GM Boris Avrukh light

GM Boris Avrukh machte in der Vergangenheit Furore auf dem Schachbüchermarkt mit seinen beiden epochalen 1.d4 Bänden. Nun hat das aktuell einen anderen Großmeister auf den Plan gerufen um auf Avrukhs Spuren zu wandeln. Herausgekommen ist aber nur ein Avrukh-light.

Damian Lemos
The Fianchetto System
..against King´s Indian and Grünfeld
176 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2014.

In diesem Buch schlägt der Autor, GM Damian Lemos, für den Weißspieler ein Repertoire gegen Königs- und Grünfeldindisch vor.

Die Basis dafür ist der weiße Fianchettoläufer, also ein Aufbau mit g3 nebst Lg2. Dass dieses System sehr solide und gesund ist, hat vor einiger Zeit auch GM Avrukh mit seinen epochalen Repertoirebänden 1.d4, Teil 1 und 2, erkannt. GM Lemos springt auf den gleichen Zug auf und bietet dem Leser sozusagen ein Avrukh-light gegen Königs- und Grünfeldindisch. Das ist auf keinen Fall negativ gemeint da es einfach sehr viele Leute gibt, die gar nicht die Zeit und auch die Muße haben, 600 Seiten oder mehr zu verinnerlichen. Bei diesem Buch geht es auch gar nicht darum, jede Variante ausführlich auseinander zu nehmen sondern mehr darum, praktisches Anschauungsmaterial in Form gut kommentierter Meisterpartien dem Leser vorzulegen. Die im Buch vertretenen 49 Partien decken alle schwarzen Erwiderungen ab und liefern neben typischen Motiven und Strategien auch die wichtigsten taktischen Feinheiten.

Das anfänglich gute Gefühl trübte sich aber dann im weiteren Verlauf meiner Untersuchung zu diesem Buch doch etwas ein.

In dem wichtigen Abspiel

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 d6 4.g3 Lg7 5.Lg2 0-0 6.0-0 c6 7.Sc3 Da5 8.e4 e5 9.h3 Sbd7 10.Te1 exd4 11.Sxd4 Se5 12.Lf1 Te8 13.Le3 c5 14.Sb3 Db4 empfiehlt der Autor hier 15.Ld2

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(an dieser Stelle empfiehlt zum Beispiel Avrukh das bessere 14.a3 in seinen Repertoirebüchern) Db6 16.f4 Sc6 17.Lg2 Le6 18.Sd5 Lxd5 19.cxd5 Sb4 20.Lc3 c4+ 21.Ld4 Db5 22.Sc1 Sd3 23.Sxd3 cxd3

und jetzt folgt der Autor unglücklicherweise den unterirdischen Chessbaseanalysen von GM Stohl, die, und das ist jetzt keine Übertreibung, unter aller … sind.

24.Db3? [24.Te3= müsste Ausgleich ergeben. ] 24...Dxb3 25.axb3 d2 26.Te2 Sxe4 27.Lxg7 Sf6?

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[nach dem viel besseren 27...Tac8! ( hier gibt GM Stohl 28.Lc3! Sc3 29. Td2 Sb5 30.Lf1 und Weiß steht etwas besser an. Nach 29. …Te2 aber kämpft Weiß schlicht ums nackte überleben.)

kann folgen

28.Td1 Kxg7 29.Lxe4 Txe4 30.Tdxd2 Tc1+ 31.Kf2 Tb4 32.Td3 h5 33.h4 Kf6 34.Kf3 Tc5 35.Kf2 Kf5 36.Kf3 f6 37.Kf2 Te4 38.Ted2 Tc1 39.Tc3 Th1 40.Kg2 Tee1 41.Kf3 Thf1+ 42.Tf2 Txf2+ 43.Kxf2 Tb1 44.Tc2 Ke4 45.b4 a6 46.Kg2 Kxd5-+ und das gewinnt Schwarz]

28.Txd2 Kxg7= ergibt wieder Ausgleich.

Analysen zum Nachspielen:

Diese Analysen sind mir persönlich ein großes Rätsel das ich bis jetzt noch nicht zu lösen imstande war.

Augenscheinlich folgte Lemos den Analysen von Stohl, aber da, wo Stohl wirkliche Verbesserungen für Weiß vorschlug (die auch ausnahmsweise funktionierten!) wich er plötzlich ab und lotst den Leser in klare Verluststellungen (das hat bis auf Avrukh, der mit seinem 15.a3 sofort diesen Varianten auswich, weder Stohl noch Lemos bemerkt).

Um diesen Fehler aufzudecken brauchte ich mit Hilfe einer Engine + 3-4 Büchern ca. 20 Minuten. Stichproben bei anderen Abspielen auf Fehler konnte ich auf die Schnelle nicht finden, will es aber anhand des oben gezeigten Beispiels und der daraus resultierenden Arbeitsweise des Autors nicht gänzlich ausschließen.

Ich weiß nicht wo das Problem liegt seine Analysen mit Hilfe einer Engine nochmals gegen zu prüfen. Wenn der Arbeitgeber das Geld aufs Konto überweist schaut man ja auch nach ob alles seine Richtigkeit hat, warum nicht hier? Weils der Leser oder der Rezensent nicht merkt? Weil man unter Zeitdruck stand? Weil man es schlicht übersehen/vergessen hat?

Bei letzterem würde ich ein Auge zudrücken, bei den anderen Gründen hätte ich dafür kein Verständnis.

 

Bewertung

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Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Schach Niggemann überlassen. (http://www.schachversand.de/)

 

 

 

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