Bastian mit Krennwurzn über Olympia, Prinzen und Geld

Liest man sich so durch die Forenwelt, dann hat man schnell den Eindruck, dass der DSB praktisch alles falsch macht, aber blickt man auf die Homepage und diverse Interviews in klassischen Medien, dann ist fast alles in Butter und auch die anstehenden Probleme wurden bzw. werden zur vollen Zufriedenheit erledigt. Eine Erfolgsstory – aber viele unzufriedenen Nörgler, da darf die Krennwurzn natürlich nicht fehlen und schickte dem DSB Präsidenten Herbert Bastian kurzerhand einen Einzeiler mit der Frage „Lust auf ein Krennwurzninterview?“. Die Antwort „Warum nicht?“ schockte die Krennwurzn allerdings dann doch zuerst einmal. Da es zwischen uns schon ein paar Mal kurzen Emailkontakt „off the records“ wie man so schön sagt gegeben hat, ist die Zusage dann auch wieder nicht so überraschend – die Schwierigkeit liegt eher darin, dass die Krennwurzn weiß, dass viel gute Arbeit ungelobt von der Schachöffentlichkeit geleistet wird, sie aber gerade respektlos die unangenehmen Themen ansprechen möchte! Aber lassen wir das Gelaber und stellen wir die erste Frage:

Krennwurzn:
Auch wenn mit der ersten Frage gleich der Weg vom Patrioten zum Idioten erfolgreich absolviert wurde: wie sehen Sie das Abschneiden der Nationalmannschaft ohne geborenen Deutschen in Tromsö?

kf2105220pxBastian:
Die Antwort auf diese Frage kann nicht nur lauten, dass wir mit dem Platz 30 der Männer unzufrieden sind, da möchte ich doch etwas weiter ausholen. Georg Meier ist in Trier aufgewachsen, ich sehe ihn, auch wenn seine Mutter aus Uruguay stammt, als „geborenen Deutschen“. Aber die Tatsache, dass alle anderen mehr oder weniger einen Migrationshintergrund haben, spricht weder für die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems, noch für die Leistungsfähigkeit unseres Ausbildungssystems und auch nicht dafür, dass der Schachsport in Deutschland eine angemessene Wertschätzung erfährt. Das hat zuletzt auch die katastrophale Haltung des Bundesinnenministeriums in der Frage der Leistungssportförderung bestätigt. Dass ich schon länger Reformen im Ausbildungssystem anstrebe, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Leider mangelt es noch an der Umsetzung, weil ich bisher nicht ausreichend mit meinen Forderungen überzeugen konnte. Aber ich bin sicher, dass die Diskussion noch dieses Jahr in Gang kommt und im nächsten Jahr Handlungen folgen werden.

Unsere Männer haben bis zur 9.Runde hervorragend gespielt. Herausragend sind die Siege von Naiditsch über Carlsen und von Meier über Kamsky. Diese zeigen, dass die „Akklimatisierung“ an die Weltspitze durch die Kooperation mit Dortmund und Baden-Baden Früchte trägt. Ein halber Punkt mehr gegen Indien (10.Runde) bringt uns in die Nähe zum Setzplatz 12, ein ganzer Punkt mehr sogar in Medaillennähe. Gegen Australien war die Luft dann wohl raus, obwohl ich mir einen abschließenden Sieg gewünscht hätte. Auffällig ist auch, dass wir kaum Gegner aus der Spitzengruppe hatten. Gegen weniger bekannte Gegner schien die Mannschaft verunsichert zu sein. Wir sind unter den besten 17% und sollten laut Setzliste unter den besten 7% sein.
Anders ist die Situation bei den Frauen mit drei „geborenen Deutschen“. Die Frauen haben einen Durchbruch geschafft und ihre Leistungsfähigkeit deutlich unter Beweis gestellt. Aber ihnen fehlt noch die „Akklimatisierung“, weshalb sie mit dem Druck in der letzten Runde gegen die starken Georgierinnen noch nicht zurechtkamen. Mit dem Frauenschachfestival in Erfurt (24. – 31.8.) und der Deutschen Frauenmeisterschaft in Dresden (17.11. – 25.11.) machen wir wichtige Schritte, um unsere Frauen an ein höheres Niveau zu gewöhnen. Die Frauen haben es unter die besten 7% geschafft, gesetzt waren sie unter den besten 9%.

Krennwurzn:
Ok zu den Frauen möchte ich am Ende des Interviews noch einmal zurückkommen - die wichtigsten Fragen später, um die Spannung aufrecht zu erhalten! Die Krennwurzn möchte ganz sportmen like zuerst einmal ein Nisipeanu-bashing betreiben. Ein teurer Einkauf eines alten 38jährigen mit 2700 und einem Performanceeinstieg von 2550 - damit habe ich alle ungerechten Vorbehalte gegen einen netten Menschen in einen Satz verpackt und es graust mir vor mir selbst, aber dennoch bleibt die Frage übrig: was hat das für einen Sinn und ist das nicht gerade das falsche Zeichen an den Nachwuchs? Hätte ich nicht die Altersmilde meiner 50 Lenze sondern wäre ein heißblütiger 17jähriger Prinz mit Perspektive, würde ich schreien: warum habt Ihr diesen Oldtimer eingekauft und nicht mir eine Chance auf Olympiaerfahrung gegeben?

Bastian:
Der Wunsch zu wechseln ging von Dieter aus, und sein Wechsel wurde von unserem Sponsor begrüßt. Da sich auch die Trainer dafür ausgesprochen haben, hat das Präsidium zugestimmt. Bis zur 9. Runde war in Tromsö alles okay, und wenn Dieter gegen Indien gewinnt, spielen wir um eine Medaille mit. Wegen einer misslungenen Partie und der im Anschluss daran verkorksten Schlussrunde möchte ich noch kein negatives Fazit ziehen. Nun steht eine gründliche Auswertung an. Der Bundestrainer muss entscheiden, wie er weitermachen will. Es ist sicher eine Überlegung wert, unsere Prinzen so schnell wie möglich ins Feuer zu schicken, damit sie eventuell für die nächste Olympiade eine Option werden können.

Krennwurzn:
Ich möchte das Thema nicht an der Person Dieter Nisipeanu aufhängen, sondern die Frage stellen, ob so ein Legionärskauf nicht demotivierend auf die jungen aufstrebenden Spieler wirken kann, wenn ihnen ein "fertiger" Spieler vor die Nase gesetzt wird. Nisipeanu selbst hatte um die 20 auch erst 2400 und stieg dann auf 2600 und mit 29 schließlich auf 2700. Ein junger Spieler könnte sich da denken: diese Entwicklung will und würde ich auch machen, aber mein Verband gibt mir diese Chance nicht, denn Spielstärke und -härte kann ich nur steigern, wenn ich gegen stärkere Gegner antreten kann und genau diese Chance hätte mir eine Olympiateilnahme geboten!

Bastian:
Dieter sehe ich als Sonderfall, weil er schon so lange in Deutschland spielt und selbst den Wunsch zu wechseln geäußert hat. Grundsätzlich halte ich den Einwand für völlig berechtigt. Ob eine demotivierende Wirkung tatsächlich eingetreten ist, entzieht sich meiner Kenntnis. In der Nachbereitung der Olympiade werde ich meine Mitarbeiter um Vorschläge bitten, wie wir unsere besten Nachwuchskräfte noch effektiver und schneller an die Weltspitze heranführen können.

Krennwurzn:
Ok – kommen wir zu den Prinzen: Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir bei uns in Österreich ebenso wie in Deutschland keine wirklich früh starken Spieler haben und diese dann so bei 2600 oder früher hängenbleiben. Sind das strukturelle Schwächen oder haben wir zu wenig ehrgeizige Schachmütter und –väter? Oder sehen es auch die Jungen schon so pragmatisch wie ich: Schach ist ein wunderschönes Hobby, aber sehr riskant als Beruf und planen von Anfang an mit einem Studium oder einer guten Berufsausbildung?

Bastian:
Wir haben viele Talente und viele gute Trainer, deren Leistung ich keinesfalls in Frage stellen will. Dennoch sehe ich in Deutschland strukturelle Schwächen. Um z.B. ein so herausragender Spieler wie Magnus Carlsen zu werden, müssen viele wichtige Faktoren optimal zusammenwirken, und dazu gehört auch nicht Planbares. Verbessern könnte man in Deutschland die flächendeckende Talentsuche und die Talentschulung. Das Thema Motivation müsste aufgegriffen werden, ebenso die Frage der beruflichen Absicherung nach Durchlaufen einer professionellen Schachphase. Auch muss die Akklimatisierung unserer größten Talente an die Weltspitze früher anfangen und systematischer betrieben werden, wie wir es etwa mit den Kooperationen mit Dortmund und Baden-Baden schon begonnen haben. Und es muss eine konkretere Zieldiskussion im DSB geführt werden. Versucht haben wir das schon einmal mit der Vorlage eines Verbandsprogramms, das ohne weitere Diskussion beerdigt wurde. Diese Themen, und es sind nicht die einzigen, werden innerhalb des DSB nicht ausreichend bearbeitet, und das ist eine wesentliche, strukturelle Schwäche. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Österreich ähnliche Probleme gibt. Das pragmatische Denken spielt wohl eine Rolle, aber gerade deswegen ist es wichtig, dass die Verbände Modelle suchen, wie man junge Spieler motiviert und begleitet, bis sie in den Beruf übergehen.

Krennwurzn:
Ich sage auch rund heraus warum das ein Problem ist: für einen Verband verursachen zur Zeit Jugendförderung und Spitzenspieler nur Kosten und kaum Einnahmen! Zudem kommt ja periodisch immer die Frage auf, warum einigen wenigen „so viel“ Geld bei wenig Gegenleistung von der Schachgemeinschaft gezahlt werden soll. Hier bräuchte man kreative Ideen wie Poollösungen und Schaffung einer Marke „Nationalmannschaft“ – das kann aber kein ehrenamtlicher Funktionär leisten! Zudem müsste man den Begriff „Schachprofi“ erst einmal definieren und diesen dann auch vertraglich an den Verband (Pool) binden – so ein System verwendet beispielsweise der sehr erfolgreiche österreichische Skiverband – aber ist sowas im Schach überhaupt denkbar?

Bastian:
Diese Argumentation überzeugt mich nicht. Investition in Jugendliche, die etwas leisten wollen, zahlt sich immer aus. Oft stehen sie in späteren Jahren der Organisation noch immer als Ehrenamtliche zur Verfügung, oder ihre Vorbildwirkung erzeugt einen positiven Sog. Eine Organisation, die nicht in ihren Nachwuchs investiert, programmiert ihren eigenen Tod. Spitzenkönner erzeugen eine sehr wertvolle Langzeitwirkung, ihre Namen geben der Organisation ihr Profil. Und meistens sind sie dauerhaft Leistungsträger. Beispiel nötig? Siehe Deutscher Fußballbund.
Zustimmen möchte ich der Forderung, „kreative Ideen“ wie Poollösung oder Schaffung einer Marke „Nationalmannschaft“ zu entwickeln. Letztgenanntes tun wir bereits in ersten Anfängen. Das Marketing im weitesten Sinne muss im DSB in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden. Professionelles Marketing ist für uns derzeit unbezahlbar, ehrenamtliches nicht machbar weil es einen Fulltimejob erfordert. Wir bewegen uns irgendwo dazwischen und müssen mit Geduld und Zielstrebigkeit in kleinen Schritten Verbesserungen erreichen. Mehr zu erwarten ist derzeit unrealistisch. Ich kann nur sagen, dass wir uns intern diesen Fragen stellen und Lösungen suchen.

Krennwurzn:
Bleiben wir beim Thema Geld – Schach ist zwar ein billiger Sport und dennoch fehlt an allen Ecken und Enden Geld. Nun gehöre ich nicht zu jenen, die glauben, dass man mit Beitragserhöhungen – auch wenn diese in der aktuellen Situation durchaus vernünftig erscheinen – grundsätzliche Probleme lösen kann. Viel wichtiger ist doch das vorhandene Geld sinnvoller auszugeben – ich glaube wir verlieren zu viel Geld an – doppeltes Anführungszeichen – „Hartz IV Profis“. Das klingt in erster Lesung einmal ziemlich hart und abwertend – das ist mir klar, aber es ist nicht so gemeint, denn ich glaube viele davon haben einfach im Streben nach einer Schachkarriere als Profi den „exit point“ übersehen und da schließen sich meine Fragen an: Was kann dafür ein Verband leisten? Wäre es nicht sinnvoll jungen Spielern und Eltern einen Musterbusinessplan an die Hand zu geben, der auch so profane Dinge wie Sozialversicherung, Rentenversicherung, Steuer, etc. beinhaltet und der Jungprofis zeigt wieviel Geld sie einnehmen müssen, um neben anderen Kosten (Trainer, Reise, ...) auch diese zu tragen und ein vernünftiges und gesichertes Einkommen zu erzielen?

Bastian:
Wie jemand sein Leben konzipiert ist eine individuelle Sache, aus der sich der DSB im Allgemeinen heraushält. Mir ist nicht klar, wo Geld an „Hartz IV Profis“ verloren geht!? Ich glaube eher, dass die Leistung dieses Personenkreises für die Schachbewegung und für die Vereine viel zu wenig wertgeschätzt wird. Vieles geschieht doch entweder total unterbezahlt oder sogar ehrenamtlich, wobei ich vor allem an Jugendarbeit oder Fachartikel denke. Ohne diesen Personenkreis, der sich ganz dem Schach verschrieben hat, würde den Vereinen viel verloren gehen. Einen „Musterbusinessplan“ halte ich für eine sehr gute Idee, obwohl auch das nur ein Mosaikstein zu einer (zeitlich begrenzten) Profikarriere ist.

Krennwurzn:
Auch ich möchte niemanden vorschreiben, wie er zu leben hat – ich sehe es so: es gibt im Schach eine gewisse Menge Geld zu verteilen und zu viele an die es verteilt wird, daher ist es schwierig als Profi mit Sozialversicherung und Steuererklärung zu existieren. Meine Intention geht dahin darüber nachzudenken, ob man „lizenzierte Schachprofis“ installieren kann – im Idealfall sogar als Angestellte bei einem Verein. Das könnte für die Profis ein sicheres Auskommen bedeuten und für die Vereine böte sich möglicherweise eine bessere lokale Vermarktbarkeit! Den Begriff „Hartz IV Profis“ sollte man eher durch „Wanderarbeiter“ ersetzen...

Bastian:
„Lizenzierte Profis“ – das ist für mich eine neue Idee und sehr interessant! Das werde ich in meinem Team zur Diskussion stellen, ein weiterer Mosaikstein in diesem Themenfeld!
Etwas anders sehe ich die Frage der Geldverteilung. Ein sehr großer Anteil unserer Mitgliedsbeiträge geht bei uns in die Personalkosten. Auch wenn es unpopulär ist: aus der alltäglichen Arbeit weiß ich, dass diese Kosten unvermeidlich sind, auch wenn wir weniger Personen aus dem angesprochenen Kreis hätten. Das allgemeine Sportgeschehen und das Schachgeschehen insbesondere sind so anspruchsvoll geworden (als zwei Beispiele von vielen nenne ich das relativ neue Thema der Inklusion oder die unsägliche Verrechtlichung im Sport), dass ein Verband wie der Deutsche Schachbund von vornherein eine sehr hohe Grundbelastung hat. Bevor wir Geld in den Spielbetrieb stecken können, müssen zuerst einmal die umfangreichen Hausaufgaben der Sportpolitik erfüllt werden. Ich habe große Zweifel, ob unserer Basis das in vollem Umfang bewusst ist, daher auch das oft anzutreffende Unverständnis gegenüber Beitragserhöhungen, die doch (scheinbar!) nicht als Dienstleistungen an die Basis zurückfließen.
Auch wenn ich mich mit dieser Äußerung vielleicht der Kritik aussetze: Der Deutsche Schachbund benötigt ausreichende Mittel mit Reserven, um z.B. solche Konzepte wie „lizensierte Profis“ aufzugreifen. Solange wir finanziell am Limit leben, ist kaum Spielraum da, um solche komplexen Neuerungen auszuarbeiten und in die Praxis umzusetzen. Wir lähmen uns oft selber.

Krennwurzn:
Für die Basis sind vor allem ein funktionierender Spielbetrieb und eine vernünftige Eloauswertung von wesentlichem Interesse und das klappt doch sehr gut und zusätzlich sind nur sehr wenige sportpolitisch interessiert. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Personalkosten extrem ausgedrückt per se als „persönliche Bereicherung“ oder noch schlimmer als „Korruption“ empfunden werden und im milderen Fall eine Neiddiskussion auslösen. Einen Weltmeistertitel und eine der besten Ligen der Welt gibt es im Fußball ja auch nicht zum Nulltarif – warum sollte das dann im Schach möglich sein? Müsste man als Verband nicht offensiver die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit dieser Kosten kommunizieren und wenn ja - wie?

Bastian:
Mit dieser Forderung wird das Präsidium regelmäßig konfrontiert, und ich halte sie (guten Gewissens) für berechtigt. Die Frage des „Wie“ ist schwerer zu beantworten, weil man sicherstellen muss, dass die gegebenen Informationen ankommen und objektiv betrachtet werden. Zuletzt hat unsere Geschäftsführerin Heike Quellmalz am 30.Mai auf dem Hauptausschuss in Frankfurt den Verbandsvorsitzenden in einem längeren Vortrag dargelegt, welche Aufgaben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle in Berlin erfüllen. Dies geschah in Anwesenheit des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann. Herr Hörmann hat sehr interessiert zugehört und uns die Anregung gegeben, gegebenenfalls im Verwaltungsbereich, nicht aber im Sportbereich zu sparen, wenn wir aus der Leistungssportförderung durch das BMI fallen sollten (was inzwischen überholt ist). Im Präsidium haben wir uns das sehr zu Herzen genommen. Zudem gibt es die Absicht der Landesverbände, im Herbst die Geschäftsstelle zu besuchen und die Verhältnisse persönlich vor Ort zu prüfen. Dem stellen wir uns im Sinne der Transparenz gerne. Diesem Ortstermin und der darauf folgenden Auswertung kann und will ich nicht vorgreifen. Dennoch will ich schon hier meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgezeichneten Einsatz zeigen und nicht an Leerlauf leiden.

Krennwurzn:
Ok – Geduld gehört zwar nicht zu meinen Stärken, aber da müssen die Leser und ich noch ein wenig warten. Was mich persönlich im Themenbereich Geld und Arbeit noch interessiert und oftmals auch verunsichert ist das Spannungsfeld zwischen Ehrenamt, Hobby und professioneller Arbeit. Vom Ehrenamt verlangt man professionelle Arbeit zum Nulltarif – das muss man wohl persönlich akzeptieren, wenn man so ein Ehrenamt annimmt und das funktioniert auf Vereinsebene wohl ganz gut – auf Verbandsebene habe ich manchmal das Gefühl, dass wir die Funktionäre an die Grenze des Leistbaren treiben?

Bastian:
Das ist völlig richtig. Die Funktionäre werden heute oft jenseits der Grenzen des Leistbaren getrieben und müssen zudem noch eigenes Geld investieren. Wobei ihnen von denen, für die sie unbezahlt arbeiten, noch Selbstbereicherung und Korruption vorgeworfen wird.

Krennwurzn:
Es muss doch was in der Kommunikation komplett falsch laufen, damit diese Schieflage zwischen Wirklichkeit und Vorstellung bei den Mitgliedern entstehen kann? Oder ist es simpler Zeitgeist, dass alle oben (Politiker, Manager, Funktionäre, etc. ) als – ich wage es gar nicht zu schreiben – „Gauner“ gesehen werden? Und was kann man dagegen machen und was sagt Frau Bastian dazu, dass ihr Mann viel Zeit für „Schimpf und Schande“ opfert?

Bastian:
Ja, es läuft etwas schief, aber ich kann dazu nur meine persönliche Meinung sagen, ob die zutrifft, müssen andere beurteilen. Ich sehe das Hauptproblem darin, dass zu viel von zu wenigen Leuten hinter verschlossenen Türen besprochen wird. Oft aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Meine persönliche Erfahrung ist, dass man am weitesten kommt, wenn man offen und ehrlich kommuniziert und die Leute in die Entscheidungsprozesse so gut wie möglich einbezieht. Meine Frau kennt meine Motive und respektiert das. Sie weiß, dass ich meine Motivation aus der Liebe zum Schach beziehe und dass mir das niemand nehmen kann.

Krennwurzn:
Offene Entscheidungsprozesse sind auch meiner Meinung nach ein Schlüssel für mehr Verständnis – allerdings muss auch klar sein, dass diese liberale Herangehensweise eine klare Abgrenzung zum Anarchismus hat und daher nicht alles in allen Details in der Öffentlichkeit diskutiert werden kann, weil es neben Persönlichkeitsrechten auch schützenswerte Interna gibt.
Ich möchte zum Abschluss dieses Teils noch eine persönliche Frage zu der entgeltlosen Hobbyarbeit stellen. Wir haben eine sehr aktive Schachszene im Internet mit vielen Foren, Blogs etc. – aber manchmal bin ich mir nicht sicher, ob wir Gratisschreiber nicht professionellen Journalisten Einkommenschancen mindern?

Bastian:
Mit dem ersten Teil bin ich einverstanden, aber Letzteres kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ja nicht so, dass die Ehrenamtlichen den Profis die Arbeit wegnehmen, sondern es ist genau umgekehrt: Überall dort, wo Ehrenamtliche oder Idealisten etwas Neues aufbauen, entstehen noch Beschäftigungsmöglichkeiten für Professionelle.

Krennwurzn:
Ok – so kann man das auch sehen. Ich möchte noch einmal bei der Offenheit etwas nachhaken – leider gab – und wird es auch in Zukunft auch geben – Fälle wo Funktionäre tatsächlich in Korruptionsaffären oder persönliche Vorteilnahme verstrickt waren. Die bisherige pragmatische Vorgehensweise war so gut wie möglich vertuschen und auch aus juristischen Gründen so wenig wie möglich öffentlich zu machen und die Sache hinter verschlossenen Türen so gut wie möglich zu lösen. Schwarze oder graue Schafe gibt es überall, aber sollte man damit in Zukunft offener umgehen oder ist der Preis drohender Gerichtsverfahren dafür einfach zu hoch und zeitaufwendig?

Bastian:
Da kann ich einfach nicht mitreden, weil ich das in meinem Umfeld noch nicht erlebt habe. Soweit ich weiß war der Deutsche Schachbund bisher nicht betroffen. Wahrscheinlich muss man jeden Fall individuell betrachten. Korruption gab es immer und wird es immer geben. Deshalb muss jede Gemeinschaft Regeln, nach denen sie sich organisieren will, und Konsequenzen bei Regelverstößen festlegen. Es ist völlig unrealistisch anzunehmen, dass wir in Deutschland Regeln festlegen können, die in allen 181 Mitgliedsorganisationen der FIDE akzeptiert werden und sinnvoll sind. In der FIDE muss über das Regelwerk gesprochen werden, es entwickelt sich ja jetzt schon kontinuierlich weiter. Doch bei allen Veränderungswünschen muss man stets berücksichtigen, dass Neuerungen nur einvernehmlich nach den jeweils geltenden Regeln beschlossen werden können. Veränderungspotenzial muss stets geduldig ausgelotet und nach viel Überzeugungsarbeit ausgeschöpft werden.

Krennwurzn:
Die Krennwurzn als hobbymäßiger Interviewer, wagt locker die Frage zu stellen, ob der DSB-Präsident zum Themenkomplex Olympia, Prinzen und Geld selbsttätig nicht gestellte Fragen beantworten möchte?

Bastian:
Bekanntlich ist das Schachspiel wie ein See, in dem eine Mücke baden und ein Elefant ertrinken kann. Auf eine offene Frage zu gleich drei so komplexen Themengebieten wähle ich diesmal die Mückenvariante: Tolle Leistung der Frauen mit Luft nach oben, tolle Leistung der Männer, denen beim Zieleinlauf etwas zu früh die Puste ausgegangen ist, Prinzen als Hoffnungsträger, denen ich einen Quantensprung nach oben wünsche, und ein leidiges Thema, das wir nur durch gute sportliche Leistungen in den Griff bekommen werden.

Krennwurzn:
Danke für die Zeit und die offenen Antworten - vielleicht schaffen wir einen zweiten Teil mit den Themen FIDE und Frauen – ich glaube das würde unsere Leser noch interessieren!

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 

Kommentare   

#1 joerg005 2014-08-25 02:14
Begnadete Parodie, durch ein paar eingestreute Normalitäten wirkt sie noch realistischer.
Die Formulierung " Überall dort, wo Ehrenamtliche oder Idealisten etwas Neues aufbauen, entstehen noch Beschäftigungsmöglichkeit en für Professionelle. " ist im Schlussteil grandios.
#2 MiBu 2014-08-26 22:22
Auf der DSB-Website wird das Interview - ohne jeden Hinweis auf "Parodie" - ebenfalls publiziert. Es stellt sich also die Frage: "Real oder Satire"?
Nun, sollte das Satire sein, wirkt sie sehr real; sind Fragen und Antworten aber real, handelt es sich um unfreiwillige Satire...!
#3 Krennwurzn 2014-08-27 11:59
Interessant finde ich, dass ein Präsident einem ihm natürlich bekannten Pseudonym ein Interview gibt, der Webmaster aber eigenmächtig ohne Rücksprache mit keinem von Beiden abändert.

ABER eigentlich wäre eine inhaltliche Diskussion doch viel interessanter ...
#4 alexm 2014-08-27 22:28
Worin seht ihr denn die Parodie oder Satire? Stehe ich so sehr auf dem Schlauch?

@Krennwurzn: Gerne gehe ich auch auf den Inhalt ein. Ich hätte nicht bemerkt, dass in der deutschen Nationalmannschaft der Männer kein gebürtiger Deutscher mitspielt. Das ist doch auch nicht schlimm, oder?

Ansonsten kündigt Präsident Bastian viele gute Dinge an, es scheint aber bisher, wie er selber schreibt, an der Umsetzung zu mangeln. Eine Idee ist jedoch nur dann eine gute, wenn sie auch umgesetzt wird.

Interessant ist der Satz: "Ich sehe das Hauptproblem darin, dass zu viel von zu wenigen Leuten hinter verschlossenen Türen besprochen wird." – Gleichzeitig wird in der Antwort auf die Frage, was denn die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des DSB machen, darauf verwiesen, dass das ja den Verbandsvorsitzenden am 30.05. mitgeteilt wurde. Warum macht man das nicht publik? Auf der DSB-Website finde ich die Geschäftsstelle nicht direkt. Über die Suche klappt es (nach verschiedenen identischen Suchergebnissen, die wohl von einem Hack der Website kommen). Aber ich bin immer noch nicht schlauer, was genau z. B. ein "Sportdirektor" nun für Aufgaben hat.
#5 Krennwurzn 2014-08-28 11:06
@alexm

"nicht in Deutschland geborenen" sollte mit dem Hinweis, dass es vom Patrioten zum Idioten nur ein kurzer Weg ist im 21. Jahrhundert wohl richtig einordbar sein.
Hier sollte die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Einbürgerungen von Sportlern im Vordergrund stehen!
#6 wmlasker 2014-08-28 12:57
Ich habe im Sommer kein Problem damit gehabt, mit Miro Klose, Lukas Podolski oder Mesut Özil zu fiebern. Der WM Sieg hat mir viel Spaß gemacht. Und im Nachwuchsbereich beim DFB sind zahlreiche Kicker mit Migrationshintergrund aktiv und keiner kommt auf die Idee, sie könnten anderen Talenten den Platz nehmen. Reicht es aus, dass man nur einen deutschstämmigen Elternteil hat wie Nisipeanu, dass wir diese Diskussion führen müssen? Was machen wir mit Kindern, deren beider Eltern türkischer Herkunft sind, die Ali heißen aber in Deutschland geboren und aufgewachsen sind? Sind uns die nicht deutsch genug??
Jürgen Klinsmann verstärkt die Nationalmannschaft der USA gezielt mit Spielern, die bisher nicht im Fokus der USA standen aber irgendwo auf der Welt einen amerikanischen Elternteil haben und dann spielberechtigt sind.
Diese Debatte ist in einer multikulturellen Gesellschaft derart fehl am Platze, ...
#7 wmlasker 2014-08-28 13:00
Ich finde übrigens unproblematisch, dass der Interviewer ein Pseudonym verwendet und in anderen Foren auf den damit einhergehenden provokativen Stil verweist. Das gibt dem Interview Pfiff und man liest es, weil es unterhaltsam ist. Dennoch erinnert das Interview mehr an eine Podiumsdebatte, in der beide eine Meinung loswerden wollen. Vielleicht sollte die Krennwurzn in Zukunft auf Interviews verzichten und stattdessen "Streitgespräche" publizieren.
#8 Thomas Richter 2014-08-28 22:20
Die Krennwurzn hat hier ja auch schon 'normale' Interviews veröffentlicht, zumindest eines mit Buhmann. Dieses erinnert eher an eine Talkshow, wo der Gastgeber auch im Mittelpunkt stehen will - mal was anderes ... .

Zur Migrationsdebatte, (fast) jeder Fall liegt anders: Georg Meier (übrigens in Trier geboren) seine uruguayanische Mutter vorzuwerfen ist genauso absurd wie Jan Gustafsson wegen ausländischer Vorfahren (sagte er mal "schwedische Urgrosseltern"?) auszugrenzen. Daniel Fridman kam 1999 mit 23 nach Deutschland, spielte zunächst weiter für Lettland und wurde 2007 deutscher Staats- und Schachbürger. Nach acht Jahren wäre das wohl auch mit einem anderen Beruf möglich, und wenn er dann von der Spielstärke her in die Nationalmannschaft gehört ... . Naiditsch und Baramidze kamen mit zehn oder elf Jahren nach Deutschland, da hatten sie wohl in der alten Heimat bereits eine schachliche Grundausbildung und erste Erfolge hinter sich. Wenn sie dann (zunächst) bei einem Verein anklopfen, soll der sagen "Ihr seid nicht willkommen, wir wollen nur richtige Deutsche"?
Bleibt Nisipeanu. Wenn der DSB seine "Initiativbewerbung" abgelehnt hätte und das kommt raus, wäre es einigen sicher auch nicht recht gewesen!?
#9 Krennwurzn 2014-08-29 08:51
@Migrationsdebatte
Es freuen mich diese Rückmeldungen mit Rückgrat wirklich sehr und ich wünsche mir, dass diese Haltung auch außerhalb des Sports gezeigt wird. Weiteres siehe Posting #5

Die Themen sollten im Mittelpunkt stehen - weder der Gast und schon gar nicht der Gastgeber!
#10 wmlasker 2014-08-29 12:31
Nach meinem Empfinden sollten in einer A-Nationalmannschaft die besten Spieler antreten, die man bekommen kann, also auch Nisipeanu. Offensichtlich war es zu finanzieren (Sponsor) und von der sportlichen Leitung gewünscht.
Hätte man die Prinzen für ähnlich leistungsstark gehalten, wäre wohl keiner bereit gewesen, das Geld auszugeben.
Also kann man jetzt ohne die Spieler und ihre Trainingseindrücke zu kennen ihren Einsatz fordern weil sie Prinzen sind? Oder vertrauen wir dem neuen Bundestrainer, dass er die richtige Entscheidung trifft, wo er ja wohl in engem Kontakt mit den Jungs steht!?
#11 wmlasker 2014-08-29 12:36
Hätte man mit den Prinzen Platz 30 erreicht, hätten Heerscharen von Schlaumeiern von einem gescheiterten, schlecht geplanten Experiment gesprochen. Im besten Fall hätte man gesagt, man hätte die Jungs verheizt.
Heute wissen wir, dass Platz 30 auch ohne Prinzen möglich war und fordern ihre verstärkte Berücksichtigung. Hinterher sind wir halt alle schlauer. Ich bin froh, dass ich die Entscheidung nicht fällen musste, sondern hinterher in Foren mit anderen rumschlaumeiern kann.

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