FIDE- Fischzug in ELO-Gewässern

Ganz ohne ELO-Lizenz beim Simultanspiel in Berlin, 1929: José Raoul Capablanca Ganz ohne ELO-Lizenz beim Simultanspiel in Berlin, 1929: José Raoul Capablanca (Mit herzlichem Dank an Wikicommons!)

Die FIDE bemüht sich schon seit Jahren erfolgreich um ein schlechtes Image. Einer ihrer Repräsentanten prügelte sich auf einem olympischen Turnier, und die Regeln für die WM-Kandidatenkämpfe werden oft sehr spontan geändert. Mittlerweile verliert man seine Partien, wenn man nicht rechtzeitig auf die Sekunde zum Spiel erscheint, und der Vorsitzende sitzt beim Schach mit Außerirdischen zusammen (oder so).

Auch jetzt ist der großen Mutter FIDE wieder ein Coup gelungen, der hohe Wellen schlägt in der Schachgemeinde. Der holländische Schachverband fühlt sich hintergangen und hat sogar schon einen lesenswerten offenen Brief mit vielen Details geschrieben, um scharf zu protestieren (Danke, Jörg, für den Link!).

Worum geht es? Wie Kevin Spraggett in seinem Blog berichtet, plant die FIDE eine strenge Gebührenordnung, die für die Inhaber von ELO-Zahlen eine jährliche Zahlung von 30€ vorsieht – wahrscheinlich für das Verwalten der Zahlen und das Auswerten der Turniere. Eine lebenslange Lizenz würde 500,-€ kosten, für den allerersten Eintrag in die ELO-Listen soll dagegen eine Art Lizenzgebühr von 10,-€ fällig werden.
Veranstalter, die Spieler ohne eine solche ELO-Lizenz antreten lassen, würden dafür von der FIDE geächtet werden und müssten 50,-€ Ablass zahlen - für jeden einzelnen Spieler.

Man tut der FIDE vermutlich Unrecht, wenn man meint, sie würde das alles nur tun, um Geld in ihre Kassen zu spülen. Obwohl: was spricht schon dagegen? Irgendwie muss jeder ja sehen, wo er bleibt – auch die FIDE.

Wir verstehen das und sind darum sehr angetan von dem Vorschlag. Auch wollen wir der FIDE gerne helfen, weiteres Geld in ihre Kassen zu füllen. 

Wir regen daher die folgenden drei Dinge an - alles für die große Sache!

1) Schon Weltmeister und Wunderkind Capablanca wusste, dass das Schachspiel vom Remistod bedroht ist. Wir alle sollten aber ein Interesse daran haben, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. FIDE, wie wäre es daher mit einer kleinen Gebühr für Remisangebote? Wenn jedes Remisangebot die Spieler 2,-€ kostet, wäre diese Gefahr schnell gebannt. Geht die Partie am Ende tatsächlich unentschieden aus, könnten 3,50€ fällig werden – und sogar 4,10 €, wenn das schon vor dem 12.Zug passiert. Die Zuschauer würden spannende Kämpfe sehen, das Fernsehen käme endlich vorbei, alles wäre gut. Das sollte es uns wert sein.

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Hier ist Remis extrem unwahrscheinlich - Schachspieler im Budapester Széchenyi-Bad (Quelle: Wikicommons)

2) Langweilige Eröffnungen könnten schon bald der Vergangenheit angehören, wenn eine geschickte Gebührenordnung endlich  die richtigen Signale senden würde. "Globalsteuerung" hieß so etwas glaube ich in den Sechziger und Siebziger Jahren bei Helmut Schmidt. FIDE, was spricht zum Beispiel dagegen, den Gebrauch der Englischen Eröffnung 1.c2-c4 mit einer Sonderabgabe zu belegen? Die Welt würde ein wenig besser werden, und es bleiben ja immer noch genügend andere erste Züge übrig, die man kostenfrei spielen könnte. Auch andere eher langweilige Eröffnungen könnte die FIDE durch eine leichte Aufpreis verteuern und dadurch unattraktiver machen:

- The Berlin Wall in der Spanischen Eröffnung – niemand würde dieses Abspiel ernsthaft vermissen, oder? (Bei diesem Vorschlag könnte die FIDE auch auf die Unterstützung von Garri Kasparow hoffen, der gegen die Berliner Verteidigung und Wladimir Kramnik einst seinen Weltmeistertitel verlor.)

- Französisch Abtausch – jedesmal 3,-€, wenn 3.e4xd5 gespielt wird

- Slawisch – das ist zwar nicht wirklich langweilig, aber irgendwie schwer zu verstehen. Ich wäre dafür, dass diese Eröffnung weniger gespielt wird. Über den Preis kann man das sicher erreichen – fünf Euro für jedes Mal 2….. c7-c6 sprechen eine deutliche Sprache


3) Besonders lange Partien, sogenannte Seeschlangen, nehmen viel Speicherplatz in Anspruch, wenn man sie in die Datenbanken einpflegt. Auch braucht es länger, bis alle Züge erfasst sind – die Schiedsrichter, die in Dortmund die Partie Meier - Nakamura (150 Züge!) eingaben, können ein Lied davon singen. (Oft kann man noch nicht mal genau erkennen, was mit der Notation überhaupt gemeint gewesen sein soll - manche Spieler kritzeln einfach nur irgendetwas hin, damit die Zeile gefüllt wird). Damit könnte schnell Schluss sein – denn vieles spricht dafür, Partien von über 80 Zügen Länge mit einem gediegenen XXL-Aufschlag von 5,-€ zu belegen. Wer mehr spielt, soll schließlich auch mehr zahlen. Nach 80 Zügen werden die meisten Zuschauer sowieso schon nach Hause gegangen sein – da kann man mit dem Spielen eigentlich auch gleich aufhören. Oder aber – man zahlt 5,-€ extra. XXL eben.

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Die "Große Seeschlange" nach Hans Egede und Georg Meier (Illustration von 1734) (Quelle: Wikicommons)


Der Einzug all dieser Gebühren könnte sicher unkompliziert per Bankeinzug nach Kalmückien geregelt werden. Alternativ werden die Turnier-Schiedsrichter vor Ort sicher gerne behilflich sein bei der Abrechnung der einzelnen Partien. Wechselgeld ist mitzubringen.

Man sieht: unser Sport ist noch lange nicht am Ende. Es gibt immer wieder neue Möglichkeiten, und wir sollten uns freuen, das die FIDE zumindest das erkannt hat.

Oder ist das neue Gebührenprojekt gar nicht so unberechtigt? Auch bislang schon mussten die Spieler zahlen, wenn der Weltverband ihnen den Titel eines Großmeisters, Internationalen Meisters oder FIDE-Meisters verliehen hat. Billig war auch das nicht, doch es wurde akzeptiert.
Auch die Auswertungen für die Deutsche Wertungszahl sind für uns Spieler vollkommen kostenlos, obwohl für die ehrenamtlichen Helfer des Deutschen Schachbundes eine gewaltige Menge an Arbeit und Verwaltung dahintersteckt. Wäre es angemessen, hier eine Art Gebühr zu verlangen?

Wir sind also schon wieder bei der alten Frage: was ist uns unser Sport wert?!

Ob das neue, innovative, begrüßenswerte, lang ersehnte und irgendwie schöne ELO-Gebührenprojekt wirklich Wirklichkeit wird, wird sich zeigen. Im Oktober hält die FIDE in Krakau Hof – wir sind schon jetzt gespannt, wie die nationalen Schachverbände sich zu dem Vorschlag äußern werden.

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Ein Rätsel zum Schluss: Sergej Karjakin spielte beim Weltcup von Khanty Mansiysk die Berliner Verteidigung im Spanier – zum Glück für ihn war das für ihn noch kostenlos, denn die Gebühr für langweilige Eröffnungen muss erst noch beschlossen werden.

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Judit Polgár als Weiße am Zug hatte aber auch so schon eine schöne Idee, um etwas Leben in die Bude zu bringen. Was war ihr 20.Zug, mit dem sie in großen Vorteil kam?

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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