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Bundesliga in der Provinz

Nun die Lage in der stärksten Liga der Welt – der deutschen Bundesliga - wird ja kontroversiell in vielen Foren diskutiert. Viele Rückzüge von Mannschaften, Aufstiegsverzicht, etc und dahinter steckt meist, dass die Finanzierung der Mannschaft nicht so leicht zu sichern ist. Öffentliche Kassen sind meist klamm und private Sponsoren ziehen sich oft bald wieder zurück, weil sie erkennen müssen, dass sie eigentlich Mäzene sind und der Werbewert dem eingesetzten Geld nicht einmal annähernd nahe kommt. Aber das ist ja alles bekannt und wurde schon unendlich oft durchgekaut – also zur Frage: wie läuft das im kleinen Österreich ab? Immerhin haben die Österreicher gerade im Zillertal das deutsche Prinzen-Mitropacupteam 3:1 geschlagen!

Im kleinen Österreich spielen 12 Mannschaften in der Bundesliga, die früher Staatsliga hieß, und aus den darunterliegenden drei 2. Bundesligen steigt jeweils eine Mannschaft auf und daher müssen die letzten drei der Bundesliga in die entsprechenden Zweitligen absteigen. Rückzüge gibt es sehr selten und auch das Aufstiegsrecht wird meist in Anspruch genommen. Aber dennoch ist auch hier nicht alles eitel Wonne, denn wirft man einen genaueren Blick auf die abgelaufene Saison 2015/15, so muss man erkennen: die Bundesliga findet in der Provinz statt.

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Die vier bevölkerungsreichsten Bundesländer, die fast 60% der gemeldeten Schachspieler haben und auch wirtschaftliche Schwergewichte sind, stellten gerade mal eine einzige Bundesligamannschaft und das war der Aufsteiger Grieskirchen aus Oberösterreich! Die Hauptstadt Wien, das Schach-Präsidentenbundesland Steiermark und Niederösterreich hatten gar keine Mannschaft in der vergangenen Bundesligasaison. Außer einer Mannschaft aus Salzburg kommt keine weitere Mannschaft aus einer Landeshauptstadt. Kärnten und Tirol stellen mit sieben Mannschaften mehr als die Hälfte der Bundesligisten und nur noch das kleinste Bundesland das Burgenland stellt zwei Mannschaften.

Tirol profitiert von der Nähe zu Deutschland und verfügt auch über einen entsprechenden wirtschaftlichen Hintergrund. Anders sieht die Lage im Burgenland und in Kärnten aus, denn dort gibt es höhere Sportförderungen und man braucht weniger Sponsorgelder, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Das Burgenland profitiert hier von seiner Grenzlage im Osten und war nach dem EU-Beitritt elf Jahre lang „EU Ziel 1-Gebiet“ und wurde daher besonders gefördert, um das Burgenland wirtschaftlich aufholen zu lassen.

In Kärnten, das ein Drittel der Bundesligamannschaften stellt, sieht die Sachlage etwas anders aus – auch dort sind es die öffentlichen Sportförderungen, die manches erleichtern, aber es gibt dort auch traditionell eine starke Schachszene und mit Markus Ragger kommt der stärkste Österreicher aus Kärnten. Zudem finden in diesem beliebten Urlaubsland auch viele Schachturniere rund um das Jahr statt.

International in die Schlagzeilen kam Kärnten aber auch, weil der Rechtspopulist Jörg Haider bis zu seinem Unfalltod 2008 dort langjähriger Landeshauptmann war und dort ein System aufbaute, dass unter anderem zum Problemfall Hypo-Alpe-Adria führte, was Kärnten nun regelmäßig auch in die internationalen Schlagzeilen bringt. Das Bundesland hat aufgrund von damals gegebenen Haftungen massivste finanzielle Probleme und gilt daher als Griechenland Österreichs und auch hier wird über eine Insolvenz nachgedacht. Zudem gab Kärnten auch sonst einfach zu viel Geld aus und muss nun aufgrund von Bundesvorgaben massiv sparen! Davon sind nun auch die Sportförderungen sind betroffen und es wird also interessant zu beobachten werden, wie die Kärntner Vereine es schaffen werden, diese Gelder durch private Sponsorengelder zu ersetzen – ich denke mal, die Chancen dafür sind - auch wenn es schwierig wird - doch aufgrund der traditionell starken Schachszene gegeben.

Kommen wir zum Abschluss noch zur Frage, wer spielt den in der österreichischen Bundesliga? Nun in Summe sind die Nicht-FIDE Österreicher mit 58% klar in der Mehrheit, die stärkste Einzelnation sind aber doch die Österreicher gefolgt von den Deutschen und den Kroaten. Diese drei stellen mit einer satten ¾ Mehrheit das Gros der Bundesligaspieler.

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Und wie schlagen sich die Österreicher selbst in der Bundesliga?

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Naja nicht so toll! 42% der Spieler haben 41% der Bretteinsätze, steuern aber nur 36% der Punkte für ihre Mannschaften bei. Das ist aber auch nicht so schlecht, denn immerhin können internationale Erfahrungen gesammelt werden.

Wie in Deutschland dürfte es auch hierzulande das Problem geben, dass die Bundesliga nicht nur die Öffentlichkeit nicht erreicht, sondern es nicht einmal schafft die Masse der Schachöffentlichkeit in ihren Bann zu ziehen, denn wie sonst sollte man erklären, dass die Bundesligaklubs dort sind, wo die wenigsten Schachspieler wohnen und auch FIDE-Österreicher de facto Legionäre im eigenen Land sind?

Warum schafft man keine Fanbindung? Bei Einzelspieler gibt es starke Fanlager und auch bei Nationalmannschaften gibt es starke Emotionen, wie beispielsweise gerade jetzt, wo die Österreicher die Deutschen 3-1 schlagen, werden Erinnerungen an Cordoba wach. Oder auch wenn man sich die Diskussion rund um Arkadij Naiditsch und einen möglichen Föderationswechsel ansieht – auch wenn man sich von manchen Äußerungen in diesem Zusammenhang mit Grauen abwenden muss. Aber warum schafft man so wenig emotionale Bindungen an Bundesligamannschaften oder noch schlimmer: warum sind diese so vielen Schachfreunden schlicht weg egal?

Leider kann man diese Frage nicht so leicht beantworten, weil die Gründe wohl vielschichtig sind, aber ich denke alle Beteiligten sollten darüber nachdenken und nach Verbesserungen suchen und dabei nicht den Fokus auf eigene Befindlichkeiten und kurzfristige Vorteile legen, sondern das Problem so objektiv wie möglich ausleuchten, denn funktionierende Meisterschaften sind das Hauptanliegen vieler Schachspieler an die Verbände!

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 

Kommentare   

#1 Thomas Richter 2015-06-20 12:50
Interessante Betrachtungen - wobei ich mir nicht sicher bin, wie "schlimm" das alles ist und ob man es ändern kann, soll oder muss.

Betrifft Vergleich zum BIP: Schach ist doch kein Sport für reiche Leute, weder generell noch auf hohem Niveau? Da braucht man immer noch, im Vergleich zu z.B. Fussball, nur "arme Mäzene/Sponsoren". Es gibt auch keinen Bezug zwischen BIP und Anzahl aktiver Schachspieler.

Grosstadt vs. Dorf: In Städten verteilen sich starke Spieler vielleicht eher über mehrere Vereine - ein funktionierender Dorfverein kann dagegen den Umkreis (10-50km) bedienen. In der Provinz kann man vielleicht auch eher effektive Jugendarbeit machen als in einer Stadt mit vielen anderen Freizeit-Angeboten. Ich gehe hier davon aus, dass Bundesliga-Vereine generell oder meistens einen "österreichischen Kern" haben (inkl. zweite bis fünfte Mannschaft), auch wenn die erste Mannschaft dann mit Ausländern verstärkt wird.

In Frankreich verteilen sich die Topvereine auch sehr ungleichmässig über das Land - http://www.chess-international.de/Archive/40115 . Drei im Grossraum Paris (alles Vorstädte), sechs +- östlich von Paris, zwei am Mittelmeer, nur einer aus dem grossen Rest und Poitiers ist abgestiegen. In Deutschland verteilen sich Bundesligavereine +- gleichmässig über Grosstädte/Ballungsräume und Kleinstädte/ländlicher Raum. Was ist richtig, und was ist falsch??
#2 Krennwurzn 2015-06-20 16:10
Der BIP Vergleich sollte zeigen, dass nicht nur die bevölkerungsreichsten Bundesländer (inkl. Schachspieler) in der Bundesliga wenig vertreten sind, sondern dass bis auf Tirol auch die wirtschaftlich stärkeren Regionen ebenfalls untervertreten sind!

Und beim aktuellen Meister Jenbach sind 3 von 14 Kaderspieler FIDE-Österreicher und wohnen nicht in diesem Bundesland, sind also "innerösterreichische Legionäre" - wobei Kindermann keine Partie gespielt hat und die restlichen zwei jeweils alle 11 Partien!

Österreichischer Kern existiert eher weniger - die einzige Landeshauptstadtmannschaf t Salzburg hat gar keinen Österreicher im Kader.

Link zur Bundesliga auch im Artikel eingefügt:
http://chess-results.com/tnr134964.aspx?lan=0
#3 alexm 2015-06-23 23:49
Eine interessante Betrachtung, vielen Dank dafür!

Zu den letzten beiden Absätzen: die deutsche Bundesliga ist für mich persönlich nicht mehr so spannend, da Baden-Baden eh Meister wird und es auch keinen Abstiegskampf gibt: Die Mannschaften ziehen eher aus finanziellen Gründen zurück. Aufsteigen wollen auch viele nicht. Es ist so schon für die Vereine wenig attraktiv, in der Bundesliga zu spielen, warum sollte es das für die Zuschauer sein?

Eine andere Sache ist die Präsentation. Gucke ich mir ein Team auf schachbundesliga.de an, finde ich Spielerprofile, aber keine Partien zum Nachspielen (die sind wohl im Liveportal), sehe nicht, wie lange die Spieler schon im Verein sind, was die sonst so mitgespielt haben usw. Ist schon besser als vor zehn Jahren, aber so richtig gut ist es nicht.

@Thomas Richter: Schlimm ist das für die meisten Schachspieler sicher nicht. Viele Verantwortliche erwarten aber mehr. Gerade habe ich noch einen alten Artikel zur Schacholympiade Dresden gelesen, mit Vorstellungen, die Mitgliederzahlen um 30% steigern zu können. Wie wir heute wissen, wäre es gut, überhaupt die Mitgliederzahlen halten zu können.

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