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Griechische Impressionen

Die Krennwurzn war im September inselhüpfend auf den Kykladen unterwegs und weil die Krennwurzn auch ein wenig schachverrückt ist, kreisen auch im Urlaub – gerade nach dem einen oder anderem Gläschen Wein – die Gedanken um das königliche Spiel. Aber was hat Griechenland mit Schach zu tun? Dass die alten Griechen das Spiel schon seit Alexanders Zeiten von den Persern kannten ist geschichtlich nicht belegt, denn das Spiel kam erst viel später im frühen Mittelalter mit den Arabern von Persien aus nach Europa. Nun Athen ist seit einigen Jahren der Sitz des FIDE Sekretariats und nicht zu vergessen ist, dass ebenfalls schon sehr viele Jahre der spielstärkste Olivenbauer der Welt Nigel Short dort wohnhaft ist, wenn er nicht gerade um die Welt jettet, um Schach zu spielen oder zu kommentieren.

Auf der kleinen aber schönen Insel Sikinos lernte die Krennwurzn einen Hamburger Wirtschaftsanwalt kennen und war total überrascht, dass dieser die Firma ChessBase nicht kannte, obwohl er die Veranstaltung linkes gegen rechtes Alsterufer schon über viele Jahre verfolgt – aber irgendwie sagte er ist Schach in den 90er Jahren aus den Medien verschwunden.

Nun nach ein paar Achterl mehr bei einem schönen Sonnenuntergang beim Weingut Manalis – eine touristische Empfehlung der Krennwurzn: bleiben Sie bis nach Sonnenuntergang und spazieren Sie die knapp vier Kilometer zum Hauptort auf der Straße zurück und genießen den freien Blick auf die Sterne, den man im städtischen Bereichen Mitteleuropas nicht mehr hat. Auch der Wein – vor allem der trocken ausgebrachte Weißwein – ist gut und so drehen sich die Gedanken der Krennwurzn immer schneller und schneller.

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Griechenland ist in der Krise und da die Krise überall ist, hat auch Schach eine Krise – jahrelange rückläufige Mitgliederzahlen in Mitteleuropa, Bundesligavereine die aufgrund organisatorischer – ja so nennt man marketinggerecht heutzutage finanzielle – Probleme ihre Mannschaften zurückziehen oder redimensionieren, um einen modernen Ausdruck zu strapazieren. Schachturniere die aus dem Turnierkalender verschwinden und Spieler, die sich gegen eine Profikarriere und für ein Studium entscheiden, weil die wirtschaftliche Absicherung eines Profis gerade hier in Mittel- und Westeuropa nun nicht wirklich rosig ist.

Aber halt! Was soll das pessimistische Gesudere. Schach hat doch beste Werte – wird in der Gesellschaft als intellektueller Sport anerkannt und bewundert. Auch viele andere Daten sind doch auch bestens: hohe Akademikerquote, hoher Einkommensschnitt und viele Studien, dass sich Schach als Sport eine gute Schule für das Leben ist, und auch gut für schulischen Erfolg usw.

Warum sind wir dann in der Krise? Möglicherweise, weil uns und den Verbänden die Außenwirkung fehlt und wir uns – Egoisten wie wir gerne als Einzelkämpfer nun mal sind – gerne und vor allem mit uns selbst beschäftigen. Und da sind wir durch die Möglichkeiten, die uns die neuen Medien geboten haben, in einen immer engeren Kreislauf hineingekommen. Unzählige Foren, Blogs, Webseiten beschäftigen sich mit Schach – nicht einmal einem so schachverrückten wie der Krennwurzn ist es möglich auch nur annährend alle Informationen zu sichten. Kurz gesagt wir beschäftigen uns mit uns und vergessen den Rest der Gesellschaft. Wie kann es sonst sein, dass wir einen sportinteressierten und schachaffinen Menschen nicht erreichen? Und kann darin auch die Ursache für die Schwierigkeiten im Finden von Sponsoring für Schach und Schachveranstaltungen liegen? Kommen unsere finanziellen Probleme vielleicht wirklich davon, dass wir organisatorisch nicht in der Lage sind, jene Leute anzusprechen, die keine Schachspieler und –freaks sind, die aber auch gerne mal was über Schach lesen würden und die dann aufgrund ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Position bei Sponsoringentscheidungen einen positiven Einfluss nehmen könnten?

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(Fresko Faustkämpfer - Akrotiri - Santorin)

Was machen wir falsch? Möglicherweise verschrecken wir interessierte Leute? Zuerst sollten wir damit aufhören immer zu betonen wie schwierig Schach ist – ich beispielsweise spiele mit unheimlicher Leichtigkeit schlechtes Schach und erfreue mich trotzdem daran. Durch die Hervorhebung der Schwierigkeit machen wir unser Spiel nicht interessant, sondern stellen zu hohe und vor allem abschreckende Einstiegshürden auf. Klar Schach ist auf Spitzenniveau ein sehr, sehr anspruchsvoller Sport mit wissenschaftlicher Komponente – aber sind wir doch ehrlich auch als Amateurfußballer hat man maximal eine vage Ahnung wie anspruchsvoll Profifußball wirklich ist.

Und da sind wir bei einer weiteren unterschätzten und vernachlässigten Seite: vor lauter Ehrfurcht vergessen wir auf den Punkt der Unterhaltung. Sind wir wieder ehrlich zu uns selbst, dann wollen viele von uns sich nicht wirklich im Schach verbessern, sondern wollen spielen und sich unterhalten. Die Komponente Unterhaltung wird extrem unterschätzt und dies wird durch veraltete oder besser gesagt nicht mehr zeitgemäße Usancen noch verstärkt. Wenn die Meister sprechen, dann hat die Krennwurzn Pause! Gut das hat sicherlich fachliche schachliche Gründe, ist aber dennoch ein schwerer Fehler – denn wer finanziert die Meister, wer ist für die Werbewirtschaft interessant? Richtig nicht die wenigen Meister sondern die große Masse der Krennwurzn (=schwache Schachspieler) – denn dort liegen die wirtschaftlichen Interessen und darum geht es im Endeffekt in unserem kapitalistischem System – und nicht nur in den kranken Auswüchsen sondern auch in jenen mit sozialer Verantwortung! Und wer darf sich der Gruppe der schwachen Schachspieler zugehörig fühlen? Nun da möchte ich den Wegbereiter des professionellen Schachs in der westlichen Welt Bobby Fischer zitieren, der einmal sagte: „alle IMs sind Patzer“. In die Jetztzeit übersetzt könnte das bedeuten, dass Fischer maximal die ersten 200 – 300 der Weltrangliste als Nichtpatzer tituliert hätte.

Was bedeutet das praktisch? Wir müssen wie in anderen Sportarten auch uns in der Kommunikation und den Kommunikationsregeln ändern oder glaubt jemand ernsthaft, dass Fußballspieler die Fragen der Reporter ernst nehmen können oder als fachlich qualifiziert und fundiert ansehen können? Oder haben sie schon mal gehört, dass ein Fußballer von einem Reporter den Nachweis verlangt hätte, dass er einen real gespielten Ball innerhalb der Fläche eines Flughafen stoppen könnte? Nein – den Interviews sind Teil der Unterhaltung und nicht mehr Teil des Spieles, aber in Summe macht dies ein attraktives Produkt! Und denken wir an die unvergesslichen Fragen von Vlastimil Hort an Pfleger: „aber Herbert was ist, wenn ...“ Wohl ein nicht unwesentlicher Teil des Erfolges dieser Schachsendung im WDR!

Vielleicht bringt die Berichterstattung in Mainstreammedien über den Wettkampf Anand – Carlsen hier schon eine kleine Wende, aber es liegt an uns diese Chance auf ein breites Publikum längerfristig zu nutzen!

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Bleiben wir in den Stacheln der Kakteen hängen oder blicken wir in eine traumhafte Ferne?

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 

Kommentare   

+1 #1 Olaf Steffens 2013-11-13 13:27
Liebe Krennwurzn,

es ist ja schon ein bisschen gemein, jetzt im grauen November hier so einfach Bilder aus Griechenland zu zeigen. Mit Sonne, Meer, und Wein - wer soll das denn aushalten?!
Trotzdem hast Du natürlich wieder mit jedem Deiner Worte Recht. Schach ist ansich Spaß, und erst danach mal irgendwann Kunst, Wissenschaft, Kultur, oder ähnliches. Wir wollen spielen! Und so geistig ist das ja auch alles gar nicht. Schon die Kleinen bauen sich ein paar Steine auf und legen los - Matt in einem, Matt mit dem Turm, Grundreihenmatt, Figurengewinn. Man muss nicht jahrelang üben, um Freude damit zu haben.

Auf der anderen Seite (die gibt es ja) wie immer, könnte mir wahrscheinlich auch jemand lange etwas über Go erzählen, oder über Poker, oder World of Warcraft. Ich hätte trotzdem wohl nicht viel Lust dazu. So wird es vielleicht auch den Leuten gehen, die etwas über Schach hören - kein Interesse. Es gibt genügend anderes.

Deinen Artikel mochte ich sehr. Wie wir aber für die Werbewirtschaft attraktiv werden sollen - schwere Frage.
#2 Krennwurzn 2013-11-13 15:36
Im schönen Oktober hatte ich keine Zeit und als ich im September die ersten Sonnenuntergangweinbilder nach Mitteleuropa schickte, weinten einige auch, weil das Wetter schlecht war.

Wie wir für die Werbewirtschaft attraktiv werden sollen ist tatsächlich sehr schwer zu beantworten - das einzige was wir definitiv wissen: so wie wir es gemacht haben, funktioniert es nicht! Aber das bedeutet noch nicht, dass es andersrum funktionieren muss.

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