Elf Kekse sollt Ihr sein

Energie für die ganze Mannschaft Energie für die ganze Mannschaft O.St.

Mit Apfelsaft an die Weltspitze? Viele von uns hatten es ja schon seit langem geahnt – und nun endlich ist es auch amtlich: Allein durch die richtige Ernährung während der Partie können SchachspielerInnen ihre Rating gehörig steigern (Quelle: Gesellschaft für Lebensmittelforschung (Berlin) in Kooperation mit Foodwatch, dem Deutschen Wetterdienst und dem Freiburger Institut für Indogermanische Sprachen).

Wie eine seit 1951 in der Oberliga Württemberg durchgeführte Vergleichsstudie ergeben hat, steht der schachliche Erfolg in erstaunlichem Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel:

- Apfel und Bananen essende Oberligaspieler konnten ihre Rating deutlich um 5 Punkte pro Monat erhöhen im Vergleich zu den nichtapfelundbananenessenden Schachsportlern. Bei Kiwis und Kürbissen ließen sich von den Forschern dagegen keine derartigen Wertungssprünge nachweisen.

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- Kekse knistern zwar und man muss sie deshalb abseits des Brettes verzehren, doch ist die Wirkung beachtlich: durchschnittlich ein Anstieg von 3 DWZ-Punkten pro Monat bei den schwäbischen Keksessern. Als besonders ergiebig erwiesen sich Schokoladenkekse (mindestens elf davon bei der klassischen Bedenkzeitregelung) und kleine Mandelspätzle.

- Der Verzehr der nicht nur im Süden, sondern vor allem auch im Ruhrgebiet beliebten „Stullen“ (mit Butter, Käse und/oder Marmelade) scheint indes auf das Ergebnis einer Partie kaum Einfluss zu haben – durchschnittlich nur 1 DWZ-Punkt Zuwachs im Monat, aber immerhin. Besser als nichts!

- SpielerInnen, die am Brett viel Wasser, viel Apfelsaft oder viel Wasser mit viel Apfelsaft tranken, konnten ihre nervösen Spannungen während der Partie deutlich besser abbauen – das führte zu durchschnittlich 2 Punkten mehr DWZ pro Monat. (Nicht umsonst wird erzählt, dass der Sieger des Opens, welches 1994 parallel zur Deutschen Meisterschaft auf Rügen stattfand, sich vor allem durch das beständige Trinken von Coca-Cola zu ausdauernder geistiger Hochform aufschwingen konnte. Man ahnt es schon – der Mann war Amerikaner!)
Ein schöner Nebeneffekt: manchen DWZ-Punkt erkämpften sich die Probanden im Südwesten auch durch das ständige Auf-und Zuschrauben ihrer Flaschen–viele Gegner ließen sich davon nerven, waren abgelenkt und machten Fehler.

(Ähnlich populär ist auch das dauernde An-und Ausknipsen von Kugelschreibern, doch fällt das nicht in die Kategorie der Lebensmittel. Über den psychologischen Einsatz von Nahrung zum Zwecke der Gegnerstörung sind ja schon ganze Enzyklopädien verfasst worden. Man denke nur an Zwieback (wundervoll laut, aber mittlerweile nicht mehr so verbreitet), krachendes Knäckebrot, Wurzeln, Möhren und knirschende Karotten, an Popcorn, zerbrechende Chips, die Bahlsen Prinzenrolle, Knoblauch (leise vor der Partie verzehrt erzielt er starke Effekte), an Kieler Sprotten oder auch an Spinat-Omelette. Früher gab es im Turniersaal ja auch noch das Rauchen, doch das ist lange her.

- Vorsicht hingegen scheint geboten beim Genuss von Kaffee. Wir wissen ja schon aus vielerlei Quellen, dass Koffein das Denken beschleunigt – leider machten die kaffeetrinkenden Württemberger dadurch auch ihre schlechten Züge schneller und verloren ihre Partien durchschnittlich 48 Minuten früher als die teetrinkenden Kollegen am Nachbarbrett. Die freie Zeit, die sie so gewannen, mussten sie mit einer sinkenden Rating teuer bezahlen (monatlich minus 3 DWZ im Vergleich zu den Teetrinkern).
Auch Marc Lang, König des Blindsimultanspiels, schiebt bei seinen Wettkämpfen die Kaffeetasse beiseite – stattdessen baut er auf grünen Tee.

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Wir meinen: Wer hätte das gedacht? Mit ein wenig blindem Vertrauen in die Wissenschaft scheint sich anzudeuten, dass man seiner Karriere durch die richtige Nahrung noch einen weiteren Push geben kann. Das bestätigt auch Mr.Y auf Schachfeld.de: „Ich bin Angriffsspieler, und sobald ich merke, dass es zur Sache geht, dass ich jetzt den Sack zu machen muss, nehme ich meistens auch nochmal Schokolade oder Traubenzucker zu mir.“ Und darüber hinaus schmeckt es oft auch noch ganz gut! Biologen werden wahrscheinlich ohne Mühe ergänzen, dass das irgendetwas mit dem Blutzuckerspiegel und solcherlei Dingen zu tun hat. Die Energie für die langen Stunden am Schachbrett sollte man regelmäßig und auch rechtzeitig nachlegen – wenn sich ein Energy Low erst einmal ausbreiten konnte, hat man den Bauern vielleicht schon eingestellt, bevor die Konzentration wieder ganz zurückgekehrt ist.

Monty Python trainierten schon vor vierzig Jahren in einem wunderbaren Sketch die Selbstverteidigung gegen Angriffe mit frischem Obst („Also, ich würde sagen, es ist ganz simpel, mit einem Bananenfanatiker umzugehen!“). Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns Ähnliches auch für unsere Turnierpartien überlegen? Die Konkurrenz schläft nicht!

Beim SV Werder, meinem Verein, ist davon noch nicht viel zu spüren. Noch immer werden in der Vereinsgaststätte die traditionellen Pommes gekocht und verzehrt, und manche essen dazu eine Currywurst. Von DWZ-steigernden Keksen, Äpfeln und Bananen keine Spur (auch bei mir nicht) - bedauerlich! Ich weiß, es ist gewagt, doch vielleicht ist diese Form der schachlichen Ernährung mit ein Grund dafür, weshalb wir Bremer nun schon seit einiger Zeit immer nur Zweiter wurden in der Bundesliga (und – beinahe noch schlimmer - beim Blitzen immer von Delmenhorst geschlagen werden).

Doch können wir den Forschungsergebnissen wirklich trauen? Oder sind die Interpretationen so gewagt wie jede Prognose zum griechischen Haushaltsdefizit? Mir zumindest ist aufgefallen:

Großmeister essen im Allgemeinen nichts während einer Schachpartie!

Unheimlich, oder? Vielleicht können das die Leser des Blogs ja sogar bestätigen? Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass ein GM jemals einen Apfel, eine Butterstulle oder einen Keks neben das Brett gestellt hätte. Kaffee dagegen, ja!, Kaffee geht immer, auch für Großmeister – doch scheint es ihrer Spielstärke nicht zu schaden. Zumindest nicht, wenn sie mal gegen mich spielten.
Auch Internationale Meister essen eher nicht so viel während ihrer Partien. Je weiter man aber nach unten klettert mit der DWZ, desto mehr scheinen die Spieler rein intuitiv auf das Essen und vor allem das Trinken während der Partie Wert zu legen. Die Ergebnisse der Studie scheinen ihnen jetzt Recht zu geben.

Und auch rein schachhistorisch gibt es Belege für die Vorzüge einer ausgewogenen Ernährung - wir schauen 75 Jahre zurück und auf das Großmeisterturnier von Nottingham.

emanuel lasker und sein bruder bertold

Emanuel Lasker und sein Bruder Bertold

Emanuel Lasker, der von den Nazis schon 1933 aus Deutschland vertrieben worden war, trat in Nottingham 1936 als Veteran und Vertreter einer früheren Generation an. Darum war es vielleicht kein Wunder, dass Max Euwe, der amtierende Weltmeister aus den Niederlanden, sich für diesen Tag einiges vorgenommen hatte und gegen seinen Great Predecessor streng auf Gewinn zu spielen versuchte.
Als echter Holländer war er dem Kaffee nicht abgeneigt und hatte zu diesem Zeitpunkt in der Partie bereits zwei Tassen Kaffee mit Milch und Zucker genossen. Lasker dagegen, der alte Fuchs, war mit ein paar Keksen, einer Tüte Boskop-Äpfeln und in Begleitung zweier selbstgezüchteter Tauben zur Runde angetreten.

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 Nach 23. Zügen war es zu der folgenden Stellung gekommen – Lasker hatte gerade seinen König von e2 nach d3 gespielt. Niemand und auch wir nicht hätten damals geahnt, dass diese Position später einmal so berühmt werden würde. Zeitzeugen berichten, dass Euwe (am Zug) noch an seinem Kaffee sippte, während er überlegte, wie er den Angriff auf seinen Springer parieren sollte. Mit b7-b5? Oder mit Sc4-b6? Doch beides würde seinem berühmten Gegner leichten Ausgleich erlauben. Dann jedoch hatte er einen Geistesblitz – und spielte mit dem gefährlichen impulsiven Schwung des Kaffeetrinkers seinen Läufer von c7 nach a5.


Obwohl Lasker hier schon wieder in seinen nächsten Apfel biss, kalkulierte er bereits die ersten Varianten. Mit der Erfahrung aus über vierzig Jahren Turnierschach hatte der Achtundsechzigjährige Lc7-a5 schon kommen sehen – und mit der Energie aus Schokokeksen und Boskop-Äpfeln fand er eine wuchtige Widerlegung. Wie kam der Ex-Weltmeister in großen Vorteil und gewann gegen seinen Nachfolger? -


Wir Schachspieler   sollten das Potential erkennen, dass die richtigen Lebensmittel für unsere DWZ bereithalten.kis akropolis Der Schachbund ist gefragt. Auch wenn sich unsere Gegner vielleicht nicht so sehr über die vielen Äpfel, Bananenstauden und Butterstullen neben unserem Brett freuen – unsere Mannschaftsführer werden es uns danken!

PS Essen Großmeister denn nun wirklich nichts während der Partie?

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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