Referent für Randsport gesucht

Sieht so ein Randsport aus? Sieht so ein Randsport aus? O.St.

Man glaubt es ja kaum – schon wieder läuft der Fußballsport dem Spiel der Könige den Rang ab. Erst vorgestern gewann Deutschland sein letztes Vorrundenspiel gegen Dänemark mit viel Mühe und viel Not – und schon hupten die Autos auf den Kreuzungen, Menschen umarmten und küssten sich, und die Welt war für einen kurzen Augenblick wieder in Ordnung.

Vor einem Dreivierteljahr, wie war es da? Die deutsche Schach-Équipe punktete sich voller Energie durch eine phantastische Europameisterschaft in Porto Carras/ Griechenland und wurde beste Mannschaft des Kontinents. Georg Meier schoss das entscheidende Tor gegen Armenien, doch die breite Masse hat es kaum registriert - wie schade. Oder hat jemand ein hupendes Auto gehört? Sah man tanzende Menschen auf blockierten Straßenkreuzungen? Wurde ich etwa von bezaubernden Frauen umarmt? Wir sind und bleiben eine Randsportart.

randsportkaffee

Das Gute an unserem Randsport: für Kaffeesponsoren sind wir jederzeit offen!

Nun sollte uns das ja eigentlich gar nicht stören. Randsport sein, das muss ja nichts Schlimmes bedeuten. Manche Menschen sammeln Briefmarken und finden dabei ihr Glück. Andere widmen sich dem Extrembügeln, rauchen, angeln oder machen Square Dance - klein, aber fein und vom Glanz der Medien unbemerkt.
Außerdem sind wir als Randsportler in guter Gesellschaft - laut ZEIT ist sogar Basketball in Deutschland seit neuestem wieder auf diese Bewusstseinsebene zurückgefallen. Doch wen von uns soll es schon groß stören, ob und wie uns die anderen wahrnehmen? Hauptsache, wir sind glücklich mit dem, was wir tun. (Und das sind wir doch, oder?)

Wer es aber doch ein wenig schillernder liebt, kann seine Hoffnungen (wie immer) auf die Zukunft richten.

(Nun hätte eigentlich ein Wort folgen sollen zum Tal Memorial in Moskau, das augenscheinlich Magnus Carlsen knapp vor Fabiano Caruana und Jörg Hickl für sich entscheiden konnte. Leider hatte ich leichte Probleme, die russischsprachige Webseite zu verstehen – darum für heute nicht viel mehr zu diesem Thema. Glückwünsche aber an den unglaublichen Magnus!)

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Magnus Carlsen - in Moskau der Konkurrenz wieder weit voraus

Gerne surfe ich ja zum Beispiel auf die Seite des Schachbundes, beklage meine aktuelle DWZ und schaue, was es Neues gibt in der weiten Welt. In letzter Zeit allerdings scheint allerdings nicht mehr viel passiert zu sein - zumindest nicht in der weiten Welt. Aber war da nicht eine Weltmeisterschaft? In Moskau sogar? Der Schachbund berichtet von diesem und von jenem, aber so ungefähr das weltgrößte Schachereignis fand nicht so richtig den Weg in seine Nachrichten.
Zum Glück für uns berichtete ja aber unser aller Hauptsponsor Chessbase liebevoll auf seiner Seite – und da wäre es vielleicht sogar etwas störend gewesen, hätte der Schachbund Leser abgeworben mit eigenen Berichten.

Im Laufe der Jahre sahen wir viel Gutes und viel Interessantes auf der Schachbund-Seite. Klaus-Jörg Lais hat sich dort viel Mühe gemacht, ebenso wie seine Nachfolger Frank Hoppe und Raymund Stolze. Alle waren ausdauernd am Wühlen. Aber es wird auch gute Gründe dafür geben, dass sie alle ihr intensives Engagement früher oder später nicht mehr fortsetzen wollten.
Nun schickt sich der Schachbund an, die Stelle eines Referenten für Öffentlichkeitsarbeit ein weiteres Mal neu zu besetzen und damit den lange Zeit sehr guten Stand seiner Homepage-Berichterstattung zu bewahren.
Die Suche nach einem ehrenamtlich wirkenden Pressereferenten (Frauen werden in der Ausschreibung nicht angesprochen) ist schon seit einigen Tagen hartnäckig die Top-Meldung beim Schachbund. Wir unterstützen das gerne.
Leider wird auch dieses Ehrenamt den Kandidaten deutlich mehr Arbeit als (wenn überhaupt) Geld bringen, aber so ist das wohl beim DSB. Offenbar sind wir nur ein sehr kleiner Verband, für irgendeinen Randsport ohne Ambitionen, und da ist einfach nicht mehr drin an Bezahlung. Bitte melde Dich! 

Auch eine Etage höher tut sich einiges. Das Weltschach meldet sich zu Wort, und hier fließt im Gegensatz zum verwaisten Pressebereich des Schachbundes eine Menge Geld. Andrew Paulson, Chef des AGON-Unternehmens, schickt sich an, das Spiel der Könige fernsehtauglich zu machen. Und klar, warum auch nicht? Zuerst kaufte er der großen Mutter FIDE die Rechte für den nächsten WM-Zyklus ab, und nun bekräftigte er in einem Interview in Moskau noch einmal seine Pläne, beizeiten auch die Übertragung von Schach auf den Fenseh-Bildschirm zu revolutionieren: "If poker can make it on telly, so can chess".

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Schach im Fernsehen - schalten wir um oder bleiben wir dran?

Was würde besser werden, wenn Schach nun auch noch im Fernsehen zu sehen wäre? Wer würde zuschauen – und was genau würden wir sehen? Beim Dart schalte ich ja immer gleich weiter, trotz all der herumfliegenden Pfeile und der johlenden Menschen im Zuschauerraum. Noch schneller geht es mit dem Umschalten, wenn Pokertische und goldene Kettchen zu sehen sind. Sogar wenn die Schach-Bundesliga oder ein Superturnier im Internet übertragen wird, bleibe ich nicht stundenlang vor dem Bildschirm sitzen –auch wenn das natürlich verwerflich ist und man das nicht sagen soll. Der einzige Sport neben Schach, der mich im Moment fesselt, ist Fußball. Ist leider so. Fußball!

Vielleicht ist das Problem, dass man beim Schach insgesamt zu viel denken muss, auch als Zuschauer. Wenn es mit weniger Denken gehen würde, wäre das schon eine Hilfe.

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Auch abseits des Schachbretts ist es ohne Nachdenken manchmal schwierig

Ansonsten lässt es sich aber auch als Randsportler ganz gut leben. Nur fremde Frauen könnten uns Schachspieler gerne öfter umarmen, da beneide ich die Fußballer schon sehr. Und ein(e) gut bezahlte(r) Pressereferent(in), das fände ich auch schön. Aber sonst fehlt mir außer ein paar DWZ-Punkten eigentlich nichts.

PS Croatia - Espana 0 : 1. Olé!

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Gerhard 2012-06-19 15:58
Wie immer ein launiger Artikel von dem Autoren, quer beet über manches Themengebiet hinweglaufend.
Angerissen ist das Thema Europameisterschaft: Ein Jahrhundertereignis im deutschen Schach, gleich nach Hübners Griff nach der Krone. Daß das Ganze erst 9 Monate zurückliegen soll, ist kaum zu glauben.
Dann Schach im TV: Ich finde, die Pressekonferenzen und Übertragungen aus Moskau waren z.B. beispielhaft. Ich denke, daß so mancher (Amateur) seinen TV nebenher laufen lassen würde (wäre ja schon was) und öfters mal einen Blick auf das Verhalten und die Argumentation der Spieler werfen könnte. Für mich jedenfalls war das Verhalten der Akteure recht wichtig, fast so wichtig wie ihre Züge.
Man könnte im TV ja auch immer wieder Gäste einladen, die in Berührung mit dem Schach sind und sonst eine große Breitenwirkung haben. Das würde zusätzlich locken, vielleicht sogar mehr als das Hauptthema. Was wirklich nicht schlimm wäre.
#2 Northsea 2012-06-20 16:13
Es gab in den 80er Jahren mal den "TV World Cup",
beispielsweise 1982 in Hamburg mit folgenden Teilnehmern: Spasski, Timman, Karpow, Nunn, Torre, Lobron, Seirawan und Bouaziz.
Finale: Karpov-Spasski. Dazu gab es wirklich spannende gut-gemachte TV Sendungen mit Helmut Pfleger. Leider hat die Gema die entsprechenden youtube videos löschen lassen, obgleich diese öffentlich-rechtlichen Sendungen ja eigentlich schon von uns Gebührenzahlern bezahlt wurden. Hätte ich mir gerne noch mal angeschaut.
#3 Olaf Steffens 2012-06-21 12:06
Hi Northsea,

Recht hast Du - das waren schöne Sendungen mit dem TV-Turnier. Das Teilnehmerfeld war großartig!

Auch wenn die GEMA hier zu bocken scheint, kann man die englischen Master Game-Spiele bei youtube noch ansehen. Hier ist z.B. Donner vs Miles, andere findet man gleich daneben:

http://www.youtube.com/watch?v=lpZi9d7nMm4

Der Charme daran waren für mich immer die Live-Kommentare (bzw. Fast-Live, unmittelbar nach dem Spiel aufgenommen im Hotelzimmer :-). Und auch die Dauer der Partie war gut - das Ganze dauerte ja immer nur eine halbe Stunde insgesamt. Auch wenn es dann nicht immer das tiefste Schach ist, ist es doch sehr unterhaltsam auch für uns Zuschauer.
Mal sehen, ob jemand so etwas nochmal aufgreift. Für das Teilnehmerfeld schlage ich vor Jan Gustafsson (auch wegen seinem Hamburger Akzent als Kommentator!), Magnus Carlsen, Luke McShane und als aufstrebendes Talent einen der Schachprinzen. Wer steigt ein, als Sponsor?

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