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Der Schöne und die Krennwurzn – Vienna Chess Open 2016

Der Titel erinnert ein wenig an das Märchen „Die Schöne und das Biest“, holpert aber auch ein wenig und da kommt die Krennwurzn ins Spiel. Aber halt eine kurze Auszeit für eine Zwischenfrage – wer ist „der Schöne“? Nun das ist ganz klar und einfach zu beantworten – der langjährige und treue Star des Vienna Chess Open: DER RATHAUSSAAL!

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Wohl einer der schönsten Spielsäle für Schachopen weltweit und das im absoluten Zentrum Wiens an der Ringstraße wo die historischen Gebäude wie auf einer Perlschnur aufgefädelt sind.

Bevor wir uns ganz der Romantik hingeben, kommen wir zum Holpern und der Krennwurzn zurück. Vienna Chess Open waren immer in ungeraden Jahren und damit immer alternierend mit der Schacholympiade – warum nach der planmäßigen Austragung 2015 im August 2016 schon wieder eine Austragung. Die offizielle Begründung Terminschwierigkeiten wegen der Renovierung des Wiener Rathauses führten schnell zu gewissen Gerüchten in der Schachwelt zumal auch die politischen Verhältnisse in Österreich und damit auch in Wien momentan sehr volatil sind. Das machte die Krennwurzn ein wenig hellhörig und so machte sie sich auf dem Weg nach Wien, um vor Ort die Turnierverantwortlichen zu befragen.

Gewählt wird in Wien erst wieder 2020 und damit sollte einer Austragung 2019 politisch nichts im Weg stehen, aber warum geht der Termin 2017 nicht, denn im Rathaus wird ja schon länger umgebaut und der Rathaussaal ist ja schon teilweise saniert worden, das ist für jeden ersichtlich. Und warum heuer die Terminplanung Dienstag bis Dienstag mit einer Doppelrunde? Vorzeichen eines Niedergangs? Das letzte Vienna Chess Open im Rathaus? Fragen über Fragen, die die Krennwurzn dem Turnierdirektor IO Johann Pöcksteiner persönlich stellen wollte.

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Stürmische Zeiten ??

Normalerweise lässt der Name Krennwurzn österreichischen Schachfunktionären einen kalten Schauer über den Rücken laufen und löst sofortige unaufschiebbare Expresstermine aus – nicht aber hier: Ok, Sie haben Fragen? Also los!

Das Wichtigste zuerst: die nächste Austragung des Vienna Chess Opens im August 2019 ist gesichert – es gibt bereits internationale Voranmeldungen beispielsweise einer koreanischen Schachgruppe, die heuer hier mit Trainer und Betreuer im C-Turnier mitspielen, aber auch von anderen Schachfreunden und Stammkunden des Turniers! Das Wort Kunde kennt die Krennwurzn nur aus dem heimatlichen Aschach im Zusammenhang mit Schachturnieren – ansonsten hat man oft etwas andere Wahrnehmungen. Ja, Kunden! bekräftigte Pöcksteiner der etwas verdutzt dreinschauenden Krennwurzn. Wir wollen den Schachspielern etwas bieten und unser Niveau halten oder verbessern und diese Überlegungen haben zu den Terminverwerfungen geführt.

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Zwei Koreanerinnen in Wien

Fix aus den Planungen der Stadt bezüglich der Rathaussanierung geht hervor, dass 2017 eine Austragung im August unmöglich war, weil im Sommer 2017 größere Umbauten und Sanierungen rund um den Rathaussaal geplant sind. Der Rathaussaal selbst wird nie komplett gesperrt, weil sich die Stadt immer die Möglichkeit für eine Nutzung offen halten muss, da es auch unvorhergesehene Anforderungen geben könnte, aber Zugänge, Nebenräumlichkeiten, etc sind in diesem Zeitraum nicht oder nur erschwert benutzbar, sodass ein reibungsloser und ungeteilter Turnierablauf schlicht nicht möglich wäre. Als Alternativen boten sich an: 2017 ausfallen lassen und damit eine vierjährige Pause von 2015 bis 2019, eine Austragung 2017 an einem anderen Ort in Wien oder eben die etwas verkürzte Austragung mit einer Doppelrunde 2016 für die wir uns entschieden haben. Wien vier Jahre ohne Schachtopveranstaltung wollten wir als Schachvorstand Wien nicht, ein anderer zentraler Austragungssaal mit ähnlichem Ambiente wie der Rathaussaal ist finanziell und organisatorisch außer Reichweite. Unter diesen Voraussetzungen war dann schnell der Zeitplan klar: 2016 das „Risiko“ Vienna Chess Open im Olympiajahr – sowohl Schach als auch die laufende in Rio – nehmen und ich denke die 600+ Teilnehmer aus 49 Nationen geben uns Recht! 2018 die Staatsmeisterschaften in Wien und ab August 2019 wieder ganz klassisch im Zweijahresrhythmus das Vienna Chess Open ohne Doppelrunden!

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Auch im schönsten Ambiente ist Denken harte Arbeit

Die Schachspieler müssen sich keine Sorgen um das Turnier machen und wie die Krennwurzn auch bemerkt hat, bietet der Veranstalter Hotelzimmer zu günstigeren Konditionen an, was aber wegen der Konkurrenz von Buchungsplattformen immer schwieriger wird. Daher legt der Veranstalter wie auch schon andere den Fokus auf Angebot abseits des Schachbrettes wie Stadtspaziergänge mit Schachgeschichte, Besichtigungen mit individuellen Touch, die nicht von der Stange angeboten werden, usw… Der Schachspieler als Kunde – keine schlechte Nachricht denke ich mal!

Die Krennwurzn ist aber nicht nur wegen der Schachpolitik nach Wien gefahren, nein natürlich nicht, sie wollte natürlich auch Schachfreunde treffen und die Stadt Wien mit dem vielfältigem kulturellen und kulinarischen Angebot genießen und sogar ein wenig Zeit für Schach blieb übrig. Zuerst eine Stellung als Warnung, dass die Krennwurzn, obwohl am Schachbrett selbst absolut ungefährlich, als Zuseher extrem gefährlich ist.

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Weiß am Zug hat eine Qualität mehr, die bessere Bauernstruktur – was soll da noch passieren? Erraten: die Krennwurzn als Zuseher (Knofel) und es geht Ruck Zuck und der Punkt ist weg!

1. Tc8+ Kg7 (Tc7 wäre noch stärker) 2. Td8?! (besser h5 mit unlösbaren Problemen für Schwarz) 2 … Sxg2! ist noch nicht die Katastrophe aber mit Krennwurzneinwirkung 3. Txe6?? Sxf4! macht die Katastrophe perfekt, denn mit 3. Kxg2 Txe1 4. Dg4+ Dg6 5. Dxd4 f6 wäre Weiß noch im Spiel geblieben…

Eine gewisse positive Fernwirkung der Krennwurzn ist allerdings gegeben, wenn man an die Partie von FM Florian Sandhöfner gegen GM Marius Manolache aus der 3. Runde denkt. Entsetzt saß die Krennwurzn mit Engine bewaffnet vor dem Monitor weil sie sah, dass Florian dem Gegner in Gewinnstellung die Chance zur Zugwiederholung anbot.

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Ein „das darf aber jetzt nicht wahr sein“ in den Bart gemurmelt und schon hatte der rumänische GM Einsehen mit der Krennwurzn und ging selbst mit Dc2 der drohenden Zugwiederholung aus dem Weg, was nach Tg4 Dd3 Tg7 schließlich zum Gewinn für Florian führte!

Dass bei Begegnungen Deutschland - Österreich nicht zwangsläufig immer die Deutschen das glücklichere Ende haben zeigt dieser Turniersplitter aus der Begegnung GM Markus Ragger gegen GM Gerald Hertneck aus der 5. Runde.

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Ragger, der nichts aus der Eröffnung herausholen konnte, ist gerade dem Damentausch und dem dann wohl unweigerlichen Remis aus dem Wege gegangen und macht sich nun mit 25. h3 ein Luftloch – allerdings wäre ihm nach 25. … Db1+ 26. Kh2 De4!! die Luft dennoch ausgegangen, denn der Läufer f4 kann wegen 27. … Lf1 nicht ziehen und auch die Tricks auf c6 funktionieren nicht! In weiterer Folge konnte Ragger den überlebenden schwarzfeldrigen Läufer gewinnträchtig opfern und die Partie in über 60 Zügen für sich entscheiden.

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GM Gerald Hertneck spielte ein Superturnier,
wurde aber brutal an The Doors erinnert
„The old get old and the young gets stronger“

Das Turnier hat die Nummer 1 GM Markus Ragger mit 8/9 solo als Start-Ziel-Sieger für sich entschieden und hat sich damit wieder den 2700 in der Liveratingliste angenähert. In der letzten Runde entschied er sich allerdings mit Weiß zu einem Schnellremis und dem damit verbundenen alleinigen Turniersieg und gegen die Chance mit einem Sieg die 2700 in der FIDE Septemberliste zu überschreiten.

Dahinter stürmten junge Schachspieler mit 7,5 das Podest wobei IM Volodymyr Vetoshko (Startnummer 19) aus der Ukraine die Nase nach Zweitwertung vor dem deutschen Vincent Keymer (Startnummer 38) hatte, der hier in Wien eine IM Norm machte und an der GM Norm nur ganz knapp vorbeigeschrammt ist. Eine weitere IM Norm machte der 15jährige Türke Emre Emin Dedebas. Einen detaillierten Überblick über die Turnierstatistik können Sie sich lieber Leser wie gewohnt auf Chess-Results machen!

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Hinten Funktionäre des Wiener SV:
Margot Landl, Präsident LAbg. Christian Hursky, Vizepräsident Peter Jirovec, Angela Blohberger

Vorne Turniersieger: Vincent Keymer, Markus Ragger, Volodymyr Vetoshko
(© Wiener Schachverband / Gerhard Peyrer)

Bleibt noch die Frage nach 2019. Klar das Turnier findet statt, da gibt es keinen Zweifel, aber die Frage der Fragen ist, wie hoch ist die Gefahr, dass die Krennwurzn das Vienna Chess Open 2019 mitspielt? Obwohl – oder gerade weil !? – es so ein schönes Turnier ist, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering. Aber die Gefahr von plötzlichen Krennwurzneinfällen bei einzelnen Runden kann nicht ausgeschlossen werden!

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Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
und Grün des Lebens goldner Baum.


Weiterführende Informationen zum Vienna Chess Open

Homepage des Turniers

Ergebnisse und Partien

Die hervorragenden Fotos in diesem Artikel stammen Großteils vom Schachfotografen FM Peter Kranzl (herzlichen Dank!!) und können auf seiner sehenswerten Homepage bewundert werden – nehmen Sie sich aber etwas Zeit mit, denn Peter hat schon viele Events mit seiner Kamera besucht!

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 

Kommentare   

#1 Thomas Richter 2016-08-26 10:53
Schöner atmosphärischer Bericht! Eine koreanische Delegation (offenbar andere Spieler) war dieses Jahr auch in diversen Amateurgruppen in Wijk aan Zee dabei - Foto hatte ich nicht, immerhin ein 'kompliziertes' Interview (nur der Trainer konnte einigermassen Englisch).
Bei "doch keine (keyne) GM-Norm für Keymer" muss man Details des Regelwerks bemühen: die Turnierleistung (TPR) reichte knapp, nachdem die Elo des schwächsten Gegners auf 2200 angehoben wird. Aber der Gegnerschnitt von Elo 2333 reichte nicht (gilt übrigens auch für Vetoshko, im Durchschnitt 2366), man braucht mindestens 2380. Das Wiener Open war eben in der Breite nicht stark genug besetzt.
Beim Siegerfoto haben sich dankenswerterweise Funktionäre dazugestellt - sonst würde Ragger zwischen Keymer und Vetoshko etwas alt aussehen?!

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