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In der Niederlage zeigt sich die wahre DWZ-Größe

Ab jetzt haben sie wieder mehr Zeit für Schachturniere! Ab jetzt haben sie wieder mehr Zeit für Schachturniere!
Schach als Spiel ist schnell gelernt - und danach kann man den Rest seines Lebens an der eigenen Unzulänglichkeit verzweifeln. Zumindest fühlt es sich manchmal so an, wenn man mal wieder nach einigem Grübeln die falsche Variante ausgesucht hat und im übernächsten Zug die Figur geben muss. Schon wieder direkt auf die Straße der Verlierer gefahren, auf die man ja gar nicht hinwollte, und der Mannschaftsführer guckt auch schon ganz skeptisch. Dann ist das Spiel vorbei, und man schleicht am Sonntag abend durch den Regen nach Hause und hat verloren. Schon wieder verloren, und man nagt sich ein Loch in die Tapete. Und der Tatort kommt aus Niedersachsen und ist mit Maria Furtwängler, die auch keinen Spaß versteht.-
Was kann man tun? Die ehrliche und teilweise schonungslose Antwort lautet: man kann nichts tun. So etwas passiert, und Schach ist ein schweres Spiel. Das wussten schon die Altvorderen (Emanuel Lasker, Aaron Nimzowitsch, Jan Gustafsson). Und es hat ja vielleicht auch etwas Beruhigendes zu wissen, dass wir trotz bester Absichten und geballten Trainings alle Herausforderungen unseres Spiels zugleich kaum noch in den Griff bekommen werden:

- die verästelten Eröffnungen (und die Langeweile nach 1.c2-c4)
- die Dramen des Mittelspiels
- das Endspiel – wie ging noch Turm + Läufer gegen Turm?
- die Zeitnot (tick tick tick)
- die erfolgreichen Tricksereien des Gegners, der eigentlich schon plattstand
- der psychologische Druck, das Gewinnenwollen, die Angst vor Fehlern
- das frühe Aufstehen bei doppelrundigen Turnieren (besonders hart für Hamburger Großmeister)

Was bleibt zu tun? Beruhigen wir uns – wir brauchen all das gar nicht zu können! Jedenfalls nicht unbedingt. Denn: Schach spielen kann auch so Spaß machen. Betrachten wir es als Spiel - es kommt nicht nur auf die Punkte an, die wir machen. (Ich weiß, ich weiß – das werden die Mannschaftsführer unter den Lesern nicht gerne hören!)
Tatsächlich kann es ja auch eher störend sein, wenn die Jagd auf den vollen Punkt im Vordergrund steht. Man verkrampft, das Ergebnis wird das einzige Kriterium, und zack jagen wir die Bauern nach vorne, überreißen die Stellung und müssen einem lächelnden Gegner die Hand zur Aufgabe reichen. Schade! In seinem wundervollen und sehr psychologischen Buch „Die sieben Todsünden des Schachspielers“ beschreibt der schottische Großmeister Jonathan Rowson dieses Phänomen des „Wollens“ sehr schön. Wir wollen gewinnen, wir wollen das Remis sichern – und achten dann mehr auf das angestrebte Ergebnis als auf die Stellung, die vor uns ist. Als Folge machen wir Züge, die eher zu der Geschichte passen, die wir uns ausgedacht haben („den Bauern opfere ich, greife ihn an, er kollabiert, und ich bekomme den Punkt!“), als dass sie zu der Stellung passen, die vor uns steht.
Schach ist ein schweres Spiel. Wenn wir das fühlen, tut es nicht mehr so weh, wenn wir daneben gegriffen haben. Wir sind nicht allein mit dem Problem. Wir sind ja auch nur Menschen – und weil uns oft schon der Regelbetrieb des Alltags viel Kraft kostet, wie sollen wir da alle Feinheiten der Englischen Eröffnung und der Variantenberechnung auch noch im Griff behalten? Behalten wir also lieber den Spaß im Auge, und behalten wir die innere Distanz zum Spiel. Und kann sein, dass wir allein dadurch dann auch schon wieder viel besser spielen.

Krokodil in Budapest

Der Gegner lauert überall (und die Niederlage auch)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, eine Umfrage ganz im Vertrauen. Wie haltet Ihr das mit Niederlagen? Könnt Ihr danach noch gut schlafen? Seid Ihr lange geknickt, hört mit dem Schachspielen auf, oder blitzt Ihr die ganze Nacht im Internet?
Macht es für Euch Sinn, etwas als Sport zu betreiben, wo einen die fiesen Verlustpartien und die gruseligen Last-Minute-Fehler vielleicht noch wochenlang verfolgen?
Schreibt doch mal kurz auf, was Ihr so erlebt habt, und wie das so ist, bei Euch! Danke!
Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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