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Der nächste FIDE-Präsident

Iljumschinow soll weg. Diesmal stellt sich Kasparow selbst. Iljumschinow soll weg. Diesmal stellt sich Kasparow selbst. KasparovAgent.com

Gemunkelt wird seit Monaten. Nun ist die Katze aus dem Sack. Garri Kasparow sagte der Frankfurter Allgemeinen, dass er 2014 wahrscheinlich selbst für die FIDE-Präsidentschaft kandidieren werde. Auch die Unterstützung eines anderen Kandidaten schließt er nicht aus. Hauptsache, Iljumschinow kommt weg. Der Schaden, den der Kalmücke für Schach angerichtet hat, zuletzt Ende April mit einem Besuch bei Syriens Diktator Assad, sei immens. 

 

Anders als 2010, als er Karpow unterstützte und die Kampagne kurz und nicht ausreichend vorbereitet war, plant Kasparow von langer Hand. Er hat ein positives Projekt (nämlich Schach in die Schulen zu bringen). Er hat erste Erfolge (vor allem die Unterstützung des EU-Parlaments). Er hat eine weltumspannende Struktur: seine Kasparov Chess Foundation ist mit Büros in Brüssel, New Jersey, Johannesburg, Sao Paolo und Abu Dhabi auf allen Kontinenten außer Australien vertreten. und er hat Geldgeber.

 

Die Chancen stehen besser als 2006 für Bessel Kok und 2010 für Anatoli Karpow. Die nächste FIDE-Wahl findet 2014 im demokratischen Norwegen statt. Die FIDE-Führung ist im Clinch mit dem mächtigen Russischen Schachverband. Ali Nihat Yacizi, der Iljumschinow selbst (und von dessen Gnaden) beerben will, demontiert sich als Veranstalter der Schacholympiade gerade selbst. Um zu gewinnen, muss Kasparow neben den Stimmen der nicht käuflichen Verbände (vielleicht ein Drittel) auch die, nennen wir sie: nicht völlig korrupten Delegierten gewinnen.

 

Man muss jetzt nicht glauben, dass unter Iljumschinows Anhängern das große Zähneklappern ausbricht. Im Gegenteil herrscht Vorfreude. Viele erwarten, so hört man, dass russisches Geld in Hülle und Fülle an sie fließen werde, um einen Erfolg des Putin-Gegners auf dem Schachparkett zu verhindern. Aber wenn man im Kreml Kasparow wirklich loswerden will, macht es da nicht eher Sinn, ihm die Spielwiese des Weltschachbunds zu überlassen?

 

Aber warum tut Kasparow sich die FIDE an? Hat er nicht schon genug um die Ohren? Oppositionsarbeit gegen Putin. Eine junge Familie (seine dritte). Eine ohne FIDE-Ambitionen im Hintergrund vielleicht glaubwürdigere Schulschach-Organisation. Daneben Buchverträge (dieses wurde anscheinend von 2012 auf 2016 (!) verschoben), Vortragsreisen, dazwischen auch mal ein Auftritt als WM-Kommentator oder Simultanspieler. Ferner sucht er ja auch schon Jobs als Trainer und Sekundant. Hat Kasparows Tag mehr als 24 Stunden? Hat der Mann noch nie von Burnout gehört?

 

Anand meint ja, wie er nach seiner Rückkehr von der WM sagte, Kasparow bereue seinen zu frühen Abtritt als Spieler und sehne sich die frühere Aufmerksamkeit zurück. Und Gelfand fände es einen Segen für das Schach, würde der Übervater nicht rummaulen sondern wieder spielen.

 

Wenn Kasparow es ernst meint mit der FIDE-Präsidentschaft sollte er nicht nur fokussieren sondern auch seine Rhetorik überdenken. Das verbale Austeilen und Aufdecken von Missständen zumindest öfter mal anderen überlassen und selbst so positiv wie möglich auftreten. Schließlich muss seine Message lauten, Schach voranzubringen. Chess, We Can! 

Kommentare   

+2 #1 Peter Oppitz 2012-06-14 09:52
:lol: Ist denn heute schon wieder der 1.April ?!?
#2 Stefan Löffler 2012-06-14 22:05
Aprilscherz? Iljumschinows Besuch bei Assad war keiner. Und dass ausgerechnet heute die FIDE-Website einen weiteren Abstecher von ihm nach Syrien meldet http://www.fide.com/component/content/article/1-fide-news/6237-fide-president-in-damascus-to-sign-agreement-on-cooperation.html,
ist wohl auch keiner.
-1 #3 Max Bouaraba 2012-06-14 22:53
Guter Artikel und ja, Iljumschinow ist in seinem Verhalten insgesamt einfach nur peinlich. Aber dass er in Syrien Assad getroffen hätte kann ich nirgends entdecken. Er war in gestern in Beirut und heute in Damascus und traf dort die jeweiligen Erziehungsminister in Sachen Schulschach. Morgen ist er vielleicht in Tunis und wer weiß wo noch. Ich sehe darin vielmehr eine Gegeninitiative zu Kasparovs Schulschach-Aktivitäten. Aber schlecht ist das doch deswegen noch lange nicht?
+1 #4 Max Bouaraba 2012-06-14 23:05
ah.... wer lesen kann... Ende April hat er also Assad besucht. Absolut oberpeinlich.... Kids in Schulen besuchen kann er meinetwegen wo und so oft er möchte, aber Assad? Starker Tobak...
+1 #5 Krennwurzn 2012-06-15 00:43
Ein großer Name macht noch keinen guten Präsidenten - eine Erfahrung, die nicht nur der DSB machen musste!

Aber Kasparov liebt neben sich wohl Schach am meisten und vielleicht kann dadurch etwas Gutes entstehen - und schlechter als der alienentführte Todesengel für Diktatoren kann er wohl kaum werden!

Die Hoffnung stirbt zuletzt - aber im Prinzip bräuchte die FIDE einen liberalen Sanierer,
+1 #6 Roggenossi 2012-06-16 15:55
Die Analyse stimmt: Der Kreml würde sich den sprichtwörtlichen Haxen ausfreuen wenn Kasparov wieder zu 99% mit Schach ausgelastet würde. Wahrscheinlich würden sie ihm dann irgendwann noch einen Orden umhängen anstatt ihn bei jeder Gelegenheit festnehmen zu lassen.

Für die FIDE ist er m.E. der ideale Kandidat. Wenn diese Wahl jedoch, wie stets zwischen den Zeilen zu lesen ist, durch kalmückische Bestechungs(un)kultur entschieden wird, hat er wohl keine Chance.

Normalerweise muß so ein Zustand zu einer Spaltung des Verbandes führen, aber das erfordert "Cojones" die offensichtlich unter internationalen Schachfunktionären Mangelware sind. - Manchmal muß ein uneträglich gewordenes Gebäude komplett abgerissen werden, um auf den Trümmern etwas besseres zu errichten.
+1 #7 Zuppi 2012-06-17 18:35
Kasparow als Fide-Präsident, nette Vorstellung. Allein die letzten Bilder mit Iljumschinow in Damaskus, während Assad von der Wand grinst... oberpeinlich.
Allerdings mir fehlt der Glaube, dass die Iljumschinow-Kreml-Connec tion sich einfach die Butter vom Brot klauen lässt. Immerhin verspricht das Projekt einige Spannung. Da werden wohl wieder einige Milliönchen fließen müssen, finanziert von unseren Gebühren an die Abzocker-Fide.
Wenn Kasparow scheitert, sollte man sich ernsthaft Gedanken machen die Fide dauerhaft zu boykottieren und einen demokratischen Gegenverband gründen.
#8 Spieler K 2012-11-17 13:51
Garri Kasparow wurde gestern in Kerkrade mit der Martin-Buber-Plakette ausgezeichnet. Hier ist ein Bericht auf der Website des Schachvereins Herzogenrath:
www.svherzogenrath.de/easynews.php?action=show&id=908

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