwei Saisonen (2000/01 und 2001/02) in der Staatsliga A. Der Aufstieg wurde gebührend gefeiert. Felix Winiwarter lud nach Spitz in die malerische Wachau ein und es gab wie fast jedes Jahr eine schöne Saisonabschlussfeier mit gutem Österreichischen Wein.

Nach dem frühen Tod von FM Heinz Baumgartner im Jahre 2006 stieg der SK VÖEST Linz aus der Bundesliga B Mitte ab und zog sich vom semiprofessionellen Schach zurück. Die Kontakte zu den Uhlmanns sind allerdings nicht abgebrochen und es folgten noch viele Besuche in Österreich. Schon bei der Seniorenschachweltmeisterschaft 2007 war GM Wolfgang Uhlmann wieder in Österreich am Schachbrett aktiv. Nach wechselvollem Verlauf und einer Niederlage in der vorletzten Runde, zeigte er seine ungebrochene kämpferische Einstellung am Schachbrett.

Uhlmann, Wolfgang (2417) - Sorokin, Valentin (2319) [D38]
Wch Seniors Gmunden (11), 28.09.2007
[Wegener, Krennwurzn]

1.c4 Die letzte Turnierpartie auf österreichischem Boden. Am Vortag hatte Uhlmann seine Partie und Titelchancen verloren, kämpfte aber dennoch unverdrossen um eine gute Platzierung.
1...Sf6 2.Sc3 e6 3.Sf3 d5 4.d4 Sbd7 5.Lg5 Lb4 mit der scharfen Ragosin-Verteidigung zeigen beide, dass ein Schlussrundenremis nicht zu erwarten ist.
6.cxd5 exd5 7.e3 0–0 8.Ld3 c5 9.Dc2 Da5 10.0–0 c4 11.Lf5 g6?! gilt heutzutage schon als Fehler, war aber damals durchaus spielbar - Aronian hat 2005 ebenso gespielt!
12.Lxd7! Sxd7 13.e4! Weiß hat seine Entwicklung abgeschlossen, während der ?c8 noch in seiner Ausgangsstellung verharrt und der Sd7 ihm den Weg versperrt. Folgerichtig öffnet Weiß das Spiel.
13...Sb6 13...Lxc3 14.bxc3 dxe4 15.Dxe4 macht die Sache für Schwarz auch nicht leichter. Die schwarzen Felder um den König sind geschwächt und ihm fehlt der schwarzfeldrige Läufer. 15...Sb6 16.Lh6 Td8 17.Se5! Le6 (17...Dxc3?? 18.Dh4+–; 17...Sd5 18.Sxc4 Dxc3 19.Tfc1 Db4 20.Tab1 De7 21.Dxe7 Sxe7 22.Lg5 Kf8 23.Se5 Te8 24.Tc7) 18.Tab1 Te8 (18...Dxc3? 19.Dh4 Sd5 20.Tb5 Sc7 21.Txb7+–) 19.Dh4 Sd5 20.Txb7
14.e5! Lf5 15.Dd2? Weiß hat die Eröffnung klar für sich entschieden und steht aufgrund der geschwächten schwarzen Felder am Königsflügel klar besser.
15...Tfe8 16. h3!? N Stark auf Angriff gespielt! Die Idee ist 16.g4 nebst Springer weg und Bauer f4, f5 mit Angriff am Königsflügel. Auch der Vorgänger endete mit einem Weißsieg 16.a3 Lf8 Onischuk,A (2652)-Aleksandrov,A (2679) Poikovsky 2004.
16...Tac8 16...Sd7 17.a3 Lf8 (Nach 17...Lxc3 18.bxc3 fehlt wieder der Läufer in der Verteidigung der geschwächten schwarzen Felder am Königsflügel.) 18.g4 Le6 19.Sh2 …
17.g4! Der vorlaute Läufer wird zwar auf ein gutes Feld, aber ins Abseits getrieben.
17...Ld3 18.Tfc1 Sa4?!

2021UhlAUT11

Stellt taktische Fragen!

18...Sd7 war angesagt, aber 19.Se1 zeigt die schwarzen Probleme auf (auch 19.a3 Lxc3 20.bxc3 ist vorteilhaft für Weiß) 19...Da6 20.a3 Lxc3 21.Txc3 f6 22.exf6 Sxf6 23.Lxf6 Dxf6 24.Sxd3 cxd3 25.Txc8 Txc8 26.Dxd3 und Weiß hat einen Mehrbauern im Endspiel.
19.Se1? 19.a3! wäre die taktisch korrekte Lösung gewesen. Nach 19...Sxc3 20.axb4! wird es taktisch kompliziert: 20...Se2+ 21.Dxe2! Dxa1 22.Dd2! und aufgrund der Drohungen xa1 sowie Lf6 und Dh6 geht Weiß als Sieger aus dem Scharmützel hervor, z. B. 22...Da6 23.Lf6 Te6 (23...Tc6 24.b5! +–) 24.Dxd3! Txf6 25.exf6+– oder 22...c3! 23.bxc3 Da6 24.Lf6 Te6 (24...Tc6 25.Te1! 26. Dh6 Tf6 27.g5! +– 25...Txf6 26.exf6 Txe1+ 27.Sxe1 Le4 28.f3 Lb1 29.Dc1 La2 30.Df4+–) 25.Dh6 Txf6 26.Sg5! +–. Not oder Übel müsste Schwarz 19...Lf8 spielen, worauf 20.Se1 Sxc3 21.Txc3 Da6 22.Sxd3 cxd3 23.Tac1 mit Vorteil für Weiß folgt.
19...Sxc3 20.bxc3 La3 21.Td1 21.Lf6 bringt jetzt nichts mehr ein, da der schwarze Läufer zurückkehren kann: 21...Tc6 22.Dh6 Lf8=
21...Te6? Schwarz muss immer mit dem Schlagen auf d3 rechnen und muss deshalb sehr genau spielen. Erforderlich war deshalb 21...b5! Nach 22.Sxd3 (22.Lf6 Tc6 (22...Lf8?! 23.a3!) 23.Sxd3 cxd3 24.Tab1 a6= bringt Weiß nichts ein) 22...cxd3 23.Tab1 a6 (23...Le7 24.Lxe7 Txe7 25.Tb3 Tec7 26.Dxd3) 24.Tb3 Le7 25.Lxe7 Txe7 26.f4! setzt auf Angriff! Es könnte folgen: 26...Tec7 27.f5! und nun entweder 27...gxf5 28.Dg5+ Kf8 29.Dh6+ (29.gxf5 Dxa2 30.Tbb1 d2 31.Ta1 Dc2 32.Txd2 Dxc3 33.Tf1 Ke8 34.Df4! Kd7 35.Tg2 Te8) 29...Ke8 30.e6! Dxa2 31.Tbb1 fxe6 32.Dxe6+ Kf8 33.Tf1 Kg7 34.Dxf5 mit Angriff oder 27...Txc3 28.f6 Kh8 29.e6! Db6 (29...fxe6 30.f7 Kg7 31.Tf1 Dc7 32.Df2+–) 30.Txc3 Dxd4+ 31.Kh2 De5+ 32.Kh1 De4+ 33.Dg2 Txc3 34.Dxe4 dxe4 35.e7 Tc8 36.h4! +– .

2021UhlAUT12

Eine malerische Stellung! Schwarz hat 2 Bauern mehr, ist aber völlig machtlos. Der schwarze König kommt aus seinem Gefängnis nicht heraus und der Turm kann die 8. Reihe nicht verlassen. Der weiße Turm und König halten die schwarzen Bauern auf bzw. räumen sie ab.
22.Sxd3! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, den Eindringling zu beseitigen.
22...cxd3 23.Tab1! Durch den Angriff auf b7 gewinnt Weiß ein wichtiges Tempo, um den anfälligen, isolierten Bauern d5 aufs Korn nehmen zu können. Hier wird die Wichtigkeit von 21. ... b5 deutlich. Stünde der schwarze Bauer bereits auf b5, könnte Schwarz ihn mit 23. ... a6 verteidigen. wenn Weiß auf d3 schlägt, gewinnt Schwarz den Bauern durch Nehmen auf c3 zurück.
23...b6 Nach 23...Le7 24.Txb7 Lxg5 25.Dxg5 Dxa2 26.Df4 Tf8 27.De3 Da6 28.Tbb1? gewinnt Weiß den Bauer d3 und hat dann einen Mehrbauern und die bessere Stellung mit Angriff auf die isolierten Bauern a7 und d5 sowie der Idee f4, f5.
24.Dxd3 Txc3

2021UhlAUT13

 

25.Db5 Dxb5 25...Le7 26.De8+! Lf8 27.Dd8 gewinnt Weiß durch die Drohungen 28. Ld2 und Lh6 den wichtigen Bauer d5. 27...Dxa2 (27...Da4 28.Dxd5+–) 28.Ld2! Tc4 29.Ta1 Dc2 30.Dxd5+–
26.Txb5 Nun ist der Bauer d5 nicht mehr zu decken.
26...Le7 27.Le3! Ta3? Zäher wäre 27...Kf8 28.Txd5 Ke8 29.Tb5 Tc2 30.a4?/+– gewesen. Aber auch hier garantieren der Mehrbauer und die beiden verbundenen Zentrumsbauern den weißen Sieg.
28.Txd5 Txa2 29.Tc1 Die schwarzen Freibauern können wegen Matt- und anderer Drohungen (z. B. Eindringen beider Türme auf der 7. Reihe, marschieren der Zentrumsbauern) nicht in Bewegung gesetzt werden. Schwarz ist hilflos.
29...g5 30.Td7 Ta4 31.Tc8+ Kg7 32.Te8 1–0 Figurenverlust ist unvermeidbar. Mit diesem Sieg erreichte Uhlmann den 5. Endrang im Turnier und verließ das schöne Gmunden mit einem guten Gefühl.

Die letzte Turnierpartie auf österreichischem Boden endet wie die erste mit einem Sieg und so ist es nicht verwunderlich, dass GM Wolfgang Uhlmann mit Österreich vor allem schöne Erinnerungen verbunden hat. In den folgenden Jahren besuchten die Uhlmanns öfter Österreich und ihre Freunde und auch wir besuchten die Uhlmanns sehr gerne in Dresden. Die Schreiber dieser Zeilen waren zuletzt 2017 gemeinsam bei den Uhlmanns zu Besuch und durften das berühmte Schachzimmer mit seinen vielen Erinnerungsstücken aus aller Welt bewundern und bei einer selbstgemachten Quarktorte von Christine Uhlmann und Kaffee den Anekdoten von Wolfgang lauschen …


 Als kleines Service bieten wir Ihnen hier die Partien zum Nachspielen und Herunterladen an.

 

Mittwoch, 26 Mai 2021 17:51

PK&K Präsident Krause und Krennwurzn

„Gegen“ und als Streitgespräch tituliert war die letzte Begegnung der Krennwurzn mit dem DSB Präsidenten Ullrich Krause hier in der Schachwelt. Von seinen Konkurrenten wird dem Präsidenten Krause gerne vorgeworfen, dass er Konflikten aus dem Weg geht oder diese durch Kommunikation im Schneckentempo lösen wolle. Die Krennwurzn hatte also keine große Hoffnung als sie eine Interviewanfrage an den Präsidenten schickte. Aber im Leben kommt es zweitens immer anders als man erstens denkt. Voila …

Krennwurzn:
In unserem ersten Gespräch waren wir bezüglich DSIM und DSOL konträrer Meinung. Ich muss vorab einmal zum Erfolg der beiden Veranstaltungen herzlich gratulieren, ich hätte nicht gedacht, dass diese so gut angenommen werden! Aber ich wäre nicht die Krennwurzn, wenn ich nicht sagen würde, dass ich bezüglich Cheating doch Recht gehabt habe.
Keine Angst ich möchte in diesem Gespräch nicht auf die technischen Hintergründe eingehen, sondern Sie als Präsident fragen: Was läuft im Schachbetrieb falsch, dass ein doch signifikanter Prozentsatz von Schachspielern unter Klarnamenangabe und in offiziellen Meisterschaften keine Scheu haben zu betrügen?

Ullrich Krause:
Vielen Dank für die Gratulation! Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich auf einige Unterschiede zwischen den beiden Meisterschaften hinweisen. Wir haben die Deutsche Schachinternetmeisterschaft (DSIM) mit einem relativ langen Vorlauf eingeführt: Der entsprechende Antrag an unsere Mitgliederversammlung (den sogenannten Hauptausschuss) wurde Ende 2018 angenommen und die Mehrheit war zu meiner Überraschung alles andere als deutlich, was auf gewisse Berührungsängste seitens der Delegierten in Bezug auf das Online-Schach schließen lässt. Die erste Durchführung der DSIM war dann 2020, zurzeit läuft gerade die Neuauflage 2021. Die Deutsche Schach-Onlineliga (DSOL) haben wir nach Beginn der Pandemie-begründeten Einschränkungen des Vereins- und Spielbetriebes im Frühjahr 2020 quasi aus dem Boden gestampft und ich habe bisher von keinem Landesverband gehört, dass das keine gute Idee gewesen wäre. Das zeigt mir zweierlei: Erstens erfordern besondere Situationen auch besondere Maßnahmen und zweitens scheint es seitens unserer Mitglieder, also der Landesverbände, inzwischen – möglicherweise auch Pandemie-bedingt - eine gewisse Annäherung an das Online-Schach gegeben zu haben. Ich wiederhole noch einmal meine Aussage aus unserem ersten Gespräch: Online-Schach ist meines Erachtens eine ebenso sinnvolle wie wichtige Erweiterung des Portfolios, das der Deutsche Schachbund und seine Vereine den Mitgliedern anbieten können, es ist weder ein Ersatz für das „richtige“ Spielen am Brett noch sollte man es als Gefahr für das traditionelle Schach betrachten.

Nun zu Ihrer Frage: Eine kurze Google-Suche hat ergeben, dass es zum Beispiel beim Go dieselben Probleme (und dieselben Lösungsansätze) für das Problem des Cheatings gibt. Insofern scheint mir das leider weit verbreitete Cheating beim Online-Schach kein spezifisches Problem des Schachbetriebes zu sein, sondern ist eher mit der Redewendung „Gelegenheit macht Diebe“ zu erklären: Es gibt nun einmal erschwingliche spielstarke Schachprogramme und das gilt anscheinend auch für Go. Man müsste Ihre Frage also als Ausgangspunkt einer grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Diskussion betrachten, und das ist vermutlich nicht Sinn und Zweck dieses Gespräches. Ich gehe aber davon aus, dass der Prozentsatz an Cheatern beim anonymen Online-Schach deutlich höher ist als bei den Turnieren, bei denen man unter Klarnamen spielt, weil auch der potenzielle Schaden für die Betrüger deutlich höher ist.

Krennwurzn:
Doch gerade diese „gesellschaftspolitischen Diskussion“ mit konkretem Schachbezug wollte ich anstoßen, weil ich der Meinung bin, dass wir mit Technik und Strafen allein das Problem nicht lösen werden können. Aber es besteht ja die Gefahr, dass sich Cheating via Onlineschach auch mehr und mehr ins OTB-Schach einschleicht. Daher bräuchten wir wohl eine zusätzliche Kampagne a la DON'T DRINK AND DRIVE und das ist dann wohl eine klare Aufgabe für den DSB – vielleicht sogar mit der FIDE und anderen Verbänden.

Ullrich Krause:
An sich ist die Lösung des Problems ganz einfach: Wenn alle Spieler unter Beobachtung stehen, indem sie während der Partien durchgehend ihre Web-Cams anschalten, kann niemand mehr betrügen, ohne dass es auffällt. Bei den Top-Turnieren wird das genau so gehandhabt. Wir sprechen hier allerdings über Breitenschachturniere mit Teilnahme einiger Spitzenspieler. Die Teilnehmerzahlen bei der DSIM und bei der DSOL kann man wie von Ihnen erwähnt als großen Erfolg betrachten, aber ich bin sicher, dass die oben genannte Vorgabe dafür sorgen würde, dass deutlich weniger Spieler an diesen Turnieren teilnehmen, und zwar nicht, weil sie keine Webcam haben, sondern weil sie nicht bereit wären, diese die ganze Zeit anzuschalten – immerhin spielen die meisten Spieler in ihren privaten Räumlichkeiten. Ein zweites Problem ist die Anzahl der Schiedsrichter, die notwendig wären, um Hunderte von Webcams gleichzeitig zu überwachen. Und last but not least wären Turniere mit längerer Bedenkzeit streng genommen dann auch nicht mehr möglich, weil man bei jedem Gang zur Toilette konsequenterweise genullt werden müsste. Das bedeutet, dass wir mit diesem Problem leben und uns so gut wie möglich gegen die Betrüger wehren müssen, um die vielen ehrlichen Spieler zu schützen, die ja glücklicherweise immer noch in der ganz überwiegenden Mehrheit sind.

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Ihre Befürchtung, dass das Thema Cheating jetzt auch zu einem Problem beim „normalen“ Schach werden könnte, habe ich auch schon in anderen Gesprächen gehört. Das Argument geht in die Richtung, dass die vielen Online-Betrüger, die jetzt unentdeckt bleiben, sich dann auch animiert fühlen, denselben Betrug beim „richtigen“ Turnierschach vorzunehmen. Ich halte das für wenig wahrscheinlich, weil man am Brett im Unterschied zum Online-Schach ja immer unter Beobachtung steht und weil die dort gültigen Regeln (Handy am Mann oder an der Frau führt zum sofortigen Partieverlust) inzwischen etabliert und akzeptiert sind. Aber ganz ausschließen kann man das natürlich nicht.

Die Fairplay-Kampagne der Deutschen Schachjugend ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie dieser Wert bereits bei Kindern und Jugendlichen vorgelebt und dann hoffentlich auch übernommen wird. Wir sind gerade dabei, die Erkenntnisse der vergangenen DSOL-Saison zu analysieren und werden bei der nächsten Auflage mit Sicherheit einiges anders machen. Eine Möglichkeit wäre in der Tat, den Fairplay-Gedanken auch und gerade beim Online-Schach zu betonen, gerne auch in Kooperation mit der DSJ.

Krennwurzn:
Ok – dann bräuchte man noch einen griffigen Slogan zum Fairplay – vielleicht in Zusammenhang mit der DSJ wie als Punkt in Ihrem Wahlprogramm angegeben. Bleiben wir noch ein wenig in unangenehmen Gefilden und starten mit den Punkten Compliance und Kommunikation. Da möchte ich kurz zum Thema Dr. Marcus Fenner nachfragen. Da gibt’s ja immer wieder heftig aufflammende Diskussionen über seine akademischen Titel und seine tatsächlich bei der FIDE nicht verzeichneten schachlichen Titel. Warum ist der DSB nicht in der Lage dieses natürlich teilweise lächerliche Miniproblem kommunikationstechnisch zu lösen?

Ullrich Krause:
Die von Ihnen erwähnte Debatte über die akademischen Titel unseres Geschäftsführers wurde durch Dritte an uns herangetragen. Wir haben Dr. Marcus Fenner schon mehrfach auch öffentlich unser volles Vertrauen ausgesprochen und ich tue das an dieser Stelle gerne noch einmal. Dem von Ihnen verlinkten Beitrag kann man entnehmen, dass unser Geschäftsführer an den FIDE-Seminaren (FIDE Arbiter und International Organizer) erfolgreich teilgenommen hat. Er hat übrigens auch die dazugehörigen Prüfungen bestanden. Dr. Fenner hat die beiden Titel allerdings nicht bei der FIDE beantragt und das auch nie behauptet. Warum diese in der Tat lächerliche Diskussion von einigen wenigen Personen immer wieder eröffnet wird, kann ich Ihnen nicht sagen.

Krennwurzn:
Die wichtigeren Problemfelder in puncto Compliance, Kommunikation sind natürlich die Nationalmannschaften (Programmpunkt Leistungssport). Da haben sich Beteiligte auf offener Bühne so manche Schlammschlacht geliefert und der DSB hat da meist keine gute Figur abgegeben – langsame Reaktion und dann auch noch falsch reagiert. So sehen es jedenfalls viele Kritiker. Der Streit Pähtz-Meier liegt schon einige Zeit zurück, aber der Verbandswechsel von Georg Meier ist immer noch am Tisch und bei Elisabeth Pähtz gibt es ja da noch die Causa mit dem offiziellen Lichess-Account und der Weigerung einiger Nationalspieler mit ihr in einer Mannschaft zu spielen.

Ullrich Krause:
In Ihrer Frage kommt ein Begriff vor, der von vielen Außenstehenden verwendet, aber häufig nicht richtig verstanden wird: „Der DSB“ besteht aus den Mitgliedsorganisationen, also im Wesentlichen aus den Landesverbänden, die wiederum aus den Vereinen bestehen. Aber ich nehme an, dass Sie das aus (seit der Ausgründung der DSJ) fünf Personen bestehende DSB-Präsidium meinen und ich möchte jetzt gerne der Reihe nach auf die von Ihnen angesprochenen Punkte eingehen.

Die Auseinandersetzung zwischen Elisabeth Pähtz und Georg Meier war von beiden Seiten keine Meisterleistung. Von der Geschichte rund um Elisabeths Lichess-Account habe ich schon länger nichts mehr gehört, weder auf einem offiziellen Kanal noch von den Nationalspielern. Elisabeth hat mir in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass sie sich in beiden Fällen falsch verhalten hat und sie hat Besserung gelobt. Das DSB-Präsidium sah in beiden Fällen keinen Handlungsbedarf in Richtung etwaiger Sanktionen gegenüber Elisabeth. Im Rahmen unserer Gespräche mit den Kaderspielern und der damit einhergehenden Neuausrichtung des Bereiches Leitungssport haben wir auch festgelegt, dass es einen Verhaltenskodex für die Kaderspieler geben wird, der uns zukünftig in die Lage versetzen wird, auf ein Fehlverhalten entsprechend zu reagieren, ohne dass wir quasi im luftleeren Raum agieren müssen, was das Ausmaß einer Sanktion angeht.

Zum Wunsch von Georg Meier, den deutschen Verband in Richtung Uruguay zu verlassen, möchte ich mich etwas ausführlicher äußern, weil ich nicht sicher bin, ob Ihnen und Ihren Lesern alle Details bekannt sind. Jeder Verbandswechsel beginnt mit einem Antrag der aufnehmenden Föderation an die abgebende und der damit einhergehenden Bitte, den Spieler bzw. die Spielerin freizugeben. Es fallen dann drei Gebühren für die aufnehmende Föderation an: Eine Bearbeitungsgebühr, eine Wechselgebühr und eine Entschädigungsgebühr, deren Höhe sich nach der ELO-Zahl richtet. Die ersten beiden Gebühren werden an die FIDE gezahlt, die dritte an die abgebende Föderation. Die ersten beiden Gebühren fallen in jedem Fall an, die dritte entfällt nach einer Frist von zwei Jahren. Für den Fall, dass die dritte Gebühr nicht gezahlt wird, darf der Spieler bzw. die Spielerin die neue Föderation also erst nach zwei Jahren vertreten – Einsätze in anderen Turnieren sind aber zulässig. Im Dezember 2020 gab es einige Änderungen im FIDE-Handbuch: Die Bearbeitungsgebühr beträgt nur noch 50 Euro und die Zwei-Jahres-Frist beginnt nicht mehr mit dem Tag der Antragstellung, sondern mit dem Tag des letzten Einsatzes des Spielers bzw. der Spielerin für die abgebende Föderation. Die Entschädigungsgebühr ist allerdings unverändert geblieben und die Empfehlung der FIDE beträgt im Fall eines Spielers mit einer ELO-Zahl zwischen 2.600 und 2.700 einen Betrag von 30.000 Euro. Beide Föderationen können sich aber auch auf einen anderen Betrag verständigen oder darauf, dass die Entschädigungsgebühr entfällt.

Georg Meier hat einen Antrag an das Präsidium gestellt, dass wir im Falle seines Wechsels nach Uruguay auf diesen Betrag verzichten sollten. Meine persönliche Meinung in solchen Fällen ist, dass man Reisende nicht aufhalten kann, wenn das Tischtuch vollständig zerschnitten ist. Im Fall von Georg Meier scheint mir das nach einigen Mails, die er mir im vergangenen Jahr geschickt hat und nach etlichen Tweets, die er danach abgesetzt hat, der Fall zu sein.

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Mit dieser Meinung war ich bei der entsprechenden Diskussion im DSB-Präsidium nicht allein. Der Bundesrechtsberater hatte uns allerdings darauf hingewiesen, dass man die Auffassung vertreten könnte, wir würden dem DSB mit dem Verzicht auf die Entschädigungsgebühr einen finanziellen Schaden in nicht unerheblicher Höhe zufügen. Falls uns jemand deshalb erfolgreich verklagen würde, müssten wir (d.h. die BGB-26-Vertreter des DSB) darüber hinaus privat haften, weil man aufgrund der durch den Bundesrechtsberater erfolgten juristischen Beratung nicht mehr von Fahrlässigkeit sprechen könnte. Ob eine solche Klage Aussicht auf Erfolg hätte, kann ich als juristischer Laie nicht beurteilen, aber der Bundesrechtsberater hat uns empfohlen, dieses Risiko nicht einzugehen und unsere Mitglieder über den Antrag von Georg Meier entscheiden zu lassen, also durch einen entsprechenden Antrag an den DSB-Kongress, damit die BGB-26-Vertreter des DSB auf keinen Fall haftbar gemacht werden können. Andreas Jagodzinsky – der im Dezember 2020 zurückgetretene DSB-Leistungssportreferent -, der Georg Meier in dieser Angelegenheit anwaltlich gegenüber dem DSB vertritt, hatte sich auch mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Nach den oben erwähnten Änderungen am FIDE-Handbuch wäre Georg Meier allerdings schon Ende des Jahres und nicht erst in zwei Jahren für Uruguay spielberechtigt und Andreas Jagodzinsky hat uns mitgeteilt, dass deshalb auch kein Antrag an den Kongress gestellt wird. Bisher haben wir allerdings auch noch keine Anfrage der uruguayischen Föderation erhalten.

Ich bin mir sehr sicher, dass jeder der von Ihnen erwähnten Kritiker in diesem Fall genauso entschieden hätte und nicht das Risiko einer privaten Haftung in fünfstelliger Höhe eingegangen wäre.

Vermutlich ist hier wie an vielen anderen Stellen das Problem, dass die Hintergründe dieser Entscheidung nicht jedem dieser Kritiker bekannt sind. Das ist in der Tat ein Defizit unserer Kommunikation, das wir in der kommenden Wahlperiode in Angriff nehmen möchten, indem wir einen Pressesprecher installieren, der solche Zusammenhänge der interessierten Öffentlichkeit ausführlich erläutern kann. Ehrenamtlich ist es nämlich nicht zu leisten, alle Presseanfragen zu beantworten, die an einen Verband unserer Größenordnung gerichtet werden.

Krennwurzn:
Aber lassen wir die Vergangenheit jetzt hinter uns und wenden wir uns der Zukunft zu, denn in dieser wird sich unser Schachleben hoffentlich abspielen. Wie sehen Sie und der DSB den Neustart nach Corona und wie wollen Sie den Schwung durch das „Damengambit“ und den Onlineboom mitnehmen?

Ullrich Krause:
Wir haben in den letzten Monaten viele Interviewanfragen beantwortet, bei denen es genau um dieses Thema ging. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal auf meine Mitteilung auf der DSB-Webseite vom Oktober 2020 hinweisen.

Die bereits seit Jahrzehnten bestehende Möglichkeit, online Schach zu spielen, ist ein deutliches Alleinstellungsmerkmal des Schachsports im Vergleich mit allen anderen Sportarten. Sehr viele Menschen haben in der Corona-Zeit angefangen, Schach zu spielen oder haben das Schachspiel nach einer längeren Pause wieder für sich entdeckt: Die Mitglieder- und Zugriffszahlen der Online-Schach-Server sprechen eine deutliche Sprache. Die großartige Netflix-Serie „Damengambit“ hat mit Sicherheit ihren Teil dazu beigetragen. Das bedeutet, dass der von allen Sportvereinen ersehnte Neustart nach Corona für den Schachsport unter speziellen Vorzeichen steht. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Mitgliedern der Vereine werden voraussichtlich viele neue Schachspieler und Schachspielerinnen die Angebote unserer Vereine wahrnehmen und es liegt an den Vereinen, diese neuen Mitglieder zu integrieren. Das zählt zu den Standardaufgaben unserer Vereine, aber die Besonderheit besteht darin, dass es sich auch und vor allem um Erwachsene handeln wird. Alle Schachvereine sollten sich deshalb jetzt schon überlegen, inwieweit die vorhandenen Angebote auch für erwachsene Anfänger greifen, die man anders ansprechen muss als Kinder und Jugendliche und die vermutlich auch andere Ziele haben. Diese erwachsenen Anfänger sind nicht daran interessiert, möglichst schnell eine Wertungszahl zu erlangen und diese dann ebenso schnell zu verbessern. Es geht eher darum, in Ruhe eine Partie Schach zu spielen, also insbesondere ohne Uhr, und nach einem anstrengenden Arbeitstag die entschleunigenden Aspekte des Schachspiels zu genießen. Unsere dringende Empfehlung an alle Vereine ist deshalb, schon jetzt über alternative Angebote nachzudenken, möglicherweise sogar an einen zweiten Spielabend nur für erwachsene Anfänger, wenn das möglich ist.

Der DSB hat seinen Vereinen schon diverse Angebote in Form von Vorträgen und Diskussionsmöglichkeiten unterbreitet und wir setzen diese Reihe am 30. Mai mit dem nächsten Workshop fort. Ein Vorteil dieses langen Lockdowns ist es, dass Instrumente wie Videokonferenzen inzwischen allgemein akzeptiert sind, und dass man diese problemlos aufzeichnen kann. Wir haben diese Aufzeichnungen auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung gestellt.
Eine weitere von uns geplante Maßnahme ist die Einbindung der bekannten Schach-Streamer, deren Zugriffs- und Abonnentenzahlen in den letzten fünfzehn Monaten stark gestiegen sind. Idealerweise sollten diese Streamer dann auch die für uns selbstverständliche Botschaft verbreiten, dass Schach im Verein am schönsten ist.
Alles in allem sehen wir dem Neustart sehr optimistisch entgegen und wir gehen davon aus, dass sich der Rückgang bei den Mitgliederzahlen, den wir zum Jahresbeginn 2021 feststellen mussten, in den nächsten Jahren ins Gegenteil verkehrt und dass wir dann wieder eines der Ziele unseres Verbandsprogramms verfolgen können, nämlich die Mitgliederzahl auf mehr als 100.000 zu steigern.

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Krennwurzn:
100.000plus hat ein ehemaliger Kandidat als zu klein gedachtes Ziel gesehen und mit 1 Million eine utopisch erscheinende Zielzahl vorgegeben. Aber hat er nicht doch ein wenig Recht, dass wir uns etwas zu klein darstellen - gerade mit dem Blick welchen Boom das Damengambit und Corona ausgelöst haben und welche Zahlen im Internet möglich sind?

Ullrich Krause:
Wir haben auf dem Hauptausschuss im November 2019 das bereits erwähnte Verbandsprogramm verabschiedet, das seitdem die Richtung vorgibt, in die das Präsidium und die Referenten zusammen mit den Landesverbänden den Deutschen Schachbund steuern sollen. Auch wenn sich das Dokument für einen Außenstehenden vielleicht etwas sperrig anfühlt, war das in meinen Augen ein sehr wichtiger Schritt, um die Ziele, die wir gemeinsam verfolgen, endlich einmal nachverfolgbar abzubilden. Mein Vorgänger Herbert Bastian hatte ebenfalls die Idee, ein solches Programm zu etablieren, es ist ihm aber nicht gelungen, dieses durch unsere Gremien verabschieden zu lassen. Das Verbandsprogramm ist explizit als „lebendes Dokument“ konzipiert und kann jederzeit durch das Präsidium und die Referenten angepasst werden, wobei alle Änderungen durch unsere Mitgliedsverbände bestätigt werden müssen. Den aktuellen Stand des Programms kann man sich in der Kongressbroschüre anschauen.

Im Verbandsprogramm gibt es zu den aktuell 24 Themen neben den konkreten Zielen jeweils eine Vision, also ein übergeordnetes zeitunabhängiges Ziel, das streng genommen nicht erreicht werden kann, dass aber die Antriebsfeder für unser Handeln darstellen sollte. Im Fall des Themas „Mitgliederentwicklung“ lautet diese Vision: „Jeder Einwohner Deutschlands, der die Schachregeln beherrscht, ist Mitglied im Deutschen Schachbund.“ Diese Vision geht über die von Christian Kuhn genannte Zahl von 1.000.000 Mitgliedern sogar noch hinaus – aber um das noch einmal klarzustellen: Das ist die Antriebsfeder unseres Handelns und kein konkretes, in einem definierten Zeitraum erreichbares Ziel. Insofern gebe ich ihm recht: Wir können ruhig größer denken, auch wenn ich persönlich das Erreichen der Marke von 100.000 Mitgliedern als erstes Ziel in den kommenden zwei Jahren schon als sehr zufriedenstellend empfinden würde.

Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass die einfachste Möglichkeit, Mitglieder in einer signifikanten Größenordnung hinzuzugewinnen, das Schulschach ist. Ich glaube außerdem, dass dies eine sehr realistische Möglichkeit ist. Die Schachvereine, die mit Schulen in ihrer Umgebung intensiv kooperieren, werden von schachspielenden Kindern geradezu geflutet. Wenn im Verein dann noch ein entsprechendes Spiel- und Trainingsangebot für die Kinder und Jugendliche vorhanden ist, ist das stetige Wachstum des Vereins vorprogrammiert. Ich habe zu diesem Thema bei der Bundesvereinskonferenz in Berlin im März 2017 (also noch vor meiner Wahl zum DSB-Präsidenten) einen Vortrag gehalten: Schachverein und Schachschule. Das Internetschach mit den vielen Anfängern, die dort mit Schach in Berührung gekommen sind, ist natürlich auch eine sehr gute Option, neue Mitglieder zu akquirieren, aber dieser Weg ist meines Erachtens schwieriger und die Zahlen sind auch nicht vergleichbar mit denen des Schulschachs. Ich hoffe, dass wir uns in den kommenden Jahren gemeinsam mit der Deutschen Schachjugend dieses Themas annehmen können, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir die genannte Zahl von 100.000 Mitgliedern möglichst bald erreichen.

Krennwurzn:
Ich lese in Ihrem Wahlprogramm: "Die Bereiche Leistungssport, Ausbildung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit können von ehrenamtlichen Funktionären naturgemäß nicht vollumfänglich abgedeckt werden." Diese Forderung könnte eins zu eins von mir stammen und ich bin mir sicher, dass ich auch nicht der Erfinder bin. Das scheint sonnenklar zu sein, aber da kommen wir zu Satzungen und liebgewonnenen Traditionen und da die Landesverbände durch eine Professionalisierung reale Macht verlieren würden, besteht die Gefahr, dass die Umsetzung dieser Reformpunkte nach dem St. Nimmerleinstag erfolgen könnte. Ohne Ehrenamt ist eine Randsportart wie Schach undenkbar - ohne Professionalisierung könnten wir langfristig auf die Verliererstraße kommen - wie löst man diesen Spagat möglichst verletzungsfrei auf?

Ullrich Krause:
Eine Bemerkung vorweg: Es handelt sich nicht um mein Wahlprogramm, sondern um das meines Teams, zu dem Boris Bruhn, Carsten Schmidt und Ralph Alt gehören. Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass eine gesunde Mischung aus Haupt- und Ehrenamt, also aus Mitarbeitern und Funktionären, vor allem in den von Ihnen genannten Bereichen sinnvoll ist. Andere Bereiche wie Frauenschach, Seniorenschach, Wertungen, Schiedsrichterwesen, Spielbetrieb etc. können auch rein ehrenamtlich bedient werden, aber Leistungssport, Ausbildung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit erfordern eine professionelle Unterstützung der Ehrenamtler. Ich möchte kurz begründen, warum das unserer Meinung nach so ist: Im Bereich Leistungssport haben wir es mit Profis zu tun, deshalb sollten auch auf Seiten des Deutschen Schachbundes Profis agieren. Dasselbe gilt für den Bereich Kommunikation, soweit die Kommunikation mit den Medien, also mit professionellen Journalisten betroffen ist, die interne Kommunikation in Richtung der Landesverbände bleibt natürlich in der Hand der Ehrenamtler. Die Anforderungen an die Öffentlichkeitsarbeit sind in den letzten Jahren drastisch angestiegen: Die Berichterstattung muss auf diversen Kanälen und mit einer rasanten Geschwindigkeit erfolgen, das ist rein ehrenamtlich schlicht und ergreifend nicht zu leisten. Im Bereich Ausbildung sollten einige Prozesse professionalisiert werden, insbesondere, was den Bereich der digitalen Ausbildungsinhalte angeht.

Es geht uns nicht darum, die ehrenamtlichen Posten abzuschaffen. Wir brauchen nach wie vor die entsprechenden Referenten und Kommissionen, um die Arbeit der Profis zu unterstützen. Ein Beispiel: Unsere Mitarbeiter arbeiten in der Regel von Montag bis Freitag, was bei schachlichen Ereignissen an Wochenenden häufig dazu führt, dass Beiträge erst verzögert auf unserer Webseite erscheinen, während für ehrenamtliche Helfer genau das Gegenteil gilt. Ein anderes Beispiel: Die Ausbildung auf Landesebene kann nicht von Berlin aus gesteuert werden, hier brauchen wir nach wie vor die ehrenamtlichen Referenten. Auch im Bereich Leistungssport ergibt es Sinn, dass ein ehrenamtlicher Referent als zusätzlicher Ansprechpartner für die Spieler und Spielerinnen agiert und seine Ideen und Impulse einbringt.

Ich bin optimistisch, dass die Landesverbände diesen Weg mitgehen werden, denn eines ist natürlich auch klar: Wir können nicht das gesamte uns zur Verfügung stehende Geld für Personal ausgeben, d.h. es wird auch zukünftig nicht ohne die vielen ehrenamtlichen Funktionäre gehen. Es geht bei dieser Idee aus unserem Wahlprogramm eher darum, eine Diskussion darüber zu beginnen, an welchen Stellen das Ehrenamt an seine Grenzen stößt.

Krennwurzn:
Wir haben bis jetzt noch nichts Internationales gehört – es scheint Schach-Deutschland ist nur auf sich selbst konzentriert. Daher noch zwei internationale Fragen.
1. Das Verhältnis zur FIDE und internationale deutsche Aktivitäten?
2. Etwas utopisch, aber wäre es nicht sinnvoll in den Bereichen Leistungssport und/oder Öffentlichkeitsarbeit verstärkter im DACH Raum zusammenzuarbeiten und damit Synergien zum gemeinsamen Wohle zu nutzen?

Ullrich Krause:
1. Im Verbandsprogramm werden auch die Ziele bzgl. internationaler Beziehungen beschrieben, von denen einige sogar schon erreicht wurden, zum Beispiel die Verstärkung des Einflusses in den FIDE-Kommissionen. Aufgrund von Corona liegen die Aktivitäten allerdings in der Tat etwas auf Eis. Ich hatte 2019 die Gelegenheit, am Rande des Grenke-Opens mit dem FIDE-Präsidenten Arkadij Dvorkovich zu sprechen und war ebenfalls 2019 zu Gast bei der französischen Jugendmeisterschaft und habe dort Gespräche mit Bachar Kouatly geführt, dem damaligen Präsidenten der französischen Föderation. Diese persönlichen Gespräche sind natürlich durch keine Videokonferenz und durch kein Telefongespräch zu ersetzen, von denen es aber während der durch die Pandemie bedingten Einschränkungen auch viele gab, auch und gerade durch unseren Geschäftsführer Dr. Marcus Fenner. Generell kann man sagen, dass das Verhältnis zur FIDE und zur ECU sehr gut ist und dass wir durchaus damit rechnen können, dass auch wieder große schachliche Events wie das Kandidatenturnier 2018 und der Grand Prix 2019 nach Deutschland vergeben werden. Vielleicht ergibt sich beim nächsten FIDE- bzw. ECU-Kongress die Gelegenheit, einige weitere Funktionsträger in den Gremien der internationalen Schachorganisationen zu platzieren. Der Vizepräsident Verbandsentwicklung Boris Bruhn ist bei der ECU im Bereich Schulschach im Einsatz und engagiert sich im Rahmen des Projektes „Chess in Prison“. Alles in allem sind wir also durchaus aktiv und wir werden wie im Verbandsprogramm beschrieben diese Aktivitäten auch noch ausbauen.

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2. Österreich und die Schweiz sind naturgemäß diejenigen Föderationen, mit denen der DSB am engsten zusammenarbeiten sollte. Es gibt auch gemeinsame Aktivitäten, wie zum Beispiel den Mädchen- und Frauenschachkongress in Salzburg im vergangenen Jahr. Ich kann mir durchaus vorstellen, diese Zusammenarbeit in ausgewählten Bereichen zu intensivieren und werde diesen Vorschlag in unseren Gremien zur Sprache bringen. Das wäre auch eine gute Gelegenheit, mit den neuen Präsidenten der beiden Föderationen ins Gespräch zu kommen – es gibt ja sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wechsel an der Spitze: In Österreich ist der Amtsinhaber Christian Hursky nicht mehr zur Wahl angetreten und in der Schweiz wird eine Woche nach dem DSB-Kongress ein neuer Präsident gewählt, weil der amtierende Präsident Peter Wyss nach sechs Jahren nicht noch einmal kandidieren darf. Ich hatte mit beiden angenehme Gespräche und gehe davon aus, dass das auch mit ihren Nachfolgern so sein wird.

Krennwurzn:
Der nächste ordentliche Bundeskongress des Deutschen Schachbundes mit den Wahlen findet am 12. Juni in Magdeburg statt. Weder die Kandidatur noch der Rückzug von Christian H. Kuhn war der DSB-Homepage eine Newsmeldung wert, obwohl beides via Pressemitteilung professionell kommuniziert wurde. Nun kann man dieses Schwarz-Weiß-Denken zwar schachspezifisch nennen, aber ist so ein Freund-Feind-Schema nicht pures Gift für das Zusammenleben nach den Wahlen?

Ullrich Krause:
Bevor ich ihre Frage beantworte, ein kleines Update: Der Kongress findet online statt, weil die aktuelle Corona-Verordnung in Sachsen-Anhalt bis zum 13. Juni Mitgliederversammlungen nicht erlaubt. Nun zu Ihrer Frage: Als Christian Kuhn seine Kandidatur auf der Webseite des Berliner Verbandes bekannt gegeben hatte, lagen uns bereits Bewerbungen für andere Posten vor, die wir zu dem Zeitpunkt auch nicht veröffentlicht hatten. Der Grund dafür ist einfach: Wir wollten alle Kandidaturen gesammelt zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben – das ist der von Ihnen angegebene Link. Der Rückzug von Christian Kuhn wurde auf seiner persönlichen Webseite veröffentlicht und in der Tat genauso wenig von uns veröffentlicht wie andere zu dem Zeitpunkt bekannte Rückzüge von Amtsinhabern, die nicht mehr kandidieren werden. Auch diese Informationen haben wir konsolidiert und auf der bereits erwähnten Webseite kürzlich bekannt gegeben. Es hätte aber wenig Sinn ergeben, jetzt eine zwischenzeitlich nicht mehr existierende Kandidatur dort zu veröffentlichen.
Persönlich empfinde ich eine Kandidatur für meinen Posten nicht als feindlichen Akt, sondern als ganz normalen demokratischen Vorgang. Ich habe mit dem Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2019, Uwe Pfenning aus Baden, ein ganz normales Arbeitsverhältnis, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Und ich hatte sowohl nach der von Christian Kuhn angekündigten Kandidatur als auch nach seinem Rückzug mehrere sehr angenehme Gespräche mit Paul Meyer-Duncker, dem designierten Nachfolger von Christian Kuhn in Berlin.

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Krennwurzn:
Mit Ihnen und Frau Olga Birkholz bewerben sich zwei Personen um das Präsidentenamt und auch um den Posten für Breiten- und Freizeitsport stehen Wolfgang Fiedler und Sandra Schmidt zur Wahl. Und da wird schon ein Teil des Problems DSB sichtbar: die wirklich Mächtigen bleiben im Hintergrund und das sind die Landesverbandspräsidenten. Wenn Sie als Präsident gewählt werden, dann ist ein Drittel Ihre Anhängerschaft, ein Drittel offene Gegnerschaft und ein Drittel haben Sie gewählt, weil Sie denen etwas versprochen haben. Natürlich ist das in der Realität nicht so plakativ und auch die Verteilung kann anders sein, aber das Problem bleibt: der Präsident ist doch ein wenig eine „lame duck“ und ohne Hausmacht schnell dem Feuer ausgesetzt. Müsste da nicht eine Satzungsreform ansetzen?

Ullrich Krause:
Mit Boris Bruhn, Carsten Schmidt und mir kandidieren drei ehemalige Landespräsidenten und es ist gelebte Praxis, dass ein Landespräsident nach seiner Wahl ins Präsidium oder kurz vorher sein Amt auf Landesebene abgibt – die wenigen Ausnahmen bestätigen diese Regel. Insofern kann ich ihre erste Aussage, dass die Landesverbandspräsidenten im Hintergrund bleiben, nicht nachvollziehen. Die von Ihnen beschriebene Aufteilung der Stimmenverhältnisse kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Es gibt immer Delegierte, die den amtierenden Präsidenten nicht unterstützen, aber von offener Gegnerschaft würde ich nicht sprechen. Es gibt auch die von Ihnen erwähnten Anhänger, aber ich habe bei den drei Wahlen, bei denen ich bisher angetreten bin, niemandem irgendetwas versprochen – dazu reichen die Befugnisse des Präsidenten auch nicht aus, der nur sehr wenige Dinge allein entscheiden kann. Es gab jeweils ein Wahlprogramm mit Zielen, die mein Team für die kommende Wahlperiode für richtig und wichtig hielt, die allerdings häufig auch von den tatsächlichen Ereignissen übersteuert wurden. Als Beispiele möchte ich die Trennung von Dr. Jordan und die dadurch notwendige Neuausrichtung der DSAM und des Gipfels, die Eigenständigkeit der DSJ und Corona nennen, das waren alles Themen, die niemand vorhersehen konnte, die aber einen großen Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit beansprucht haben.

Wir planen in der Tat eine Satzungsreform, die auf dem Kongress in zwei Jahren beschlossen werden soll. Dazu geistern auch schon einige Ideen durch die DSB-Gerüchteküche, die zum Teil aber auch von anderen Personen ins Spiel gebracht wurden. Wenn es nach mir ginge, bilden wir zeitnah nach dem Kongress ein Gremium aus Vertretern des Präsidiums, der Landesverbände und Referenten, die dieses wichtige Thema in Angriff nehmen. Ich denke, es ergibt Sinn, wie beim Thema DEWIS-MIVIS Experten hinzuzuziehen, die keine Position im DSB innehaben. Ob es uns dann am Ende gelingt, eine Struktur zu finden, in der alle zusammen an den gemeinsamen Zielen arbeiten, wird man sehen.

Krennwurzn:
Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen alles Gute für Wahl!

Sonntag, 18 April 2021 23:22

KK&K Kandidat Kuhn und Krennwurzn

Die Krennwurzn kannte in Schachösterreich lange Zeit nur einen einzigen – einen „ewigen“ Präsidenten und blickte daher gespannt über die Grenze, wo die Schachpolitik viel lebhafter war. Und da es besonders spannend ist, die Nase in Dinge zu stecken, die einem eigentlich gar nichts angehen, ergaben sich ein paar Interviews mit Deutschen Schachpräsidenten und Präsidentschaftskandidaten – gerne gelesen, aber auch sehr kontroversiell diskutiert. Nun bietet sich wieder die Chance auf ein Interview, denn die Probleme im Deutschen Schachbund wurden in den letzten Jahren nicht weniger und tragfähige Lösungen nicht einmal am Horizont erkennbar. Gerade gab der erst im August gewählte Berliner Präsident Christian H. Kuhn seine Kandidatur als DSB-Präsident bekannt und das führte bei der neugieren Krennwurzn zu einem Interviewwunsch.

Krennwurzn:
Dem Präsidenten Herbert Bastian hat man vorgeworfen, dass er zu viel selbst gemacht hat und kein Großmeister des Delegierens war – dem Präsidenten Ullrich Krause wirft man vor zu viel seinem Geschäftsführer Fenner entscheiden zu lassen. Beide Präsidenten sind persönlich hochinteger und wollen nur das Beste fürs Schach – so jedenfalls der Eindruck der Krennwurzn – sind aber am System in den Mühen des Alltages gescheitert und aufgelaufen. Wie wollen Sie für sich dieses Schicksal verhindern?

Christian H. Kuhn:
Ob der eine zu viel und der andere zu wenig delegiert hat, kann ich von außen nicht entscheiden. Mir ist wichtig, allen Raum für eigene Ideen zu geben, damit sie motiviert bei der Sache sind, und nicht alles von oben vorzugeben. Wichtig ist aber auch, rechtzeitig zu erkennen, welche Themen so brisant werden, dass sie Chefsache sind. Wenn dann noch alle Fakten zeitnah an alle Beteiligten kommuniziert werden, entstehen viele Mühen gar nicht erst.

Krennwurzn:
Das hört sich zumindest theoretisch mal gut an, aber wie sähe das in der Praxis aus? Nehmen wir das aktuelle Problemfeld Nationalmannschaft: Naiditsch zurück nach Deutschland und den Konflikt Pähtz – Meier.

Christian H. Kuhn:
Zur Causa Naiditsch hat mir, der interessierten Öffentlichkeit und anscheinend auch Herrn Naiditsch noch niemand erklärt, wieso man einem Staatsbürger und Mitglied eines DSB-Vereins die Föderationszugehörigkeit verweigert. Hätte man mögliche Gründe bereits vor dem Präsidiumsbeschluss kommuniziert, z.B. im Arbeitskreis der Landesverbände, der ja das Präsidium beraten soll, wäre entweder der Beschluss anders ausgefallen oder der Unmut bei manchen Landesverbänden geringer. Und wenn der geplante Verhaltenskodex für Nationalspieler in Kraft ist und durchgesetzt wird, dürfte der Konflikt Pähtz–Meier auch aus der Öffentlichkeit verschwunden sein und der eine oder andere sich anbahnende Konflikt nie die private Ebene verlassen.

Krennwurzn:
Dass Pähtz, Meier und Naiditsch nicht für den diplomatischen Dienst geeignet sind, ist wohl allen klar. Gründe warum man Naiditsch die Föderationszugehörigkeit verweigert, gibt es doch einige – ich sage es mal flapsig: es gibt kein Rückkehrrecht für Ex-Freundinnen und natürlich geht es auch um Plätze bei nationalen und internationalen Turnieren, die an die Föderation gebunden sind. Zudem sind alle drei nicht mehr bei den Jüngsten und könnten aufstrebenden Talenten Plätze wegnehmen bzw. deren Entwicklung hemmen.

Christian H. Kuhn:
Föderationszugehörigkeit und Nationalmannschaft sind zwei verschiedene Baustellen. Ein GER auf der FIDE-Karteikarte bringt noch nicht automatisch einen Platz in der Mannschaft. Die Kriterien dafür werden wohl gerade überarbeitet, und da wird es nicht nur auf Leistung, sondern auch auf Entwicklung ankommen. Ich habe aber so meine Zweifel, ob man über die Föderationszugehörigkeit anders entscheiden sollte als über einen Ausschluss. Laut Satzung vertritt der DSB das gesamte deutsche Schach, und nach den meisten Kriterien gehört Herr Naiditsch dazu.

Krennwurzn:
Eine nicht unwesentliche Frage könnte ja sein – berechtigt ein GER zur Teilnahme an der Deutschen Einzelmeisterschaft oder sogar Europameisterschaft – da könnten Interessenkonflikte befürchtet werden oder gar Eifersüchteleien. Probleme sind oft nicht so einfach wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Das ist oft auch ein Problem in der öffentlichen Diskussion über Schach – oder?

Christian H. Kuhn:
Die Deutsche Einzelmeisterschaft könnte ein Thema sein, da qualifiziert man sich über die Landesmeisterschaften oder eben via Einladung – wenn ich mir das in der Vergangenheit anschaue, sehe ich aufgrund des Preisgeldes wenig Gefahr. In Frage käme eher das Masters und da stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist dem Nachwuchs gegen die stärkste Gegnerschaft antreten zu lassen. Die Aufstellung für Nationalmannschaften ist ein eigenes Thema und da sollte der Blick nicht nur auf die aktuellen Elozahlen gerichtet sein, sondern auch auf die Zukunft.

Eifersüchteleien hat man immer, denn es gibt immer – auch unabhängig von der Personalie Naiditsch – einen oder zwei, die eben knapp nicht dabei sind. Ich habe sogar die Hoffnung, dass sich dieses Gedränge verstärkt, denn vielleicht haben wir auch zukünftig wieder Prinzengruppen. Dies würde ich aber nicht als Grund sehen um Naiditsch nicht unter GER spielen zu lassen. Natürlich hat sich sein Twitch-Auftritt neulich nicht gerade positiv ausgewirkt.

Krennwurzn:
OK – kommen wir zur Bedeutung der Nationalmannschaft für Sie.

Christian H. Kuhn:
Die Nationalmannschaft ist ein Aushängeschild. Allerdings hat sich in letzter Zeit etwas eine Trennung zwischen Nationalmannschaft und normalen Schachbetrieb ergeben. Dasselbe Problem sehe ich auch mit der ersten Bundesliga – der stärksten Liga der Welt, die sich von der 2. Bundesliga abgekoppelt hat. Die Kluft wird da immer größer, wir müssen aber schauen, dass diese Spielstärke nach unten wirkt und wir dann auf Dauer eine gute Nationalmannschaft haben, denn der Unterbau ist ja in Deutschland gut und solide. Aber das Thema Leistungssport ist mir wichtig und wir müssen für die Zukunft bessere Konzepte erarbeiten.

Krennwurzn:
Schach brummt wegen der Netflixserie Damengambit, aber die Öffentlichkeitsarbeit im Schach lässt viele Wünsche übrig.

Christian H. Kuhn:
Nur eine Webseite mit Meldungen zu betreiben reicht nicht aus, man muss auch Events generieren über die es sich lohnt zu berichten und das betrifft nicht nur das Spitzenschach mit Bundesliga und Nationalmannschaften, sondern auch lokale Events mit großer Aufmerksamkeit wie beispielsweise in Hamburg linkes gegen rechtes Alsterufer. Also auch Breitensport kann gute Meldungen generieren, aber viele engen sich auf Spitzensport ein. Es muss auch nicht jedes größere Event von einem Verband organisiert werden, da dürfen durchaus auch die Vereine kreativ sein, aber der DSB sollte unterstützend tätig werden können, wenn Expertise gewünscht oder benötigt wird. Spielen ein oder zwei Vereine beispielsweise in einer Fußgängerzone so wird man das ohne große Hilfe organisieren, möchte man aber 100 Vereine spielen lassen, dann wird man möglicherweise Unterstützung brauchen – aber solche Events schlagen dann auch medial höhere Wellen.

Wir müssen Schach mehr in die Öffentlichkeit bringen – auf die Dorfplätze in die Einkaufszentren und Schach damit sichtbarer machen. Es gibt ja Beispiele, dass so etwas funktioniert – mein Verein die SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf hat im Laskerjahr ein Turnier im Einkaufszentrum Boulevard Berlin im laufenden Betrieb organisiert und es hat hervorragend geklappt. 2006 spielte der Berliner Verband seine Schlussrunde im Estrel Congress Center mit 1.504 Schachspieler aus den 60 Berliner Vereinen und leider hat man den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde nicht beantragt. Das öffentliche Interesse ist da, wir müssen es schaffen diese Erfolge nachhaltig weiterzuführen.

Ich habe von den Holländern folgende Abschätzung gehört: auf einen Vereinsspieler kommen 10 Spieler außerhalb der Organisationen, die regelmäßig spielen und auf diese wieder 10 Gelegenheitsspieler. Wir haben in Deutschland aktuell 82.000 Spieler mal 10 mal 10 wäre eine Zielgruppe von 8,2 Millionen nur in Deutschland. Wenn ich eine Aktion 100.000 starte, dann besiege ich mich schon vorab durch ein zu niedriges Ziel. Die gleiche Gefahr habe ich, wenn ich auf Remis klammere, da ist die Verlustgefahr von Anfang an hoch. Natürlich ist ein Projekt 1 Million nicht kurzfristig realisierbar, aber die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt und den müssen wir jetzt machen.

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Präsident Ullrich Krause - Kandidat Christian H. Kuhn. Foto: Frank Hoppe

Krennwurzn:
Weil wir gerade bei den Mitgliedszahlen sind – Frauen sind im Schach in klarer Unterzahl. Es gibt zwar schon lange eine erfreuliche Anzahl von Mädchen im Schach, aber dann im Erwachsenenalter werden Frauen an den Brettern zur großen Ausnahme – sogar in Aufsichtsräten und Vorständen hat man höhere Frauenquoten als im Schach.

Christian H. Kuhn:
Das ist leider kein großes Thema und der Ruf von Schach als Männerdomäne ist leider sehr gefestigt. Es stimmt, dass in den Meisterschaften fast nur Frauen mit etwas gehobener Spielstärke mitspielen, die es sportlich geschafft haben sich festzusetzen. Leider sind Frauen im Schach oftmals Sexismus ausgesetzt wie beispielsweise beim DSB-Bundeskongress ein Zwischenruf „und gut aussehen tut sich auch“ eines Ehrenmitgliedes bezeugt. Dieses unmögliche Benehmen haben wir bis hinunter in die Vereine, aber wir müssen Räume schaffen in denen sich Frauen wohlfühlen können. In Berlin gibt es Anastasias Matt e.V. - Verein zur Förderung des Mädchen- und Frauenschachs. Und wir brauchen mehr solche Initiativen, mehr Breite dann wird es auch mit mehr Frauen im Schachbetrieb klappen.

Krennwurzn:
Da möchte ich einwerfen, dass gerade die Coronakrise bei uns in Österreich gezeigt hat – wir haben ja im Gegensatz zu Deutschland den Versuch einer Meisterschaft gestartet, der dann abgebrochen werden musste – dass es möglich ist, bessere Spielbedingungen auch für Schach zu schaffen.

Christian H. Kuhn:
Klar die oftmals engen und schlecht durchlüfteten Spielbedingungen helfen sicherlich nicht Frauen für das Schach zu begeistern. Aber wir müssen nicht zwangsläufig Frauen in alte Vereine hineinreklamieren, wenn das vielleicht auch aufgrund des Altersunterschiedes von Haus aus nicht klappen kann. Es kann durchaus Neues entstehen und das Alte erhalten bleiben. Aber der DSB sollte ein aufmerksames Auge darauf haben, wenn irgendwo eine neue Keimzelle entsteht. Zu den Spielbedingungen möchte ich sagen, dass das leider für viele Vereine nicht so einfach ist. Es gibt viele große und kleine Hürden, die das erschweren. Sei es ein Rahmenvertrag mit einem Schließdienst, der um 21 Uhr die letzte Runde dreht oder Mietpreise auch in öffentlichen Einrichtungen, die nicht zu finanzieren sind.

Möglicherweise müssen wir uns da via Sponsoring an Firmen wenden, die Schulungsräume haben, die zu den Zeiten an denen Schach gespielt wird frei sind. Solche Kooperation müssen wir in Zukunft verstärkt suchen, denn meist oft wird Schach in Seniorenzentren gespielt und das trägt nicht zu einem attraktiven Ruf bei. Aber das Thema ist nicht trivial lösbar, wie beispielsweise eine eskalierte Diskussion um einen Spielort in der 2. Bundesliga gezeigt hat.

Krennwurzn:
Ja – diese Diskussion wurde sehr heftig geführt, wir wollen das hier nicht nochmals aufkochen – als Außenstehenden erschienen mir die Standpunkte beider Seiten doch ein wenig extrem.

Christian H. Kuhn:
Nun wir haben da Bestimmungen, die lassen sich in der Praxis nicht umsetzen – auch nicht in der zweiten Bundesliga und meine Erfahrung als Schiedsrichter auch in unteren Klassen zeigt mir ein ähnliches Bild. Bestimmungen und Wirklichkeit klaffen auseinander und zudem sind wir störungsintoleranter geworden. Wenn ich mich zurück erinnere unter welchen Bedingungen noch in meiner Jugendzeit gespielt wurde – da musste man lernen die Ohren auf Durchzug zu stellen. Das Problem ist, dass die Schachspieler als Leute gelten, die nichts konsumieren und das kostet uns Standing in der Gastronomie und damit sind wir Schachspieler bei den Problemen mit den Spiellokalen und -bedingungen nicht ganz unschuldig. Wir dürfen nicht vergessen auch etwas zu geben und nicht nur zu fordern. Wenn wir – als Verein und das gibt es auch in der Praxis – dem Gastwirt ein regelmäßiges Geschäft bei Vereinsabenden, etc. zukommen lassen, dann wird dieser am Wochenende gegenüber selbstmitgebrachten Getränken der Gastmannschaft wohl toleranter sein.

Krennwurzn:
Ein Thema ist immer wieder die Homepage des DSB …

Christian H. Kuhn:
Da ich als Berliner Präsident aktuell selbst im Glashaus sitze – unsere Homepage ist gerade im Umbau – sollte ich nicht mit Steinen werfen. Außerdem so schlecht ist die Homepage gar nicht. Leider ist es im Schach generell so, dass bis zu den Schlussrunden ganz vernünftig berichtet wird und dann entweder das Interesse oder die Arbeitsbereitschaft nachlässt. Die Leute arbeiten oft freiwillig und sind am Ende einer Veranstaltung oft mit anderen organisatorischen Aufgaben überlastet und die Homepage – die Information nach außen – leidet darunter. Es muss organisatorisch klargestellt sein, dass übernommene Aufgaben auch erfüllt werden müssen und nicht Stückwerk hinterlassen werden darf.

Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass sich die rechtlichen Bestimmungen für Veröffentlichungen auch durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht leichter geworden sind und es da sehr viele Fallstricke gibt, wenn es um die Veröffentlichung von Fotos und dergleichen geht. Da muss der DSB den Vereinen und Verbänden klare Richtlinien vorgeben, um Schaden abzuwenden – wenn dann auch noch darauf geachtet wird, dass Fotos von Siegerehrungen etwas lebendiger sind, soll es auch kein Fehler sein.

Krennwurzn:
Das alles kostet im Endeffekt Geld – kommen wir zur Frage: wer soll das bezahlen oder wie könnte Sponsoring im Schach aussehen? Nur wenige wie Carlsen und Nakamura haben langjährige Partnerfirmen – Daniel King machte mal in den 90ern Werbung für Audi, aber mir fällt kein deutschsprachiger Schachspieler mit Werbewert ein.

Christian H. Kuhn:
Carlsen und Nakamura sind natürlich schon extreme Größen in der Schachszene, aber es stimmt das hier Nachholbedarf besteht, denn von den aktuellen Kaderspielern in Deutschland streamt nur Niclas Huschenbeth halbwegs erfolgreich. Aber mit Vincent Keymer haben wir nicht nur ein großes Nachwuchstalent, sondern auch eine Persönlichkeit, die sich vor einer Kamera und einem Mikrophon gut präsentieren kann – das gibt schon mal Hoffnung.

Aber damit man Sponsoring bekommt, braucht man Öffentlichkeit sonst funktioniert das nicht und Öffentlichkeit schafft man durch Spitzensport oder mit großen Breitensportzahlen. Mit der zweiten Liga holt man keinen Hund vom Ofen weg – jedenfalls im Moment.

Krennwurzn:
Bleiben wir ein wenig beim Spitzensport – wäre es nicht Aufgabe des DSB Wirtschaft und Spitzenschachspieler zueinander zu bringen, denn es passt ja nicht jeder Typ zu jeder Firma.

Christian H. Kuhn:
Ich bin beruflich im Verkauf tätig, aber dies – das Aufbauen einer Spielermarke wie Carlsen, Namamura, … fällt in den Bereich Marketing und diese Aufgabe müsste man in der Geschäftsstelle ansiedeln wie die Öffentlichkeitsarbeit auch. Allerdings gebe ich ehrlich zu, dass hierfür wahrscheinlich das Geld fehlt.

Zudem gibt es in der Geschäftsstelle aktuellere Probleme – wir brauchen einen Sportdirektor und einen Nationaltrainer, weil diese Positionen sind vom Dachverband vorgeschrieben um Förderungen zu bekommen. In dieses Feld muss ich mich nach einer möglichen Wahl rasch einarbeiten und gute und tragfähige Lösungen finden. Und eines ist klar, dass aus Vereinsbeiträgen keine weitere Stelle finanzierbar ist, denn dann wäre das die kürzeste Präsidentschaft aller Zeiten.

Krennwurzn:
Corona wird die Geldbeschaffung nicht leichter machen, aber kommen wir zu den Personalien zurück – der Geschäftsführer „ein Glücksfall für das Deutsche Schach“ steht doch etwas in der Kritik.

Christian H. Kuhn:
Ich habe Marcus Fenner 2019 beim Bundeskongress flüchtig kennengelernt und mich dann bei meinem Antrittsbesuch als Berliner Präsident bei einem Essen einige Stunden unterhalten können. Meiner Meinung nach ist er ein vernünftiger Mensch mit brauchbaren Ansichten, der als Angestellter des DSB kein politisches Amt innehat und daher auch loyal Meinungen nach außen vertreten muss, die nicht immer seine sein müssen.

Allerdings lässt man ihm eine sehr lange Leine und er ist auch in der Projektentwicklung involviert und auch den Sportdirektor sollte er mitmachen. Ich persönlich kann nichts Schlechtes über Marcus Fenner sagen – weiß aber, dass andere Leute andere Erfahrungen gemacht haben.

Krennwurzn:
Es gibt ja Titelprobleme, wenn ich das mal salopp einwerfen darf.

Christian H. Kuhn:
Über den Doktortitel kann ich nichts sagen, mir hat er sich als „ich bin der Marcus“ vorgestellt.

Krennwurzn:
Die akademischen Titeln interessieren eigentlich nicht wirklich, aber es stellte sich die Frage ob bei der Vorstellung auf der DSB-Homepage nicht mit den schachlichen Titel etwas geflunkert wurde – da steht „Erfolgreiche Teilnahme an FIDE Seminaren (FIDE Arbiter. International Organizer)“ aber bei der FIDE findet man dazu nichts. Verständlich, dass das nicht allen gefällt?

Christian H. Kuhn:
Ich habe mit Walter Rädler schon mehrmals über Fenner gesprochen, aber da ging es nur um die akademischen Titel – von den schachlichen Titel höre ich jetzt erstmals. Gut das muss ich mir anschauen, ob das in seiner Bewerbung so drinnen gestanden ist.

Krennwurzn:
Ich schicke Ihnen die Unterlagen zu – aber sollte sich ein Geschäftsführer sich nicht generell aus dem Sportlichen heraushalten und sich neben der administrativen Tätigkeit auf die Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren?

Christian H. Kuhn:
Jeder gewählte Präsident wäre nach den Turbulenzen im Leistungsschach nach der Wahl gut beraten Marcus Fenner von der Position des Sportdirektors abzuziehen. Es gibt genügend andere Aufgaben für den Geschäftsführer. In meinem noch unfertigen und etwas schwammigen Personaltableau für meine Mannschaft habe ich schon ein paar gute Leute für Öffentlichkeitsarbeit und auch Spitzensport im Auge – vielleicht sogar als Team!

Krennwurzn:
Krause-Fenner gelten als Duo – würde da eine Übernahme von Fenner die Wahlchancen nicht reduzieren.

Christian H. Kuhn:
Dann ist es so. Es gab Leute, die sagten mir, ich unterstütze Dich, wenn Du Fenner rauswirfst. Ich kündige keinen Angestellten einfach auf Zuruf ohne dass sich dieser etwas zu Schulden kommen hat lassen. Sollte sich beweisbar herausstellen, dass es im Bereich Leistungssport zu Verfehlungen kam – wie beispielsweise, dass Zahlungen am Leistungssportreferent vorbei nicht satzungskonform frei gegeben wurden – dann muss der DSB über disziplinarrechtliche Konsequenzen nachdenken. Aber bitte nicht auf Zuruf und aufgrund weil man jemanden persönlich nicht leiden kann!

Krennwurzn:
Mir scheint das politische Schachdeutschland in drei Lager aufgeteilt: Das „alte Bastianlager“, das Krause-Lager und jene, die mit beiden nicht können.

Christian H. Kuhn:
Das sehe ich nicht so - ich sehe im Wesentlichen das „Krause-Lager“ und das „Jordan-Schulz-Lager“

Bastian hat seine Fans, ist aber Geschichte. Persönlich kenne ich Bastian seit meiner Jugend – ich bin auch Saarländer und habe dort als 13jähriger an einem Simultan gegen Bastian teilgenommen und bin damit erst richtig zum Schach gekommen. Krause kenne ich persönlich nicht so gut, er hat einige richtige Dinge ins Rollen gebracht, allerdings ist sein Umgang mit Kritik nicht der meine: gibt es Kritik dann kommt es zur Funkstille.

Krennwurzn:
Jordan erscheint mir doch etwas problematisch und man könnte ihn ein wenig augenzwinkernd eine „österreichische“ Herangehensweise unterstellen.

Christian H. Kuhn:
Zur Klärung läuft da ein Gerichtsverfahren und da ich als Präsident möglicherweise Parteienstellung erhalten würde, ist es ratsam sich dazu vorher nicht öffentlich zu äußern.

Krennwurzn:
Gut dann kommen wir zum Fall Schulz.

Christian H. Kuhn:
Da muss ich jetzt auch wieder vorsichtig sein, da der arbeitsrechtliche Teil noch in der zweiten Instanz ist. Das Problem von Jörg Schulz ist, dass er nicht wirklich verstanden hat, dass er Angestellter ist. Er hat sich 30 Jahre in der DSJ unverzichtbar gemacht und viele Vorsitzende haben davon profitiert – das ist unbestreitbar. Er hat viel gemacht, vieles richtig aber auch manches falsch. In zwei Jahren wäre er an die Pensionsgrenze gekommen und die DSJ wäre gut beraten gewesen einen Personalwechsel einzuleiten. Ich bin der Ansicht man hätte das Thema ruhiger und im Hintergrund ohne großen Knall auf offener Bühne besser für alle Beteiligten lösen können. Natürlich klärt in einem Rechtsstaat das Gericht letztgültig Streitereien, aber ein Verband sollte nur dann zu Gerichtsverfahren greifen, wenn es anders wirklich keine Lösung gibt, denn auch wenn man gewinnt, können Beschädigungen zurückbleiben.

Krennwurzn:
Weil wir gerade bei Gericht und Beschädigungen sind. Kommen wir zum auch nicht so glücklich verlaufenen Verfahren gegen Falko Bindrich des DSB und damit zum Themenkreis Cheating und Nationalmannschaft.

Christian H. Kuhn:
Auf der Sachebene haben wir die Schiedsrichterentscheidung und die war korrekt. Bindrich hat sich hinterher „strunzdoof“ angestellt - das darf man so schreiben. Persönlich glaube ich nach Ansicht der Partien nicht, dass Bindrich damals gecheated hat. Aber man wollte ein Exempel statuieren und daraus haben wir sehr viel gelernt: seit damals gibt es die Spielervereinbarung in der 1.+2. Bundesliga.

Juristisch würden wir die bis in die untersten Klassen wohl brauchen, aber da stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Wir dürfen dabei praktische Probleme nicht außer Acht lassen. In der ersten Bundesliga muss ein versperrbarer Raum für Handys und Wertsachen zur Verfügung gestellt werden – darunter nicht. Ich biete als Schiedsrichter auf eigenes Risiko an, die Handys in meinem Koffer zu verwahren, aber das ist ein freiwilliges Angebot von mir. Wir alle wissen, dass es nicht immer und überall möglich ist Wertsachen im Auto zu lassen und daher werden Leute das Handy mithaben müssen. Ich denke wir sollten hier flexibler werden ohne Cheating Türen zu öffnen.

Cheating ist eine grobe Unsportlichkeit – einen Computer in einer Schachpartie zu benutzen ist so was ähnliches wie beim Fußball jemanden das Knie kaputt zu treten. Und dafür geht man vom Platz und dafür wird man gesperrt!

Krennwurzn:
Noch mal zurück zu Bindrich – er hat seine Strafe abgesessen und wäre ein Thema für die Nationalmannschaft.

Christian H. Kuhn:
Er hat die Strafe nicht abgesessen, denn das Amtsgericht hat ja entschieden, dass die Sperre nach damaligen Regeln nicht zulässig war. Sicherlich ist Bindrich spielstärkenmäßig noch im Kontakt mit dem B-Kader, aber ich glaube nicht, dass sich das Kaderthema aufdrängt. Es wird gerade an einem Verhaltenskodex gearbeitet um beispielweise auch Themen wie die zweiwöchige Sperre von Elisabeth Pähtz am lichess-Server zu betrachten, denn auch dies hatte keine wirklichen Auswirkungen im DSB.

Krennwurzn:
Da gibt es ja wilde Gerücht bis hin, dass möglicherweise Aronian in dieser Männerrunde dabei waren.

Christian H. Kuhn:
Gerüchte gibt es viele und soziale Medien würden ohne Gerüchte gar nicht existieren. Aber wir müssen uns schon am Wahrheitsgehalt orientieren. Ich weiß nicht wie es gelaufen ist, habe verschiedene Information und viele verfolgen dabei auch eigene Interessen. Daher wäre ein Verhaltenskodex für KaderspielerInnen eine Notwendigkeit.

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Christian H. Kuhn als Schiedsrichter

Krennwurzn:
Könnte es sein, dass Elisabeth Pähtz dem Druck des ewigen liefern müssen erlegen ist und zu viel ausgelagert hat um Content und Präsenz zu liefern.

Christian H. Kuhn:
Ist durchaus denkbar – sie hat da eine recht vertrauensselige Art des Managements an den Tag gelegt. Das wäre einer Person mit weniger ausgeprägtem Selbstbewusstsein so nicht passiert.

Krennwurzn:
Kommen wir zum ruhigsten aber ebenso nicht ganz Unproblematischen in der Runde – Georg Meier hat ja den Wunsch geäußert nach Uruguay zu wechseln.

Christian H. Kuhn:
Darüber habe ich mit ihm telefoniert und das ist ja noch nicht in Stein gemeißelt. Wir sind in vielen Sachfragen ähnlicher Meinung und er kann sich einen Verbleib in der deutschen Nationalmannschaft durchaus vorstellen, wenn sich manche Sachen ändern – nur ein Wechsel im Präsidentenamt wäre wohl zu wenig. Es muss sich im Bereich Spitzensport einiges ändern und die Lage ist zurzeit nicht leicht, da muss die kommende Führung (Sportdirektor, Bundestrainer, …) Vertrauen aufbauen.

Klar gesagt werden muss auch, dass auch hier Geld ein limitierender Faktor ist und es wohl ohne einen Sponsor für die Nationalmannschaften nicht funktionieren kann, denn eine Finanzierung über Mitgliedsbeiträge führt immer zu heftigen Diskussionen. Auch die Spitzenspieler müssen sich bei ihren Forderungen an die Realitäten des DSB annähern. Und wenn ich mir beispielsweise den Umgang von Naiditsch mit Sponsoren in Erinnerung rufe, so trägt das nicht unbedingt bei Sponsoren zu finden.

Krennwurzn:
Kommen wir zur nächsten Personalie: der Nationaltrainer musste – endlich und viel zu spät wie manche meinen – seinen Hut nehmen. Wie sieht da Ihre Meinung zur Nachfolge aus.

Christian H. Kuhn:
Zuerst gibt es da einmal strukturellen Aufklärungsbedarf – was sind die Aufgaben eines Bundestrainers. Mit der Landesverbandbrille betrachtet, stellt sich schon die Frage: da gibt es eine Vollzeitstelle und es ist nicht klar definiert welche Aufgaben zu erfüllen sind. Nur ein gehobener Mannschaftsführer zu sein, ist definitiv viel zu wenig. Jedenfalls muss der Aufgabenbereich klar geregelt und transparent kommuniziert werden.

Krennwurzn:
Ja das klingt vernünftig, aber mit dem scheidenden Bundestrainer gab es schon einige Probleme. Neben Defiziten im Umgang mit Menschen sollte es auch Defizite in der deutschen Sprache gegeben haben und zwar in der Form, dass er Förderansuchen und -berichte an die Sportbürokratie nicht erledigen konnte.

Christian H. Kuhn:
Dafür haben wir eine Geschäftsstelle und dort hätte man nach fachkundigem Rat fragen können. Ein muttersprachlicher Trainer, der auch die Sprache der Spieler spricht, wäre zu bevorzugen – allerdings, wenn man beispielsweise einen bezahlbaren 2700er bekommen würde, sollten gute Englischkenntnisse für die Kommunikation ausreichen – da müssen wir moderner und globaler denken.

Krennwurzn:
Gibt es da schon Kandidaten, Namen …

Christian H. Kuhn:
Gehört habe ich noch nichts und ich habe schon mit ein paar Kaderspielen gesprochen, was ihre Wünsche wären. Prinzipiell sollte es jemand sein, der schon auf 2650+ Niveau gespielt hat oder nachweislich und erfolgreich Leute dieses Bereichs trainiert hat. Aber er sollte Verständnis für die Spielweise der Topspieler mitbringen – nicht nur für die Züge, sondern auch für die Vorbereitung, etc. Er muss mit den Spielern auf Augenhöhe sprechen können und er muss ihnen Input geben und die Spieler müssen mit diesem Input etwas anfangen können. Nur die Leute bei Mannschaftsturnieren nach vermuteter Tagesform aufzustellen reicht da bei weitem nicht! Wie so etwas funktionieren könnte hat die Zusammenarbeit mit Rustam Kasimdzhanov und dem errungenen EM-Titel 2011 gezeigt. Allerdings ist mir klar, dass wir so ein Kaliber momentan für das deutsche Schach nicht finanzieren können.

Krennwurzn:
Da fallen mir jetzt auf die Schnelle wenige deutsche Kandidaten ein. Jan Gustafsson und Klaus Bischoff kämen mir in den Sinn, wenn ich das Denken wie Weltklassespieler voraussetzte.

Christian H. Kuhn:
Jan Gustafsson hätte alle Voraussetzungen, allerdings ist er ein viel beschäftigter Mann und ich bin mir auch nicht sicher, ob wir ihm ein finanziell interessantes Angebot machen könnten. Klaus Bischoff wäre mit seiner Lebenserfahrung ein interessanter Mann, aber es ist die Frage, ob er sich das überhaupt vorstellen könnte.

Krennwurzn:
Ich dachte mit Blick auf die Computerisierung des Schachs eher an die jüngere Generation wie beispielsweise den Streamer und Trainer Steve Berger.

Christian H. Kuhn:
Steve streamt gut – auch für uns – aber ob er als Trainer schon genug Erfahrung hat, um beispielsweise einem Matthias Blübaum in der Eröffnung weiterzuhelfen, da habe ich meine Zweifel. Aber grundsätzlich sollte er auch altersbedingt die Sprache der Spieler sprechen und auch im Umgang mit Computer die notwendige Expertise mitbringen. Aber natürlich das könnte natürlich eine längerfristige Lösung sein.

Krennwurzn:
Da möchte ich noch einmal einhaken. Beim Wechsel von Levon Aronian von Armenien in die USA wurde die Computerunterstützung ebenfalls thematisiert. Heutige Spieler brauchen ja mindestens gute Workstations die kostenmäßig schon in den fünfstelligen Eurobereich kommen können. Topleute sollen sogar Zugang zu noch mehr Rechenleistung haben oder sich diesen kaufen. Wäre da eine Zusammenarbeit mit Firmen nicht ein Thema, denn da wird es schnell sehr teuer und das Zeug veraltet auch sehr schnell.

Christian H. Kuhn:
Ich glaube wir sehen diese Entwicklung schon. Beim Turniersieg in Wijk von Jorden van Foreest mit seinem sehr jungen Sekundaten Max Warmerdam dürfte eine sehr gute Vorbereitung mit Computer einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Auf diese Entwicklung sollte der DSB ein Auge haben, denn so könnte das Spitzenschach der Zukunft funktionieren.

Finanziell wird das schwierig und da wären Kooperationen mit Firmen und Universitäten sicherlich eine Hilfe. Allerdings hat man als Verband natürlich auch das Problem: wer darf wann diese Erkenntnisse nutzen. Darf der Spieler – oder welcher Spieler - die Neuerung nur in Spielen für die Nationalmannschaft oder auch in anderen Partien. Das kann zu Grundsatzdiskussionen führen. Ein sehr schwieriges Thema, aber damit muss sich ein künftiger Sportdirektor und auch Bundestrainer beschäftigen.

Krennwurzn:
Bleiben wir beim Geld. Beim Poker beispielsweise gibt es unzählige Bücher über Bankroll-Management – also wie man sich wirtschaftlich als Profi oder gar Amateur verhalten sollte. Im Schach ist Geld ein Geheimthema und an Sozialversicherung und Pensionsvorsorge wird gar nicht gedacht.

Christian H. Kuhn:
Da gibt es in Deutschland keine gewachsene Struktur und auch die Vorstellung das zwingend im Amateursportbereich zu halten ist weit verbreitet. Ein grundsätzliches Spannungsfeld ist die Gemeinnützigkeit und Profisport – aber andere Verbände haben gezeigt, dass das Problem lösbar ist, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Schach doch eine Randsportart ist und da eben manches schwieriger ist und uns damit für diese Lösung einfach das Geld fehlt.

Wir sind im Ehrenamt und müssen die damit verbundenen Einschränkungen akzeptieren, natürlich können wir davon träumen, dass beispielsweise der Bahnchef Richard Lutz seinen schlechtbezahlten Vorstandsjob aufgibt und ehrenamtlicher Schachpräsident wird.

Krennwurzn:
Das würde ihre Wahlchancen deutlich mindern ?

Christian H. Kuhn:
Da würde ich gar nicht antreten, aber das würde zu einem anderen Modell führen, dass wir in der Ära Robert von Weizsäcker schon hatten. Das Problem besteht, dass die anfallende Arbeit dann von den Vizepräsidenten wieder im Ehrenamt erledigt werden muss – vielleicht sollten wir generell über einen hauptamtlichen Präsidenten nachdenken. Professionelle Arbeit zum Ehrenamtspreis ist ein Wunschtraum, den leider viele nachlaufen, aber wir müssen uns fragen, ob wir als Schach mit der aktuellen Struktur fit für die Zukunft sind.

Im Deutschland ist die 50+1 Regelung sehr populär das darf man nicht vergessen und professionelle Strukturen müsste man wegen der Gemeinnützigkeit wohl ausgliedern. Aber es stellt sich die Frage, ob wir damit die kritische Größe zum Überleben schaffen. Wenig Aufmerksamkeit in der Presse bewirkt wenig Sponsoren, wenig Sponsoren bewirken weniger Aufmerksamkeit – diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen.

Krennwurzn:
Also einen Schritt zurück und kleiner denken?

Christian H. Kuhn:
Das wäre ein schwerer Fehler!! Klein gedacht haben wir schon genug! Wir dürfen eben unser Licht nicht unter den Scheffel stellen – wir müssen unser Potential besser nutzen und öffentlich sichtbarer machen.

Krennwurzn:
Sichtbar machen ist ein gutes Stichwort. Das Team Krause hat mit Ralph Alt als Vizepräsident Sport einen prominenten Namen in die Waagschale geworfen und so manche Kommentatoren fragen sich: welche Persönlichkeiten bietet das Team Kuhn?

Christian H. Kuhn:
Die Personalfindung ist ein zähes Geschäft, und viele geeignete Kandidaten wollen kein Amt beim DSB, weil ihnen der Spaßfaktor nicht hoch genug ist. Aber es geht voran, und ich hoffe, in den nächsten Tagen als Vizepräsident Sport und als Leistungssportreferenten je einen GM vorstellen zu können.

Krennwurzn:
Welchen Amtsführungsstil kann sich die Schachwelt von einem Präsidenten Kuhn erwarten? Bastian war in der Anfangszeit als Präsident in verschiedenen Foren für die Schachspieler greifbar, Krause äußert sich öffentlich sehr selten – er lässt äußern. Wie würde das ein Präsident Kuhn anlegen? Sehen wir den ersten streamenden Präsidenten der auch für ein jüngeres Publikum begreifbarer und sichtbarer wird?

Christian H. Kuhn:
Denkbar wäre das, ich habe da keine Kontaktängste. Im Berliner Schachverband haben wir das schon diskutiert, uns dann aber dagegen entschieden, weil sich keine sinnvollen Ziele fanden, die mit dem Aufwand eines Präsidenten-Streams erreichen lassen. Und um zu streamen, nur um modern auszusehen, ist der Aufwand zu hoch. Aber das kann auf DSB-Ebene anders aussehen, und da ist ein monatlicher präsidentieller Newsletter per Stream genauso denkbar wie ein quartalsweises Town Hall Meeting auf Twitch.

Krennwurzn:
Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen alles Gute für Wahl!

Donnerstag, 01 April 2021 00:00

Play Magnus Group kauft ChessBase

Gemäß dem Motto „Growing chess to make the world a smarter place“ wollte die Play Magnus Group schon im Herbst 2020 die ChessBase GmbH Hamburg kaufen und die Geschichte rauschte schon durch den virtuellen Blätterwald, aber eine Sekunde vor der Unterzeichnung am 11. 11. 2020 um 11 Uhr 11 und 10 Sekunden trat ein schier unlösbares Problem auf, das erst nach langen und zähen Verhandlungen gelöst werden konnte und zur heutigen Unterschrift am 1. 4. 2021 führte.

2021CB01


Gut informierte Quellen zwitscherten es schon von den herbstlichen Bäumen,
bevor noch viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen ist.

Aber bevor wir zu dem einen entscheidenden Problem kommen, schauen wir was da im Herbst 2020 bereits ausgehandelt und fix paktiert wurde. Und da kommt ein anderer Hamburger Jung mit ins Spiel: Großmeister Jan Gustafsson, der schon 2009 im Interview mit ChessBase sagte: "Ich glaube, ... dass sich harte Arbeit immer gegen ... Talent durchsetzt.“ Und dieser Grundsatz sollte aufgrund der beiderseitigen Krise – ChessBase hat die Marktführerschaft an lichess, chess.com, etc. klar verloren und auch Magnus Carlsen spielt schon einige Zeit unter seinem Zenit und gewinnt keine Turniere mehr – in die Realität umgesetzt werden. Durch harte Arbeit sollte dem Talent die Rückkehr an die Weltspitze ermöglicht werden. Magnus soll wieder Turniere am Fließband gewinnen und auf den vereinten Plattformen von Play Magnus, Chess24 und ChessBase sollen die Millardenmitgliedergrenze noch im Sommer 2021 durchbrochen werden und bei Übertragungen von Spitzenturnieren möchte man in Superbowl Dimensionen vorstoßen.

Daher wurde folgender Geheimplan zur Erholung und damit Stärkung der jeweils eigenen Position erarbeitet. Jan Gustafsson wird die beiden ChessBase Programmierer Matthias Wüllenweber und Mathias Feist – beide gute Amateurschachspieler die das MAT(T) in ihren Vornamen tragen – in einem harten Trainingssommer so auf Vordermann bringen, dass sie beim verschobenen Norway Chess 2021 im September Magnus Carlsen am Brett vertreten können. Die Weißpartien wird Mathias Feist spielen und die härte Aufgabe mit schwarz gegen die Weltklasse muss der Chef Matthias Wüllenweber persönlich übernehmen.

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Die schwarze Gefahr - das MATT klar im Auge ...

In der Zwischenzeit wird Magnus Carlsen, der wesentlich jünger und damit belastbarer sein sollte als die beiden Herren von ChessBase nach Hamburg übersiedeln und dort vormittags die Programmierarbeit am für die Weihnachtszeit anberaumten Erscheinungstermin von Fritz 18 in Angriff nehmen, darf aber am Nachmittag doch etwas Schach spielen und am Fritzserver, der auf „C24-Magnus-Powerplay-Server“ umbenannt wird, zocken bis die Schaltkreise glühen. Nach dem Abendessen um 22 Uhr steht dann noch eine Stunde WM-Vorbereitung mit dem Trainer Jan Gustafsson am Programm, bevor es am nächsten Morgen mit dem Programmieren neuer Ideen weitergehen wird.

Ziel ist es einen Algorithmus zu entwickeln, der für jeden legalen Zug einer Stellung einfach eine Bewertungszahl errechnet aufgrund dieser man den besten Zug unter drei Minuten finden kann ohne endlose Varianten oft bis ins Endspiel abschätzen zu müssen. Dies sollte zuerst für die Maschine umgesetzt werden und dann so optimiert werden, dass Rechenkünstler wie Magnus das am Brett ohne Hilfsmittel jeglicher Art selbst in dieser kurzen Zeit schaffen können. Eine Rapid-, Blitz- oder gar Bulletversion ist dann für die Jahre ab 2025 geplant. Sollte die Turnierversion allerdings wie geplant vor September gelingen, dann kann man dem noch unbekannten Gewinner es bald fortgesetzten Kandidatenturniers schon jetzt zum Vize-Weltmeistertitel gratulieren.

Das und auch das genauere Prozedere standen schon vor dem 11. 11. 2020 fest, doch wie schon gesagt, kam es in allerletzter Sekunde noch zu einem Stopp, weil es gab ein wesentliches Problem das die Unterschrift unter den fertigen Vertrag verunmöglichte. Rainer Woisin, der zweite vertretungsberechtigte Geschäftsführer von ChessBase – dort für die wirtschaftlichen Belange zuständig –, wies darauf hin, dass es einen wesentlichen Grund gibt, warum ChessBase nicht so einfach in die Play Magnus Group integriert werden kann.

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Quelle: Präsentation Play Magnus Group

Eine potentielle Tenbagger-Aktie wie eben jene der Play Magnus Group darf in der Wachstumsphantasiephase eines nicht aufweisen: beständige Gewinne!! Denn dies würde die Phantasie der Börsengemeinde sofort lahmlegen und blitzartig einschlafen lassen, wie es sonst nur so manche Kommentatoren auf ChessBase mit seinem Publikum gelingt. Gewinne sind für junge aufstrebende Börsenstars ein NOGO. Interessierte Leser können sich bei „Aktien mit Kopf“ ein Video über die Hintergründe anschauen.

Und daher wurde aus logischen Gründen der Vertrag am 11. 11. 2020 um 11 Uhr 11 eben nicht unterschrieben und von nun an rauchten die hellsten Köpfe in Oslo und Hamburg wie man dieses Dilemma aus der Welt schaffen könnte. Denn ein Blick in die Bücher ergab Schreckliches: die ChessBase GmbH neigt dazu beständig Gewinne auszuwerfen, Verluste vor allem wirklich ordentlich hohe findet man in den Büchern nicht. Der von allen Seiten gewünschte Deal schien nun endgültig geplatzt zu sein und die Schachwelt um eine Story ärmer zu sein.

Auch die kreativsten Finanz- und Beratungsexperten auch aus nicht so gut beleumundeten Hafen- und anderen Vierteln von Hamburg konnten keine Lösung für das Problem finden und so wandte man sich an einen „Experten für eh alles“ im Nachbarland Österreich und tatsächlich die Krennwurzn fand nach kurzem Nachdenken eine elegante Lösung für das Problem.

ChessBase hatte ja in den Nullerjahren – sic!! null Gewinn - mit Fritz 8 die erste Charge als sogenannte „Ewige Accounts“ verkauft und diese mit 2040 befristet. Natürlich ist 2040 noch nicht mit dem Ende aller Tage zu rechnen und daher kann diese Frist extrem gedehnt werden. Allen Inhabern eines „Ewigen Accounts“ steht ab nun ein Betrag von 10 Mio. Euro bei Rückgabe des „Ewigen Accounts“ zu und ChessBase muss für diesen Fall Rücklagen bilden und diese werden auch nachträglich in die Abschlüsse der Vorjahre eingetragen und so ist auch ChessBase buchhalterisch ein Unternehmen mit einer hohen Verlustphantasie geworden, welches sich nahtlos in die Tenbagger-Phantasie integrieren lässt – ach was schreibe ich Tenbagger?? beim Schach natürlich Sixtyfourbagger!!

Somit stand der heutigen Vertragsunterzeichnung in der Märchenwelt der Grottenbahn in Linz nicht einmal die strengen Coronaregeln im Wege. ChessBase Hamburg wird Teil der Play Magnus Group und Wüllenweber und Feist spielen das Norway Chess 2021 und Magnus programmiert den neuen Fritz für das Weihnachtsgeschäft 2021!!

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Nicht nur Kinder sind vom Drachen „Lenzibald“ begeistert!

Sollten Sie als Besitzer eines „Ewigen Accounts“ jetzt noch auf die abwegige Idee kommen diesen trotz strahlenden Aussichten zurückgeben zu wollen, so sollten Sie das Kleingedruckte ordentlich lesen: eine Rückgabe ist nur dann möglich, wenn das Datenprogramm ChessBase und Fritz zu einem Programm mit einer Oberfläche vereint werden, wie dies die Krennwurzn schon lange fordert. ABER glauben Sie wirklich, dass die Hamburger nach der Pfeife der Krennwurzn tanzen, nur weil diese ihnen ein einiges Mal aus der PATTsche geholfen hat???

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Normalerweise kommt alle zwei Jahre in der Vorweihnachtszeit in der hanseatischen Telenovela „Diese Wüllenwebers“ ein Sohn namens Fritz auf die Welt und bekommt einen Rufnamen damit man die Söhne unterscheiden kann. Obwohl Corona die Schachwelt in ihrem Bann gezogen hat, kam gerade in der Karnevalszeit eine Nachricht aus der Hochburg desselben nämlich Rio de Janeiro in Brasilien, dass dort außerhalb der üblichen Geburtszeiten der möglicherweise größte aller Fritzsöhne geboren worden sein soll.

Den Älteren unter den Lesern ist sicherlich bekannt, dass die neugeborenen Fritzsöhne schon immer vor oder nach der Geburt von zahlreichen Patenonkeln und -tanten mit viel Vorschusslorbeeren bedacht wurden und dann im realen Leben an diesen zerbrochen sind. Sicherlich waren es gute Söhne mit einer soliden hanseatischen Lebenseinstellung und Arbeitsmoral, aber die gewünschten Superstars waren dennoch die Ausnahme.

Als dann der brasilianische Karnevalssohn in Hamburg ankam, gab es Gerüchte, dass mit seiner Herkunft etwas nicht in Ordnung sein könnte beziehungsweise im Dunklen liegen könnte. Böse Zungen behaupteten, dass der Brasiliano

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hanseatische DNA nur in homöopathischen Dosen enthalten würde und auch der böse Verdacht einer Kindesentführung kam in gewissen Kreisen auf. Jedenfalls waren die Reaktionen in der Schachwelt sehr heftig. Kann es sein, dass der Brasiliano in Wirklichkeit ein Norweger sein könnte, der in einer Ladung Stockfisch versteckt in die Glitzerwelt des Karnevals entführt wurde? Die Wüllenwebers haben bisher die Niederkunft ihrer Söhne immer in die Vorweihnachtszeit gelegt, damit auch viele Weihnachtsgeschenke unter dem Christbaum liegen können. Ein derartig verspäteter Geburtstermin kam dann doppelt überraschend, denn eigentlich wurde die Geburt des neuen Wüllenwebers für die Vorweihnachtszeit oder die WM 2021 erwartet – ob das mit der Niederkunft im Karneval im fernen Rio de Janeiro in Einklang zu bringen ist?

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Jedenfalls war die Aufregung riesig und eines ist klar, wenn auch nicht die Nummer 1 Position der Elolisten dauerhaft erreicht werden kann, der Brasiliano stürmte die Shitstormlisten der Schachwelt mit Lichtgeschwindigkeit und sichert sich dort wohl lange die TOP 1 Position. Der Pate Don Frederico – ein philosophisch verträumter getreuer Geburtshelfer vieler Fritzen – ließ anklingen, dass – ich weiß nicht wie man das so sagen kann und darf – naja nach so vielen Jahren das erotische Feuer bei den Wüllenwebers nicht mehr so hell lodert wie in den Jugendjahren. Nicht das sie jetzt denken, dass da jemand in tropischen Gefilden sich mit anderen einer Liaison hingegeben haben könnte – nein, nein und wieder nein: das würden Hanseaten niemals machen. Aber es bestünde die Möglichkeit, dass ihnen in der verträumten Bucht von Rio aus dem norwegischen Kamasutra der Schachprogrammierung monatelang vorgelesen wurde und es dadurch zu einem außerterminlichen Sohn dem Brasiliano kam, der zwar traditionsgemäß in der Vorweihnachtszeit – wenn auch ein Jahr zu früh – das Licht der Welt erblickte. Aber wie wir alle wissen, ist es in der Coronazeit nicht alles so einfach wie früher und der neugeborene Sohn Brasiliano konnte aufgrund von Quarantänebestimmungen erst im Februar in Hamburg einer überraschten Öffentlichkeit präsentiert werden.

Jedenfalls wurde dem Brasiliano eine hanseatische Geburtsurkunde erstellt und wir dürfen gespannt sein, wie er sich entwickeln wird und was wir noch für Überraschungen in der Telenovela „Diese Wüllenwebers“ erleben werden dürfen. Vielleicht erblickt in der Vorweihnachtszeit 2021 erstmals eine TOCHTER der Wüllenwebers das Licht der Welt und stellt alle 17 oder 18 Söhne in den Schatten.

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Mittwoch, 20 Januar 2021 19:54

Abschied von FAKE NEWS ?!

Der Großmeister der „FAKE NEWS“ und Selbstüberhöhung Donald Trump ist nun als Präsident vorerst einmal Geschichte. Im Trump Tower in New York gab es schon ein paar Schachveranstaltungen, beispielsweise die Viertelfinali des Kandidatenturniers für die Schachweltmeisterschaft 1995. Damals so wird gemunkelt sollte Trump gesagt haben, dass er in ein, zwei Jahren sicherlich auf diesem Niveau spielen könnte, wenn er denn wollte. Aber was hat das mit Schach zu tun? Nun es gibt auch in der Schachwelt so einige FAKE NEWS, die sich hartnäckig halten und gepflegt werden.

Mehr Partieverläufe als Elementarteilchen im Universum

Schon mit der Reiskornlegende kamen gigantische, ja astronomische Zahlen ins Spiel und viele Schachfreunde haben eine große Freude diese unglaublichen Zahlen noch extra überhöhen zu müssen und begehen dabei zwei Denkfehler. Erstens ist es nicht wirklich redlich etwas möglicherweise Unendliches wie das Universum mit etwas Endlichem zu vergleichen. Schach wird auf einem endlichen Brett mit einer endlichen Anzahl von Figuren gespielt und egal wie astronomisch die Zahlen auch werden, sie sind endlich. Der zweite Denkfehler ist, dass nicht die Spielverläufe das Thema sind, sondern die möglichen legalen Schachstellungen. Auch hier bewegen wir uns in astronomischen Dimensionen, denn es sollten 10^43 legale Schachstellungen existieren. Der Streit ob Schach jemals berechenbar wird, bewegt die Schachwelt seit dem Eintritt der Computer intensiv.

Fangen wir klein an: ein Tag hat 86.400 Sekunden und ein Rechenmonster wie Deep Blue schafft 200 Millionen Stellungen pro Sekunde. Das sind um die 10^13 Stellungen am Tag, in einem Jahr dann 10^15. Wäre gleichzeitig mit dem Urknall Deep Blue entstanden und würde seit damals ununterbrochen rechnen, so wären fast 10^26 Stellungen berechnet. Viel, verdammt viel, aber schauen wir uns die Zahlen – und außer Konkurrenz zuerst die Zahl der bereits berechneten 7-Steiner Tablebasestellungen als Voreinordnung der Dimensionen:

423.836.835.667.331
87.102.432.000.000.000.000.000.000
10.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000

als Diagramm an:

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Das wären dann wie im Exceldiagramm sehr grob gerundet 0% - oder um die 8,7^-16 Prozent für jene, die auf genauere Zahlen schielen möchten - der möglichen 10^43 Stellungen. Zusätzliche Übertreibungen sind wirklich absolut unnötig ? „So big – so sad“

Dem Schach droht der Remistod

Auf diese FAKE NEWS oder soll ich besser sagen auf dieses Märchen sind schon Weltmeister und viele Weltklassespieler hineingefallen und mit ihnen massenhaft Schachfreunde aus aller Welt. Nun es gilt für jede Schachstellung, dass sie entweder gewonnen, verloren oder remis ist. Definitiv wissen wir Menschen nur für sehr wenige Stellungen, aber selbstverständlich gilt dies auch für die Grundstellung.

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Da die Annahme, dass die Grundstellung REMIS ist, nach heutigem Wissenstand die wahrscheinlicher ist als dass Weiß oder Schwarz gewinnt, kann man seriöser Weise meinetwegen von einer Remisgeburt sprechen, aber der Remistod ist definitiv FAKE NEWS.

Gewinnen aus eigner Kraft

Diese FAKE NEWS wird ebenfalls von der Grundstellung schonungslos aufgedeckt. Da die Bewertung einer Stellung vorgegeben ist und nicht verändert werden kann, muss es mindestens einen Zug geben, der dieses Ergebnis weitervererbt. Aus bitterer eigener Erfahrung wissen wir aber, dass es relativ leicht ist, durch einen Zug eine Stellung herzustellen, die schlechter bewertet ist. Wer hat nicht schon Gewinnstellungen ins Remis oder gar in den Verlust verdorben. Theoretisch unmöglich ist es aber mit einem Zug eine bessere Stellungsbewertung (1,0 oder =) zu erzielen. Eigene Kraft ist purer Nonsens – weder der stärkste Mensch noch ein Supercomputer können beispielsweise aus einer Remisstellung heraus einen Gewinnzug finden – das ist einfach theoretisch unmöglich! Eigene Fehler sind die unangenehme Realität für uns Menschen und auch die heutigen Maschinen sind nicht unfehlbar, das sollten wir auch nicht vergessen, obwohl die schon teuflisch stark sind. Die gute Nachricht für uns Menschen ist, dass wir Unfehlbarkeit nicht erreichen können und daher noch lange Freude am Schach haben werden, auch wenn die Maschinen schon lange nur mehr Remisen gegeneinander schieben.

Schwarz muss sich zuerst um Ausgleich bemühen

Da wird es bei einigen schon Klick machen – Ausgleich? Richtig Schwarz hat schon Ausgleich egal mit welchem Zug Weiß die Partie beginnt. Natürlich hat Weiß ein Mehrtempo aber verloren ist Schwarz dadurch nicht. Auch wenn in der Praxis Weiß um die 55% der Punkte holt, braucht man keine Aversionen gegen Schwarz entwickeln. Die Partie ist ausgeglichen und kann nur durch Fehler aus diesem Gleichgewicht gekippt werden – aus menschlicher Sicht sind Fehler mit Schwarz ein wenig wahrscheinlicher oder leichter zu machen.

Die Stellung ist unklar

Nun das ist ein klarer Fall von FAKE NEWS – jede Stellung hat genau eine Stellungsbewertung (1,0 oder =), da existieren keine Unklarheiten nur Unwissenheit unserseits – gemein irgendwie.

Der beste Zug

Das ist ein sehr schwieriges Thema. Wir wissen nun ja, dass wir mit einem Zug maximal die bereits feststehende Stellungsbewertung (1,0 oder =) weitervererben können – verschlechtern ja, verbessern nein! Verschlechtert sich die Stellungsbewertung (1,0 oder =) so ist der Zug objektiv schlecht, wobei er aber praktisch durchaus gefährlich sein kann. Jene Züge die weitervererben sind theoretisch gleichwertig, praktisch gibt es aber doch viele Unterschiede. Wieder so ein Beispiel wo sich Theorie und Praxis ein wenig auf die Füße steigen. Den „besten Zug“ gibt es wohl nicht, aber den besten Zug in dieser Situation und gegen diesen Gegner zu diesem Zeitpunkt … das könnte existieren.

Wir brauchen neue Schachformen – 960er, ohne Rochadeschach, …

FAKE NEWS in reinster Form!! Wir haben mit klassischem Schach ein Spiel, dass beiden Seiten in der Praxis gute ähnlich gleiche Chancen bietet. Weiß erreicht 55% der Punkte – das liegt nicht so weit weg vom theoretischen Wert 50% - diese Voraussetzung müssen die anderen Schachvariationen erst einmal nachweisen. Und Schach ist für uns Menschen immer noch kompliziert genug – denken wir an das kreative Spiel von Dubov oder an die aktuellen Schlachten von Caruana gegen Duda und Tari gegen Firouzja beim Tatasteelchess in Wijk.

Was wir wirklich brauchen, ist uns die Angst vor dem Verlieren zu nehmen, denn diese treibt uns zu unattraktivem Schach, falschem Ehrgeiz und damit einige leider auch zum Cheating! Verabschieden wir uns von unnötigen FAKE NEWS, Übertreibungen usw. und erkennen wir, dass noch niemand eine Schachpartie gewonnen hat, ohne dass ein anderer diese verloren hätte. Verlust und Gewinn sind untrennbar miteinander verbunden. Also erfreuen wir uns am Spiel, am Wettkampf, an der Spannung, … und nicht an den Elopunkten!!

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Kommen wir zu einem der schlechtesten Verlierer aller Zeiten – und hoffentlich kein Vorbild mehr für die nachkommende Schachgenerationen – Donald Trump zurück, der statt versöhnlicher Worte zum Abschied lieber drohte:

"We will be back in some form" – das gilt leider wohl auch für FAKE NEWS.

Samstag, 12 Dezember 2020 09:59

Warum wir Verlieren lernen müssen!

Am 12. Dezember 2020 feierte der Österreichische Schachbund sein 100jähriges Bestehen unter anderem mit einem wunderschönen Magazin „Das Spiel der Könige“ in dem bekannte Persönlichkeiten Artikel zum Schach geschrieben haben. Diese Artikel befassen sich mit der Geschichte und Gegenwart des österreichischen Schachs und so kam auch die Krennwurzn zur Ehre seinen Senf – äh Kren (Meerrettich) dazugeben zu dürfen. Und diesen Artikel wollen wir unseren Lesern hier vorstellen.

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Warum wir Verlieren lernen müssen!

Schachspieler sind nicht als gute Verlierer bekannt und es geistern so Sprüche: „Ich habe in meiner Schachkarriere wirklich viel erreicht, aber es ist mir niemals gelungen gegen einen gesunden und ausgeschlafenen Spieler zu gewinnen“ durch die Bonmotsammlungen der Schachwelt. In Filmen wird dieses schlechte Verlieren können mit Wegstürmen vom Brett, Umwerfen der Figuren oder sogar mit körperlichen Attacken auf den Gegner noch dramatisiert – obwohl so manches davon hat sich wohl auch schon in realen Gefilden abgespielt. Das heimliche Leid der Verlierer wird dabei gar nicht beleuchtet, aber fast jeder kennt Schachfreunde, die nach einer Niederlage die Meisterschaftssaison beenden, eine Schachpause einlegen, etc. Eine Niederlage ist natürlich niemals wirklich erfreulich und Emotionen machen unser Spiel auch interessant, aber ein vernünftiger Mensch sollte nach einer kurzen Abkühlphase – am besten noch vor der Aufgabe am Brett – in der Lage sein, sich und seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Zur Ehrrettung der Schachspieler möchte ich auf den tschechischen Super-GM David Navara hinweisen, der nicht nur außerordentlich fair ist, sondern auch mit Anstand und Würde verlieren kann. Bei einer Bundesligarunde 2019 in Linz hat sich nach der Zeitkontrolle in einer ultrascharfen Partie der Pulverdampf verzogen und Navara stand vor der Ruine seines Tuns. Er ordnete seine Sachen, kontrollierte die Mitschrift und blickte dann auf die Stellung. Sogar als Nebenstehender merkte man wie er immer ruhiger wurde, dann aufstand einen kleinen Knicks machte und dem Gegner zum Gewinn gratulierte – ganz ruhig und ohne theatralische Geste: einfach ehrlich!

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Was wir von Marcel Hirscher lernen können?

Spielt Marcel Hirscher jetzt nach seinem Rücktritt Schach? Das weiß ich leider nicht, aber es geht obwohl wir vom mindestens besten Schifahrer des zurückliegenden Jahrzehntes sprechen, um die Fähigkeit mit dem Verlieren umzugehen. Hirscher wurde einmal in einem Interview gefragt wie er mit der Gefahr des Einfädelns umgeht.

Als „Einfädeln“ bezeichnet man im Skisport umgangssprachlich das nicht korrekte Passieren eines Tores, bei dem der Innenski auf der falschen Seite einer Torstange vorbeigeführt wird und die Stange somit zwischen Innen- und Außenski gerät. Der Läufer gilt damit als ausgeschieden. Beendet er seinen Lauf dennoch, hat das eine Disqualifikation sowie eine Geldstrafe zur Folge.

2020Verl03Obwohl man Einfädler mit all ihren Zufallskomponenten nicht kontrollieren kann, muss dennoch vorher ein Fehler meinerseits passiert sein. Analysiert man nachher diese Fehler, so kann man zwar einige ausmerzen, aber es bleibt immer ein Rest zur Perfektion über. Hirscher kam zu dem Schluss, dass es den perfekten Schifahrer nicht gibt (geben kann) und er mit dieser Unperfektion leben muss und er folgerte daher: wenn ich mit diesem Risiko fahren möchte, dann muss ich Einfädler einfach akzeptieren und schnell abhacken, denn langsamer und damit sicherer möchte ich nicht fahren. Ich muss einfach nur akzeptieren, dass ich nicht perfekt bin und das ist eigentlich ganz leicht, denn niemand ist perfekt.

Gibt es den perfekten Schachspieler?

Nein – das ist heute in der Computerära allen klar, aber in der Vergangenheit gab es gerne die Illusion davon und dieser eigentlich unrealistische Mythos geistert auch heute noch durch unser Denken und Fühlen. Vor 100 Jahren als der ÖSB gegründet wurde, hatten Schachmeister die absolute Deutungshoheit und als die Krennwurzn vor 30 Jahren die Schachszene betrat, galt noch: Halt die Klappe, wenn die Meister sprechen! Sogar im Vorjahr war in einem Editorial eines Schachmagazins vom fehlenden Respekt der Meute gegenüber den Spitzenspielern zu lesen, dessen Unterton Respekt mit Unterwürfigkeit und Anbetung verwechselte.

Früher dachte man Schach sei eine Kombination aus Kunst, Wissenschaft und auch ein wenig Sport – jedenfalls sind die Meister mit Talent und Wissen gesegnet und ganz sicher aber unfehlbar! Dann kamen die Schachcomputer, die zuerst von allen belächelt wurden. Im Rahmen der zweiten Ars Electronica fand im September 1980 in Linz die 3. Computerschachweltmeisterschaft statt, die Ken Thompson mit „Belle“ gewinnen konnte. Der Unixentwickler wurde im Vorjahr einer größeren Gruppe von Menschen bekannt, weil er vor 39 Jahren das Passwort „p/q2-q4!“ benutzte. Es steht in der nicht mehr so gängigen beschreibenden Notation für die Damenbauerneröffnung d2–d4.

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Aber wie in der Computerbranche üblich ging auch im Computerschach die Entwicklung rasend schnell voran und schon 1997 musste sich der amtierende Weltmeister Garri Kasparow dem Rechner Deep Blue geschlagen geben. Und als dann die 11. Computerschachweltmeisterschaft 2003 in Graz stattfand, war vielen schon klar, dass die Maschinen besser sind als es die Menschen jemals sein werden.

Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, aber alte Vorurteile sterben nie und so dauerte es eine Weile bis diese Erkenntnis mehrheitsfähig wurde. Nur in die Praxis haben wir diese Erkenntnis nicht umgesetzt, denn wir träumen immer noch vom perfekten Schach, der Partie aus einem Guss und damit von unserer Unbesiegbarkeit! Wir sind noch keine Hirscher geworden, denen unsere eigene Fehlbarkeit klar geworden ist. Wir sind noch nicht zu neuen Ufern aufgebrochen!

Warum unsere Fehlbarkeit das Schach überleben lässt?

Das klingt zwar zuerst paradox, ist aber streng logisch. Schach ist klarerweise keine Kunst, denn dafür fehlt die Freiheit sich über Grenzen hinwegzusetzen. Wissenschaftlich ist es ein lösbares Rätsel auch wenn viele jetzt aufheulen und von der „Unendlichkeit“ oder den nahezu unendlichen Möglichkeiten des Schachs immer noch träumen. Aktuelle Computer können Schach auch aus physikalischen Gründen nicht restlos lösen und die fertigen 32 Steiner (aktuell sind wir bei den gelösten 7 Steiner Tablebases) werden wir in den nächsten 100 Jahren mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht haben, aber Schach wird praktisch gelöst sein mit einem kleinen Restrisiko. Und man kann – ebenfalls mit einem kleinen Restrisiko – sagen, dass Schach wohl REMIS ist, denn auch bei den aktuell innovativsten Ansätzen wie Alpha Zero gehen die meisten Partien Remis aus und Alpha Zero verliert nur mehr um die 2% der gespielten Partien.

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Dann ist Schach gelöst und für uns Menschen verloren – diesem Denkfehler fallen vor allem die Romantiker zum Opfer, die die Maschinen verfluchen und nicht begreifen, dass uns eine zu tiefst menschliche Eigenschaft vor dem schon zur Gründungszeit des ÖSB angekündigten Remistod rettet: unsere Fehlbarkeit!! Wir schaffen es nicht perfektes Schach zu spielen – niemand schafft das und wir wissen das eigentlich schon seit 1997 und seit Mitte der Nullerjahre ist das eigentlich sonnenklar!

Aber wir wollen das immer noch nicht wahrhaben: Alle Menschen sind Patzer und das ist gut so!! Und eine weitere Erkenntnis ist, da wir nicht perfekt sind (sein können), müssen wir Verlieren lernen und zwar hurtig.

Verlieren lernen – warum?

Wir lesen immer nur von Siegen und Erfolgen und vergessen komplett, dass es ohne Verlierer keine Sieger geben kann und wir unsere Einstellung zu Sieg und Niederlage ändern müssen: beide sind untrennbar „part of the game“. Starten wir unser Nachdenken mit Berthold Brecht:

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
„Wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich.“

Es ist im Prinzip ganz einfach, denn in einer Schachpartie wird ein Punkt aufgeteilt und zwar entweder zwei gleiche Teile beim Remis oder eben ein Sieger und ein Verlierer. Damit es einen Sieger gibt, muss es zwangsläufig einen Verlierer geben. Gut das ist verständlich, aber warum verlieren wir? Auch das lässt sich einfach beantworten: weil wir Fehler machen und nicht unfehlbar sind! Und jetzt sind wir wieder bei Hirscher und der Erkenntnis, dass die Ursache des Einfädlers nicht irgendwelche bösen und gemeinen Umstände sind, sondern eine einfache Folge unserer eigenen Fehlbarkeit. Und so ist es auch im Schach, die Ursache der Niederlage kann nicht der Gegner sein, nein die Ursache der Niederlage ist man nur selbst bedingt durch die uns Menschen gegebene Fehlbarkeit!

Eigentlich wissen wir auch das schon lange wie uns Sprüche wie „der vorletzte Fehler gewinnt“ usw. sagen, aber wir wollen es nicht umsetzen. Oftmals sind es gerade die romantischen Maschinenstürmer die Probleme mit der Fehlbarkeit haben. Einerseits sagen sie, dass Schach niemals gelöst werden könnte, weil es weniger Elementarteilchen als Schachstellungen gäbe – was zwar nicht stimmen dürfte – aber der Bau so einer Festplatte würde allein schon aus Gründen der Schwerkraft scheitern. Anderseits träumen sie trotz dieser immensen Zahlen von der Unfehlbarkeit des Menschen??

Bevor wir Verlieren lernen, müssen wir daher viele alte Zöpfe abschneiden und Schach auf neue Beine stellen. Und sie werden es nicht glauben: auch diese Entwicklung läuft schon seit den Nullerjahren und Vorreiter ist u.a. der Mozart des Schachs: Magnus Carlsen. Allerdings ist Carlsen noch ein schlechter Verlierer, wie er selbst sagt, geht er nach einer Niederlage oft TILT. Aber Carlsen hat erkannt, dass die alte Herangehensweise mit Eröffnungsvorbereitung und schnellen Remisen in die Sackgasse Remistod führen muss. Er sucht daher nicht mehr nach Eröffnungsvorteil -den es ja aus theoretischer Sicht gar nicht geben kann, da Schach ja wahrscheinlich Remis ist – sondern nach spielbaren Stellungen und spielt auch remisliche Stellung gegen stärkste Gegnerschaft weiter. Das brachte ihm am Anfang seiner Karriere sogar den unterschwelligen Vorwurf der Respektlosigkeit ein.

Ich habe aber den Eindruck, dass Carlsen genau weiß, dass er ohne Fehler seines Gegners nicht gewinnen kann. Und mit diesen Fehlern ist es auch nicht so leicht, denn erstens muss der Gegner diese machen und zweitens muss man selbst diese erst erkennen und auch bestrafen können. Um den Gegner die Chance auf Fehler zu geben, muss man etwas riskieren und asymmetrische Stellungen oder Materialverteilungen anstreben und das ist mit Risiko verbunden. Auch das haben viele schon erkannt und Risiko bedeutet, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt. Hier möchte ich noch einmal Carlsen aus einem Interview nach der Partie gegen Jorden van Foreest in Wijk aan Zee im Jänner 2020 zu Wort kommen lassen: Er sagte, dass er hoffte die zerstörte Bauernstruktur mit dem Läuferpaar und Initiative kompensieren zu können, aber nach dem vorbereiteten 16. g4 stand er komplett auf Verlust. Im Interview wirkte er gar nicht so besorgt über diese Möglichkeit – vielleicht auch weil die Partie dann noch in einem Remis geendet ist und er schon vorher den Weltrekord über die längste ungeschlagene Serie an Turnierpartien gebrochen hatte.

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Die Eröffnungsvorbereitung steht ja schon lange in der Kritik und sogar der Weltmeister Bobby Fischer wollte mit seinem Fischer-Random oder wie mein heute sagt „Chess960“ das Schach vor dem Vorbereitungstod retten. Auch das ist aus theoretischer Sicht ein Irrweg, denn bei der astronomischen Zahl von Schachstellungen (10hoch54) macht ein maximaler Faktor von 960 (der in der Realität noch dazu viel tiefer liegt) praktisch nichts aus. Zudem müssten neben der fehlenden und schönen Symmetrie des Schachs auch alle 960 Anfangsstellungen ebenfalls Remis sein.

Aber lassen wir das und beschäftigen uns mit dem Vorbereitungsmythos. Denn auch hier ereilt die Spitzenspieler ein Schicksal, das wir Patzer schon immer hatten: die Fallhöhe von Vorbereitung zum eigenen Spiel. Natürlich spielt die Krennwurzn auch „Theorie“ und diese wurde früher von Großmeistern und deren Sekundanten in vielen Arbeitsstunden und Diskussionen am und neben dem Brett entwickelt. Nun irgendwann in der Partie ist die Vorbereitung vorbei und man sitzt vor einer 2800er Stellung mit dem schachlichen Rüstzeug einer 1800erters. Eine Fallhöhe von 1000 Elo ist schon ganz schön hoch und sorgt für erhebliche Schwierigkeiten am Brett, denn man hat ja nur etwas auswendig Gelerntes heruntergebetet ohne auf Pläne, Fallstricke, persönliche Vorlieben etc besondere Rücksicht genommen zu haben. Durch die Entwicklung der Computer stehen nun auf einmal auch die besten Spieler der Welt vor dem gleichen Problem: es gibt eine Fallhöhe von der mit Computern mitentwickelten Theorie zum eigenen Spiel und diese Fallhöhe liegt auch schon um die 500 Elo und könnte noch ein wenig steigen. Plötzlich spielt man Theorie, die man nicht selbst entwickelt hat, sondern die man „nur gelernt“ hat – eine neue Erfahrung für Topspieler.

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Und damit steigt das Risiko auf Fehler – das ist durchaus logisch und das haben schon viele von uns am eigenen Leib erfahren: entweder hat man selbst nach der Theoriephase gleich gepatzt oder aber der Gegner. Jetzt kommen wir zur entscheidenden Frage:

Wer oder was ist für Niederlagen verantwortlich?

Mit der Annahme, dass die Grundstellung Remis ist, liegt die Ursache nicht im Spiel Schach selbst. Ebenfalls ausschließen können wir den Gegner, denn dieser kann uns zwar in nicht so geliebte Gefilde, aber nicht aus eigener Kraft in die Niederlage entführen. Bleiben nur wir selbst über! Wir selbst sind der Grund für unsere Niederlagen und zwar weil wir nicht perfekt sind, sondern fehlbare Wesen. Unsere Fehlbarkeit ist der Grund für Niederlagen und das ist eine ganz natürliche Angelegenheit und da landen wir wieder bei Marcel Hirscher:
Wenn wir Schach spielen wollen, müssen wir mit Niederlagen leben!

Und hier haben wir noch große Defizite! Denn es gibt keinen anderen Ausweg – denn Perfektion werden wir Menschen nicht erreichen können. Wir müssen verlieren lernen und lehren. Ja das Lehren ist fast noch wichtiger als das lernen, denn wir dürfen ja nicht uns bekannte Fehler an die kommenden Generationen weitergeben. Das wäre nicht nur dumm, sondern auch unfair. Es gibt ja die Weisheit: wenn Du einen Gegner nicht schlagen kannst, dann verbünde Dich mit diesem. Und da wir unsere Fehlbarkeit nicht ablegen können, bleibt uns nur der Ausweg mit dieser zu leben und die Konsequenzen beispielsweise das Verlieren beim Schach so wie das Einfädeln beim Slalom einfach zu akzeptieren.

Eigentlich ist es ganz einfach: eine Niederlage sagt uns nur was wir auch schon vorher wussten: wir sind fehlbar! Akzeptieren wir das, werden wir mehr Freude am Wettkampf und am Schach finden, denn Verlieren zu akzeptieren ist eine Win-win-Situation!!

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Das komplette Jubiläums-Schach-Magazin zum Onlinedurchblättern!

Montag, 16 November 2020 22:59

ChessBase 16 – im Norden fast nichts Neues

Das war der erste Eindruck der Krennwurzn als sie die erste Beta zu Gesicht bekam, aber der erste Eindruck kann manchmal schon ein wenig täuschen, dazu etwas später mehr. Vorab ein Tipp an Leute, die keine Zeit oder vor allem keine Lust auf das Gesülze der Krennwurzn haben:

Niemand braucht ChessBase 16 also kaufen Sie es sich sofort!!

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Die Krennwurzn ist auch Jahre nach der Erstentdeckung dieser Idee ganz entzückt von ihrer unfassbaren messerscharfen Unlogik - etwas was man nicht braucht unverzüglich zu kaufen – noch dazu wo ja „fast nichts Neues“ im Titel steht. Nun am Anfang war der Titel und dann entstand erst der Artikel. Dass sich die Krennwurzn irren kann, ist Ihnen liebe Leser ja nicht wirklich fremd und es gilt uneingeschränkt:

Corona nervt und Weihnachten steht vor der Tür,
also gönnen Sie sich was für sich und Ihr Hobby!

Verschwenden Sie keine wertvolle Zeit mit der Lektüre des „fast nichts“, sondern kaufen Sie das Programm und machen sich selbst ein authentisches Bild. Bedenken Sie, dass Corona auch in die Programmentwicklung ungeplante Verzögerungen gebracht hat, weil Onlineturniere und -meisterschaften viel Zeit in Anspruch genommen haben. Auch wenn nicht alles gleich auf Anhieb perfekt funktioniert hat, so haben die Hamburger – wie auch andere Anbieter – hier viel Arbeit und Ressourcen für uns Schachspieler investiert. Danken wir es Ihnen ein wenig durch Kauf.

Der allgemeine Coronafrust hat sich wohl auch ein wenig auf die Krennwurzn übertragen und zuerst wollte ich gar nicht viel Betatesten und schon gar nicht wollte ich einen Artikel schreiben, weil irgendwie fand ich, dass nicht wirklich was Neues im Programm geboten wird und außerdem wann wird es wieder echte Liveturniere geben, wann der Weltmeisterschaftszyklus fortgesetzt werden, wann man selbst wieder real am Brett sitzen. Irgendwie war die Schachlust verschwunden, aber dann nach und nach fand ich doch ganz interessante Neuerung in der neuen ChessBase 16 Version und manche haben sogar Suchtpotential – diese Warnung möchte ich schon aussprechen – manche sind ganz ok und manche waren schon lange überfällig.

Die Eröffnungsübersichten

Gleich die erste Neuerung ist eine mit potentiellem Suchtpotential für die Krennwurzn, denn zu jeder beliebigen Eröffnungsstellungen lassen sich mit etwas Geduld Eröffnungsübersichten (Repertoirevorschläge) erzeugen. Eine beinahe unendliche Spielwiese für wohl viele User und natürlich auch ein ernsthaftes Werkzeug für Profispieler – die Idee entspann sich aus der Zusammenarbeit mit Fabiano Caruna für den "Navigating the Ruy Lopez" FritzTrainer.

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Die Übersichten werden am Server gespeichert – wer seine Eröffnungsgeheimnisse nicht teilen will, kann mit OFFLINE aber auch ganz geheim arbeiten. Für vieler User aber wird das Schmökern und Verfeinern der online verfügbaren Übersichten den Hauptpart einnehmen. Das Programm will einem nicht DIE Lösung aufs Auge drücken, sondern es ergeben sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, damit der Benutzer seine persönlichen Vorlieben in die Suche einfließen lassen kann.

• „Traditionell“ - wählt streng die auf GM-Level gespielten Hauptvarianten
• „Modevarianten“ - in der modernen Spielpraxis dominierende Züge werden ausgewählt – möglicherweise die interessanteste Option der Funktion
• „Nebenvarianten“ – für Praktiker ohne viel Zeit ein Thema und schlecht sind diese auf keinen Fall
• „Gambit“ – soll jedes halbwegs spielbare Opfer berücksichtigen
• „Angriff“ - führt teils zu sehr aggressiven Nebensystemen
• „Positionell“ – für alle, die es etwas ruhiger und übersichtlicher wollen
• „Vereinfachen“ – extra für Feiglinge wie die Krennwurzn ?

Die Variantentiefe ist in den Schritten „Einstieg – Klub – Turnier – Meister – Enzyklopädie“ wählbar und verkürzt oder verlängert die Suche. Falls zu einer Stellung Übersichten auf dem Server bereitstehen, werden Stil, Tiefe und Farbe mit einem „*“ markiert. Aber lassen wir das Matthias Wüllenweber in einem Video selbst erklären.

Video „Die Eröffnungsübersichten“
Sprache Deutsch – Dauer 7:57

Neuerungen schürfen (Novelty Mining) im LiveBuch

Daten sind schon lange das neue digitale Gold und danach wird weltweit heftig gesucht. Warum sollte man dies auch nicht im Schach nutzen und Arbeit durch die Maschinen leisten lassen? “Neuerungen schürfen” oder wie es neudeutsch heißt „Novelty Mining“ ist nun mit ChessBase 16 möglich ohne dass man in die schmutzige Unterwelt hinuntersteigen muss:

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In einem zusätzlichen Dialog werden noch einige Einstellungen möglich, um rascher an die gewünschten Informationen zu kommen.

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Um das Schürfen effizienter zu gestalten bedient man sich ein paar Tricks, so werden häufig gespielte Varianten von der Suche ausgeschlossen, so dass mehr Rechenkraft in die Nebenvarianten fließen kann. Nach einiger Zeit meldet die Maschine dann:

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einen Erfolg oder wie bei der echten Schatzsuche realistischerweise oftmals ein „leider NEIN“. Ob die Krennwurzn schon ein Goldnugget gefunden hat? Naja man muss ja nicht alles preisgeben ?

Stellt man Tiefe = “0” ein, dann erfolgt eine Daueranalyse der aktuellen Stellung, welche die gespielten Hauptvarianten ausschließt.

Auch diese Funktion erklärt Matthias Wüllenweber in einem Video selbst:

Video “Neuerungen schürfen”
Sprache Deutsch – Dauer 7:07


Die neue Partienotation: Faltung und Partieverweise

Wer sich schon mal von Robert Hübner kommentierte Partien angeschaut hat, der hat sich diese Neuerung schon lange gewünscht. Endlich bekommt man ein Werkzeug an die Hand um große Variantenbäume beherrschbar und übersichtlich zu halten. Aber wie so oft sagt ein Bild mehr als tausende Worte …

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So sah das alt aus und das kann natürlich weiterhin so haben, wenn man möchte, aber mir gefällt das neu wesentlich besser:

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Aber nicht nur beim Nachspielen ist das sinnvoll, sondern auch wenn man später einmal eine kommentierte Partie überarbeiten möchte. Zudem kann man in der Eröffnungsphase Partiereferenzen einfügen lassen. Diese Funktionalität hat wohl nicht nur der Krennwurzn schon lange gefehlt bei ChessBase!

Benachrichtigungen zur Eröffnungstheorie (live) und neue Eröffnungskommentare

Jede Partie enthält per Definition eine Neuerung – naja fast jede, denn es gibt gewollte und ungewollte Zugdubletten. Wirklich interessant ist aber oftmals gar nicht die Neuerung an sich, sondern die Genese derselbigen. Kann eine Neuerung eine Änderung der Zugfolge einer Eröffnung beeinflussen? Wird ein Nebensystem durch die moderne Top-GM Praxis plötzlich zur eigentlichen Hauptvariante? Warum ist die am häufigsten gespielte Variante nicht die stärkste und auch nicht zwangsläufig jene mit dem besten Score, usw… Dies will ChessBase 16 nun erkennen und kommentieren – lassen wir hier wieder Matthias Wüllenweber selbst zu Wort kommen.

Video “Eröffnungskommentare”
Sprache Deutsch – Dauer 8:24

Zugang zu dieser Funktion findet man via Taktische Analyse, Brettfenster -> Report -> Neuerung markieren, Partienliste -> Analyse -> Neuerung markieren und etwas nervig, aber trendig und absolut aktuell als Benachrichtigungen im Windows 10 Info Center.

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Hier weist ChessBase darauf hin, dass Schwarz in letzter Zeit mit 6... De7! Wesentlich erfolgreicher ist als mit dem weitaus häufiger gespielten 6... Ld6. Da ich mir sicher bin, dass manche allergisch auf sich öffnende Fenster reagieren, sollte ChessBase diese Benachrichtigung deaktivierbar machen.

Livedatenbanken: Theorie, Taktik, laufende Turniere

In der Ordneransicht links im ChessBase Hauptfenster gibt es einen neuen Eintrag „Live“.

CB16 09„Taktik“ liefert einfache Taktikaufgaben aus den laufenden Livepartien – oft unmittelbar nach Partieende. „Neuerung“ liefert serverseitig aktuelle theoretische Trends aus den Livepartien der letzten Tage. Rechts von diesen beiden gesetzten Datenbanken findet man die aktuell am Server übertragenen Liveturniere. Eine sehr gute und schnelle Zugriffsmöglichkeit, der aber noch ein paar Killerfeatures wie Livetabelle oder Spielersuche fehlen – aber was nicht ist, kann ja noch werden.


Suche nach typischen Taktikstellungen in einer Eröffnungsvariante

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Geht man im Brettfenster auf Report, so ist wie bisher auch „Ähnliche Taktik“ etwas stiefmütterlich ohne eigenes Icon wie in den Vorversionen auch, aber doch mit einer verbesserten Funktion zu finden. Der User kann nun umfangreichere Einstellungen treffen und das Suchergebnis wird dann in eine Datenbank als Trainingsstellungen geschrieben. Allerdings ist die Suche nach Taktik sehr langsam, weil die Ergebnisse noch mit der Engine kontrolliert werden müssen. Hier zeigt sich allerdings eine generelle Schwachstelle von ChessBase: man setzt vielleicht aus Angst vor dem Fortschritt immer auf Neuberechnung und lässt das Rad immer wieder neu erfinden. Das vergeudet Zeit und auch reale Energie!! Bei „Let’s check“ sind Unmengen an Informationen mit unterschiedlicher Rechentiefe gespeichert, werden aber nicht genutzt. Denn eine minutenlange Suche vor ein paar Monaten mit einer entsprechenden Tiefe ist mit hoher Wahrscheinlichkeit besser als eine Maschine wenige Sekunden oder noch kürzer neu rechnen zu lassen – da könnten noch viele kostenfreie Synergienuggets gehoben werden und das nicht nur bei dieser Funktion.

Neuer Chat auf Playchess inklusive Video/Audio für Vereins- und Turnierräume

Der Chat auf Playchess war anfangs eine sehr beliebte Funktion, denn das gab es damals anderswo nirgends in dieser modernen Form. Allerdings gab es anfangs viele technische und moderatorische Einschränkungen, welche die User nicht goutiert haben und es wurde dann lange still im und um den Chat – fast glaubte man er sei seitens der Programmierer in einen Dornröschenschlaf gefallen. Nun mit Version 16 startet nach langer Zeit ein zaghafter Versuch den Chat wieder wachzuküssen. Er wurde optisch modernisiert und klarer strukturiert, wie wir es vom Smartphone kennen. Zudem werden Chats vor dem Einloggen nachgespielt, damit man sich schnell ein Bild machen kann, was aktuell gerade diskutiert wird. Zusätzlich wurden zwei interaktive Funktionen neu eingefügt: Man kann Stellungen und Varianten zu einer laufenden Partie chatten, was die gemeinsame Analyse erleichtern soll.

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Hat der Zuschauer ebenfalls das neue Programm gekauft – haben Sie das schon getan oder lesen Sie immer noch – dann kann er auf diese Stellung oder Variante im Chat klicken und diese dann Zug für Zug auf einem Hilfsbrett nachspielen. Außerdem kann man via Rechtsklick im Chatfenster die Hintergrundfarbe ändern.

In privaten Vereinsräumen oder Turnierräumen, kann man mit entsprechender Hardwareausstattung Audio- oder Videochat verwenden – eine nette Alternative zum Vereinsabend in Coronazeiten bietet sich hier an.

Dazu gibt es ein Video vom zuständigen Programmierer Jeroen Van Den Belt

Video “Neuer Chat”
Sprache Deutsch – Dauer 6:35

Spielstärkeeinschätzung mit der Zentibauernverlust-Analyse (CPL)

Zur Messung von taktischer Genauigkeit und als Indiz möglicher Computerhilfe hat sich die Zentibauernverlust-Analyse CPL (centipawn loss) eingebürgert und wird von vielen Seiten verwendet. Der Zentibauernverlust wird folgendermaßen ermittelt: Wer aus Sicht einer Engine einen Zug macht, der schlechter als der beste Enginezug ist, erleidet mit diesem Zug einen Zentibauernverlust. Das ist der Abstand des gespielten Zugs zum besten Enginezug gemessen in Zentibauern, weil Enginebewertungen bekanntlich in Bauerneinheiten dargestellt werden. Mittelt man diesen Verlust über die gesamte Partie, so erhält man eine Abschätzung für die taktische Präzision der Züge. CPL weist zwar eine gewisse Korrelation mit der Spielstärke auf, schwankt aber doch sehr, sodass auch Werte unter 10 in einer Einzelpartie keinesfalls als Cheatingbeweis taugen, denn sogar schwache Spieler können solche Werte in ruhigen, positionellen Partien problemlos erreichen. Aussagekräftige Werte ergeben sich nur aus höheren Partienzahlen und sind wir dann bei den praktischen Problemen angekommen: das Analysieren von höheren Partiezahlen kostet wahnsinnig viel Zeit und so würde ich empfehlen diese Funktion nicht zum Erkennen von Cheating zu verwenden, sondern um einen Blick auf die eigenen Partien und Fehler zu werfen. Folgende Informationen werden in die einzelne Partie gespeichert:

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Ehrlicherweise muss man sagen, dass hier andere Anbieter in der Umsetzung und optischen Aufbereitung der Daten ChessBase weit voraus sind und ich die aktuelle CPL bei ChessBase 16 nur als Anfang in den Einstieg in die statistische Auswertung eigener Partien werten kann und hoffe, dass spätere Versionen oder sogar schon Updates hier mehr und bessere Informationsaufbereitung bieten.

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Da muss noch viel nachgebessert werden, da liegt noch viel Arbeit vor ChessBase und da ist man der Konkurrenz meilenweit hinterher. Aber die können das schon schaffen ?!

Erkennung von PGN-Downloads

Eine witzige Arbeitserleichterung oder doch etwas Nerviges? Läuft ChessBase 16 und man lädt eine PGN-Datei herunter, dann wird die automatisch in ChessBase geöffnet. Aktuell funktioniert da noch nicht für FEN – aber vielleicht findet das auch noch via Update ins Programm. Vielen wird die Funktion gefallen, aber manche könnte es auch stören und daher wäre auch hier eine Option zum Abschalten für die Puristen nicht schlecht und wohl auch nicht zu aufwendig.
Viele kleine Verbesserungen

Bei Raytracing gab es ein paar kleine Änderungen. In der letzten Version wurde das noch als Neuerung angepriesen, aber es ist für viele User maximal eine schöne Spielerei. Leider nutzt ChessBase hier nicht die Möglichkeiten, die teurer Highendgrafikkarten ermöglichen würden, aber das hat den Vorteil, dass man mit etwas Geduld auch auf einem schwachen Rechner mal ein Bild oder eine kurze Videosequenz erstellen lassen kann. Aber lassen wir dazu nochmal den zuständigen Programmierer Jeroen Van Den Belt zu Wort kommen.

Video “Raytracing”
Sprache Deutsch – Dauer 8:25

Eine nette Neuerung versteckt sich beim Entkommentieren von Datenbanken.

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 Konnte man bisher nur wählen, ob man den Kommentar zum letzten Zug erhalten möchte, kann man nun eine Vielzahl von Optionen checken.

Natürlich gibt es noch weitere Funktionen in ChessBase 16 zu entdecken, aber die Krennwurzn interessiert sich nicht für alle Funktionen oder aber sie hat diese schlicht und einfach übersehen.

Gibt’s auch was zu meckern?

Könnte die Krennwurzn als gelernter Österreicher – ja sogar OBERösterreicher - nicht raunzen, müsste man sich wirklich große Sorgen machen. Aber keine Angst kein menschliches Werk wird jemals perfekt sein, denn sogar die Krennwurzn scheitert täglich oder sekündlich an der Perfektion.

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Perfekt hingegen ist nur die Ungeduld der Krennwurzn und obwohl die Hamburger laufend an der Datenbankgeschwindigkeit schrauben, ist diese immer noch nicht schnell genug um Ergebnisse in Krennwurznwunschgeschwindigkeit zu liefern. Dennoch habe ich mit Blick auf die Parallelisierung und den Taskmanager das Gefühl, dass hier noch immer sehr viel Luft nach oben vorhanden wäre.

Fazit der Krennwurzn

CB16 ist eine konsequente Weiterentwicklung der Vorgängerversionen mit ein paar wirklich netten Neuerungen, und zeigt, dass sich die Hamburger tagtäglich neue Gedanken über Schach und Schachdatenbanken machen.

Was mir neu gut gefiel:

+ Eröffnungsübersichten und mit Suchtpotential
+ Neuerungen schürfen (Novelty Mining) im LiveBuch
+ Suche nach typischen Taktikstellungen in einer Eröffnungsvariante
+ Die neue Partienotation: Faltung und Partieverweise (endlich)
+ Livedatenbanken: Theorie, Taktik, laufende Turniere
+ Neuer Chat auf Playchess mit Video/Audio
+ Kleine Verbesserungen und
+ wenig optische Veränderungen zur Vorversion

Was mir noch fehlt:

- Vereinigung von ChessBase und Fritz GUI (Grafische Benutzeroberfläche)
- oder zumindest ein einheitliches Aussehen im Übertragungsbereich
- Zusammenstutzen und Vereinheitlichung des Angebotes (Jäten)
- Schreibweise verbessern und Spielerlexikon haben auch noch Potential
- individuelle Anpassungsmöglichkeiten in der Ribbon Button Leiste
- Übersicht über alle Einstellungen, Abos, ... in einem Report (html)
- Zentibauernverlust-Analyse (CPL) userfreundliche Aufbereitung
- Besseres Ausnutzen der schon gespeicherten Informationen
- Firmeneigenes Supportforum

Und dennoch bitte nicht vergessen – aber sie werden es ja schon gemacht haben und nicht hier sinnlos Zeit vertrödelt haben:

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Corona nervt und Weihnachten steht vor der Tür,
also gönnen Sie sich was für sich und Ihr Hobby!

Ein ehrliches Wort zum Abschluss: oft wird die Krennwurzn gefragt: ich habe ChessBase Version xy soll ich auf die neue Version update. Haben Sie ChessBase 11 oder früher in Verwendung lautet meine Antwort UNBEDINGT JA. Ab ChessBase 12 lautet die Antwort auch immer JA, aber es gibt zwei Einschränkungen: Ihnen geht es wirtschaftlich gerade nicht so gut oder Sie haben keine Freude an etwas Neuem. Denn wie eingangs gesagt: Fast niemand braucht ChessBase 16 wirklich, aber es ist für viele eine persönliche Freude und damit ein Geschenk an sich selbst! Ja und Programmierer möchten ihren Lieben auch das eine oder andere Päckchen unter den Weihnachtsbaum legen können – auch in diesen schwierigen Coronazeiten.

Systemanforderungen ChessBase 16 – Herstellerangaben

Minimum: Dual-Core, 4 GB RAM, Windows 7, DirectX11 Grafikkarte mit 256 MB RAM, DVD-ROM Laufwerk, Windows Media Player 9 und Internetverbindung (Aktivieren des Programms, ChessBase Cloud und Updates).

Empfohlen: PC Intel Core i7, 2.8 GHz, 16 GB RAM, Windows 10, DirectX11 Grafikkarte (oder kompatibel) mit 512 MB RAM oder mehr, 512 GB SSD, Windows Media Player, Adobe Flash Player (Live-Übertragung), DVD-ROM Laufwerk, Full-HD Monitor und Internetverbindung (Aktivieren des Programms, ChessBase Cloud und Updates).

Internet: Info und Shop www.chessbase.de

Kleingedrucktes (nicht lesenswert)

Lob, Geschenkkörbe, Weinflaschen und Sympathiebekundungen per Email an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kritik, Beschwerden, Unmutsäußerungen bitte nur an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! – aber bitte nur bezüglich des Programms, nicht aber über die Krennwurzn – dafür können die Hamburger nun wirklich nichts!

Ich lege auch eine pdf-Version zum Download bereit – wer ganz erzürnt ist, bitte ausdrucken und ganz genüsslich ganz heftig klein zerreißen und dann gemütlich hinsetzen und ein gutes Glas österreichischen Rotwein trinken! Und natürlich CB16 mit Genuss und dem guten Gefühl kaufen, dass die Krennwurzn keinen Cent Provision erhält!

Danksagung

An jene Leser, die es so weit geschafft haben und noch nicht eingeschlafen sind!

Und zu guter Letzt an ChessBase Hamburg für die Bereitstellung der Betaversionen und der Geduld mit der Krennwurzn!

Und das Logo in voller Größe, denn das ist wirklich geil!

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Früher – ja da war alles besser – war Betrug einmal eine schwerwiegende Angelegenheit und wurde heftig diskutiert. Es ging aber nicht so sehr um einzelne Züge, sondern es ging um Absprachen oder präziser um die mögliche Existenz von Absprachen zu Gunsten des Einen und zu Ungunsten des Anderen. Dem geneigten Leser werden hier Interzonenturniere und dergleichen mehr einfallen. Die eingesagten Züge von stärkeren Spielern gab es zwar auch, aber die waren mit dem Risiko des Nichtverstehens der Idee verbunden oder sie waren doch nicht so stark wie erhofft.

Heute ist alles viel, viel leichter und locker geworden. Der Betrug oder Cheating wie man es im Onlineschach nennt, hat eine unerträgliche Leichtigkeit entwickelt und die Züge sind gegen menschliche Gegner nahezu immer ausreichend und sicher. Es wird zwar ebenfalls heftig – teilweise in Ermangelung von Argumenten persönlich und untergriffig – diskutiert, aber niemand versucht ernsthaft die Probleme zu analysieren und dann nach brauchbaren und haltbaren Lösungen zu suchen, denn die für jeden passenden reflexartigen Antworten sind verführerisch einfach.

Der Mythos, dass Cheater Computerexperten und Mausakrobaten erster Klasse sein müssen, gilt schon lange als gebusted, denn jeder der ein Programm installieren kann und schneller lesen kann als Varianten berechnen, kann ganz leicht betrügen. Die entsprechenden Tools findet man im Internet und wer sich in die Tiefen des Darknets begibt, findet dort nahezu unzählige Tools – viele davon mit mehr oder besseren Verschleierungsfeatures. Also Cheaten ist leicht – wirklich unerträglich leicht und für das schicke nebenbei cheaten gibt es noch das Smartphone. Wer cheaten möchte, kann dies leicht und ohne Anstrengung machen – herrlich.

Klar, dass dies eine andere Fraktion auf die Palme trieb und diese nennen wir sie uncharmant „Cheating Paranoide“ reagierte anfangs sehr verstört auf obige Erkenntnisse und versuchten diese zu negieren. Aber als dies scheitern musste, entwickelte man umgehend eine ebenfalls unerträgliche Leichtigkeit in der Problemlösung: Anticheatingalgorithmen! Schon in den Nullerjahren wurden diese Programme in den Himmel gelobt und da man heute über viel mehr Daten verfügt und zudem ganz modern KI (Künstliche Intelligenz) zum Einsatz kommt, wurden sämtliche Zweifel, die es methodisch zwingend geben sollte, schnell über Bord geworfen. Unschuldsvermutung und Rechte der Beschuldigten werden mit einer unerträglichen Leichtigkeit ignoriert – und dass es bei so einer hohen Zahl an Beschuldigten eine zwar geringe Anzahl an „false positive“ geben müsste, wird mit dem Satz „Wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, der braucht keine Strafe zu fürchten“ schnurstracks ignoriert, denn der Hass auf die Cheater vernebelt jegliche Objektivität und lässt Zweifel an der Leichtigkeit erst gar nicht aufkommen.

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Die unerträgliche Leichtigkeit hat sich auch auf die Serverbetreiber übertragen – wurden früher Cheater mit martialischen Worten (Computerbetrug, Sportbetrug, usw.) zwangsgeoutet, was in wenigen Fällen zu juristischen Problemen für die Server führte, so hat man viel Kreide gefressen und viel mildere Worte gefunden: Schutzsperren, Disqualifikation in einem Turnier ohne weitere Konsequenzen und wenn es gar nicht anders geht, werden Accounts wegen Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen reklamtionsschonend geschlossen. Vorbei die Zeiten als man hasstriefende Artikel über die Abartigkeit der Cheater lesen musste, weil die Serverbetreiber rasch erkannt haben, dass zwar zu viele Cheater geschäftsschädigend sind, aber zu viele „false positives“ ein ebensolches rufschädigendes Potential haben. Aus gut informierten – aber nicht bestätigten – Quellen hört man rauschen, dass Serverbetreiber bei Reklamationen wegen Cheatings sehr unnachgiebig und auch sehr wortkarg reagieren, aber andererseits bei Einbringung einer Klage sofort den Vergleichsweg beschreiten und Verschwiegenheit vereinbaren, weil Urteile über die Anticheatingalgorithmen und die Rechtmäßigkeit der Eingriffe in die Endgeräte der User und deren Daten von unabhängiger Gerichten könnte die unerträgliche Leichtigkeit etwas trüben.

Am Ende bleiben die Verbände übrig, die bei diesem Thema ebenfalls die unerträgliche Leichtigkeit des Wegsehens praktizieren indem sie den Serverbetreibern ihre Blackbox Cheatererkennung einfach als Privatangelegenheit überlassen. Ist es im Sportbetrug (Doping) üblich, dass Methoden von den Verbänden geprüft und freigegeben werden müssen, bevor sie angewendet werden dürfen, so zeigen weder nationale noch internationale Verbände ein Schutzinteresse der unter ihrer Flagge spielenden Personen.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Cheatings ist einfach zu bequem – und jeder findet seine Wohlfühlecke ohne Anstrengung … wir leben im Paradies – vergessen wir doch die paar Wenigen, die wirklich komplett unschuldig des Betrugs bezichtigt wurden und werden! Außerdem kennt ja nur der „false positive“ mit 100%iger Sicherheit sein Schicksal und zudem kann man die definitionsgemäße Unschuld eines „false positive“ in Zeiten von fake news und Verschwörungstheorien auch noch anzweifeln.

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Das Schielen auf Elozahlen, nur der Gewinn zählt, usw … das wären die Punkte wo man gegen Cheating ansetzen müsste. Die Freude am Spiel, an der eigenen Leistung und auch die simple Erkenntnis, dass niemand eine Partie gewinnen kann ohne, dass ein anderer diese verliert, usw. würden der Schachwelt mehr helfen. Wäre diese Leichtigkeit wirklich unerträglich schwer zu erreichen?

Im Editorial des ChessBase Magazin 189 vom Mai 2019 schrieb der Autor Andre Schulz unter der Überschrift „Respekt!“ folgende Anfangszeilen:

Schach ist ein überaus schwieriges Spiel, wie jeder weiß, der sich damit einmal intensiv auseinandergesetzt hat. Schachmeistern oder Großmeistern wurde früher deshalb ein großes Maß an Respekt entgegengebracht. Die Besten der Besten erhielten sogar das Etikett „Genie“, was vielleicht etwas übertrieben war. … Nur: Der Respekt ist verloren gegangen.

Und ergießt sich dann weiter in Klagen über die ach so respektlosen und ungeschrieben dummen User und dass früher sowieso alles besser war – sogar die Zukunft des Schachs. Die Schuldigen sind schnell ausgemacht: es sind die Computer mit ihren Schachprogrammen, die die romantisch verklärten Maschinenstürmer so in Rage versetzen. Denn der eloschwache – so die rein schachuniverselle Sichtweise – und damit nichtgeniale, unverantwortliche (unausgesprochen dumme) Anwender der Engine beleidigt das „Genie am Brett“ durch simples Verlesen der Enginebewertung.

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Nun geht der Krennwurzn schon beim Lesen des Wortes „Respekt“ gerne die Hutschnur hoch, aber beim Lesen jenes Editorials entschwand die Hutschnur fast der Erdanziehungskraft - daher dauerte es so lange bis die Krennwurzn diesen Artikel schreiben konnte. Es ist zwar sehr verwunderlich, dass ein langjähriger Mitarbeiter einer Firma die Schachsoftware verkauft, die Verwendung derselben einen Großteil der Kundschaft faktisch untersagt, weil sie einfach nicht genug von Schach versteht. Aber das ist nicht das wirkliche Problem hinter diesem romantischen aber total veralteten und schon längst überholten Gedankengängen.

Schachtheoretisch unstrittig ist, dass es für eine Schachstellung genau genau EIN definiertes Ergebnis bei bestem Spiel gibt: Remis, Weiß gewinnt, Schwarz gewinnt! Eine simple Erkenntnis daraus ist, dass Schach keine Kunstform sein kann, denn künstlerische Freiheit – das Hinwegsetzen über Grenzen – existiert im Schach einfach nicht. Die nächste Erkenntnis ist nicht gesichert, aber es mehren sich die Zeichen, dass die Grundstellung REMIS sein könnte. Bei aller Problematik zeigt sich beim Alphazero Experiment, dass Alphazero nur mehr um die 2% der Partien verlor hat – dies und auch die Erkenntnisse aus dem Fernschach lassen uns – mit einem Restrisiko – vermuten, dass Schach sehr wahrscheinlich theoretisch Remis sein könnte.

Da werden die Romantiker selbstbestätigend aufschreien, denn schon der dritte Weltmeister der Schachgeschichte José Raúl Capablanca (1921–1927) war überzeugt, Schach werde seinen Reiz verlieren, wenn künftig aufgrund der hohen Spieltechnik der Schachmeister die meisten Partien remis enden werden und prognostizierte den „Remistod“ des Schachspiels. Um diesen zu verhindern wurden unzählige mehr oder minder interessante Vorschläge gemacht – einer davon das Chess960 oder Fischerschach benannt nach dem unvergesslichen Bobby Fischer schaffte es sogar ins FIDE-Regelwerk. Allen gemeinsam ist, dass sie keine großen theoretischen Veränderungen mit sich bringen und den Blick auf das Wesentliche verstellen.

Das Wesentliche freigelegt haben gerade die vielgescholtenen Maschinen mit ihrer steigenden Rechenkraft. Möglicherweise noch in der Lebenszeit von vielen von uns werden die Maschinen den „Remistod“ sterben oder weniger pathetisch ausgedrückt: Schach wird so ausgehen wie es eben ausgehen muss! Konnte man in den guten alten Zeiten noch an die Genialität und Einzigartigkeit der Großmeister glauben, so ist schon seit vielen Jahren klar, dass die gesamte Schachwelt von den Maschinen beherrscht wird. Und anders als bei Asterix gilt: mit gesamt sind alle Menschen gemeint – es gibt keine Zaubertrankausnahmen.

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Ist nun das das Ende des menschlichen Schachs gekommen? Für Fernschach mit Maschinenunterstützung muss die Antwort wohl klar JA lauten, aber für die sonstigen Schachspielformen ist die Antwort ebenso eindeutig: „Nein auf keinen Fall“. Das ist die gute Nachricht die die Romantiker in ihrem Respektverlustschmerz und Maschinenhass übersehen. Denn ganz respektlos die Maschinen zeigen uns, dass

WIR ALLE AUSNAHMSLOS PATZER SIND
und nur daher ÜBERLEBEN WIR!!

Natürlich wird es immer unterschiedliche Spielstärken bei den Menschen geben, aber am Maschinenmaßstab gemessen sind wir alle in einem Boot und machen Fehler ohne Ende. Die einen noch mehr wie die anderen und diese Fehler lassen uns schachlich überleben. Galten großmeisterliche Züge früher fast als göttlich, so sind sie jetzt nicht so fehlerverseucht wie jene der breiten Masse. Ein Faktum, dass Alexander Grischuk in seiner unnachahmlichen Art angesprochen auf das Partiefurioso gegen Levon Aronian beim Kandidatenturnier in Berlin, so beschrieb: Der Computer gewinnt immer!

So paradox es auch erscheinen mag, aber unsere Unvollkommenheit rettet uns die Freude und Spannung an einem der schönsten Spiele, die der Mensch je ersonnen hat: dem Schach!!

Also trauern wir nicht dem verlorenen Respekt einer nie zu erreichenden Perfektion nach, sondern erfreuen uns am Kampf Mensch gegen Mensch – auch wenn die Maschinen uns ausnahmslos ins gleiche Boot der Patzer setzen. Sollen wir dann gleich komplett auf die Maschinen pfeifen? Nein – auch das wäre ein Fehler, denn ein kurzer Blick in die Schachgeschichte zeigt uns, dass durch die Maschinenunterstützung in Training und Vorbereitung das Feld für uns Menschen wieder viel breiter wurde und enge ausgetretene und oftmals fade Theoriepfade keineswegs Pflicht sind.

Und korrigieren wir alte, aber oftmals falsche Denkmuster aus der Zeit der Anbetung der Schachgrößen. Als Beispiel möchte ich den „besten Zug“ mitsamt seiner konstruierten Erklärung in einer Stellung heranziehen. Einzige Züge gibt es zwar, sie kommen aber in einer praktischen Partie gar nicht so gehäuft vor, wie man uns zu glauben macht. In vielen Stellungen gibt es mehrere – oftmals sehr viele - Züge, die das Ergebnis der Partie theoretisch nicht abändern – egal ob das jetzt eine Remis- oder Gewinnstellung ist. Aber in unserer elohierarchischen Denkweise kann es nur DEN EINEN Zug geben, der in einem Buch steht, den ein Großmeister einmal vorgeschlagen hat oder auch der an erster Stelle einer Enginebewertung steht. Liebe Schachfreunde das ist einfach zu erkennender Unsinn, der oftmals nur beweist, dass der andere ein besserer Schachspieler ist, aber nicht mehr. Schach ist viel bunter als man anzunehmen wagt und all unsere menschlichen Erklärungsversuche können nicht perfekt sein!

Denn ausnahmslos ALLE Menschen machen Fehler und das ist gut so! Und daher müssen wir beim Zusehen als Fans mit Maschinenunterstützung akzeptieren, dass unsere geliebten und angehimmelten Stars „Fehler“ machen werden und müssen! Wir dürfen nämlich nicht nur deren Genialität bewundern, sondern müssen vor allem deren menschliche Fehlbarkeit respektieren!

Was können wir für unser persönliches Schach auf jeglichem Niveau aus diesen Erkenntnissen lernen: Nun sehr einfache Regeln: Vermeide Fehler, die Dein Gegner – nicht die übermächtige Engine – sehen und bestrafen könnte und versuche Fehler Deines Gegners als solche zu erkennen und mit Deinen Mitteln zu bestrafen. Und vergiss nicht auch Super-Großmeister finden so manches Matt in 35 nicht und remisieren objektive Gewinnstellung oder noch schlimmer! Aber bei allem Respekt – wo ist da das Problem? Wir müssen uns nur unserer kollektiven Fehlbarkeit bewusst werden und uns nicht romantischen Träumen und Unterwürfigkeiten aus längst vergangenen Zeiten hingeben!

Maschinen sterben den Remistod - Hurra wir Patzer überleben! Nutzen wir die neue Freiheit, die uns die Maschinen aufgezeigt haben und erfreuen uns am kollektiven Patzen nicht nur bei den anstehenden Weihnachtsturnieren – sondern ewig darüber hinaus.

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Und vergessen Sie nicht – niemand ist unfehlbar … Auch unsere Superhelden der Vergangenheit und Gegenwart nicht, „Entschuldigung“ Sie auch nicht lieber Leser und die Krennwurzn schon gar nicht.

Montag, 11 November 2019 22:59

Diese Wüllenwebers (Folge 17 – FAT ROCKY)

Alle zwei Jahre wieder kommt in der Vorweihnachtszeit in der hanseatischen Telenovela „Diese Wüllenwebers“ ein Sohn namens Fritz auf die Welt und bekommt einen Rufnamen damit man die Söhne unterscheiden kann. 2017 erblickte Fritz 16 „Vincent aus Goch“ das Licht der Welt. Zwar kam er mit kompletten Ohren ausgestattet auf die Welt, war aber gegen die immer brutaleren Schachengines ein blasser, wenn auch kunstliebender Schwächling als Gegner. Diese Brutalos tragen sogar oftmals das ZERO – also das was sie dem Gegner vom Punktekuchen überlassen wollen – im Namen.

Der schon in Würde ergraute Bruder „Dieb Edi“ – der letzte Weltmeister der Familie Wüllenweber - warf nun ein, dass man es doch einmal mit einem anderen Ansatz versuchen sollte und die Familie Wüllenweber stellte die Ernährung und das Fitnessprogramm komplett um. Und da man in der heutigen Zeit alleine eigentlich keine Chance mehr auf Erfolg hat, sondern ein starkes Team für diesen braucht, holte man sich auch das „Open Source Project LCZero“ mit an Bord.

Und so erblickte Fritz 17 „FAT ROCKY“ das Licht der Welt um endlich wieder im Konzert der ganz Großen mitspielen zu können. Die Fans warten schon gespannt, ob „FAT ROCKY“ zuerst Prügel wie verrückt bekommt und am Ende dennoch überraschend siegen wird…

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Um FAT Fritz zu entfesseln muss man ordentlich in die Hardware investieren. Um die KI Funktionalität voll nutzen zu können, braucht man eine Grafikkarte von NVIDIA mit RTX-Turingchip (ab RTX 2060 – besser RTX 2080). Finanziell bewegt man sich da bei 500 Euro aufwärts für die Grafikkarte, muss aber bedenken, dass diese 250 Watt zusätzlich vom Netzteil zieht und daher auch das Netzteil des Computers etwas stärker sein sollte und auch das Gehäuse entsprechend geräumig, um die Karte unterzubringen und vernünftig kühlen zu können.

Neuronale Engines verlangen auch nach einer neuen Bewertungsanzeige, denn obwohl die Stellung nur 1,0 oder = sein kann, können auch die modernsten Engines auf den stärksten Computersystemen diese Information nicht mit definitiver Sicherheit bereitstellen und müssen daher logischerweise Wahrscheinlichkeiten ausgeben, die ChessBase wie folgt aufbereitet:

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 Die Krennwurzn ist noch nicht sicher, ob sie sich so einen „Zecherlwärmer“ leisten sollte oder doch lieber schön brav CO2-sparsam durch die Schachwelt (blind)schleichen sollte. ChessBase hat sich wohl still und heimlich vom Engineautor Vasik Rajlich getrennt, liefert aber eine neue herkömmliche Engine von Frank Schneider mit Fritz 17 aus. Selbstverständlich kann man auch den klassischen Stockfish (ebenfalls im Lieferumfang enthalten) und jede andere UCI-taugliche Engine ohne neuronale Netze verwenden wie bisher.

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In meinem Beta-Paket war die FAT FRITZ Engine nicht dabei und daher kann ich zur tatsächlichen Spielstärke nichts sagen. Persönlich finde ich Spielstärken von Engines nur mehr mäßig interessant, aber das ist ein anderes Thema.

Leider gibt es aber noch einen zweiten Grund für die RTX. ChessBase hat die 3D Raytrace Ausgabe überarbeitet und nun wird im Gegensatz zu CB 15 die Berechnung direkt durch die Grafikkarte unterstützt, was wohl viel schneller und besser funktionieren dürfte. Naja Weihnachten steht vor der Tür und die Krennwurzn – das wissen Sie ja -ist dem Genuss nicht ganz abgeneigt.

Was gibt es noch Neues? Konnte man bisher Eröffnungsrepertoires und -bäume erstellen, so wurde diese Funktion jetzt um eine webbasierte Onlineversion ergänzt. Mit dem eigenen ChessBase Account kann man sich auf der Webseite mymoves.chessbase.com einloggen und damit auch ohne Computer und Fritz 17 trainieren und arbeiten.

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Die Gedächtnisleistung der Krennwurzn wurde vom System korrekt erkannt und auch dass sie undrillbar oder korrekter unbelehrbar ist, könnte man herauslesen. Eine Neuerung dieser Funktion ist, dass nun fertige Repertoires in mehreren Stufen mitgeliefert werden und man sich nicht die Mühe machen muss, selbst etwas zu erstellen, sondern ganz einfach mal etwas in einer Eröffnung schnuppern kann.

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Wie so oft bei ChessBase in den letzten Jahren kommen neuere Funktionen dazu, aber niemand findet den Mut alte, nicht mehr so aktuelle Funktionen zu streichen. Dies führt gerade hier im Eröffnungsbereich zu einer Userverunsicherung und -überlastung. Schön ist, dass das eigene Repertoire im Livebook individuell hervorgehoben wird. Der Farbcode - „Blau = Zug gehört zu Ihrem Weißrepertoire; Grün = Zug gehört zu Schwarzrepertoire; Türkis = Zug wird mit beiden Farben gespielt – ermöglicht ein schnelles erkennen, ob eine Partie eröffnungstheoretisch für den User interessant sein könnte.

Zusätzlich kann man mit der Drillfunktion sein Eröffnungswissen vom Programm abprüfen lassen und damit erlernen – eine schöne Funktion, aber leider liefert ChessBase nicht die dafür nötige Zeit mit. Die Funktionalität steht natürlich auch ganz klassisch unter der Fritz 17 GUI zur Verfügung, aber die Daten werden zeitgeistlich in der Cloud gespeichert. Leider ist die Editierbarkeit noch nicht ganz so leicht, wie man sich das als User wünschen würde. Aber was nicht ist, kann ja noch kommen – ChessBase liefert ja laufend Updates für die Produkte und Services.

Eine weitere Neuerung ist „Blitz & Train“. Man kann aus den eigenen am Server gespielten Partien Trainingsfragen generieren lassen und so eigene oder auch fremde Fehler in den Partien sichtbar machen. Diese Funktion kam relativ spät dazu und steckt daher noch etwas in den Kinderschuhen wie folgendes Beispiel wohl am besten zeigt:

2019FF 06 

Die Aufforderung an Schwarz Matt zu drohen ist schon etwas skurril, denn die Drohung Dxf2 mit folgendem Matt ist ja schon am Brett und wird durch den Lösungszug …Tf7 bei wohlwollender Sichtweise nicht aufgehoben, sondern nur erneuert. Abgesehen von diesen kleinen Kinderkrankheiten ist die Funktion ganz hilfreich, denn man kann schnell und einfach aus den eigenen Partien ein individuelles Taktiktraining generieren: und Training schadet bekanntlich auch dem größten Talent nicht.

Natürlich wurden an vielen anderen Stellen des Programms kleine oder größere Verbesserungen vorgenommen, das würde aber den Rahmen dieses kleinen Überblicks sprengen und wenn Sie schon alles lesen könnten und würden, dann verlören Sie ja die Freude am Entdecken.

Was ist schlecht am neuen Fritz 17 und was fehlt? Traditionell nervt angestammten ChessBase User wie die Krennwurzn nun mal eine ist, dass manche Funktionalität bei Fritz etwas anders funktionieren als bei ChessBase. Fritz unterscheidet beispielsweise zwischen Engine und Kiebitz und das kann bei unaufmerksamer Bedienung dazu führen, dass man im Kiebitzmode verzweifelt versucht das Let’s check Fenster zu öffnen und scheitern muss, da dies nur im Enginemode möglich ist. Es gibt noch viele, viele andere Beispiele gerade im „Playchess-Mode“ auch bei Übertragungen. Eine Vereinheitlichung oder gar eine Vereinigung von Fritz- und ChessBase Oberfläche ist ein schon oft geäußerter Wunsch der Krennwurzn und ich bin mir sicher, da stimmen viele andere User auch zu.

Kann im Fritz-Universum abgesehen von manchen ChessBase Funktionen überhaupt noch was fehlen – oder gibt es gar schon zu viel? Der über die Jahrzehnte immer angewachsene Funktionsumfang ist wie schon oben geschrieben nicht immer ein Segen. Aber es ist immer leichter Funktionen zu streichen, die man selbst nicht verwendet, aber man vergisst dabei leicht, dass es User geben könnte, die genau diese Funktion schätzen und lieben.

Wirklich fehlt ein Engineerklärer. Wenn man ganz unromantisch ehrlich zu sich selbst ist, dann spielt die Stärke einer Engine keine große praktische Rolle mehr. Nicht nur für uns Patzer – und wir sind die zahlende Mehrheit der Schachwelt – sondern auch schon für die Topspieler sind die Maschinen mit ihren Erkenntnissen uns Menschen schon längst uneinholbar enteilt. Daher brauchen wir eine neue Enginebewertung! Nicht nur weg von den altbewährten aber oftmals wenig aussagekräftigen Bauerneinheiten zu Gewinnwahrscheinlichkeiten oder genauer zu Ergebnisvorhersagewahrscheinlichkeiten (1,0 oder = mit welcher Wahrscheinlichkeit). Da diese Information aber für uns Menschen auch nicht wirklich ausreicht, bräuchten wir eine Wahrscheinlichkeitsangabe dafür, dass ein Mensch den „Maschinenzug“ noch finden und vor allem verstehen kann.

Fehlt uns so ein Werkzeug, so werden wir als Fans immer hilflos aufheulen, wenn „unser Star“ den gewinnbringenden, rettenden, usw…binnen Sekunden aufpoppenden Enginezug nicht spielt. Da wir logischerweise nicht das Schachverständnis der Topleute haben können, brauchen wir Anhaltspunkte, was diese Leute noch sehen könnten und was einfach jenseits der menschlichen Leistungsfähigkeit liegt. Hier könnten uns statistische Methoden, die auch zur Cheatererkennung eingesetzt werden im Zusammenspiel mit starken Engines sicherlich helfen, denn Engines sind Werkzeuge und der Mensch hat schon immer Werkzeuge genutzt! Denn nur immer stärkere Engines werden uns zwangsläufig immer ratloser zurücklassen.

Fazit:

Die Krennwurzn hat in den letzten Rezensionen immer ehrlich gesagt, dass man das ChessBase-Produkt nicht wirklich braucht, man es sich aber ohne schlechtes Gewissen ruhig gönnen darf und sollte! Nun diesmal möchte die Krennwurzn weitergehen:

„FAT ROCKY“ ist ein Pflichtkauf!!

Ob man in eine Grafikkarte und Netzteil investieren sollte, darüber bin ich mir selbst noch nicht im Klaren – eigentlich nicht des Geldes wegen, sondern weil ich dann doch viel Energie für eigentlich wenig Nutzen verbraten würde …

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Schaut man sich die Maximalwattleistungen guter Schach-PCs an, so liegt die meist um die 300 Watt und das würde eine 250 Watt Grafikkarte beinahe verdoppeln und ein bisher wenig ausgelastetes 600 Watt Netzteil manchmal an seine Grenzen bringen. Aber bitte nicht weitersagen –die Krennwurzn wird schon schwach werden, wenn die maximale Wattleistung der Turingchipskarten von derzeit um die 250 Watt in Richtung 150 Watt sinken werden. Und das ist gar nicht so unrealistisch wie es aktuell klingen mag …


SYSTEMVORAUSSETZUNGEN FRITZ 17 (Herstellerangaben)

Minimum (ohne Raytracing und FatFritz):
Dual Core, 2 GB RAM, Windows 7 oder 8.1, DirectX11, Grafikkarte mit 256 MB RAM, DVD-ROM-Laufwerk, Windows Media Player 9 und Internetzugang.

Empfehlung:
PC Intel i5 oder AMD Ryzen 3 (Quadcore), 8 GB RAM, Windows 10 mit 64-Bit (aktuelle Version), NVIDIA RTX-Grafikkarte mit 6 GB Speicher und aktuellen Treibern (FatFritz auf älteren NVIDIA Karten oder anderen Grafikkarten: deutliche Performanceverluste, auf CPU nur zu Demozwecken lauffähig) , Windows Media Player 11, (DVD-ROM Laufwerk) und Internetzugang.

Systemvoraussetzungen für ChessBase Account:
Internetzugang und aktueller Browser, z.B. Chrome, Safari. Für Windows, OS X, iOS, Android


Offenlegung:

Danke an ChessBase Hamburg für die Zurverfügungstellung der Betaversionen! Das finale Fritz 17 Paket habe ich mir dann selbst gekauft.

Dienstag, 29 Oktober 2019 11:27

Schwarze Doppellöcher

Oder wie zwei Schwarzspieler aus einer Gewinnstellung gerade mal einen halben Punkt nach Hause bringen? Typisch Krennwurzn werden Sie geneigter Leser denken. Entweder hat die Krennwurzn die Stellung zweimal selbst am Brett gehabt oder aber sie berichtet von einem Wald- und Wiesenturnier aus sogar Einheimischen unbekannten Orten des schönen Ösilandes.

Nein, nein – zu dieser Situation kam es beim GRAND SWISS – dem wohl stärksten Open bisher – und sie entstand auch nicht irgendwo auf den hinteren Brettern, sondern in Runde 8 auf den Bretter 7+8 sogar nebeneinander. Die Schiedsrichter haben dann nach 18. … Dh4? eine Paarung auf einen anderen Spielort verlegt, um keinerlei Verdächtigungen aufkommen zu lassen und der Hauptschiedsrichter erklärt im Interview seine Beweggründe.

 

2019Loch01

Schwarz am Zug steht nach
18. … 0-0 auf Gewinn !?

Die Weißen in den Partien GM Shirov Alexei (2664)-GM Yu Yangyi (2763) auf Brett 7 und ein Brett dahinter GM Karjakin Sergey (2760)-GM Dreev Aleksey (2662) haben gerade 18. De5(?) gespielt und die mitlaufenden Maschinen haben sofort „Blunder“ aufgeheult und 18. De3 mit relativ ausgeglichener Bewertung vorgeschlagen. Nun das alles ist im modernen Schach mit den heutigen Engines auch nichts Neues. Verlieren halt zwei Schachspieler aus identer Stellung nebeneinander eine Partie.

Beim Blick auf die Ergebnisliste kommt das erste Staunen:

2019Loch02

 

Schwarze Gewinnstellung und dann dieses Ergebnis – nur ein halber Punkt für Schwarz und sogar eine Niederlage. Wie kann so etwas sein? Im Wesentlichen gibt es zwei Erklärungsversuche – entweder konnten die Schwarzspieler das am Brett nicht ausrechnen und bewerten oder aber die Computer liegen bei wenig Bedenkzeit in ihrer Bewertung einfach falsch und wir sind Zeuge eines „Schwarzen Lochs“ geworden. Jetzt werden sicherlich einige einwenden, dass die Stellung relativ unbekannt ist und die Spieler nicht alles wissen können. Das stimmt natürlich im Allgemeinen, aber ein Blick in die Datenbanken zeigt die Partie Karjakin,Sergey (2762) – Yu,Yangyi (2721) 1-0 FIDE World Cup 2015 Baku mit folgender Stellung:

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Wenn hier Schwarz hier mit Se4 De5 0-0 fortsetzen würde, dann wäre das tatsächlich schlecht. Weiters zeigt uns die Datenbank noch die Partie aus dem gleichen Jahr Lu,Shanglei (2606) - Yu,Yangyi (2723) Xinghua mit Remisausgang. Die Variante ist als nicht unbekannt und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Stellungstypen noch auf keinem Rechner waren scheinen gering. Also haben wir nach 18. … 0-0 ein „Computerloch“ am Brett, dass entweder die Maschinen oder die Menschen mit längerer Bedenkzeit und Vorbereitung spektakulär widerlegen können?

Die Krennwurzn hat mal den eigenen Computer und die Engines Houdini und Stockfish etwas gequält:

2019Loch03

Und dann sogar noch den eigenen Kopf etwas angestrengt und viele Probleme und taktische Finten in der Stellung gefunden, aber auch mit Rechnerhilfe konnte ich keine Widerlegung finden. Die Schachpresse hat sich der Stellung auch nicht angenommen und so blieb die Krennwurzn naturgemäß etwas ratlos zurück. Schachlich ist die Krennwurzn 100%ig zu schwach und auch der Computer ist zwar ok, aber kein Killergerät. Und da kam der Krennwurzn die rettende Idee: warum nicht SESSE fragen?

SESSE so nennt man in der Schachwelt den norwegischen Supercomputer, der gerne und oft die Partien von Magnus Carlsen begleitet und Superanalysen liefert. Und ja, die Krennwurzn kann mit Computern sprechen. Nein – natürlich nicht. Sesse ist eigentlich der Nickname - oder Spitzname wie man früher zu sagen pflegte - von Steinar H. Gunderson einem norwegischen Softwareentwickler.

„Sesse“ – also Steinar H. Gunderson – schrieb mir dann, dass er Analyseanfragen eigentlich nicht beantworten möchte, aber diese Stellung und die Beteiligung solcher Topspieler am gleichen Tag und an zwei Brettern nebeneinander haben auch seine Neugierde geweckt und er machte daher eine Ausnahme. Also hat „Sesse“ den Computer mit der Stellung gefüttert und das Ergebnis war dann für alle sichtbar und die Krennwurzn darf das Computerurteil hier veröffentlichen:

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2019Loch04a

2019Loch04b

Damit ist klar: ein Computerloch liegt hier mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Die Stellung ist für Weiß verloren. Also müssen wir über andere Ursachen nachdenken …

2019Loch05

 Nun ein Mensch rochiert nicht gerne in einen Angriff hinein – die Maschine sieht Damenfang und das eigene Überleben. Es droht nun d6 mit Damenfang. Hier und einen Zug später ist es möglich die Dame via h5 aus der Gefahrenzone zu bringen, aber damit übergibt man die Initiative an Schwarz und dieser kann den König in der Mitte angreifen. Weiß ist nur mehr mit verteidigen beschäftigt und kann diese nicht mehr zufriedenstellend organisieren.

19. Lg2 d6 20. Dxe6+ (Dh5 rettet die Dame aber nicht die Partie) Kh8 21. Lxe4 Tf6!

2019Loch06

Die weiße Dame ist gefangen – die Maschine schiebt noch die Matt in eins Drohung Df5 ein und nimmt dann auf b7 – aber es bleibt nur eine Ruine übrig. Auch Dxf6 Dxf6 löst die Probleme nicht. Schwarz hat eine Gewinnstellung …

Aber da sehen wir eine Gewinnstellung am Brett hilft eigentlich nichts, wenn man diese erstens nicht erkennt und zweitens nicht durchrechnen kann. Ja wir Menschen sind zwar wunderbare Wesen, aber eben nicht unfehlbar …

Auf Twitter erklärte Karjakin dass er einfach seiner Partie gegen Yu vor zwei Jahren folgen wollte, aber es nicht schaffte die korrekte Zugfolge zu erinnern. Und dann hat wohl jeder von jedem ein wenig abgeschaut und vertraut, dass dieser schon wisse was er tue.

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Schaut man sich die Bedenkzeitverläufe an, so fällt auf, dass nach 18. De5? Dh4? und nach der räumlichen Trennung der Partien, die Spieler in tiefes Nachdenken verfallen sind.

Nicht vorenthalten möchte ich eine Videoanalyse des Themas von IM Daniel Rensch auf die mich unser Kollege Thomas Richter hingewiesen hat. – Danke!

 


Hier die Analyse und die Partien zum Durchklicken:

 

Donnerstag, 09 Mai 2019 10:21

DSIM Krause gegen Krennwurzn

Am Rosenmontag oder Faschingsdienstag hat die Krennwurzn einen Artikel über die nun wieder geplante Einführung der Deutschen Internetmeisterschaft (DSIM) geschrieben. Nun ergab ein kurzes Email an den Präsidenten Ullrich Krause des DSB die Möglichkeit eines Streitgespräches über dieses Thema:

Krennwurzn:
Ich lese Ihnen mal was vor aus dem Jahr 2004: "Betrug im Schach" und die Disqualifikationen bei der Deutschen Internetmeisterschaft und dem ACP-Turnier sind ebenfalls Gegenstand der Betrachtung der "Kolumne" in der aktuellen Mai-Ausgabe von "Schach" (Schach 5/2004). Im April 2004 gab es zu diesem Thema auch eine Presseerklärung des DSB, aber wir sind ja nicht hier um Vergangenes aufzukochen: Meine Frage ist eine sehr einfache: warum sollte es heutzutage funktionieren, wenn es vor 15 Jahren schon nicht geklappt hat?

Krause:
Wenn Sie gestatten, würde ich zunächst gerne unsere Motivation für die Einführung der Deutschen Schach-Internetmeisterschaft (DSIM) erläutern, bevor ich auf das von Ihnen angesprochene Problem eingehe. Eines der Themen in meinem Wahlprogramm, mit dem ich 2017 angetreten bin, war Online-Schach. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Der DSB sollte Online-Schach nicht als Konkurrenz begreifen, sondern als Chance, verloren gegangene Mitglieder wieder näher an den DSB heranzuführen und neue Mitglieder für die Vereine zu gewinnen.
  2. Eine offizielle Internetmeisterschaft des DSB ist in meinen Augen längst überfällig und ich war damals sehr erstaunt, dass es dieses Turnier in unserer Turnierordnung nicht gibt.
    Ich habe mir dann erklären lassen, dass der Hauptgrund dafür die von Ihnen angesprochenen Betrugsmöglichkeiten seien, die man nicht in den Griff bekommen könne. Damit einher geht außerdem die umgekehrte Gefahr einer falschen Verdächtigung, wie ebenfalls von Ihnen dargestellt. Diese Problematik war übrigens in allen Gesprächen auch das einzige Argument gegen eine DSIM. Anders ausgedrückt: Wenn man dieses Problem in den Griff bekommt, spricht überhaupt nichts gegen ein solches Turnier, ganz im Gegenteil: Wir erhalten dadurch die Möglichkeit, Spieler zu erreichen, die noch nicht oder nicht mehr im Verein aktiv sind.
  3. Ich bin seit vielen Jahren in der IT tätig und habe deshalb im Unterschied zu vielen anderen Schachfunktionären keinerlei Berührungsängste mit dem "Neuland" Internet. 

Nun zu Ihrer etwas provokanten Frage: Ich habe mich mehrmals mit den Mitarbeitern unserer Partnerfirma für die DSIM unterhalten, und mir wurde zugesichert, dass es heutzutage ganz andere Möglichkeiten gibt als vor 15 Jahren, Betrug beim Online-Schach aufzudecken. Die Anti-Cheating Algorithmen sind heute so ausgereift und erfolgreich, dass die FIDE und zahlreiche nationale Föderationen regelmäßige Online-Turniere in ihren offiziellen Spielbetrieb integriert haben. Die Schachföderation der USA führt beispielsweise Online-Turniere durch, deren Ergebnisse die reguläre nationale Wertungszahl beeinflussen. Der entscheidende Punkt ist hier die Statistik: Wenn man nur eine einstellige Zahl von Partien betrachtet, kann man durch reines Glück ein Ergebnis erklären, das aus dem Rahmen fällt. Aber je höher die Zahl der Partien ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass reines Glück für eine Reihe von Gewinnpartien verantwortlich ist. Der Fokus bei dieser Betrachtung liegt übrigens nicht auf einzelnen sehr guten Züge, die man rein zufällig auch finden könnte, sondern auf der Anzahl dieser Züge und vor allem auf der Anzahl der Fehler: Schwächere Spieler machen nun einmal mehr Fehler als stärkere, d.h. die statistische Analyse legt den Schwerpunkt auf die Züge, die nicht so gut waren. Und wenn ein Spieler mit einer Wertungszahl von 1800 (um mal willkürlich eine Zahl zu nennen) in 25 aufeinanderfolgenden Partien mit geringer Bedenkzeit keinen einzigen Fehler macht, ist das sehr auffällig. Wie genau diese Analyse erfolgt (also welche Züge als relevant im Sinne der Analyse identifiziert werden), entzieht sich meiner Kenntnis, und ich gehe davon aus, dass dieses Geheimnis ähnlich gut gehütet wird wie der Google-Algorithmus. Auf jeden Fall kann man Computer-Betrüger dadurch spätestens zum Ende des Turniers mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit identifizieren.

2019DSIM 01

Neben den programmgesteuerten Möglichkeiten gibt es aber andere Maßnahmen, die die Anzahl der potentiellen Betrüger von vorneherein stark reduziert: Man muss bei der DSIM unter seinem Klarnamen antreten und wir lassen nur Spieler zu, die Mitglied in einem Schachverein sind oder über eine DWZ-Lizenz verfügen, d.h. wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Außerdem wird die Endrunde zentral gespielt, d.h. die qualifizierten Spieler versammeln sich an einem Ort (möglicherweise auch an mehreren, um die Reisekosten zu reduzieren) und spielen dort an ihrem Notebook. Idealerweise verknüpfen wir das mit einem anderen Event, um die Sichtbarkeit der DSIM zu erhöhen. Spätestens dann wird die Spreu vom Weizen getrennt, denn es wird quasi unter Aufsicht gespielt. Dadurch fliegen auch die Spieler auf, die in der Vorrunde unter falschem Namen gespielt haben bzw. sich während der Partien von einem stärkeren Spieler beraten ließen.

Krennwurzn:
Darf ich, bevor wir zu den technischen Fragen kommen, noch auf einen Widerspruch hinweisen: Sie möchten Spieler erreichen, die noch nicht in einem Verein spielen und wollen nur Spieler unter Klarnamen, die im Onlinebereich zudem eher unüblich sind, spielen lassen, die einem Verein angehören oder eine DWZ-Lizenz haben. Hört sich für mich jetzt nicht nach dem großen Fischen im Neulandteich an.

Krause:
Wir reden hier über eine Deutsche Meisterschaft, die vom Deutschen Schachbund ausgerichtet wird. Die Mitgliedschaft im Deutschen Schachbund (bzw. indirekt über einen Schachverein) ist insofern eine selbstverständliche Teilnahmevoraussetzung. Neu ist in diesem Fall die DWZ-Lizenz, die wir zeitgleich zur DSIM eingeführt haben und die einen Versuch darstellt, ehemalige Mitglieder zurückzugewinnen. Ich spiele seit meinem 13ten Lebensjahr für meinen Verein Schach und habe in all den Jahren etliche Mitglieder kommen und leider auch wieder gehen sehen. Einige wenige finden irgendwann den Weg zurück zum Vereinsschach, aber für die allermeisten gilt das nicht. Ich sehe trotzdem viele dieser ehemaligen Mitglieder regelmäßig wieder, und zwar auf einem Schachserver, entweder als Zuschauer bei einem live kommentierten Turnier oder eben mit der Hand an der Maus beim Schachspielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die DWZ-Lizenz als günstige Möglichkeit, wieder eine offizielle DWZ zu erwerben, für diese Spieler ein erster Schritt zurück zum Vereinsschach sein kann. Wir haben die DWZ-Lizenz so konstruiert, dass niemand deswegen aus seinem Verein austreten wird, denn eine Bedingung für den Erwerb einer solchen Lizenz ist, dass die letzte Mitgliedschaft in einem Schachverein mindestens zwei Jahre zurückliegt. Die Lizenz ist außerdem im ersten Kalenderjahr kostenlos, so dass die Hürde sehr niedrig ist. Ob uns auf diese Art und Weise viele Fische ins Netz gehen, werden wir sehen.

Krennwurzn:
Und dann wäre noch, dass die Österreicher so eine Serie in den 2010-Jahren mit ähnlichen Zugangs- und Betrugsprüfungen auch starten wollten. Dies ging in die Geschichte dann als Turnierserie ohne Teilnehmer ein, weil eben auch damals die Hürden für die Teilnehmer zu hoch waren.

Krause:
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dieser Meisterschaft und der DSIM: Wir erheben kein Startgeld, weil uns gesagt wurde, dass das bei einem Online-Turnier nicht nur unüblich, sondern geradezu schädlich ist. Ich vermute, dass das eine Lehre ist, die man aus der von Ihnen benannten österreichischen Meisterschaft gezogen hat. Online-Spieler wollen spontan entscheiden, ob sie an einem Turnier teilnehmen oder nicht, d.h. eine vorherige Anmeldung inklusive Startgeld-Überweisung ist extrem kontraproduktiv.

Krennwurzn:
Kommen wir zum technischen Aspekt der Sache und das ist meiner Meinung nach jener, der die meisten potentiellen Teilnehmer eher abschrecken wird, wenn man sich die Diskussion in diversen Foren und unter den Schachspielern ein wenig anhört. Natürlich hat sich die Welt weitergedreht und die Algorithmen sind besser und treffsicherer geworden – aber das ist nicht nur ein Vorteil, denn viele ehrliche Spieler haben die unterschwellige Angst ungerechtfertigterweise als Betrüger „überführt“ zu werden. Und je besser die Software, desto schlechter die Chancen dann zu beweisen, dass man ein „false positive“ ist – daher verliert man auch hier potentielle Teilnehmer und zwar nicht nur jene, die sich vor Betrug fürchten, sondern um ihren guten Namen Angst haben.

Krause:
Diese Argumentation ist nicht schlüssig: Je besser die Software, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler zu Unrecht beschuldigt wird. Und im Falle schlechterer Software hätte man ebenso wenig die Chance, dieses Ergebnis zu widerlegen. Uns wurde versichert, dass die Algorithmen eine extrem hohe Trefferquote haben und sehr zuverlässig sind. Ich spiele seit 15 Jahren Online-Schach und habe schon sehr lange nicht mehr das Gefühl gehabt, dass ich gerade gegen einen Computer gespielt habe. Meine Freunde spielen ebenfalls aktiv im Internet und das Thema "elektronischer Betrug" spielt in unseren Gesprächen über Online-Schach keine Rolle mehr.

Krennwurzn:
Ebenso wie Sie sehe ich Cheating nicht als wirkliches Thema im Onlineschach solange es nicht um Geld und/oder Titel geht. Zahlreiche meiner Schachfreunde glauben viel öfter betrogen zu werden als dies tatsächlich der Fall sein kann. Und ebenfalls geht es bei den „false positive“ nicht um Wahrscheinlichkeiten, sondern um Ängste. Und um die DSIM zu einem Erfolg werden zu lassen, muss man gegen diese „beiderseitigen“ Ängste ankämpfen, denn beide drücken auf die Teilnehmerzahlen.

Krause:
Fragen zum Themenkomplex „Cheating“ waren wie erwähnt in allen Gesprächen zum Thema DSIM die ersten und meistens auch die einzigen, wenn es darum ging, ob die Einführung einer Internetmeisterschaft sinnvoll ist. Wir beide haben das Thema jetzt ziemlich erschöpfend behandelt und ich hoffe deshalb, dass dieses Interview von möglichst vielen Schachspielern mit einer Affinität zum Online-Schach gelesen wird!

Krennwurzn:
Aber nun wirklich zu den Betrügern und den technischen Möglichkeiten gegen diese vorzugehen. Brutalocheater – also Leute, die nur mit Engine spielen, haben heutzutage praktisch keine Chancen unentdeckt zu bleiben. Aber potentielle Betrüger müssen ja nicht ohne Intelligenz vorgehen uns so geheim sind die Algorithmen zur Cheatingerkennung nun auch wieder nicht. Außerdem arbeitet hier der Fortschritt auch wieder gegen uns und nicht für uns! Denn die Leistungsfähigkeit der Rechner ist so gestiegen, dass es locker möglich ist neben der einfachen Zugberechnung durch die Engine einen statistischen Check des Spielstiles einzubauen. Gerüchteweise hört man, dass dies auch schon an die eigenen gespielten Partien angepasst werden kann. Betrüger und Betrugserkenner arbeiten also mit dem gleichen Datengrundmaterial und damit liegen die Vorteile wohl eher bei den Betrügern – wie so oft im realen Leben.

Krause:
Noch einmal: Die Endrunde wird zentral gespielt, also unter Aufsicht. Spätestens dann sind auch die intelligenten Betrüger am Ende ihrer Weisheit angekommen. Ich glaube nicht, dass man in der Vorrunde das Risiko in Kauf nimmt, als Cheater gebrandmarkt zu werden, wenn man bei der Endrunde sowieso nicht mitspielen kann, weil man spätestens dann auffliegen würde.

Krennwurzn:
Das klingt ja logisch – aber denken Leute, die dem DSB und/oder dem Serverbetreiber aus welchen Gründen auch immer negativ gesonnen sind, immer logisch? Oder wollen die nur irgendwie stören oder zeigen, dass Störungen möglich sind?

Krause:
Wenn man immer Rücksicht auf die potentiellen Störenfriede nimmt, kann man gar keine Schachturniere mehr ausschreiben. Nach meiner Erfahrung wollen eigentlich alle Teilnehmer an einem Schachturnier in erster Linie das schönste Spiel der Welt spielen und in zweiter Linie den sportlichen Erfolg suchen – manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Ich glaube deshalb nicht, dass wir ernsthafte Störungen bei der DSIM erleben werden.

2019DSIM 02

Krennwurzn:
Ein kleines Problem – eher als Abschreckung von der Teilnahme für stärkere Spieler könnte sein, dass diese fürchten in den Vorrunden intelligenten Cheatern ausgesetzt zu sein und daher schlechter abschneiden könnten – also einfache Zufallsopfer sein zu können.

Krause:
"Intelligente Cheater" sind für alle Gegner ein Problem, oder? Insofern verstehe ich die Fokussierung auf die "stärkeren" Spieler nicht. In unserem Konzept sind diverse Freiplätze für die Endrunde vorgesehen (davon übrigens einige für die DSJ), d.h. die wirklich starken Spieler brauchen nicht durch die Mühle der Vorrunden zu gehen - ähnlich wie bei den Deutschen Einzelmeisterschaften.

Krennwurzn:
Ungelöst bleibt auch das Problem, dass desto stärker die Spieler werden, desto weniger Hilfe brauchen sie von der Maschine und desto schwieriger wäre es Betrug nachzuweisen. Hätte Fabiano das Matt in 35 „gefunden“ in dem berühmten Endspiel, wäre er möglicherweise Weltmeister geworden und keine statistische Methode der Welt hätte das als Betrug erkennen können.

Krause:
Peter Svidler hat sich bei einem Live-Kommentar wie folgt zum Thema E-Doping geäußert: Er sagte sinngemäß, dass es für einen Spieler seiner Stärke vollkommen ausreichend ist, wenn man dreimal pro Partie in den kritischen Stellungen einen Computer zu Rate ziehen dürfte. Das ist nicht weiter überraschend, aber seine nächste Aussage war es schon: Die Stellungsbewertung als solche ohne Angabe von Varianten würde in den allermeisten Fällen reichen, weil der Spieler den potentiell starken Zug auch selber entdeckt, aber eben nicht sicher ist, ob ein Opfer durchschlägt, um ein Beispiel zu nennen. Der von Ihnen genannte Fall ist ganz anders gelagert: Für dieses Matt hätte es einer ganzen Reihe sehr genauer Züge bedurft, und das wäre dann vielleicht doch aufgefallen. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man in einer Turnierpartie einen Tipp bekommt, über den man dann noch in Ruhe nachdenken kann oder ob man sich in einer Blitzpartie innerhalb von Sekunden für einen Computerzug entscheiden muss. Der einzig valide Betrugsversuch ist deshalb der mit einem Schachprogramm, das "menschliche Züge" aufweist und idealerweise noch an geeigneten Stellen unkritische Fehler einbaut wie von Ihnen oben beschrieben. Dieses Problem lösen wir wie gesagt durch die zentrale Endrunde, bei der man live Farbe bekennen muss.

Krennwurzn:
Ich möchte das Projekt DSIM ja nicht schlecht reden, aber ich denke schon, dass hier sehr, sehr viele Gefahren lauern, die nicht so einfach zu umschiffen sind. Außerdem fehlt dem Projekt auch ein wenig der Pep. Es gibt ja schon erfolgreiche Konkurrenzveranstaltungen, die das live streamen und viel mehr Aktion bieten als reines Onlineschach auf einer Plattform. Könnte es nicht sein, dass der DSB mit einer altbackenen DSIM im Teich der neuen Zeit einfach baden geht?

Krause:
Wir haben die DSIM bewusst noch nicht in der Turnierordnung verankert, weil wir uns eine einjährige Probezeit verordnen wollten. Wir werden auf Basis der Erfahrungen des ersten Jahres dann entscheiden, wie es weitergeht. Wie schon erwähnt: Eine Deutsche Schach-Internetmeisterschaft gehört zum Turniertableau meines Erachtens einfach dazu und ich würde mich deshalb sehr darüber freuen, wenn die Probezeit erfolgreich verläuft und wir danach jedes Jahr einen Deutschen Schach-Internetmeister ermitteln. Österreicher können übrigens auch gerne mitspielen, wenn sie die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen.

Krennwurzn:
Am Ende des Interviews möchte ich noch zur Frage zurückkommen: Ist die Konzeption der DSIM nicht etwas konservativ und altbacken? Freiplätze lösen altbekannte Debatten aus, eine „analoge“ Endrunde, kein Videostream, usw. Sorry, aber ich sehe da nichts Innovatives mit dem man junge moderne Schachschichten ansprechen könnte.

Krause:
Wir wollen Schachspieler aller Altersklassen ansprechen. Zu viel Innovation kann auch abschreckend wirken – ein gutes Beispiel war das Ambiente, in dem das Kandidatenturnier im vergangenen Jahr gespielt wurde. Mir hat das sehr gut gefallen, aber ich habe auch viele Stimmen gehört, denen das Kühlhaus zu modern war. Die DSIM 2019 ist ein erster Schritt, um den manchmal etwas konservativen DSB mit dem innovativen Online-Schach zu verknüpfen. Die Idee mit dem Video-Stream nehme ich gerne mit, wenn Sie gestatten!
Alles in allem bin ich optimistisch, dass wir Ende 2019 den ersten Deutschen Internetmeister ermittelt haben und dass dieser ein Jahr später auch die Möglichkeit haben wird, seinen Titel zu verteidigen.

Krennwurzn:
Ich danke für das Gespräch und wünsche alles Gute für die Wahl 2019 und die DSIM – auch wenn ich bei beidem ein wenig Bauchschmerzen habe.

Montag, 04 März 2019 23:27

IST expandiert

Es ist verdächtig ruhig geworden um das IST AUSTRIA (Institut für sinnlose Turniere), obwohl es doch zahlreiche Erfolge wie die Turnierserie ohne Teilnehmer und das Turnier mit Diskriminierungsverdacht nach EU-Recht, eine Damenbundesliga mit zwei Brettern, usw. gab.

Nun aber ist der Krennwurzn zu Ohren gekommen, dass das IST nach Deutschland expandieren möchte und die längst aus gut bekannten Gründen in den Nullerjahren verworfen Idee einer Internetmeisterschaft mit dem DSB neu „aufleben“ zu lassen. Das erscheint zwar sehr verwunderlich, da sich von den Argumenten gegen eine solche in den letzten Jahren nichts geändert hat.

Deutsche Internetmeisterschaft (Quelle DSB-Homepage)

Der Antrag wurde von den Delegierten angenommen. So wird es ab dem kommenden Jahr ein Pilotprojekt "Deutsche Internetmeisterschaft" mit Vorrunden und einer Endrunde geben. Teilnahmeberechtigt sind Spieler mit einer Spielberechtigung des Deutschen Schachbundes, also DSB-Mitglieder (Punkt A-4 der DSB-Turnierordnung). Alle Turniere werden mit Blitzschachbedenkzeit online auf dem Server von ChessBase ausgetragen. Voraussetzung dafür ist eine für das Onlinespiel gültige Seriennummer von ChessBase. Hier der Antrag im Original (ohne die Änderungen vom Hauptausschuss)

Antrag Deutsche Internetmeisterschaft

Möglicherweise wurde aber der Krennwurzn hier am Rosenmontag oder für den Faschingsdienstag hinterlistig das Konzept einer Büttenrede des Präsidenten des Deutschen Schachbundes zugespielt, denn so richtig ernst nehmen kann man dieses Vorhaben außerhalb der närrischen Hochzeit kein realitätsbezogener Schachfreund ?

Internetschach ist zwar eine wunderbare Sache und wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, dann wird man gar nicht so oft betrogen wie man gerne annimmt, um die eigenen Nichtleistungen schönzureden. Schenkt man den veröffentlichten Zahlen Glauben, so bewegt man sich im Promillebereich und erreicht das erste volle Prozent eher nicht. Die Serveranbieter haben gar nicht so schlechte Cheatingerkennungssoftware am Laufen und einfache Betrugsversuche lassen sich leicht erkennen und stellen somit kein essentielles Problem dar – zudem sind Internetelopunkte wertloser als gebrauchte Zahnstocher. Betrug macht einfach keinen Sinn.

Anders sieht die Sache allerdings aus, wenn es um Titel und/oder Preisgeld geht. Dann kann die Sache schnell interessant werden und auch hier werden die Primitivbetrüger wohl rasch und zuverlässig aufgedeckt – da habe ich keine technischen Sorgen.

Nur könnte es da juristisch schnell mal gefährlich für den Veranstalter werden und mit gefährlich ist natürlich auch teuer gemeint. Die bisherigen Erfahrungen mit Sportbetrügern im Schach sind ja, dass wenn der Weg zur staatlichen Gerichtsbarkeit eingeschlagen wurde, die Verbände und Veranstalter meist nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnten und beträchtliche Prozess- und Nebenkosten selbst tragen mussten. Das liegt daran, dass viele schachinterne Regelungen nicht den strengen Anforderungen unseres Rechtsstaates entsprechen und das so mancher „Beweis“ durch widerrechtliche Eingriffe zustande gekommen sein könnte, denn nicht alles was Server auf unseren privaten Rechnern abfragen könnten ist auch rechtlich erlaubt. Fensterwechsel, Taskwechsel, Prozessorlast, welche Tasks laufen, usw… da kommt man leicht vom erlaubten Weg in den Treibsand der Unrechtmäßigkeit ab.

Lässt man das einfach mal locker außer Acht, so gibt es auch sachliche Einwände, den Betrüger müssen ja nicht immer so doof vorgehen, dass sie leicht aufzudecken sind. Kein vernünftiger Schachspieler wird die volle Stockfishpower verwenden und dann hoffen sich wie Houdini einst aus den Fesseln des klar ersichtlichen Betrugs befreien zu können. Klar so kann das nicht funktionieren – aber die Vorgehensweise der Cheatingerkennung ist ja keine Geheimwissenschaft, sondern eine statistische Methode die uns irgendwann sagt: Vorsicht da wird es sehr, sehr unwahrscheinlich!

Und da landen wir beim ersten Problem: wir müssen diesen Zeitpunkt festlegen und laufen damit in die Probleme der systembezogenenen Unschärfe: Die Schlagworte sind hierfür false positive und false negativ! Da lauert eine Gefahr, die wir seit Werner Heisenberg auch aus einem anderen Fachgebiet kennen – es ist nicht alles gleichzeitig berechenbar – auch wenn wir uns das gerne vorgaukelt – vor allem im Computerzeitalter und wir auf „big data“ praktisch blind vertrauen wollen. Will ich auf keinen Fall jemanden des Betrugs beschuldigen, so rutschen mir methodenbedingt Betrüger durch die Maschen des Systems und will ich alle Betrüger überführen, dann werde ich viele Nichtbetrüger zu Unrecht beschuldigen. Das ist alles schon lange bekannt und daher möchte ich die Leser nicht mehr weiter damit langweilen.

Denn wir landen schon beim nächsten Problem: jene Betrüger die die Cheatingerkennungsfähigkeiten in ihre betrügerischen Absichten einkalkulieren, bieten sich sehr gute Chancen. Bei meiner Recherche bin ich im dunklen Teil des Internets auf eine interessante Seite diesbezüglich gestoßen, dort wird einem vereinfacht gesagt angeboten, dass man „gute, aber nicht zu gute Turniere“ mit dieser Software spielen kann. Wie sollte man das verstehen? Nun der Krennwurzn gelang im Frühjahr 2017 genau so ein Turnier durch blankes Glück:

2019IST 01

Unglaubliches Ergebnis der Krennwurzn

Also 1800er auf Startrang 30+ ein siebenründiges 20 Minuten Schnellschach OTB ungeschlagen zu überstehen, dass hätte ich mir niemals träumen lassen und doch ist es einmal mit viel Glück Wirklichkeit geworden. Fünf Punkte aus sieben Runden und nur einen Punkt hinter dem Turniersieg und das wirklich ohne unerlaubte Hilfsmittel – ich glaube es heute noch nicht wirklich. Nun in meinen Partien führte nicht eine illegale Software sondern reines Glück zum Erfolg – aber warum sollte eine Software dies nicht auch simulieren können? Jetzt kann man berechtigterweise fragen: wer wurde geschädigt, die Krennwurzn hat ja kein Preisgeld (es gab wohl keinen Kategoriepreis) und keinen Titel gewonnen. Das stimmt sehr wohl, aber der Gegner aus Runde 3 landete aufgrund der Zweitwertung punktegleich nur auf Rang 2. Das bedeutet im Umkehrschluss: potentiell unauffällige Betrüger könnten indirekt Einfluss auf das Endergebnis nehmen. Zumal sich ja mehr Betrüger in einem Feld verstecken können als Glückspilze. Sind das gute und faire Voraussetzungen für eine Meisterschaft?

Möchte die Krennwurzn Internetmeister werden, dann bräuchte sie natürlich massive Maschinenunterstützung und müsste damit ein zu hohes statistisches Entdeckungsrisiko auf sich nehmen. Also lassen wir das und lassen die mittelmäßigen Betrüger gute, aber nicht zu gute Turniere spielen und damit möglicherweise indirekten Einfluss auf den Ausgang nehmen und kommen wir zum Hauptproblem:

Möchte sich ein guter Spieler auf betrügerischer Weise einen Vorteil verschaffen, dann bräuchte dieser gar nicht so viel Unterstützung und wie sollte man diese dann erkennen und gerichtsfest nachweisen können? Ein sehr heißes Eisen – will das ein Verband wirklich angreifen?

Hätte beispielsweise Fabiano einen kleinen Mann im Ohr gehabt, der nur zweimal aktiv geworden wäre:

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Opps Kg6 Blunder Lh4 und Sg1 gewinnt

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 Dh5 +2

Und wahrscheinlich hätten wir einen neuen Weltmeister gehabt und niemand wäre auch nur auf die Idee gekommen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Welche Cheatingerkennungssoftware hätte dies aufdecken können? Keine wenn man ehrlich zu sich selbst ist, denn die maßgeblichen Parameter hätten sich nicht signifikant geändert.

Natürlich sind die Methoden zur Cheatererkennung besser geworden, aber die Vorstellung, dass man jeglichen Betrug aufdecken könnte ist genauso utopisch wie im anderen Spitzensport auch. Dort wird mehr Geld und mehr Wissen investiert und auch dort schaffen es die meisten Dopingsünder locker durch die Kontrollen – wie uns immer wieder gezeigt wird.

Logischerweise können sich Nonames nicht die Titel und die Preise abholen, aber Nonames können Einfluss auf das Endergebnis nehmen und die starken Spieler könnten sich so manche kleine Hilfe nehmen.

Dann sind wir bei der letzten Gefahr angelangt, die man auch nicht außen vorlassen sollte: falsche Betrugsbeschuldigungen! In erster Lesung betrifft diese Gefahr nur die Stars und die sind Risiko ja gewohnt und müssen damit leben, aber angenehm sind solche Anschuldigungen für niemanden. Und was ist eigentlich mit jenen Hobbyspielern die durch Cheatingerkennungssoftware und nach Expertenmeinung ungerechtfertigterweise als Betrüger öffentlich bloßstellt werden könnten? Wer hilft glaubt diesen dann, dass sie wirklich sauber gespielt haben und nur das Glück der Krennwurzn hatten?

IST so ein Turnier das Risiko wert?
IST ein Verband bereit diese Risiken für sich und seine Spieler einzugehen?
Oder IST das es doch nur ein Narrenscherz??

Donnerstag, 10 Januar 2019 19:45

Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben

Die Krennwurzn spielt zwischen Weihnachten und Neujahr traditionell beim Donauopen in Aschach nahe Linz mit und gibt dort auch noch regelmäßig seinen Senf zu den Runden dazu. Aufgrund einer unbedachten Äußerung muss die Krennwurzn – obwohl schachlich nicht dafür geeignet – in der A-Gruppe spielen, bis sie einmal durchgenullt wird – aber all das sollte heute nicht unser Thema sein.

Wie spielt die Krennwurzn eigentlich Schach? Nun ein Held vor dem Herrn ist die Krennwurzn nicht und sie mag lieber ruhige Stellungen und die Krennwurzn ist wie so viele schwächere Spieler auch ein wenig ängstlich. Angst vor Niederlagen hat die Krennwurzn eigentlich nicht wirklich und viel Erfahrung mit Niederlagen hat sie auch genug, dennoch verliert niemand gerne und genau das kann zu „unnötigen“ Niederlagen führen – aber lassen Sie sich kurz in die Gedankenwelt der Krennwurzn entführen:

Die Krennwurzn (1800) spielte mit den weißen Steinen gegen einen gut bekannten „unkonventionellen Angreifer“ (1900) – die Bilanz vor der Partie (+1,-1,=2) war ausgeglichen und die letzte Partie konnte die Krennwurzn im Endspiel nach überstanden Angriff gewinnen. Also auf ins Endspiel und wenn es geht ohne große Stürme im Vorfeld.

1.c4 Bitte kein Benoni, Wolga- oder andere Gambits 1...e5 2.Sc3 Lb4 3.Sd5 Ld6?! 4.d3?! möchte e4 verhindern 4...c6 5.Sc3 f5!?

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Genau solche Angriffsstellungen wollte Weiß verhindern, aber nun gibt es kein Zurück mehr. 6.e4 f4 Bleibt Weiß jetzt passiv, dann wird er überrollt, das leuchtet sogar einer Krennwurzn ein und widerwillig wird nach aktiven Möglichkeiten gesucht. 7.g3 Die Alternativen (7.c5 Lc7 (7...Lxc5?? 8.Dh5+) 8.d4 und 7.d4 exd4 8.c5) hätten alle in ungeliebte Stellungen geführt.

7...Sf6 8.d4 Diese Idee wäre mit dem Tausch auf f4 besser gewesen (8.gxf4 exf4 9.d4 Lb4 und nun gibt es eine taktische Lösung für das Problem auf c3 10.e5!! Se4 11.Ld3 Sxc3 12.Dh5+! Kf8 13.Ld2 Sxa2 14.Txa2 Lxd2+ 15.Kxd2 so was zählt nicht zu den Lieblingsstellungen der Krennwurzn)

8...Lb4 9.Lg2 fxg3 10.hxg3 exd4 11.Dxd4 d6

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Den Eröffnungskampf hat Weiß klar verloren auch wenn er laut Computer besser steht, aber Schwarz hat Angriffsmarken und Weiß muss taktische Probleme lösen – beides gefällt der Krennwurzn nicht.

12.Le3 ist noch kein Fehler, aber mir gefällt die Stellung nicht mehr. 12.Lg5 gefiel mir nicht 12...Sbd7= aber Schwarz kann in Ruhe angreifen und der Computerzug 12.Lf4 kam mir gar nicht in den Sinn. 12...0–0 13.f3?! Die taktische Lösung 13.c5 dxc5 (13...Lxc5 14.Dc4+ Kh8 15.Lxc5 dxc5) 14.Dc4+ Kh8 15.a3 b5 16.Db3 sah ich nicht – die Angst hat bereits vollständigen Besitz über die Krennwurzn gewonnen.

13...d5?

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Ein verfrühter Angriff, aber durch die Angst sind viele Auswege dem geistigen Auge schon verstellt, obwohl sie offenstehen. Stattdessen hätte Schwarz mit 13...Sbd7 14.a3 Lc5 15.Dd2 Db6 die Daumenschrauben schon etwas anziehen können. Das hat wohl Phantomschmerzen bei der Krennwurzn ausgelöst und im Zusammenhang mit der fehlenden Königssicherheit den Panikzug 14.0–0–0? ausgelöst. Aber hätte es noch Rettung gegeben? Natürlich und einfach noch dazu 14.cxd5!! und Schwarz muss einen wichtigen Angreifer abtauschen und einige seiner Figuren stehen ja noch in der Garage 14...Lxc3+ (14...a5 15.a3; 14...Db6 15.Dd3) 15.Dxc3 cxd5 16.e5! (16.exd5?? Sxd5) 16...d4 17.Dxd4 Dxd4 18.Lxd4 Sc6 19.Se2 und weicht der Springer mit 16. … Se8 zurück, so steht Weiß auch wieder die kurze Rochade zur Verfügung.

14...c5? wieder ein aggressiver Fehler. 15.Dd3 d4 keine der weißen Figuren kann genommen werden und eigentlich steht es gar nicht so schlecht um Weiß, aber die Angst hat sich schon tief in das weiße Denken eingefressen. Die offensichtliche "Rettung" 16.Lg5 der Figuren verstellt den Blick auf die Tatsache, dass ja auch die weiße Stellung Trümpfe hat - der komplette schwarze Damenflügel noch schläft.

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Das sofortige 16.e5 stellt Schwarz sehr unangenehme Fragen 16...g6 17. exf6 Lf5 habe ich am Brett gefürchtet und übersehen, dass ich nun in aller Ruhe meine bedrohten Figuren wieder ins Spiel bringen kann.

Und es gibt für Weiß viele andere taktische Probleme zu lösen (16...De7 17.f4! Schwarz kann keine Figur vorteilhaft schlagen 17...h6

a) 17...dxe3 18.exf6 gxf6 19.Ld5+ Kh8 20.Le4 f5 21.Ld5;

b) 17...dxc3 18.exf6 cxb2+ 19.Kb1! Txf6 20.Ld5+ Kf8 (20...Kh8 21.Dxh7#) 21.Txh7 Th6 (21...Lf5 22.Th8#) 22.Sf3+–) 17.exf6 Lf5 (17...Lxc3 18.Lg5 Db6 19.De2 (19.bxc3 Lf5! 20.De2 Db1+ 21.Kd2 dxc3+ 22.Ke1 c2 23.Tc1) ) 18.Se4+–]

Wie sollte man das schaffen, wenn man Angst hat und mit der Stellung und sich selbst total unzufrieden ist?

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16...Da5 Schwarz greift mit natürlichen Zügen an und Weiß verliert den Faden komplett. Der Partiezug 17.Sb5 geht auch noch im Remissinne, Weiß hat immer noch andere Möglichkeiten, aber vollkommen von der Angst in Besitz genommen und dem Schicksal ergeben wird nur mehr reagiert nicht mehr agiert.

Mit 17.Lxf6 Txf6 noch einen schwarzen Angreifer nicht ins Spiel kommen lassen möchte Weiß auf keinen Fall. ABER halt 18.Sd5 stellt doch Schwarz vor Probleme? 18...Dxa2 (18...Ta6 19.e5 Dxa2 20.Dxh7+ Kf7 21.Sxb4 Da1+ 22.Kd2 Dxb2+ 23.Sc2 Dc3+ 24.Ke2) 19.Sxf6+ gxf6 20.f4 Sc6 21.Sf3 La5 (21...Sa5 22.e5 Dxc4+ 23.Dxc4+ Sxc4 24.exf6 Lf5 und die Mattgefahren sind weniger geworden) 17.e5 nach 17...g6!? (17...Lxc3 18.exf6 g6 19.f4 Lf5 20.Ld5+ Kh8 21.Sf3 Lxd3 22.Txh7+ Kxh7 23.Th1#) 18.exf6 Lf5 muss Weiß erkennen können, dass die Dame geopfert werden kann 19.f4!! Lxd3 20.Ld5+ Kh8 21.Txh7+ Kxh7 22.Sf3 mit Matt]

In der Partie folgte nun nach 17...Dxa2 mit 18.Sc7?? der letzte Fehler. Natürlich will Weiß nicht den Turm auf a8 schlagen - das Feld e6 muss irgendwie unter Kontrolle gehalten werden – aber es ist schon zu spät?

Eigentlich immer noch nicht – die weiße Stellung war gar nie so schlecht und sogar jetzt hätte es noch einen Ausweg gegeben – und wieder wäre das Motiv 18.e5!!

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ein letztes Mal noch möglich gewesen.

18...g6? 19. Sd6 und Weiß steht besser

a) 18...Da1+ 19.Kc2 Da4+ 20.Kb1 Lf5!! 21.Dxf5 Dxd1+ 22.Ka2 mit Dauerschach;

b) 18...Se4 19.f4 (19.fxe4?? Tf2–+) 19...Sxg5 20.Ld5+ Kh8 21.Sd6 f5 und e6 sind unter weißer Kontrolle;

In der Partie bringt Schwarz mit 18...Sc6 eine weitere Figur mit diversen Mattdrohungen ins Spiel 19.Sd5 [19.Lxf6 Txf6 brächte nun einen weiteren Angreifer wirklich ins Spiel. 19...Sxd5 20.exd5 Lf5 und Weiß muss aufgeben. Ja zu Tode gefürchtet ist tatsächlich auch gestorben!!

Was können wir schwachen Spieler daraus lernen? Nun einmal Angst ist ein sehr schlechter Berater und hemmt das eigene Spiel. Steht man einmal wie das Karnickel vor der Schlange ist die Partie schon vorbei – auch wenn es noch viele Auswege gibt. Werden wir dann all die Computervarianten am Brett finden? Natürlich nicht, aber mit weniger Angst haben wir nicht zwingenderweise mehr Erfolg, aber vielleicht mehr Freude am eigenen Spiel.

Nun hat die Krennwurzn ein wenig geflunkert, denn so erfahren mit Niederlagen ist sie nun auch wieder nicht, denn 70% meiner Partien verliere ich eben nicht. Könnte das Problem nicht doch an den mangelnden Erfahrungen mit Niederlagen liegen. Ich denke ja und es ist ein generelles Problem im Schach. Wir lesen immer nur von Siegen und Erfolgen und vergessen komplett, dass es ohne Verlierer keine Sieger geben kann und wir unsere Einstellung zu Sieg und Niederlage ändern müssen: beides sind „part of the game“ und daher möchte ich Sie mit Berthold Brecht ein wenig nachdenken lassen:

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
„Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“


Die Partie zum Nachspielen:

 

Nun es ist nicht leicht Interviewpartner für die Krennwurzn zu finden – viele wollen nicht oder haben Angst vor einem Interview und andere will die Krennwurzn nicht. Zudem ist die Themenauswahl auch nicht so leicht. Schachpolitik verschwindet in letzter Zeit komplett aus der öffentlichen Wahrnehmung und Skandale sind auch eher die Ausnahme. Daher möchte die Krennwurzn einen anderen Weg gehen und sich mit einem aktiven Schachtrainer und -spieler unterhalten. Die Wahl fiel dabei leicht und die Krennwurzn verfiel auf den Nationaltrainer der österreichischen Frauen, IM Harald Schneider-Zinner.

Krennwurzn:
Lieber Harald, in Österreich bist Du ja bekannt, aber wir haben hier viele Leser aus Deutschland – also stelle Dich bitte etwas ausführlicher vor:

HSZ:
Ich wurde am 1. April 1968 geboren. Das erklärt meine Vorliebe für Aprilscherze. :-).
Bei uns zu Hause stand immer ein Schachbrett herum, sodass ich mit dem Herumschmeißen von Figuren aufwuchs, bis das Ganze mal halbwegs nach richtigem Schach aussah.

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HSZ in jungen Jahren

In unserer Pfarre übernahm ich recht früh eine Jungschargruppe. Wir diskutierten viel, unternahmen zahlreiche Reisen und führten viele Theaterstücke auf. Das beeinflusste sicherlich meine Berufswahl zum Lehrer – Sonderschul- Körperbehinderten- und Sprachheilpädagogik. Die Ausbildung bedeutete drei Jahre "Hahn im Korb" in einer Gruppe mit 10 Frauen und zwei Männern (das perfekte Abhärtungstraining für einen zukünftigen Trainer des Frauen-Nationalteams).

Ich unterrichtete dann 14 Jahre im Sonderschul - und Volksschulbereich; 10 Jahre davon mit Christine - meiner Lieblingslehrerin - im Teamteaching. Wir ergänzten uns hervorragend, nur Werken konnten wir beide nicht, das gaben wir erfolgreich ab.

Krennwurzn:
Schach gespielt hast Du ja schon seit Jugend an, aber wie wurde ein Trainer aus Dir?

HSZ:
2003 holte mich Robert Zsifkovits als Jugendkadertrainer ins Burgenland (von der Zeit her werde ich in Artikeln oft als Burgenländer und Wahlwiener beschrieben – dabei ist es genau umgekehrt ?). Ich absolvierte die Ausbildung zum Instruktor und 2005 die FIDE-Trainer-Ausbildung in Berlin (2010 dann die Trainerausbildung). Neben meinem Lehrberuf und der Trainertätigkeit blieb nur mehr wenig Zeit zum Schachspielen und für mein Privatleben (ich neige bis heute ein wenig zum „Workaholic“).

Schließlich animierte mich Eveline - meine Frau - etwas Arbeit über Bord zu werfen. Nachdem meine Kollegin schwanger geworden ist und sich unser "Dreamteam" in der Schule somit halbiert hatte, war die Entscheidung einfach: ich machte mich als Schachtrainer selbstständig (das Sicherheitsnetz war aber eng geknüpft, unter anderem durch die Möglichkeit immer wieder in den sicheren "Schulhafen" zurück zu kehren, aber auch durch zahlreiche Kontakte und finanzielle Absicherungen ...also kein sehr gewagter Schritt und keine Abhängigkeiten von Funktionären).

Krennwurzn:
Wann bist Du nach Wien „zurückgekehrt“?

HSZ:
2008 übernahm ich den Wiener Jugendkader, nachdem Präsident Christian Hursky mit seinem Team das Wiener Schach aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst hatte. Es begann eine sehr schöne Trainertätigkeit, aus der in vieljähriger Arbeit Valentin Dragnev (knapp vor dem Großmeistertitel stehend und heute Großmeister und Nationalspieler), Christoph Menezes (IM), Felix Blohberger (IM und Nationalspieler), Marc Morgunov und zahlreiche andere starke Burschen hervor gingen.

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Jugendkader 2012

Bei den Mädchen arbeite ich seit 2010 mit Nikola Mayrhuber zusammen, die mit mir ins Nationalteam wechselte. Außerdem entwickelten sich wunderbare Spielerinnen wie Sophie Konecny, Dorothea Enache, Wu Min, ... die serienweise die Jugendmeisterschaften gewannen.

Zum Abschiedsfest Ende 2016 kamen alles in allem 60 geliebte Leute: Spieler und Spielerinnen, Eltern und Funktionäre. Selten ist mir ein Abschied so schwergefallen. Allerdings sind zu vielen sehr freundschaftliche Kontakte über die Trainerarbeit hinaus bis heute geblieben.

Krennwurzn:
Wieso kam es zum Abschied aus Wien?

HSZ:
Den Abschied hatte ich zirka ein halbes Jahr davor geplant mit dem Ziel, mir eine längere Auszeit zu nehmen und mal viele Turniere auf der Welt zu spielen, die sich bis dahin noch nicht ausgegangen sind. Dann wurde ich aber von Christian Hursky und Kurt Jungwirth gefragt, ob ich den österreichischen Frauenkader trainieren wolle – und ich zögerte nicht lange.
2015 konnte ich in Island in diesem Bereich schon erste Erfahrungen sammeln. Ich betreute die Mannschaft bei der Team-Europameisterschaft und irgendwie passte alles zusammen. Wir erreichten den fantastische geteilten 4. – 9. Platz (u.a. mit einem 2:2 in der Schlussrunde gegen das Weltklasseteam aus Georgien).

Der Frauen-Nationalkader besteht heute aus 12 motivierten jungen Frauen. Keine davon ist Profi. Familie und Beruf (bzw. Schule oder Studium) spielen eine vorrangige Rolle im Leben der Frauen – aber daneben hat Schach einen sehr gewichtigen Stellenwert. Ich konnte auf der hervorragenden Arbeit von GM David Shengelia aufbauen, brachte aber natürlich meine eigenen Vorstellungen und Strukturen mit.

Krennwurzn:
Du hast aber neben der Trainertätigkeit auch noch andere Aufgaben?

HSZ:
Seit 2011 leite ich die Trainerausbildung (die Karl-Heinz Schein aufgebaut hatte), die mir sehr am Herzen liegt. Unsere Sportler verdienen gut ausgebildete Trainer. Dabei ist viel Organisatorisches zu erledigen. Allerdings nimmt mir Generalsekretär Walter Kastner mit seinem großen Einsatz viel Arbeit ab. Und überhaupt klappt die Zusammenarbeit im ÖSB und im Sportausschuss aus meiner Sicht sehr gut. Alle sind motiviert, leisten viel und schätzen und unterstützen einander.

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Griechenland 2015

Krennwurzn:
Am Schachbrett sieht man Dich ja auch noch – und dies gar nicht so selten?

HSZ:
Zum Schachspielen komme ich leider nicht mehr so oft, aber wenn genieße ich es und spiele meist recht unbefangen. Großartig ist es natürlich mit meinen ehemaligen Schülern GM Valentin Dragnev, IM Felix Blohberger und FM Jakob Gstach (der aus Studiengründen allerdings wenig Zeit hat) gemeinsam in der 1. Bundesliga zu spielen.

Unser Schachverein Ottakring, den ich mit einem wunderbaren Team leite, liegt mir sehr am Herzen. In den letzten Jahren ist richtig viel weiter gegangen. 2016 wurden wir zum Sportverein des Jahres in Österreichs gewählt (vor den Handballern und anderen tollen Sportarten) und ich konnte mit Niki gemeinsam den Kristall der BSO bei der Gala entgegennehmen. Die vorangegangene Online-Abstimmung spiegelt natürlich nicht ganz die wahren Verhältnisse wider, zeigt aber, dass die österreichische Schachgemeinde hervorragend vernetzt ist und toll zusammenhält.

Und ja, auch auf unsere Arbeit sind wir stolz. Ich denke, dass wir zu den führenden Schachvereinen im Spitzenschach, Jugendschach und Frauenschach in Österreich zählen (zirka 50 Jugendliche und 25 Frauen bzw. Mädchen sind bei uns – bei über 100 Mitgliedern). Das ist nur durch das Zusammenspiel eines guten Teams mit vielen motivierten Leuten möglich.

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Team Ottakring

Krennwurzn:
Nun haben wir Dich ausreichend vorgestellt und es wird Dich nicht verwundern, dass jetzt nach Krennwurzn Art die unangenehmeren Fragen kommen werden – ich hatte Dich ja vorgewarnt.
Starten wir gleich mit einer Provokation: Bist Du als IM nicht zu schwach um als Trainer erfolgreich arbeiten zu können?

HSZ:
Ich denke, das müssen andere beurteilen. Am besten misst man einen Trainer ja wohl an seinen Schützlingen. Ich glaube, dass ich mit meiner Jugendarbeit das österreichische Schach ganz gut weitergebracht habe (GM Dragnev und IM Blohberger sind für das Nationalteam bereits in jungen Jahren wichtige Stützen).
Und das Frauen-Nationalteam konnte ich in zwei Jahren von Platz 37 auf 25 in der Weltrangliste führen. Das liegt in erster Linie am tollen Einsatz unserer Spielerinnen aber ich denke, dass ich meine Arbeit ziemlich gut (und mit großer Freude) mache. Unterstützt werden wir dabei seit einem Jahr auch von einer sehr guten Mentaltrainerin – Denise Salamon. Aber auch die Unterstützung und das Vertrauen der ÖSB-Funktionäre helfen uns enorm weiter. Vieles ist einfach Teamarbeit.
Ein Erfolgsgeheimnis liegt im tollen Zusammenhalt des Teams. Auch wenn es mal nicht so läuft, unterstützen sich die Spielerinnen und halten zusammen. So konnten wir schon die eine oder andere Krise meistern. Und der 2. Platz 2018 beim Mitropacup mit einem sehr jungen Team war ein Erfolg, für den es auch international viele Gratulationen gab.

Krennwurzn:
Ich habe insgeheim auf den Konter gewartet, dass der wohl beste Schachtrainer Mark Dvoretzky auch „nur“ IM war. Nun möchte ich abseits der Provokation fragen: Warum ist eigene Spielstärke nicht das Hauptkriterium für einen guten Trainer?

HSZ:
Na ja, ich habe ja ein recht gutes Selbstvertrauen, aber auf die Idee mich mit Dvoretzky auch nur annähernd zu vergleichen, wäre ich nicht gekommen - seine Bücher „Für Freunde und Kollegen Teil 1+2“ geben übrigens tiefe Einblicke in die Trainerarbeit. Natürlich ist die Spielstärke eines der vielen Kriterien, die einen Trainer auszeichnen und man muss dann auch sehr ehrlich entscheiden bis zu welchen Grad man seinen Spielern noch helfen kann oder wann man sie lieber an einen anderen Trainer weiterempfehlen sollte.
Aber die Arbeit mit Menschen ist ein sehr komplexes Feld. Man muss Inhalte gut erklären können, sollte seinen Spielern mit Empathie begegnen, Vertrauen muss aufgebaut werden, ein System muss entwickelt werden in dem sinnvolles Arbeiten möglich ist, die Spieler müssen zum selbstständigen Arbeiten animiert werden, gutes Material muss ausgewählt werden, das Training muss so gestaltet sein, dass es für die jeweiligen Spieler möglichst maßgeschneidert ist, Krisensituationen müssen bewältigt werden.
Vieles spielt sich abseits der schachlichen Ebene ab. Die Eigenschaften die man als starker Spieler und als starker Trainer benötigt, sind eben zwei unterschiedliche paar Schuhe. Kaum ein Trainer wird in allen Bereichen perfekt sein – es kommt eben aufs Gesamtpaket an.

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Olympiateam 2018

Krennwurzn:
Kommen wir zum Spitzenschachtraining zurück – Du kennst sicherlich die Krennwurzn’sche Forderung 2600 mit 16 Jahren und 2700 mit 18. Diese plakative Forderung scheint auf den ersten Blick überzogen, schaut man sich aber die aktuelle Weltspitze an, so scheint genau dies notwendig zu sein. Eine der Nebenwirkungen dieser Forderung ist ja, dass angehenden Topleute auf die Schulbildung verzichten müssen, weil beides nicht mehr schaffbar ist. Können wir da in Europa – speziell in West- und Mitteleuropa da noch mithalten?

HSZ:
Deine Forderungen sind nicht von der Hand zu weisen. Das Höchstleistungsalter ist im Schach sicherlich deutlich gesunken und wenn man ganz an die Spitze will, muss man auf vieles verzichten. Im österreichischen Schachbund bekennen wir uns klar zu einem dualen System und unterstützen unsere Athleten dabei. Nachwuchsleistungszentren bieten dafür eine gute Basis, um intensiv zu trainieren und den Maturaabschluss zu erlangen. Aber das ist kein Honigschlecken für die Spieler und bedeutet Verzicht auf vieles andere.
Die Leistungen unserer Spieler (zum Beispiel der geteilte 6. – 14. Platz des Herren-Teams bei der Olympiade 2018, punktegleich mit Indien) zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind.
Uns ist aber bewusst, dass wir die Arbeit mit den jungen Spielern immer mehr intensivieren müssen, viele Schritte sind bereits eingeleitet. Und Präsident Christian Hursky puscht und motiviert mit Recht in diese Richtung.
Spitzensportler sind es gewohnt zielgerichtet und intensiv zu arbeiten. Und es gibt dann immer noch den zweiten Bildungsweg. Jeder motivierte junge Sportler muss da selbst seine Entscheidung treffen.

Krennwurzn:
Im Rahmen einer Diskussion habe ich folgende Statistik erstellt und zwei gleichalte Spieler gewählt, wovon einer in die Weltspitze kam und der andere eben gerade nicht.

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Sicherlich ein unwissenschaftlicher Vergleich, aber zeigt sich nicht das Bild, dass Meier in jungen Jahren nicht die Möglichkeit hatte gegen starke Spieler anzutreten und könnte das auch ein Problem für junge Spieler hier in Österreich sein, nicht schon früh auf härteste Konkurrenz zu stoßen?

HSZ:
Dein Vergleich ist sicherlich treffend. Wir benötigen starke Gegnerschaft um stärker zu werden. Der ÖSB fördert seine Spitzenspieler sehr dabei sich internationale Härte zu holen und im Ausland gegen starke Konkurrenz zu spielen. Gegner in einem Bereich zwischen plus 150 Elo und ein paar wenige mit minus 50 Elo sind nach Markus Ragger perfekt. Er meint auch, dass 100 Partien im Jahr für junge motivierte Spieler ein guter Richtwert sind.
Die Trainer unterstützen bei der Turnierauswahl.
Im Frauen-Nationalteam fordere ich mindestens 50 Partien im Jahr. Wie gesagt, alle sind Amateure, aber wir erwarten bei den Förderungen eine semiprofessionelle Einstellung. Auf individuelle Situationen nehmen wir natürlich Rücksicht. Und ein großes Selbstengagement ist immer Voraussetzung.
Leider fehlt die harte nationale Konkurrenz im Jugendschach. Wir haben einige wirklich starke Spieler, aber dann kommt ein großes Loch. Der ÖSB versucht mit einem bundesländerübergreifenden Projekt das 2019 starten wird entgegen zu steuern. Aber alle im Jugendschach beteiligten Personen sind in der Pflicht hier mitzuarbeiten. Leider scheiterte eine Initiative von mir die Vereine der 1. Bundesliga zu verpflichtender Jugendarbeit anhalten.

Krennwurzn:
Meine Sorge dabei ist, dass man den richtigen Ausstiegszeitpunkt aus dem Spitzensport erkennen sollte, um nicht in existenzielle (Sinn)krisen zu schlittern. Mir ist in diesem Zusammenhang eine Aussage von GM Maurice Ashley in Erinnerung, der gesagt hat, dass anders als bei körperlichen Sportarten die Entwicklung viel sprunghafter sein kann, weil das menschliche Gehirn die Informationen zuerst erlernen und dann erst verketten muss. Wie unterscheidet man eine Form- oder Lernkrise von der persönlichen Leistungsgrenze? Und wie geht man als Trainer mit dieser Frage um?

HSZ:
Das sind wichtige Schlüsselfragen. In der Tat erfolgt die Entwicklung im Schachsport anders – und viel komplizierter – als zum Beispiel in einer Ausdauersportart. Wenn du im Ausdauerbereich das Training perfekt gestaltest, Belastung und Erholung richtig setzt und das Training im richtigen Ausmaß steigerst, sollte sich die Leistung dazu linear entwickeln.
Im Schachsport ist das anders. Du trainierst oft lange Zeit und spürst, dass du gut arbeitest. Aber in den Ergebnissen spiegelt sich das nicht wider. Das kann für den Spieler, für den Trainer, für die Eltern und die Funktionäre oft sehr frustrierend sein.
Der Grund liegt darin verborgen, dass das Gehirn die komplexen Inhalte erst entsprechend verknüpfen und zusammensetzten muss, bis ergebniswirksame Reize entstehen. Man benötigt in diesen Phasen der scheinbaren Stagnation oft viel Geduld und Selbstvertrauen.
Ich denke, das sind Phasen wo ein Trainer seine Stärken beweisen kann, vor allem in dem er Spieler nicht einfach fallen lässt. Steckt ein Spieler in so einer Krise und vermittelt mir mit seinem Einsatz, dass er wirklich arbeiten möchte, versuche ich ihn/sie vorbehaltlos zu unterstützen.
Milan Novkovic, den ich für einen der besten Trainer Österreichs halte (allerdings hat er kaum Zeit für diese Tätigkeit), hat mir in diesem Zusammenhang ein wunderbares Buch empfohlen: „Der längere Atem“ von George Leonard. Die Phasen der scheinbaren Stagnation werden dort als „Plateau“ bezeichnet – und es ist wichtig dieses „Plateau“ zu lieben (sprich es anzunehmen als das was es ist – eine Phase des Lernens und Ansammelns“) um eine nächst höhere Stufe (das nächste „Plateau“) zu erreichen. Und das erfolgt dann oft sprunghaft – also mit einem enormen Eloschub der je nach Alter und Spielstäre weit über hundert Elo liegen kann (oben wird die Luft natürlich dünner).

Dann war da noch deine Frage, wann man das Erreichen der Leitungsgrenze erkennt und wann es sich nur um eine Krise handelt. Hier ist es wichtig, dass der Trainer seinen Spieler wirklich gut kennt und ein gutes Feeling für diese Problematik hat. Wichtig ist, dass der Wunsch zu arbeiten und für seinen Sport Opfer zu bringen vom Spieler ausgeht. Die Wünsche der Eltern oder des Trainers sollten da nicht hineinprojiziert werden. Es ist recht einfach im U8U10-Bereich Kinder so zu puschen, dass sie Titel gewinnen, aber diese sind nicht wichtig. Wichtig ist die Langzeitentwicklung. Hier gilt es konsequent zu arbeiten, Trainingsreize und Erholung im richtigen Maße zu setzten, und vor allem die Freude zu erhalten. Als Trainer benötigt man einerseits den Willen zum Erfolg, aber auch ein gutes Maß an Entspanntheit.
Mit zunehmendem Alter und zunehmendem Reifegrad tritt aber immer mehr die Selbstverantwortung des Spielers in den Vordergrund. Wir haben in unserer Gesellschaft große Freiheiten und müssen/dürfen damit umgehen. Nicht jeder wird glücklich, wenn er einen „klassischen“ Weg geht. Aber man muss auch wissen, worauf man sich einlässt.
Für den Trainer ist es dabei wieder wichtig eine vertrauensvolle Gesprächsbasis mit seinen Spielern zu haben. Sie sollen das Gefühl haben jederzeit mit ihrem Trainer diese Problematiken durchbesprechen zu können.
In meiner Praxis hatte ich diese Situation natürlich auch schon ein paar Mal: Druck durch Schule oder Studium, die erste tiefere Beziehung, Belastung durch den Sport – oft kommt im Leben viel zusammen. Ungefragt versuche ich mich aber mit Ratschlägen zurück zu halten. Ich muss schon wirklich sehr alarmiert sein, um von meiner Seite aus einem Spieler zu raten das Handtuch zu werfen. Aber oft ist eine längere Pause sinnvoll. Türen und Gesprächsdrähte müssen dann halt auch offenbleiben.

2018HSZ072016 Kristallgala der ORF ist mit dabei


Krennwurzn:
Dein Ex-Schüler Marc Morgunov wurde in Riga des Betrugs überführt und vom ÖSB gesperrt. Ich möchte aus Rücksicht auf das Alter nicht weiter auf den Fall eingehen, sondern generell fragen, was läuft da schief, setzen wir die Spieler unter zu harten Druck, dass sie keinen anderen Ausweg finden?

HSZ:
Man sollte von einem Einzelfall nicht auf das ganze System schließen, aber natürlich tragen wir eine Verantwortung für unsere Spieler. Aber dass Druck im Spitzensport immer ein großes Thema ist, ist klar.
Ich denke, dass der ÖSB die Verantwortung wahrnimmt und mit dem Einzelfall sehr gut umgegangen ist: transparent, Einbeziehung von internationalen Untersuchungen aller seiner Partien von 2018 durch einen Anti-Cheating-Experten, enge Zusammenarbeit mit der FIDE, eine harte Strafe – aber ohne den Spieler für immer zu verdammen, einen aufgezeigten Weg wie es weiter und zurück in die Schachgemeinschaft gehen kann und angebotene Hilfestellungen (u.a. Arbeit mit einem Mentaltrainer). Ich habe das letzte Mal 2016 mit Marc gearbeitet, aber bereits da war er im Taktikbereich unglaublich stark und beim Lösen von Studien besser und schneller als Valentin oder Christoph. Christoph meinte, dass er Marc wohl als Taktiktrainer engagieren werde, sollte er jemals bei einem Superturnier mitspielen.
Ich denke, dass Marc aus diesem Riesenfehler (ich und viele andere waren völlig geschockt von dieser Nachricht) seine Lehren ziehen wird und wünsche ihm nur das Beste für seine weitere Entwicklung.

Krennwurzn:
Allgemein gesprochen – in diesem Fall könnte der Betroffene noch zu jung sein – wäre ich für einen kompletten Straferlass, wenn der Spieler bereit wäre offen und öffentlich seine Beweggründe diesen Riesenfehler zu machen offenlegt. Aus Sicht eines Trainers eine Schnapsidee oder doch für andere eine Prävention?

HSZ:
Ich bin durchaus ein Freund von klaren Regeln und Konsequenzen (auch aus präventiven Gründen) – begleitet von größtmöglicher Unterstützung für einen Weg zurück. Daneben ist jeder Fall natürlich als Einzelfall zu behandeln. Man muss auch schauen, welchen Spielraum man hat, die Konsequenzen sind von der FIDE – oder im Falle des klassischen Dopings von der BSO – ja vorgeschrieben.

2018HSZ08
Auszeit und Entspannung
im Lieblingsort in Nordspanien

Krennwurzn:
Die Maschinen sind uns Menschen total überlegen, das hat sich auch beim letzten WM-Kampf wieder deutlich gezeigt, hier hätte Sesse mehrmals locker Partien gewonnen und Sesse ist ja nicht das Ende der Fahnenstange, es gibt ja noch alphazero als Drohung am Horizont. Ich als Schachzuseher habe ja schon oft das Gefühl, dass Zusehen schwieriger ist als selber spielen, weil es sehr schwer fällt Enginebewertungen richtig einzuordnen und in menschliche Idee/Muster umzuwandeln. Wie stark beeinflussen die Maschinen das zukünftige Training?

HSZ:
Da kann ich nur empfehlen die Engines einfach abzuschalten und die großartige Leistung der zwei weltbesten Spieler zu bewundern und zu genießen. Auch hat es viele hervorragende Live-Kommentierungen gegeben, die einem das Geschehen am Brett erklären.
Unglaublich fand ich die Verteidigungsleistungen von Carlsen und Caruana. Das gab es noch in keinem Weltmeisterschaftskampf. Die Fehlerquote war wohl äußerst gering und so gab es trotz großem Kampfgeist keinen Gewinn in den klassischen Partien.

Unglaublich finde ich die Arroganz erheblich schwächerer Spieler, die bequem zu Hause sitzend Engines mitlaufen lassen und sich nicht zu dumm sind die Züge der Nummer 1 und Nummer 2 der Welt heftig zu kritisieren.

Krennwurzn:
Nun ich brauche Hilfe von guter Kommentierung oder einen kritischen Blick auf Enginebewertungen um schönes Spiel erkennen – naja sagen wir genauer erahnen zu können. Bei der Arroganz muss ich einen Einspruch erheben, denn ich glaube, dass die Kritik von meist jenen geübt wird, die vom Fan zum Fanatiker werden. Im Prinzip ist es so wie wenn man beim Fußball schreit: den hätte er reinmachen müssen!

HSZ:
Ich würde die Kommentierung von Svidler, Polgar oder vielen anderen Kommentatoren bevorzugen. Eine echte Bereicherung – zumindest für mich.

Krennwurzn:
Welchen Stellenwert haben Engines bei Dir im Training?

HSZ:
Für mein Training spielen Engines eine eher untergeordnete Rolle. Wir arbeiten in erster Linie am Schachverständnis, an der Variantenberechnung und an der Technik. Aber natürlich werden zur Kontrolle der Eröffnungsvarianten, in der Partievorbereitung und Partieanalyse Engines als gutes Hilfsmittel eingesetzt. Und natürlich spielt der Einsatz in einem Elobereich von 2600 und steigend eine wesentlich bedeutendere Rolle – aber dafür brauchst du wohl einen anderen Interviewpartner.

2018HSZ09

Krennwurzn:
Das überrascht mich jetzt ein wenig. Klar ist: nur eigenes Denken führt zum Erfolg. Ich dachte aber, dass man Engines auch als Trainingsmittel einsetzen könnte. Leider gibt es noch wenig sinnvolle Leistungsbeschneidung von Engines um menschliches Spiel der gewünschten Spielstärke zu simulieren. Daher dachte ich, dass man im Training umgekehrtes Cheating einsetzen könnte – der Schüler spielt quasi gegen die Engine, der Trainer sortiert aber „unmenschliche“ Züge aus und/oder baut menschliche Fehler ein.

HSZ:
Interessanter Ansatz, mit dem ich allerdings keine Erfahrung habe. OK – das Mattsetzen mit zum Beispiel Dame gegen Turm gegen Engines zu üben – oder überhaupt die Vorteilsverwertung, ist ein recht gebräuchliches Mittel, aber aus meiner Sicht doch eben nur eine Randerscheinung. Vielleicht bin ich da aber doch zu sehr „Old school“, in diesem Bereich fehlt mir die Erfahrung. Ich arbeite lieber mit meinen Schützlingen ein tolles Buch von Dvoretzky, Aagard oder Gelfand durch. Engines versuche ich eben in einigen Bereichen sinnvoll einzusetzen, sonst interessieren sie mich weniger.

Krennwurzn:
Da möchte ich ein wenig nachhaken – ich sehe da eine Problematik: einerseits werden die Engines verdammt – selber denken, spielen, … - und heimlich schielt ein jeder auf die Enginezüge – Fritz sagt diesen Zug hätte ich spielen müssen. Bräuchten wir da nicht einen ehrlicheren und offeneren Zugang zu diesem Thema? Sollte ein ambitionierter Schachspieler nicht etwas mehr über die Funktionsweise (Stärken, Schwächen, …) von Schachengines wissen als dies heutzutage der Fall ist?

HSZ:
Langsam quälen mich die Engines-Fragen und eigentlich habe ich versucht sie ehrlich und offen zu beantworten. Natürlich müssen wir den Spielern die sinnvolle Arbeit mit Engines beibringen. Bei der Partieanalyse (auf die ich großen Wert lege) decken sie Fehler schonungslos auf. Manchmal schlagen sie „bessere“ Züge vor – um +0,2 höher als den gespielten. Dann geht es darum den Vorschlag der Engine zu verstehen, sonst bringt uns das nichts.
In der Partievorbereitung ziehen Spieler manchmal Engineszüge vor, ohne sie zu verstehen. Es interessiert mich nicht, ob die Engine eine Stellung mit +0,2 oder -0,2 bewertet. Ich strebe Spielstellungen an die mir/meinen Spielerinnen liegen, wo sie die Struktur verstehen und Pläne am Brett finden können.
Tendenziell denke ich, dass oft falsch und viel zu früh mit den Engines gearbeitet wird. Ich sag mal bis zu einer Spielstärke von 2400 haben sie Relevanz – aber eine untergeordnete. Bei Supergroßmeistern ist das sicherlich anders – aber das ist nicht mein Arbeitsfeld. Also lieber mit gutem Trainingsmaterial hochkonzentriert und selbstständig arbeiten und/oder mit einem guten Trainer und/oder mit einem guten Trainingspartner (Sorry, …Old school eben).

Krennwurzn:
Schauen wir noch ein wenig in die Zukunft. Alphazero hat in einem Wettkampf gegen Stockfish nur sechs Partien von 1000 gespielten verloren und ist damit schon fast an der praktischen Perfektion von Schach ist Remis angelangt. Wenn ein heutiger Weltklassespieler einen Zug spielt, so ist ein Plan/Intuition und eine Berechnung dahinter, die er erklären kann und die andere somit nachvollziehen können – das ist ja eine großartige menschliche Fähigkeit. Aber wie gehen wir mit Blick auf die Trainingsarbeit damit um, dass uns die Maschine einen Zug hinknallt, den wir nicht mehr verstehen und/oder erklären können?

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HSZ:
Das hängt von der Zeit und der Wichtigkeit ab. Manchmal nehme ich mir Zeit und versuche den Vorschlag zu verstehen. Gelingt mir das nach einiger Zeit, fein! Dann wird die Variante gespeichert und verbal kommentiert – oder zumindest so, dass ich/meine Spielerinnen später damit arbeiten können. – Verstehe ich den Vorschlag nicht: fein! Ab in den Mistkübel und lieber der Empfehlung eines starken Spielers vertrauen.

Krennwurzn:
Zum Abschluss des Interviews möchte ich noch ein Thema streifen, das wie wild durch Foren und auch die Allgemeinheit geistert: Schach und Intelligenz.
Allgemein möchte ich fragen, ob diese Betonung der Intelligenz nicht abschreckend wirken kann – schrecken wir nicht Leute ab mit Schach zu beginnen, nur weil die Angst haben sie könnten als dumm dastehen, wenn sich der Erfolg nicht einstellt?

HSZ:
Ich denke die Ansicht des hochintelligenten Schachspielers wird eher von außen in das Schach projiziert. Ich versuche diese Meinung nicht zu zerstören?.
Ich denke, sie schadet uns auch nicht. Und in der Tat kann unser Sport der Gesellschaft sehr viel bieten. Schach in der Schule kann spielerisch-unterstützend beim Erlernen zahlreicher Fähigkeiten helfen. Weiters kann Schach helfen generationenübergreifend zu verbinden – ich kenne dafür keine geeignetere Sportart. Im Alter hilft es sicherlich auch geistig fit zu bleiben.
Wenn man die Schachgemeinschaft betrachtet denke ich, dass wir durchaus eine normale Verteilung haben, aus meiner Sicht gibt es aber sehr viele sympathische Leute. Prinzipiell schätze ich sozial intelligente Menschen höher als hochintelligente Menschen mit schlechtem und überheblichem Benehmen.

Krennwurzn:
Zum Abschluss möchte ich noch über eine Studie sprechen, die wenn sie denn stimmen sollte, die praktische Trainerarbeit erleichtern sollte. Die Kernaussage ist, dass man für eine gewisse Elostärke eine Mindestintelligenz benötigt. Als Grundlage wird da oft eine Studie der Universität Graz aus dem Jahre 2006 angeführt.

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Würde das so stimmen, bräuchte man vor dem Trainingseinstieg nur einen IQ-Test machen und schon weiß man, was aus dem Schüler maximal werden kann. Ist das wirklich so einfach?

HSZ:
Mir graut davor jemandes Intelligenz zu messen und dann über seine Zukunft zu entscheiden.

Krennwurzn:
Dem Grauen schließe ich mich mit Begeisterung an und bedanke mich für das Interview!


2018HSZ

Zur Person:

IM Harald Schneider-Zinner, Wien
Internationaler Meister, FIDE-Trainer, Coach des überaus erfolgreichen Wiener Jugendkaders (2008-2016) und Trainer des öst. Frauen-Nationalkaders (ab 1.1.2017)
www.schachtrainer.at

 

Dienstag, 13 November 2018 12:02

ChessBase 15 – die Evolution geht weiter

Ein klares Krennwurzn Statement zu Beginn: Niemand braucht ChessBase 15 also kaufen Sie es sich sofort!!

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Die Krennwurzn ist ganz entzückt von ihrer messerscharfen Unlogik - etwas was man nicht braucht unverzüglich zu kaufen. Aber so einfach von der Hand zu weisen ist das denn auch wieder nicht, denn:

die WM läuft und Weihnachten steht vor der Tür,
also gönnen Sie sich was für sich und Ihr Hobby!

Wer hier noch weiterliest, verschwendet seine wertvolle Zeit, die er mit dem neuen ChessBase 15 sinnvoller nutzen könnte – die Krennwurzn übernimmt dafür keine Verantwortung, aber das brauche ich ja gar nicht extra schreiben.

Schachdatenbankprogramme gibt es schon eine gefühlte Ewigkeit und eigentlich sollte man denken, dass das Thema schon lange fix und fertig ausgelutscht ist und es beim besten Willen keine Neuerungen und Verbesserungen geben kann. Nun die Mannschaft aus Hamburg überrascht uns alle Jahre – einmal mit Fritz und im nächsten Jahr mit ChessBase immer wieder. Nicht nur dass versucht wird die Datenbankengine schneller zu machen, so dass auch die immer größer werdenden Datenmengen beherrscht werden können – nein es ist immer wieder auch was Neues mit an Bord.

Nachspieltraining

Die Krennwurzn trainiert nicht einmal vor einer Partie - was soll da ein Nachspieltraining helfen. Natürlich könnte man die neue Funktion auch für das Nachspielen eigener Partien verwenden, aber gedacht ist es eigentlich für Meisterpartien, um nicht wie bisher einfach schnell und ohne eigenes Denken durch die Partie und Kommentare zu klicken. ChessBase liefert hier ein einfaches automatisches Feature welches das Nachspielen mit Training und eigenem Denken bereichert. Damit man sich nicht gar so arg anstrengen muss, liefert das Programm auf Wunsch Tipps, die auf den richtigen Zug hinweisen. Zudem werden Dein Zug, der Partiezug und auch der Enginezug gegenübergestellt und man bekommt Punkte. Für die Krennwurzn werden auch noch Verlustzüge angezeigt und in Hochform schafft sie dann über 100% Fehler.

Aber lassen wir das Gefasel und werfen wir einen Blick auf die neue Funktion:

CB15 01

Wie leicht zu sehen ist, hat sich die Krennwurzn wieder mal nicht um den angezeigten Tipp „Vertreibe eine Figur“ gekümmert, sondern den Bauern auf b4 geschlagen, so wie es die Engine auch wollte. Eine wirklich nette Neuerung und auch der Krennwurzn gefällt es mit etwas mehr Eigenleistung durch die Partien zu klicken, aber lassen wir das Matthias Wüllenweber in einem Video erklären.

Video Nachspieltraining -Sprache Englisch – Dauer 12:54


Repertoiretraining

Das ist Nachspieltraining mit dem eigenen Repertoire – also nur für Leute, die sich mit ChessBase schon ein Repertoire angelegt haben. Mit der neuen Version kann man hier wirklich leicht und einfach das eigene Repertoire üben und üben. JA – Sie haben es erraten, so was macht die Krennwurzn natürlich nicht, denn das wäre ja kontraproduktiv. Also lassen wir Matthias Wüllenweber von ChessBase die neue Funktion erklären selbst erklären:

Video Repertoiretraining - Sprache Englisch – Dauer 5:08

Verbesserte Referenz

Die Referenzsuche wurde technisch etwas beschleunigt, aber da kann der ungeduldigen Krennwurzn ja kaum etwas Recht machen, denn die möchte das Ergebnis ja schon vor der Frage haben. Die Referenz wurde um die Punkte Trend und Endspiele etwas aufgefettet.

Der Trend zeigt wie sich eine Eröffnung oder Variante über die Zeit gehalten hat und wie sie aus oder in Mode kam – das ist nicht nur eröffnungstheoretisch interessant, sondern auch schachhistorisch, denn so manche unspielbare Variante hatte dann doch ihr Comeback oder war einfach nur aufgrund von Modetrends eine Zeitlang verschwunden.

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Endspiele zeigen mit welcher Häufigkeit welche Endspiele aus dieser Eröffnung entstehen und geben damit einen kleinen Hinweis darauf, was man beim nächsten Endspieltraining vorrangig bearbeiten soll.

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Plan Explorer

Was kommt thematisch heute aufs Brett? Nun starten wir mit einer Gegenfrage: was ist der Unterschied zwischen Schule und Universität? In der Schule fragt man den Lehrer was kommt zur Prüfung und erhält als Antwort: Lehrbuch Seite 12 bis 37 – die Antwort auf der Uni ist schlicht ALLES. Also was kann heute thematisch aufs Brett kommen: Antwort: ALLES!

Nun Alles ist bei Lichte betrachtet doch ein wenig ziemlich viel – auch wenn es die Lebensrealität ist, so möchte man diese doch ein wenig auf wahrscheinlichere Situationen eingrenzen. Genau das macht diese Funktion, die meiner Meinung nach noch ganz am Anfang steht und auch optisch etwas sperrig rüberkommt. Aber es ist genau die Richtung in die gute Schachsoftware gehen sollte. Es wird versucht abzuklären welche Manöver in bestimmten Eröffnungen wahrscheinlicher vorkommen. Natürlich ist das etwas Kaffeesudlesen, aber nicht nur, denn wie wir alle wissen, lassen sich aus vielen Daten doch signifikante Rückschlüsse ziehen.
Die Funktion stellt schon etwas Vorwissen über die Eröffnung und auch über Schachdatenbanken voraus und ist nicht so leicht zu bedienen – also keine wirkliche „Fun-Funktion“ und daher als Arbeitsfunktion für die Krennwurzn unbrauchbar und unnötig und trotzdem liebt sie diese Funktion – denn damit könnte man, wenn man wollte doch etwas lernen und möglicherweise schneller und zielgerichteter als andere. Sie wissen das ist nicht der erste Widerspruch in diesem Artikel und Sie erlauben mir die Frage: warum lesen Sie noch und haben noch nicht gekauft??

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Wieder eine stumpfe Werbedurchsage der Krennwurzn denken Sie – aber da muss ich Ihnen jetzt sagen: nein, da liegen Sie falsch, denn ein wesentliches Kaufkriterium ist ja, dass die Programme ständig weiterentwickelt und verbessert werden und gerade hier in dieser Funktion wird sich bis ChessBase 16 eine Menge tun und wir dürfen gespannt sein, was uns da noch erwartet und was da mit den Updates mitgeliefert wird.

Das Ziel ist einfach das ALLES auf ein beherrschbares Maß zu reduzieren, damit man in mittleren Breiten – also in der Amateurwelt mit weniger Aufwand etwas erlernen kann. Also typische Motive, Manöver einer Eröffnung erkennen und/oder sogar hinter das Geheimnis so mancher Zugreihenfolgen zu kommen. Das könnte interessant und spannend werden – ein kleiner Einblick in die Welt von Alphazero – jedenfalls was statistische Auswertungen betrifft.

Raytracing

Fällt in die Kategorie optische Spielereien wie die 3-D Bretter. Dennoch gefällt mir diese Funktion etwas besser, weil man hier wirklich schöne Bilder auf den Bildschirm zaubern kann und diese auch noch speichern kann und damit im Web oder für Präsentationen nutzen kann. Strahlenverfolgung ist der schreckliche deutschsprachige Begriff und will uns sagen, dass das Brett so berechnete wird, wie es in der Realität unter den gegebenen Lichtbedingungen auch aussehen würde. Leider benötigt diese schöne Bildererzeugfunktion doch einiges an Rechen- und Grafikleistung und ist auf meinem fünf Jahre alten i7-ProBook mit Onboardgrafik etwas sehr zäh. Leider kann ich nicht aus erster Hand berichten wie das am PC aussieht, weil es hier aktuell Probleme der Software mit meinem AMD Ryzen gibt und diese Funktion daher für AMD noch nicht freigeschalten wird. Aber ich darf alle AMD-Fans trösten – die Hamburger werden das Problem noch lösen und in die kommenden Updates einfließen lassen. (Update CB15.4 Dez2018 ermöglicht nun Raytracing auch auf AMD Rechner)

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So schön mit Licht- und Schattenwurf kann das aussehen – allerdings braucht man dafür schon einen guten Computer mit hochauflösendem Monitor. Interessierte können sich hier zwei Videos von Matthias Wüllenweber zum Thema ansehen.

Video Raytracing - Sprache Englisch – Dauer 4:05

Im zweiten Video wird gezeigt wie man aus einer Partie ein Video machen kann, eine sehr interessante Funktion um beispielsweise ein Training etwas aufzulockern oder auch Freunden einmal die eigene Partie auf einem großen Fernseher zeigen zu können.

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Video Partievideos erzeugen -Sprache Englisch – Dauer 7:30

Viele kleine Verbesserungen

Eine kleine – aber gar nicht so unwesentliche Verbesserung wurde auch bei der Suchmaske vorgenommen, die stark überarbeitet und erweitert wurde. Wem das alles schon bisher zu viel war, hat jetzt die Möglichkeit auf eine ganz einfache Suche zurück zu greifen. Das finde ich ganz grundsätzlich eine sehr gute Idee, denn nicht jeder will sich durch komplizierte Masken klicken – für manche und manche Anwendungen reicht eine übersichtliche abgespeckte Version auch. So kann jeder nach seiner Façon glücklich werden.

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Erweitert wurde auch der Reiter Manöver, der nun viel mächtiger und auch einfacher zu bedienen ist als früher, weil hier schon taktische Motive vorgegeben sind. Allerdings ist das schon eine Funktion bei der man mit etwas mehr Genauigkeit an die Arbeit gehen muss, aber dann liefert sie interessante Ergebnisse.

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Ebenfalls neu ist der Extrareiter für Angriffe:

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Natürlich gibt es noch weitere Funktionen in ChessBase 15 zu entdecken, aber die Krennwurzn interessiert sich nicht für alle Funktionen oder aber sie hat diese schlicht und einfach übersehen.

Gibt’s auch was zu meckern?

Könnte die Krennwurzn als gelernter Österreicher – ja sogar OBERösterreicher - nicht raunzen, müsste man sich wirklich große Sorgen machen. Aber keine Angst kein menschliches Werk wird jemals perfekt sein, denn sogar die Krennwurzn scheitert täglich oder sekündlich an der Perfektion.

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Perfekt ist nur die Ungeduld der Krennwurzn und obwohl die Hamburger laufend an der Datenbankgeschwindigkeit schrauben, ist diese immer noch nicht schnell genug um Ergebnisse in Krennwurznwunschgeschwindigkeit zu liefern. Bessere Soft- und Hardwareleistung werden durch größere Datenmengen wieder eingebremst – das ist ein Fluch unserer Zeit und dennoch habe ich mit Blick auf die Parallelisierung und den Taskmanager das Gefühl, dass hier noch Luft nach oben vorhanden wäre.

Als Meckerabschluss kann ich die Kritik von ChessBase 14 für die „Übertragungen“ bei playchess.com fast wörtlich übernehmen – praktisch für mich und zeitersparend für jene, die den Text auch nach zwei Jahren noch im Kopf haben:

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Wenn ich auf diese Liste schaue, bekomme ich Augenkrebs, der Kopf wird glutrot, wie nach einer zu starken Portion Kren (Meerrettich) am Jausenbrot und dann setzen tiefe Depressionen ein! Ich ungeduldiger User kann nicht nach Spieler suchen (das geht aber sogar bei der CB-Gratisapp am Handy), die Turniere sind nach Tag, Runden und sonst noch was aufgespalten – wahrscheinlich um die Krennwurzn noch mehr zu verärgern oder als Rache für die vielen bösen Krennwurznkommentare über ChessBase.

Und wenn ich jetzt noch wissen möchte, wie es im Turnier steht? Die Partien in ChessBase speichern und dann die Turnierstatistik aufrufen geht – aber das ist jenseits aller Eleganz! Aber ich wünsche mir noch mehr: ich will nicht nur eine Tabelle, sondern eine Livetabelle – am besten eine in der ich selbst noch rumbasteln kann und was-wäre-wenn Spielchen visualisieren könnte – eine Traumspielwiese also.

Natürlich könnte man auch aktuelle Nachrichten in den Übertragungsbereich eingliedern oder schneller und einfacher zugänglich machen – die meisten Informationen sind ja schon im ChessBase System vorhanden – sie müssen nur mehr „einfach“ – das ist scheinbar die große Schwierigkeit – für den User zugänglich gemacht werden!

Fazit der Krennwurzn

CB15 ist eine konsequente Weiterentwicklung der Vorgängerversionen mit ein paar wirklich netten Neuerungen, und zeigt dass sich die Hamburger tagtäglich neue Gedanken über Schach und Schachdatenbanken machen.

Was mir neu gut gefiel:

  • Nachspieltraining (NEU)
  • Planerklärer (NEU - erste Schritte)
  • Verbesserte Referenz
  • Verbesserte Suche inkl. Einfachsuche
  • Raytracing (NEU - einfach eine schöne Spielerei)
  • Kleine Verbesserungen und
  • wenig optische Veränderungen zur Vorversion

Was mir noch fehlt:

  • Vereinigung von ChessBase und Fritz GUI (Grafische Benutzeroberfläche)
  • oder zumindest ein einheitliches Aussehen im Übertragungsbereich
  • Zusammenstutzen und Vereinheitlichung des Angebotes (Jäten) 
  • Schreibweise verbessern und Spielerlexikon haben auch noch Potential
  • individuelle Anpassungsmöglichkeiten in der Ribbon Button Leiste
  • Übersicht über alle Einstellungen, Abos, ... in einem Report (html)
  • Firmeneigenes Supportforum

Und dennoch bitte nicht vergessen – aber sie werden es ja schon gemacht haben:

CB15 12

die WM läuft und Weihnachten steht vor der Tür,
also gönnen Sie sich was für sich und Ihr Hobby!

Ein ehrliches Wort zum Abschluss: oft wird die Krennwurzn gefragt: ich habe ChessBase Version xy soll ich auf die neue Version update. Haben Sie ChessBase 11 oder früher in Verwendung lautet meine Antwort UNBEDINGT JA. Ab ChessBase 12 lautet die Antwort auch immer JA, aber es gibt zwei Einschränkungen: Ihnen geht es wirtschaftlich gerade nicht so gut oder Sie haben keine Freude an etwas Neuem. Denn wie eingangs gesagt: Fast niemand braucht ChessBase 15 wirklich, aber es ist für viele eine persönliche Freude und damit ein Geschenk an sich selbst! Ja und Programmierer möchten ihren Lieben auch das eine oder andere Päckchen unter den Weihnachtsbaum legen können.

Systemanforderungen ChessBase 15 – Herstellerangaben

Minimum:
Pentium-PC, 2 GB RAM, Windows 7, DirectX9 Grafikkarte mit 256 MB RAM, DVD-ROM Laufwerk, Windows Media Player 9 und Internetverbindung (Aktivieren des Programms, ChessBase Cloud und Updates).

Empfohlen:
PC Intel Core i5, 2.8 GHz, 8 GB RAM, Windows 10, DirectX10 Grafikkarte (oder kompatibel) mit 512 MB RAM oder mehr, Windows Media Player, Adobe Flash Player (Live-Übertragung), DVD-ROM Laufwerk, Full-HD Monitor und Internetverbindung (Aktivieren des Programms, ChessBase Cloud und Updates).

Internet: Info und Shop www.chessbase.de 

Playlist ChessBase 15 YouTube  (könnte noch um weitere Videos erweitert werden.

Kleingedrucktes (nicht lesenswert)

Lob, Geschenkkörbe, Weinflaschen und Sympathiebekundungen per Email an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

Kritik, Beschwerden, Unmutsäußerungen bitte nur an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! – aber bitte nur bezüglich des Programms, nicht aber über die Krennwurzn – dafür können die Hamburger nun wirklich nichts!

Ich lege auch eine pdf-Version zum Download bereit – wer ganz erzürnt ist, bitte ausdrucken und ganz genüsslich ganz heftig klein zerreißen und dann gemütlich hinsetzen und ein gutes Glas österreichischen Rotwein trinken! Und natürlich CB15 mit Genuss und dem guten Gefühl kaufen, dass die Krennwurzn keinen Cent Provision erhält!

Danksagung

An jene Leser, die es so weit geschafft haben und noch nicht eingeschlafen sind!

Und zu guter Letzt an ChessBase Hamburg für die Bereitstellung der Betaversionen und der Geduld mit der Krennwurzn!