Das Schweigen der deutschsprachigen Fische

Dass die englischsprachige Newsseite von ChessBase meist besser ist als die deutschsprachige, ist in Schachkreisen ein offenes Geheimnis – warum das so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Irgendwie könnte man aber den Eindruck bekommen, dass für den deutschen Markt kritische Berichte nicht erwünscht sind. Ein gutes Beispiel ist eine anfangs dieses Jahres gestartet Artikelserie in vier Teilen von Dr. Søren Riis über einen „Justizirrtum im Computerschach“, der die Bestrafung und Verbannung Rybkas durch die ICGA (International Computer Game Association) im Juni 2011 zum Thema hat. 

Nun könnte man einwerfen, dass die Leser des deutschsprachigen Portals auf diesem noch gar informiert wurden, dass Rybka im Juni 2011 als Plagiat von der ICGA alle WM-Titel aberkannt wurden und der Programmierer lebenslänglich gesperrt wurde – klar dass da eine Artikelserie zur Verteidigung Rybkas irgendwie überraschend wirken würde. Warum man – obwohl man Rybka im Verkaufsprogramm hat – bisher geschwiegen hat, obwohl man sehr wohl die WM-Titel aus den Beschreibungen entfernt hat, dazu wird man wohl weiter schweigen. 

Und da wir gerade beim Schweigen sind, so ist es für Kenner wohl kaum verwunderlich, dass uns die Hamburger Imposantes über den Autor erzählen: „Søren Riis is a Computer Scientist at Queen Mary University of London. He has a PhD in Maths from the University of Oxford. He used to play competitive chess (Elo 2300).“ – aber verschweigen, dass dieser Moderator im offiziellen Rybkaforum ist und beispielsweise das Rybkateam zur WM in Pamplona begleitet hat.

Interessant ist auch, dass dieser sehr lesenswerte Artikel viele Fragen aufwirft, aber gerade die einfachste nicht stellt: Warum wehrt sich Rajlich nicht gerichtlich, wenn an der Sache nun außer normalem Erkenntnissen aus Konkurrenzprodukten nichts dran ist? Der Sourcecode von Fruit ist öffentlich zugänglich und wenn nicht kopiert wurde, so wäre die Offenlegung des Sourcecodes von Rybka 1.0 Beta bei Gericht wohl kein Problem. Zudem sind seit damals - wie im Artikel ausgeführt – viele Verbesserungen vorgenommen worden, sodass auch die Geheimhaltung von eigenen Ideen kein Problem mehr darstellen sollte – jedenfalls dann nicht, wenn der eigene Ruf so stark beschädigt wurde und die Existenz des Projektes Rybka dadurch gefährdet ist.

Die ICGA sieht unter vielen Vorwürfen eine Codezeile „If (movetime >= 0.0)“, die sowohl in Rykba 1.0 Beta als auch in Fruit vorkommt als starken Beweis für die Verurteilung als Plagiat. Ich versuche diese technische Frage einfach darzustellen: Fruit verwendet Gleitzahlen und dadurch ist 0.0 die korrekte Schreibweise – Rybka verwendet die schnellere Lösung mit Integerzahlen und da ist die korrekte Schreibweise einfach 0 und 0.0 einfach unlogisch und unnötig! Für sich alleine gesehen, könnte es sich dabei um einen einfachen Tippfehler aus Gewohnheit handeln, da aber ebenfalls die Geschichte mit dem nicht mehr auffindbaren Rybka 1.0 Beta Code durchs Netz geistert – ein Grund warum man neben dem allgemeinen Klagsrisiko die ICGA nicht klagen sollen könnte – könnte es sein, dass Nichtschicksalsgläubige ein wenig viele Zufälle sehen. „Verliert“ ein Programmierer wirklich den Sourcecode und dann auch gerade noch jenen, der ihm so viele Unannehmlichkeiten einbringt?

Das weiter angeführte Argument, dass Rybka viel stärker wurde als Fruit und daher kein Plagiat sein könne, ist meiner Meinung nicht angebracht und sogar gefährlich. Man könnte auf die Idee kommen beispielsweise ChessBase 11 – wenn man in den Besitz des Sourcecodes käme – programmtechnisch zu verbessern, indem man von 32bit auf 64bit Programmierung portiert, diverse Bugs, die in jeder Software vorkommen, verbessert und auch eine Multicoreunterstützung implementiert. Wird man dann vor dem Kadi gezerrt – so sagt man ganz naiv: ja, ich habe kopiert – aber mein Produkt ist nun viel schneller, innovativer und zudem mit weniger Bugs versehen als das Ausgangsprodukt. Käme man mit dieser Argumentation durch, könnte man das Copyright gleich ersatzlos streichen!

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 

Kommentare   

#1 Roggenossi 2012-01-04 16:35
Das ICGA-Urteil ist der größte, unfreiwillige PR-Gag den das Computerschach je sah, besonders in London und Umgebung:

rybkaforum.net/cgi-bin/rybkaforum/topic_show.pl?pid=346290

Die kostenlose Londoner U-Bahn-Zeitung "Metro" hat dem Thema eine Doppelseite gewidmet. Selbst mit WM-Seriensiegen wäre das nicht zu schaffen gewesen. Der Bekanntheitsgrad der Rybka-Engine und ihrer Spielstärke muß auf ein Tausendfaches gestiegen sein. Im Rybkaforum war die Rede davon, daß infolge dessen die Rybka-Verkaufszahlen auf das Vierfache anstiegen.

rybkaforum.net/cgi-bin/rybkaforum/topic_show.pl?pid=363652

Das ist das Gegenteil von einem Klagsgrund.
+1 #2 Krennwurzn 2012-01-04 19:26
Wenn es so gewesen wäre, hätte sich die Hamburger Marketingabteilung diese Chance sicherlich nicht entgehen lassen :-)

Und wahrscheinlich hätte es schon bald eine "Rybka 5 ICGA banned" Version am Markt gegeben.

Und wahrscheinlich gilt was TC im CSS geschrieben hat:

Die Sache ist emotional so aufgeheizt, weil

a) Rajlichs Gegner jahrelang gnadenlos am WM-Brett und in den Ranglisten gedemütigt wurden.

b) Rajlichs Befürworter die beabsichtigte völlige Vernichtung des talentiertesten Schachprogrammierers der letzten zehn Jahre als niederträchtig und heuchlerisch empfinden.
#3 Roggenossi 2012-05-05 13:29
Der Grund warum "die englischsprachige Newsseite von ChessBase meist besser ist als die deutschsprachige" - letztere schafft selten einen Eintrag ohne Rechtschreibfehler oder falsch geschriebene Namen - liegt daran wer jeweils die Beiträge gestaltet. Ich glaube die englischen Beiträge macht meistens Frederic Friedel, ein Wissenschaftsjournalist und Mitbegründer von ChessBase. Er hat übrigens auch seinerzeit bei diesen populärwissenschaftlichen TV-Sendungen von Hoimar von Ditfurth mitproduziert (daran werden sich nur ältere Leser erinnern). - Auf den ist Verlass.

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